Handels- und Gesellschaftsrecht

Auslegung des Auftrags zur Entwicklung, Herstellung und Lieferung des Prototyps eines Lastentransportfahrzeuges

Aktenzeichen  18 U 4070/17

Datum:
2.10.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49649
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

Kann der zur Entwicklung, Herstellung und Lieferung des Prototyps eines Lastentransportfahrzeuges (Werkshuttles) verpflichtete Unternehmer bei Vertragsschluss erkennen, dass es für den Besteller von entscheidendem Interesse ist, welche Lasten mit dem zu entwickelnden Werkshuttle transportiert werden können, ist der im Auftrag verwendete Begriff „Aufnahmelast“ dahingehend auszulegen, dass damit allein die maximale Zuladung – ohne das Eigengewicht des Werkshuttles – gemeint ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

26 O 12165/15 2017-11-07 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 07.11.2017, Az.: 26 O 12165/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 123.695,26 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückgewähr geleisteter Zahlungen im Gesamtumfang von 123.695,26 € inklusive Umsatzsteuer für die Entwicklung, Herstellung und Lieferung des Prototyps eines Lastentransportfahrzeuges (Werkshuttles) in Anspruch. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 07.11.2017 Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der begehrten Zinsen stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils verwiesen.
Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten am 13.11.2017 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 12.12.2017, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, hat die Beklagte Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 07.02.2018, eingegangen am 08.02.2018, begründet, nachdem auf ihren Antrag vom 19.12.2017 hin die Berufungsbegründungsfrist bis 13.02.2018 verlängert worden war.
Die Beklagte beantragt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2017 (Az.: 26 O 12165/15) abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 07.02.2018 (Bl. 228/239 d.A.) und 14.09.2018 (Bl. 260/262 d.A.) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 13.03.2018 (Bl. 244/248 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 17.08.2018 (Bl. 249/254 d.A.) Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 14.09.2018 geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
1. Es trifft zwar zu, dass eine vollständige Konfiguration des Schleppfahrzeuges nicht Gegenstand des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs der Beklagten war. Wie im Hinweis vom 17.08.2018 im Einzelnen dargelegt, sind die Willenserklärungen der Parteien gemäß §§ 133, 157 BGB aber dahin auszulegen, dass sich die Beklagte zur Lieferung einer „Stützkupplung mit 2500 kg für Linde eSchlepper P250“ verpflichtet hat. Mit ihrer Bestellung vom 22.05.2012 (Anlage K 7) hat die Klägerin diese zusätzliche, über das Angebot der Klägerin vom 04.05.2012 (Anlage K 4) hinausgehende Leistung verlangt, nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass für das zu entwickelnde Werkshuttle ein Zugfahrzeug mit einer „Stützkupplung mit 2500 kg“ erforderlich sei. Dieses geänderte Angebot hat die Beklagte durch schlüssiges Verhalten angenommen. Es oblag daher nicht der Klägerin, ein Schleppfahrzeug mit der geforderten Eigenschaft bereitzustellen.
2. Mit ihrem erstmals im Schriftsatz vom 14.09.2018 enthaltenen Sachvortrag, dass Linde für das Zugfahrzeug P250 Stützkupplungen nur bis maximal 700 kg anbiete, ist die Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 ZPO präkludiert. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte dies nicht bereits in erster Instanz hätte vortragen können. Die Klägerin hatte sich bereits in der Anspruchsbegründung darauf berufen, dass die Beklagte eine „Stützkupplung mit 2500 kg für Linde eSchlepper P250“ geschuldet habe (a.a.O., S. 7 = Bl. 16 d.A.). Unabhängig davon ist der Hinweis auf das Angebot der Firma … auch in der Sache unbehelflich. Falls die Firma … eine derartige Stützkupplung nicht anbietet, hätte sich die Beklagte gegenüber der Klägerin vertraglich zur Entwicklung und Herstellung einer Stützkupplung mit einer Stützlast von bis zu 2500 kg verpflichtet. Die Beklagte macht nicht geltend, dass diese Verpflichtung auf die Erbringung einer unmöglichen Leistung im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB gerichtet gewesen wäre.
3. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung der Beklagten, dass unter dem Fachbegriff „Aufnahmelast“ – abstrakt – das Eigengewicht des Shuttles zuzüglich der Zuladung zu verstehen sei, ist nicht veranlasst.
Die Beklagte übersieht, dass ihr Angebot vom 04.05.2012 (Anlage K 4) nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen ist, wie es die Klägerin als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 133 Rn. 9 m.w.N.). Für die Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offensichtlich von entscheidendem Interesse, welche Lasten mit dem zu entwickelnden Werkshuttle transportiert werden konnten. In Verbindung mit dem Wortlaut gebietet diese Interessenlage eine Auslegung des verwendeten Begriffs „Aufnahmelast“ dahin, dass damit allein die maximale Zuladung – ohne das Eigengewicht des Werkshuttles – gemeint ist.
Gegen die abweichende Auslegung der Beklagten spricht nicht zuletzt der Umstand, dass im Angebot der Beklagten vom 04.05.2012 (Anlage K 4) das Eigengewicht des Werkshuttles – welches nach den Feststellungen des Sachverständigen … 3,1 t beträgt – an keiner Stelle genannt wird. Die Klägerin hätte somit die Beklagte mit der Entwicklung eines Prototyps für ein Werkshuttle beauftragt, ohne dass dessen maximal zulässige Nutzlast definiert worden wäre. Eine derartige Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien wäre nicht interessengerecht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch, dass das angefochtene Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, findet seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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