Handels- und Gesellschaftsrecht

Auslegung eines Lizenzvertrages

Aktenzeichen  3 U 1454/20

Datum:
13.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29165
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 260

 

Leitsatz

1. Zur Auslegung eines Lizenzvertrags und den – Abrechnungsreife herbeiführenden – Auskunftspflichten eines Lizenznehmers. (Rn. 38 – 41)
2. Die Auskunft muss die Informationen enthalten, die der Lizenzgeber benötigt, um den Lizenzanspruch geltend machen zu können. Der Auskunftsanspruch ist bereits dann erfüllt, wenn eine formal vollständige Rechnungslegung erfolgte, unabhängig davon, ob diese inhaltlich richtig ist. (Rn. 54)

Verfahrensgang

19 O 3791/19 2020-03-26 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.03.2020, Az. 19 O 3791/19, teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1.1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.11.2019, Az. 19 O 3791/19, wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 4.033,89 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 10 Prozentpunkten seit dem 01.10.2015 zu bezahlen.
1.2. Im Übrigen werden das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.11.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen. Der Beklagte trägt jedoch die durch seine Säumnis entstandenen Kosten.
4. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth in der Fassung der Ziffer 1. sind vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 135.650,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
I.
Die Klägerin und die Firma F…(Name der Firma) (im Folgenden Lizenznehmerin), vertreten durch den Beklagten als Geschäftsführer, schlossen am 01.09.2012 einen Lizenzvertrag über die Marke „K…(Name der Marke)“ (Anlage K 1).
– Hierin vereinbarten sie in § 5 Abs. 1 S. 1, dass die Lizenznehmerin eine Lizenzgebühr in Höhe von 7% vom erzielten Netto-Umsatz mit den im Vertrag beschriebenen Produktgruppen zu zahlen habe. Des Weiteren wurde in § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrags für die Jahre ab 2014 ein – nicht zu einer Mindestlizenzzahlung verpflichtender (vgl. S. 4) – jährlicher Erwartungsumsatz von mindestens 1.300.000,00 € vereinbart (vgl. S. 3).
– Die Lizenznehmerin war verpflichtet, der Klägerin monatlich schriftlich Auskunft über die Anzahl und den Nettoverkaufspreis der verkauften Produkte des jeweils abgelaufenen Monats zu erteilen, aufgrund der die Klägerin eine Rechnung erteilt (§ 5 Abs. 2 und 3 des Lizenzvertrags). Der Lizenzgeber war berechtigt, die erteilte Auskunft durch eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüfen zu lassen (§ 5 Abs. 4 des Lizenzvertrags).
– Eine Pflicht zur Zahlung von Lizenzvorauszahlungen enthielt § 5 Abs. 5 des Lizenzvertrages.
Am 28.12.2013 schlossen die Klägerin und die Lizenznehmerin einen Nachtrag zu diesem Lizenzvertrag und änderten darin § 5 Abs. 5 des Lizenzvertrages ab. Danach verpflichtete sich die Lizenznehmerin ab 2014 zu monatlichen Lizenzvorauszahlungen in Höhe von netto 9.500,00 €, zuzüglich Mehrwertsteuer, unter Anrechenbarkeit der Vorauszahlungen auf die tatsächlich angefallenen Lizenzabrechnungen (Anlage K 2).
Am 02.01.2015 stellte die Klägerin der Lizenznehmerin die vereinbarte Jahreslizenzvorauszahlung für die Marke „K…(Name der Marke)“ für 2015 mit einem Betrag von 114.000,00 € netto, 135.660,00 € brutto, in Rechnung (Anlage K 3). Hierauf erfolgten keine Zahlungen durch die Lizenznehmerin. Auskünfte über die Anzahl und den Nettoverkaufspreis der verkauften Produkte erteilte die Lizenznehmerin im Jahr 2015 ebenfalls nicht.
Am 07.10.2015 kündigte die Klagepartei den Lizenzvertrag mit sofortiger Wirkung (Anlage B 3).
Am 08.10.2015, übernahm der Beklagte eine Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage für die Forderung der Klägerin gegen die Lizenznehmerin aus der Vorausrechnung Lizenz „K…(Name der Marke)“ vom 02.01.2015 in Höhe von 135.660,00 € nebst 10% Zinsen seit 01.10.2015 (Anlage K 4).
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 11.10.2018 erklärte dieser die Anfechtung der „Bürgschaftserklärung vom 08.07.2014“ (Anlage B 1).
II.
Das Landgericht erließ am 21.11.2019 ein Versäumnisurteil, in dem es den Beklagten verurteilte, an die Klägerin 135.650,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 10 Prozentpunkten seit dem 01.10.2015 zu bezahlen. Mit Endurteil vom 26.03.2020 erhielt es das Versäumnisurteil vom 21.11.2019 aufrecht.
Zur Begründung führte das Landgericht u.a. aus, dass der Lizenzvertrag dahingehend auszulegen sei, dass die vereinbarten Vorauszahlungen die Wirkung einer Beweiserleichterung für die Klägerin hätten; der Beklagte sei daher dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass für das Jahr 2015 eine im Vergleich zur Vorauszahlungsvereinbarung geringere Lizenzzahlung geschuldet gewesen sei.
Das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.2020 sei verspätet und daher nach § 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen (vgl. auch § 340 Abs. 3 S. 3 ZPO). Es sei daher von dem Vorauszahlungsbetrag i.H.v. 135.650,00 € brutto auszugehen.
III.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein.
Er beantragt,
das am 26.03.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass die Klage unschlüssig sei. Denn der klägerische Sachvortrag erschöpfe sich darin, dass die Vertragsparteien am 28.12.2013 eine Lizenzgebühr in Höhe von 9.500 € netto, beginnend ab 01.01.2014, vereinbart hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Es sei keine Lizenzgebühr in Höhe von monatlich 9.500,00 € netto, sondern Lizenzvorauszahlungen vereinbart worden. Angriffs- und Verteidigungsmittel gegen eine unschlüssige Klage könnten nie verspätet sein.
In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Lizenzvertrag unstreitig durch die Klägerin selbst mit sofortiger Wirkung zum 07.10.2015 gekündigt worden. Ein Anspruch auf 12-monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 9.500,00 € zuzüglich Umsatzsteuer aus dem Lizenzvertrag vom 01.09.2012 könnten der Klägerin daher mangels vertraglicher Grundlage ab dem 07.10.2015 nicht zustehen.
Das Landgericht sei in seinem Urteil außerdem fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Vorauszahlungen die Wirkung einer Beweiserleichterung für die Klägerin hätten. Der Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, die unschlüssige Klage der Klagepartei zu substantiieren.
Darüber hinaus erstrecke sich die Bürgschaftserklärung erkennbar nicht auf Auskunfts- und Rechenschaftspflichten.
Der Beklagte habe, ohne hierzu rechtlich verpflichtet gewesen sein, dennoch im Schriftsatz vom 02.03.2020 Auskunft erteilt. Demnach verbleibe zum 01.01.2015 bis einschließlich 11.11.2015 ein lizenzrelevanter Umsatz aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 57.627,05 €. Unter Berücksichtigung dieser vom Beklagten erteilten Auskünfte schulde der Beklagte allenfalls Lizenzzahlungen in Höhe von 4.033,89 €.
IV.
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Zur Begründung führt sie u.a. aus, dass die vertragliche Auskunftspflicht gemäß § 5 des Lizenzvertrages nur durch den Lizenznehmer, nicht jedoch durch Dritte erfüllt werden könne. Darüber hinaus müsse die Auskunft monatlich erteilt werden und die Bereitschaft enthalten, dass der Lizenznehmer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Einsicht in seine Bücher gewährt. Die durch den Bürgen erteilten Auskünfte würden diesen Anforderungen nicht genügen und daher den Anspruch auf Lizenzvorauszahlungen nicht zum Wegfall bringen. Verdeutlicht werde dies dadurch, dass der Beklagte als Bürge hafte und nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bei einer Stufenklage verpflichtet wäre. Anderenfalls müsse die Klägerin die Auskünfte des Beklagten zu lizenzrelevanten Umsätzen ohne jede rechtliche Möglichkeit der Überprüfung hinnehmen.
Daraus folge auch, dass der Sachvortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.2020 präkludiert sei.
Darüber hinaus beantragt die Klägerin
die Zulassung der Revision.
V.
Der Senat wies mit Beschluss vom 11.08.2020 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2020 auf seine vorläufige Rechtsauffassung hin. Daraufhin stellte die Klägerin im Termin vom 08.09.2020 klar, dass sie ihren Anspruch hilfsweise auf die sich aus einer Auskunft ergebende Lizenz stütze.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Denn die Klagepartei hat aufgrund der vom Beklagten erteilten Auskunft keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Lizenzvorauszahlungen in Höhe von 135.650,00 € (nachfolgend unter Ziffer I.), sondern – auf den Hilfsantrag der Klägerin hin – auf der Basis der lizenzrelevanten Umsätze der Lizenznehmerin einen Anspruch auf Zahlung von 4.033,89 € (nachfolgend unter Ziffer II.).
I.
Die Klagepartei hat keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Lizenzvorauszahlungen in Höhe von 135.650,00 € (brutto).
1. Zwar war die – auf die Zahlung der Lizenzvorauszahlungen gerichtete – Klage zunächst in Höhe von 113.050,00 € (brutto) begründet.
a) Eine Vorausleistung ist die Leistung einer Zahlung im Hinblick auf eine noch nicht bestehende Verbindlichkeit (Fetzer, in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 362 BGB Rn. 18). Als Vorauszahlungen werden damit die Zahlungen bezeichnet, die nicht die vorherige Ausführung und/oder Abrechnung entsprechender Leistungen voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1986 – IX ZR 46/85, juris-Rn. 44).
b) Gemäß § 5 Abs. 2 des Lizenzvertrages war die Lizenznehmerin verpflichtet, der Klägerin monatlich schriftlich Auskunft über die Anzahl und den Nettoverkaufspreis der verkauften Produkte des jeweils abgelaufenen Monats zu erteilen. Erst aufgrund dieser Auskunft hatte die Klägerin eine Rechnung zu erteilen (§ 5 Abs. 3 des Lizenzvertrags). Vor Erteilung der Auskunft bestand gemäß § 5 Abs. 5 des Lizenzvertrages eine Pflicht der Lizenznehmerin zur Zahlung von Lizenzvorauszahlungen. Gemäß dem Nachtrag vom 28.12.2013 betrug die Höhe der monatlichen Lizenzvorauszahlungen 9.500,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.
Unstreitig hatte die Lizenznehmerin keine Auskünfte über die Anzahl und den Nettoverkaufspreis der verkauften Produkte im Jahr 2015 erteilt. Damit war zunächst noch keine Abrechnungsreife eingetreten und die Klagepartei berechtigt, die vereinbarten Lizenzvorauszahlungen einzuklagen. Anders als im Mietrecht besteht vorliegend für die Abrechnungsfrist keine Ausschlussfrist (vgl. § 556 Abs. 3 S. 3 BGB). Folgerichtig stellte die Klägerin am 02.01.2015 der Lizenznehmerin die vereinbarten Jahreslizenzvorauszahlungen für die Marke „K…(Name der Marke)“ für das Jahr 2015 in Rechnung.
c) Am 08.10.2015 übernahm der Beklagte eine Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage für diese Forderung der Klägerin gegen die Lizenznehmerin aus der Vorausrechnung Lizenz „K…(Name der Marke)“ vom 02.01.2015. Die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 11.10.2018 erklärte Anfechtung der Bürgschaftserklärung (Anlage B 1) bezieht sich nicht auf die streitgegenständliche Bürgschaftserklärung, sondern auf die Bürgschaftserklärung vom 08.07.2014 aus dem Parallelverfahren des Senats mit dem Aktenzeichen 3 U 87/20.
d) Der Anspruch auf Zahlung der Lizenzvorauszahlungen bestand jedoch von Anfang an – aufgrund der außerordentlichen Kündigung durch die Klagepartei – nicht für den Zeitraum November bis Dezember 2015. Denn am 07.10.2015 kündigte die Klagepartei den Lizenzvertrag mit sofortiger Wirkung (Anlage B 3). Ab diesem Zeitpunkt kann daher die Klägerin keine Ansprüche mehr aus diesem Vertrag herleiten.
Die Klagepartei hatte daher (ursprünglich) lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Lizenzvorauszahlungen für 10 Monate, somit in Höhe von 95.000,00 € netto, 113.050,00 € brutto.
2. Aufgrund der erteilten Auskunft im Schriftsatz des Beklagten vom 02.03.2020 ist jedoch Abrechnungsreife eingetreten, und die Klagepartei wäre verpflichtet gewesen, auf der Grundlage einer Lizenzgebühr in Höhe von 7% vom erzielten Nettoumsatz gemäß § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrages abzurechnen. Dies ergibt die Auslegung des streitgegenständlichen Lizenzvertrages in Verbindung mit der Bürgschaftserklärung.
a) Zunächst enthielt der Lizenzvertrag in § 5 Abs. 5 S. 3 die Regelung, dass seitens des Lizenznehmers kein Erstattungsanspruch besteht, wenn die tatsächliche jährliche Lizenzabrechnung unter dem Wert der geleisteten monatlichen Lizenzvorauszahlungen bleibt. Der Senat legt den Lizenzvertrag dahingehend aus, dass durch den am 28.12.2013 vereinbarten Nachtrag zum Lizenzvertrag dessen ursprünglicher § 5 Abs. 5 vollständig abgeändert und somit der zunächst in § 5 Abs. 5 S. 3 enthaltene Satz durch den Nachtrag aufgehoben wurde. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Nachtrags, der eine Abänderung von § 5 Abs. 5 des Lizenzvertrags ausspricht, ohne sich auf bestimmte Sätze zu beschränken. Zum anderen ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der Vereinbarung, weil die monatlichen Lizenzvorauszahlungen in der Nachtragsvereinbarung im Vergleich zur bisherigen Regelung deutlich erhöht wurden und es daher im nachvollziehbaren Interesse der Lizenznehmerin lag, dass im Gegenzug diese Lizenzvorauszahlungen keine Mindestlizenz darstellen. Schließlich ist im Rahmen der systematischen Auslegung die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 4 des Lizenzvertrages zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, dass die Parteien des Lizenzvertrages gerade keine Mindestlizenzzahlungen vereinbaren wollten.
b) Der Senat legt darüber hinaus den streitgegenständlichen Lizenzvertrag dahingehend aus, dass der Anspruch des Lizenzgebers auf Lizenzvorauszahlungen erlischt, sobald er die für eine Abrechnung auf der Basis des Jahres-Nettoumsatzes mit dem im Lizenzvertrag beschriebenen Produktgruppen im Sinne von § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrages erforderlichen Informationen hat, auch wenn die Auskunftserteilung nicht in vertragsgerechter Weise erfolgte.
aa) Nach dem Lizenzvertrag war die Lizenznehmerin verpflichtet, der Klägerin monatlich schriftlich Auskunft über die Anzahl und den Nettoverkaufspreis der verkauften Produkte des jeweils abgelaufenen Monats zu erteilen, aufgrund der die Klägerin eine Rechnung erteilt (§ 5 Abs. 2 und 3 des Lizenzvertrags). Die Klägerin hatte daher (ursprünglich) gegen die Lizenznehmerin einen Anspruch auf Auskunftserteilung. Der Zweck dieser Auskunft bestand gemäß § 5 Abs. 3 des Lizenzvertrags darin, dass die Klägerin der Lizenznehmerin eine Rechnung erteilen konnte, in der sie eine Lizenzgebühr in Höhe von 7% vom erzielten Netto-Umsatz mit den im Vertrag beschriebenen Produktgruppen geltend machte. Damit sollte die Auskunft Abrechnungsreife herstellen.
bb) Entsprechend diesem Zweck kann die – die Abrechnungsreife herstellende – Auskunft auch noch im Prozess durch die Zurverfügungstellung von Informationen, die es dem Lizenzgeber ermöglichen, auf der Basis des Jahres-Nettoumsatzes mit den im Lizenzvertrag beschriebenen Produktgruppen im Sinne von § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrages abzurechnen, erteilt werden.
(1) Die Auskunft ist eine Wissenserklärung. Inhaltlich wird sie durch den Zweck der Auskunft festgelegt. Sie muss die Informationen enthalten, die der Berechtigte benötigt, um seinen Anspruch geltend machen zu können, soweit dem nicht der Zumutbarkeitsgesichtspunkt oder andere Grenzen entgegenstehen (Krüger, in MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 260 BGB Rn. 40). So muss der Lizenznehmer eines gewerblichen Schutzrechts über die fällig gewordenen Lizenzgebühren Rechnung legen. Die Pflicht zur Rechnungslegung erstreckt sich auf alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Berechtigten die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihm Ansprüche gegen den Lizenznehmer zustehen (BGH, Urteil vom 17.05.1994 – X ZR 82/92, juris-Rn. 26).
Darüber hinaus bestimmt der Grundsatz von Treu und Glauben den Umfang des Auskunftsanspruchs, beschränkt ihn also und kann ihn sogar ganz entfallen lassen. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Zumutbarkeit. Es ist also stets eine Würdigung einerseits der schutzwürdigen Interessen des Gläubigers und andererseits der notwendigen Anstrengungen des Schuldners, seines Zeit- und Arbeitsaufwandes, vorzunehmen. Beides muss in einem angemessenen Verhältnis stehen (Krüger, MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 259 BGB Rn. 28).
(2) Vor diesem Hintergrund kann es im vorliegenden Fall für die Frage der Herstellung der Abrechnungsreife nicht darauf ankommen, dass die erteilte Auskunft nicht den Anforderungen des Lizenzvertrages entspricht, weil sie entgegen von dessen § 5 Abs. 2 nicht monatlich, jeweils am 1. Tag des Folgemonats, erteilt wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob Sie die Informationen enthält, die die Klägerin als Lizenzgeberin benötigt, um die Lizenzgebühr berechnen und somit den Lizenzanspruch geltend machen zu können. Dies ergibt die Auslegung des streitgegenständlichen Lizenzvertrags.
Die Geltendmachung der (vorläufigen) Lizenzvorauszahlungen entspricht, wenn die Abrechnungsreife erreicht ist, in der Regel nicht dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB). Die Lizenzvorauszahlungen sollen nur vorübergehend eine Sicherheit für den Lizenzgeber darstellen. Mit Abrechnungsreife besteht für den Lizenzgeber kein rechtliches Interesse mehr daran, noch Lizenzzahlungen im Wege der Vorauszahlung für den Abrechnungszeitraum geltend zu machen. Redliche Vertragsparteien, die das Szenario einer verspäteten (und damit nicht mehr vertragsgemäßen) Auskunft durch den Lizenznehmer vorausgesehen hätten, hätten daher eine derartige Auskunft, die alle erforderlichen Angaben, um der Klagepartei die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihr Ansprüche gegen die Lizenznehmerin zustehen, als ausreichend angesehen. Dies ist jedenfalls für den Fall anzunehmen, in dem die Auskunft von einer Person wie dem ehemaligen Geschäftsführer der auskunftspflichtigen Gesellschaft erteilt wird, der zum einen typischerweise Einblicke in die Geschäfte der Gesellschaft und zum anderen – beispielsweise aufgrund einer Bürgschaftserklärung – ein eigenes Interesse an der Auskunftserteilung hat.
Denn mit Eintritt der Abrechnungsreife wandelt sich der Anspruch des Lizenzgebers auf Entrichtung der Vorauszahlungen in einen Anspruch auf Ausgleich des sich aus einer Abrechnung ergebenden Saldos zulasten des Lizenznehmers. Und die Einrede der Abrechenbarkeit kann nicht nur – entsprechend der vertraglichen Regelungen in § 5 Abs. 2 des Lizenzvertrags – durch monatliche Auskünfte ausgelöst werden. Vielmehr ist ausreichend, dass dem Lizenzgeber die notwendigen Informationen vorliegen, um aufgrund der Auskünfte eine Rechnung i.S.v. § 5 Abs. 3 des Lizenzvertrags erstellen zu können.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die vertragliche Regelung, wonach seitens des Lizenznehmers kein Erstattungsanspruch besteht, wenn die tatsächliche jährliche Lizenzabrechnung unter dem Wert der geleisteten monatlichen Lizenzvorauszahlungen bleibt, seit dem Nachtrag vom 28.12.2013 nicht mehr besteht. Auch diese Vertragsänderung spricht dafür, dass die Parteien im Zweifel den Anspruch auf die tatsächliche Lizenzabrechnung und nicht auf die Lizenzvorauszahlungen stützen wollten.
c) Die vom Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.2020 gemachten Angaben sind in Verbindung mit dem vorgelegten Rechnungskonvolut ihrem Inhalt nach geeignet, den lizenzrelevanten Umsatz darzulegen. Sie stellen daher eine hinreichende – und somit zur Abrechnungsreife führende – Auskunft dar.
aa) Der Beklagte legte die getätigten lizenzrelevanten Umsätze unter Vorlage von Unterlagen schlüssig dar.
(1) Der Beklagte legte im Schriftsatz vom 02.03.2020 sämtliche Kontoauszüge der Lizenznehmerin aus dem Jahr 2015 vor (Anlagenkonvolut B 2). Dazu trug er vor, dass es sich bei dem Konto mit der Kto.-Nr. … bei der R…L…(Name/Ort der Bank) um das einzige Geschäftskonto der Lizenznehmerin im Kalenderjahr 2015 handele. Die vorgelegten Kontoauszüge würden mit dem 01.01.2015 beginnen und mit dem 11.11.2015 – dem Ende der Geschäftsbeziehungen der Bank mit der Lizenznehmerin durch Kündigung – enden. Barumsätze habe die Lizenznehmerin im Jahr 2015 nicht getätigt.
Wie auf der ersten Seite der Kontoauszüge ersichtlich ist, wurden vom 01.01.2015 bis 11.11.2015 Guthabenumsätze auf dem Konto in Höhe von 340.915,46 € verbucht. Der Beklagte trägt dazu vor, dass davon ein Betrag in Höhe von 281.288,41 € nicht lizenzrelevant sei. Es handele sich dabei um Erstattungen des Finanzamtes sowie um Darlehen, welche die Herren B…(Name) und F. H. (Name), W. L. (Name) sowie Dr. B. (Name) der Lizenznehmerin noch im Jahr 2015 gewährt hatten. Demnach verbleibe vom 01.01.2015 bis einschließlich 11.11.2015 ein lizenzrelevanter Umsatz aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 57.627,05 €.
(2) Der Beklagte legte darüber hinaus eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für Januar bis Oktober 2015 vor (Anlage B 4). Aus dieser ergeben sich Umsatzerlöse für Januar bis Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 64.344,00 €. Der Beklagte trägt dazu vor, dass es sich dabei um alle Umsätze handeln würde, die in 2015 insgesamt getätigt wurden, und dass darin nicht lizenzrelevante Umsätze in Höhe von 6.716,95 € enthalten seien. Denn am 07.10.2015 sei der Lizenzvertrag von der Klagepartei mit sofortiger Wirkung gekündigt worden (Anlage B 3). Auch daraus ergebe sich ein lizenzrelevanter Nettoumsatz von 57.627,05 €.
Eine Bilanz der Lizenznehmerin für das Kalenderjahr 2015 sei nicht mehr erstellt worden. Aufgrund der drohenden – und im Kalenderjahr 2017 eingetretenen – Insolvenz seien sämtliche geschäftliche Beziehungen gegen Ende 2015 beendet worden. Auch eine Bilanzierung habe zum Ende des Kalenderjahres 2015 nicht mehr stattgefunden.
(3) Ergänzend trägt der Beklagte zu den getätigten Umsätzen vor, dass die Lizenznehmerin im Kalenderjahr 2015 keine lizenzrelevanten Produkte bezogen habe. Sämtliche im Kalenderjahr 2015 generierten Umsätze seien aus Lagerbeständen generiert worden, die noch im Kalenderjahr 2014 beschafft und bezahlt wurden. Im Jahr 2014 habe die Lizenznehmerin von der chinesischen Produktionsfirma insgesamt 9.246 Paar Schuhe erworben (Rechnungen in Anlagen B 6 bis B 8). Aus den Rechnungen ergebe sich ein durchschnittlicher Einkaufspreis der Lizenznehmerin pro Paar Schuhe von ca. 39,00 US-Dollar. Von diesen gelieferten 9.246 Paar Schuhen seien bei der Lizenznehmerin am 31.12.2014 noch 2.990 Paar vorhanden gewesen. Von diesen Schuhen seien 2015 nicht alle verkauft worden. Dies bestätige die Richtigkeit der Zahlen aus den Kontoauszügen und der BWA.
bb) Die vom Beklagten erteilte Auskunft ist aufgrund der nachfolgenden Gesichtspunkte geeignet, den lizenzrelevanten Umsatz darzulegen und führt daher zur Abrechnungsreife.
(1) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass sich die Angaben des Beklagten mit den vorgelegten Unterlagen – insbesondere den Kontoauszügen und der BWA – decken.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Klagepartei unter Vorlage der Bilanz der Lizenznehmerin zum 31.12.2014 vorträgt, dass die Lizenznehmerin zumindest im Jahr 2014 über ein weiteres Konto beim B.(Name der Bank) verfügt habe. Denn zum einen bedeutet dies nicht automatisch, dass dieses Konto der Lizenznehmerin auch im Jahr 2015 zur Verfügung stand. Zum anderen ergibt sich aus der Bilanz, dass auf diesem Konto ein Betrag in Höhe von lediglich 34,25 € verbucht war.
Gleiches gilt für die von der Klagepartei vorgelegte Rechnung der Lizenznehmerin vom 23.10.2014. Zwar ergibt sich aus dieser, dass die Lizenznehmerin den Rechnungsempfänger anwies, den Rechnungsbetrag in Höhe von 69,56 € an eine Drittfirma zu bezahlen, weil die Forderung im Rahmen eines Factoringsvertrages abgetreten worden sei. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass im Jahr 2015 ebenfalls lizenzrelevante Zahlungen an Drittfirmen erfolgten.
(2) Die Klagepartei hat dieses Vorbringen mit Nichtwissen bestritten. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Denn die Klägerin macht einen Zahlungsanspruch geltend und ist daher grundsätzlich für das Vorliegen der dafür notwendigen Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch bereits dann nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt ist, wenn eine formale Rechnungslegung erfolgt ist, unabhängig davon, ob diese inhaltlich richtig ist (Röver, in BeckOGK, 01.05.2020, § 259 BGB Rn. 31). Lediglich in Fällen erkennbar unvollständiger Auskunftserteilung steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Ergänzung der Auskunft zu (OLG Oldenburg, Urteil vom 18.02.1992 – 5 U 109/91, juris-Rn. 31). Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn in der Aufstellung bestimmte sachlich oder zeitlich abtrennbare Teile völlig fehlen (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.1984 – X ZR 34/83). Ist die Auskunft hingegen lediglich materiell unrichtig, insbesondere lückenhaft oder unvollständig, weil aufzunehmende Posten fehlen, kommt wegen der Erfüllungswirkung grundsätzlich kein Anspruch auf ergänzende Auskunft in Betracht (Artz, in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 260 Rn. 16a). Als einzige abschließende und erschöpfende Sanktion zur Sicherstellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der mitgeteilten Rechnung bzw. der Auskunft steht dem Gläubiger die Abgabe einer Versicherung an Eides Statt nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB zu. Es handelt sich dabei um das einzige gesetzlich gegebene Zwangsmittel zur Erzielung einer richtigen und vollständigen Auskunft (BGH, Urteil vom 03.07.1984 – X ZR 34/83, juris-Rn. 12).
(3) Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lizenznehmerin mittlerweile insolvent ist und die Ansprüche bereits vor mehr als 4 Jahren entstanden sind.
Der Beklagte trägt insoweit unbestritten vor, dass sich aufgrund der Insolvenz keinerlei Unterlagen mehr bei ihm befinden würden. Der damalige Vermieter der Lizenznehmerin habe nach Eintritt der Insolvenz sämtliche Unterlagen in den Geschäftsräumen der Lizenznehmerin entsorgt. Der damalige Vermieter habe weder die Lizenznehmerin, deren Geschäftsführer, noch den zuständigen Insolvenzverwalter hierüber informiert.
Darüber hinaus ist es für den Senat auch stimmig, dass die Lizenznehmerin im Jahr 2015 nur noch geringe Umsätze generierte. Schließlich kündigte die Klagepartei selbst den Lizenzvertrag am 07.10.2015 unter Hinweis auf die nicht erreichten Umsatzziele mit sofortiger Wirkung. Bereits zu diesem Zeitpunkt drohte die Insolvenz. Mit Beschluss vom 16.05.2018 wurde das Insolvenzverfahren sodann mangels Masse abgewiesen.
d) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Auskunftserteilung nicht durch die Lizenznehmerin, sondern durch den Beklagten als Bürgen erfolgte.
aa) Zwar ist zweifelhaft, ob der Beklagte als Bürge die gleichen Auskunftspflichten wie die Lizenznehmerin hat.
Eine Bürgschaftserklärung muss den Verbürgungswillen ausdrücken sowie die fremde Schuld, für die gebürgt werden soll, in einer wenigstens individuell bestimmbaren Weise bezeichnen. Auch die von § 766 BGB für die Bürgschaft geforderte Schriftform erstreckt sich auf diese Bestandteile der Erklärung. Sie brauchen sich zwar nicht zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Urkunde zu ergeben. Jedoch muss sich schon aus dem Urkundeninhalt selbst ein zureichender Anhaltspunkt für eine entsprechende Auslegung ergeben. Bleiben trotz einer entsprechenden Auslegung Zweifel, auf welche Hauptschuld sich die Bürgschaft bezieht, gehen diese zu Lasten des Gläubigers (BGH, Urteil vom 05.01.1995 – IX ZR 101/94, juris-Rn. 5).
Im vorliegenden Fall bezog sich die Bürgschaftserklärung des Beklagten auf „die Forderung der Klägerin gegen die Lizenznehmerin aus der Vorausrechnung Lizenz „K. (Name der Marke)“ vom 02.01.2014 in Höhe von 135.660,00 € nebst 10% Zinsen seit 01.10.2015“. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass der Beklagte lediglich für eine Zahlungspflicht einstehen wollte, also der Klägerin lediglich das Risiko der Insolvenz der Lizenznehmerin, aber nicht das allgemeine Risiko der Feststellung und des Nachweises der gesicherten Forderung abnehmen wollte.
bb) Darauf kommt es jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise an. Denn in diesem Rechtsstreit ist nicht die Pflicht zur Auskunftserteilung streitgegenständlich. Vielmehr macht die Klagepartei einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten als Bürgen geltend, und es ist zu prüfen, ob durch die von diesem erteilte Auskunft der Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vorauszahlungen untergeht. Dem Bürgen muss es nach Maßgabe der nachfolgenden Gesichtspunkte möglich sein, Abrechnungsreife herbeizuführen.
In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass der in Anspruch genommene Bürge kein Dritter i.S.v. § 267 BGB ist. Ein Fall des § 267 BGB liegt aber nach allgemeiner Ansicht nicht vor, wenn der Dritte an den Gläubiger zur Tilgung einer eigenen, ihm diesem gegenüber obliegenden Schuld leistet, insbesondere als Mitschuldner oder Bürge (BGH, Urteil vom 15.06.1964 – VIII ZR 305/62, BGHZ 42, 53-59, Rn. 30). Demzufolge muss es dem Bürgen auch möglich sein, die dem Vertragspartner zustehenden Einwände – wie vorliegend der Einwand der Abrechnungsreife – geltend zu machen. Jedenfalls hätten redliche Vertragsparteien bei Abschluss des Lizenzvertrags eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass der Bürge zur Geltendmachung eines derartigen Einwands in die Lage versetzt wird.
Zum anderen ist die Vorschrift des § 767 Abs. 1 S. 1 BGB zu beachten, wonach für die Verpflichtung des Bürgen der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend ist; es gilt auch insoweit der Grundsatz der Akzessorietät. Aufgrund dessen darf der Bürge nicht schlechter gestellt werden als der Lizenznehmer. Dies muss auch für den vorliegenden Fall gelten, in dem der Beklagte aus einer Bürgschaft für eine Forderung gegenüber der Lizenznehmerin in Anspruch genommen wird.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte der Geschäftsführer der Lizenznehmerin – einer GmbH – war. Auch diese hätte daher im Zweifel durch ihr Organ gehandelt und die Auskunft erteilt.
e) Die durch die Auskunftserteilung eingetretene veränderte Rechtslage stellt ein die materielle Rechtslage veränderndes Ereignis dar. Bezüglich der dieser zugrundeliegenden Auskunft ist auch keine Präklusion eingetreten. Denn es handelt sich nicht um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel im prozessrechtlichen Sinn, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst schafft oder beseitigt und alsdann in den Prozess einführt (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2003 – VII ZR 335/02, juris-Rn. 17; BGH, Urteil vom 06.10.2005 – VII ZR 229/03, juris-Rn. 11). Denn das Prozessrecht dient dazu, das materielle Recht zu verwirklichen, nicht hingegen, dessen Durchsetzung vermeidbar zu behindern (BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 212/17, BGHZ 220, 77-90, Rn. 27).
II.
Die Klagepartei hat im Termin vom 08.09.2020 klargestellt, dass sie ihren Anspruch hilfsweise auf die sich aus einer Auskunft ergebende Lizenz stütze. Entsprechend steht ihr aufgrund der vom Beklagten erteilten Auskunft über die lizenzrelevanten Umsätze ein Anspruch auf Zahlung von 4.033,89 € zu. Denn sie ist für Höhe des lizenzrelevanten Umsatzes der Lizenznehmerin beweisbelastet und bleibt beweisfällig dafür, dass ihr ein Anspruch von über 4.033,89 € zusteht.
1. Die Klägerin ist für die Höhe des lizenzrelevanten Umsatzes der Lizenznehmerin, aus der sie ihren Klageanspruch hilfsweise errechnet, beweisbelastet.
a) Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen muss die Klägerin die ihr günstige Tatsache beweisen, dass ihr ein Lizenzzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht.
b) Eine Beweiserleichterung ergibt sich nicht aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Lizenznehmerin.
aa) Die vereinbarten Vorauszahlungen führen nicht dazu, dass der Beklagte dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass für das Jahr 2015 eine im Vergleich zur Vorauszahlungsvereinbarung geringere Lizenzzahlung geschuldet war.
Eine Vorauszahlungsvereinbarung führt nicht zu einer Beweislastumkehr. So verbleibt beispielsweise die Darlegungs- und Beweislast für die Zahlung von Stromnetznutzungsentgelt beim Netzbetreiber, wenn der Nutzer nur Abschlags- oder Vorauszahlungen in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erbracht hat (BGH, Urteil vom 22.07.2014 – KZR 27/13, juris-Rn. 15). Auch im Werkvertragsrecht muss der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (BGH, Urteil vom 08.01.2015 – VII ZR 6/14, juris-Rn. 15). Gleiches gilt bei Vorauszahlungen für Betriebskosten nach § 556 Abs. 3 BGB.
Die gleichen Grundsätze gelten in Bezug auf den streitgegenständlichen Lizenzvertrag. Die Vereinbarung der Vorausleistungspflicht der Lizenznehmerin im Nachtrag zum Lizenzvertrag vom 28.12.2013 bezog sich lediglich auf das Risiko der Durchsetzbarkeit der Forderung. Es sollten damit aber – wie bei einer Vorausleistungspflicht üblich – keine Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zur Forderungshöhe verbunden sein. Denn es ist im Rahmen der Auslegung des Vertrags davon auszugehen, dass die Parteien bei der Verwendung des Begriffs der „Lizenzvorauszahlungen“ die übliche Begrifflichkeit i.S. der obigen Rechtsprechung meinten.
Dieses generelle Auslegungsergebnis wird im konkreten Fall durch den Wortlaut des Lizenzvertrags bestätigt: Zum einen ist der Zusatz „unter Anrechenbarkeit der Vorauszahlungen mit den tatsächlich angefallenen Lizenzabrechnungen“ zu beachten. Diese Regelung verdeutlicht, dass die Klägerin trotz der Vorauszahlungen zur Erteilung einer Rechnung auf der Grundlage der Auskünfte der Lizenznehmerin verpflichtet war, und der Lizenzanspruch erst nach der Rechnungserteilung fällig war. Zum anderen ergibt sich aus der Regelung in § 5 Abs. 1 des Lizenzvertrags, dass eine Mindestlizenz nicht geschuldet ist.
bb) Eine Beweiserleichterung zugunsten der Klagepartei kann auch nicht aus dem vereinbarten Erwartungsumsatz hergeleitet werden. Denn der Lizenzvertrag enthält die ausdrückliche Regelung, dass dieser Erwartungsumsatz nicht zu einer Mindestlizenzzahlung verpflichtet.
cc) Eine Beweislastumkehr ist schließlich auch nicht aufgrund der vertraglich vereinbarten und nicht erfüllten Auskunftspflicht der Lizenznehmerin anzunehmen. Denn die vom Beklagten vorgelegten Rechnungen und gemachten Angaben stellen eine hinreichende Auskunft dar, die zur Abrechnungsreife führt (vgl. die obigen Ausführungen unter Ziffer B.I.2.).
2. Die Klägerin ist beweisfällig dafür geblieben, dass ihr ein Anspruch von über 4.033,89 € zusteht.
a) Der Beklagte ist den ihm prozessual obliegenden Darlegungsanforderungen gerecht geworden.
aa) Nach der im Zivilprozess geltenden Verhandlungsmaxime ist es in erster Linie den Parteien überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht auch die Regelung der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess. Ob eine Partei Ansprüche gegen die andere auf Erteilung von Auskünften, Rechnungslegung, Herausgabe von Unterlagen usw. hat, ist eine Frage des materiellen Rechts. Dieses enthält darüber eine Reihe ausdrücklicher Vorschriften; zudem kann je nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses und der Interessenlage der Gesichtspunkt von Treu und Glauben solche Pflichten rechtfertigen. Eine allgemeine Auskunftspflicht kennt das materielle Recht jedoch nicht, und es ist nicht Aufgabe des Prozessrechts, sie einzuführen. Es bleibt vielmehr bei dem Grundsatz, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH, Urteil vom 11.06.1990 – II ZR 159/89, juris-Rn. 9).
Der Grundsatz der vollen Darlegungslast des Klägers bedarf jedoch dann einer Einschränkung, wenn der Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während dem Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 19.02.2014 – I ZR 230/12, juris-Rn. 14). In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 239/06, juris-Rn. 16).
Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Beklagten, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, juris-Rn. 18). Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Vorlage von Urkunden und anderen Unterlagen (Greger, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vorb. zu § 284 Rn. 34).
bb) Im vorliegenden Fall genügt der Beklagte mit den Ausführungen zu den lizenzrelevanten Umsätzen seiner sekundären Darlegungslast. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter B.I.2. Bezug genommen.
b) Die Klägerin hat keinen Beweis für die Tatsache angeboten, dass der lizenzrelevante Umsatz der Lizenznehmerin einen Betrag von 57.627,05 € übersteigt. Vielmehr bestreitet sie lediglich den entsprechenden Vortrag des Beklagten und rügt den Vortrag als verspätet. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend.
3. Der tenorierte Anspruch in Höhe von 4.033,89 € ist auch fällig. Die Klagepartei war gegenüber der Lizenznehmerin zwar nach § 5 Abs. 3 des Lizenzvertrags verpflichtet, auf der Grundlage der Auskunft eine Rechnung zu erteilen. Der Beklagte hat jedoch kein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
III.
Die Umstellung der Klage auf Geltendmachung von Vorauszahlungen zur Klage auf die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge unterfällt § 264 Nr. 3 ZPO entsprechend (BGH, Urteil vom 16.06.2010 – VIII ZR 258/09, juris-Rn. 22). Damit liegt Streitgegenstandseinheit vor (vgl. Vollmkommer, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Einl. Rn. 71). Denn Ziel der Klage ist jeweils die Geltendmachung des sich aus dem streitgegenständlichen Lizenzvertrag errechnenden und damit auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt beruhenden Betrags.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 344 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO bestimmt.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebietet die Fortbildung des Rechts eine Zulassung der Revision. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist (st. Rspr.; BGH Beschluss vom 25.8.2020 – VIII ZR 59/20, BeckRS 2020, 23248 Rn. 10 m.w.N., beck-online). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Beantwortung der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen hängt, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, von den Umständen der hier konkret zu beurteilenden Vertragsgestaltung ab. Es handelt sich – da die Auslegung des streitgegenständlichen Lizenzvertrags maßgeblich ist – um eine Einzelfallentscheidung. Ein darüber hinausgehender abstrakt genereller Klärungsbedarf ist nicht ersichtlich. Die der tatrichterlichen Würdigung des Senats zugrunde liegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben