Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Rechtsmittel, Verletzung, Kenntnis, Sicherung, Bedeutung, Zusammenhang, Teilnahme, Anlage, Feststellung, Rechtssache, Girokonto, Verhandlung, Vollstreckbarkeit, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  17 U 1223/21

Datum:
30.6.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54240
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

17 U 1223/21 2021-05-26 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021, Aktenzeichen 22 O 5272/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 53.829,72 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Darlehensrückzahlungsansprüche geltend.
I. Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts. Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die Schriftsätze des Beklagten im Berufungsrechtszug und bezüglich der Berufungsanträge auf den Schriftsatz des Beklagten vom 04.05.2021 (dort S. 1, Bl. 168 d. A.).
II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021, Aktenzeichen 22 O 5272/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 26.05.2021 wird Bezug genommen. Der Schriftsatz des Beklagten vom 24.06.2021 (Bl. 200/206 d. A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten war das Kündigungsrecht der Klägerin nicht verwirkt. Die Klägerin hat die Geschäftsverbindung nicht gekündigt, weil der Beklagte mit Schreiben vom 05.09.2018 (Anlage B …) Buchungen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an Glücksspielen standen, widersprochen hat, sondern weil der Beklagte trotz entsprechender Aufforderungen, die Kontoüberziehungen auf seinem Girokonto nicht zurückgeführt hat. Die Kündigung erfolgte völlig unabhängig von dem Schreiben des Beklagten vom 05.09.2018 und da die Klägerin auf das Schreiben des Beklagten vom 05.09.2018 noch nicht einmal reagiert hat, geschweige denn in Aussicht gestellt hat, die Buchungen wie vom Beklagten verlangt, rückgängig zu machen, sondern der Kontokorrent unter Berücksichtigung der Belastungen weitergeführt wurde, bestand für den Beklagten auch keinerlei Veranlassung anzunehmen, die Klägerin würde auf die Zahlungen verzichten und die Geschäftsbeziehung unverändert fortführen.
2. Dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV nicht zur zivilrechtlichen Nichtigkeit der Zahlungsautorisierung führt, wurde mit Beschluss vom 26.05.2021 (dort Ziffer 2 A)) dargelegt. Soweit ersichtlich, wurde dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher nicht anders gesehen und auch aus dem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport ergibt sich nichts anderes. Da der Glücksspielstaatsvertrag in der derzeit geltenden Fassung ohnehin nur noch bis zum 30.06.2021 gilt, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.
3. Soweit der Beklagte rügt, der Senat sei nicht darauf eingegangen, dass es auf eine etwaige Kenntnis der Klägerin von Zahlungen im Zusammenhang mit illegalem Online-Glücksspielen nicht ankomme, wird darauf hingewiesen, dass der Beklagte diese Auffassung darauf stützt, dass die Zahlungsaufträge gemäß § 134 BGB nichtig seien, was nach Auffassung des Senats nicht zutreffend ist.
4. Wie bereits im Beschluss vom 26.05.2021 ausgeführt, handelt es sich bei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV nicht um ein Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB, weil die bloße Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel nicht mit den Schutzvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 826 BGB vergleichbar ist. Der Gesetzgeber hat sich gegen eine allgemeine deliktische Haftung für primäre Vermögensschäden entschieden hat. Der Vermögensschutz wird im deliktischen Haftungssystem grundsätzlich nur durch § 826 BGB gewährleistet. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch eine ausufernde Annahme von Schutzgesetzen und die Vorverlagerung des Schutzes, den § 823 Abs. 1 BGB für bestimmte Rechtsgüter gewährt, unterlaufen werden (BGH NZG 2008, 477 Rn. 20).
5. Soweit das Landgericht irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Beklagte sich nicht gegen die geltend gemachten Forderungen der Klägerin insgesamt wendet, sondern nur in von 26.457,72 €, obwohl der Beklagte dargelegt hat, dass seiner Meinung nach Abbuchungen in Höhe von insgesamt 56.796,38 € für illegale Online Glücksspiele zu Unrecht erfolgt seien (vgl. Anlagen B … und B …), beruht die erstinstanzliche Entscheidung nicht auf diesem Fehler, da die Kontobelastungen für die Zahlungen an die Online-Glücksspielanbieter, wie dargelegt, zu Recht erfolgt sind.
6. Das Landgericht hat auch die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nicht verkannt. Da der Beklagte die Zahlungen wirksam autorisiert hat (§ 675j Abs. 1 Satz 1 BGB), stand der Klägerin grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c Abs. 1, 670 BGB zu. Die Beweislast dafür, dass für die Klägerin offensichtlich und liquide beweisbar war, dass den Vertragsunternehmen gegen den Beklagten keine Forderung aus dem Valutaverhältnis zustand, trägt der Beklagte. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nach seinem Vortrag nicht ausgegangen werden.
7. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. Die Klage ist unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in beiden Instanzen begründet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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