Handels- und Gesellschaftsrecht

Divergenzrüge bei Darlehenswiderruf

Aktenzeichen  19 U 2225/19

Datum:
13.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44900
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BGB § 242, § 495

 

Leitsatz

1. Es besteht zur Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 28.05.2019 – 9 U 77/18 –  keine Divergenz im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, da das Oberlandesgericht Düsseldorf seine Entscheidung ausschließlich darauf stützte, dass die Rechte des Klägers zum Widerruf seiner auf den Abschluss der beiden Darlehensverträge gerichteten Widerrufserklärungen im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs bereits verwirkt gewesen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anlass, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, besteht nur, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

40 O 11421/18 2019-04-04 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.04.2019, Aktenzeichen 40 O 11421/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 45.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs eines Darlehensvertrages, mit dem er den Kauf eines Kraftfahrzeuges finanziert hat, und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 04.04.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, welcher beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I, Urteil vom 04.04.2019, Az.: 40 O 11421/18 – wird aufgehoben und die Beklagte nach Maßgabe der nachfolgenden Anträge kostenpflichtig verurteilt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 45.659,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.04.2018 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs …, Fahrgestellnummer …, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 2.514,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.07.2019 (Bl. 327/354 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 12.08.2019 teilte der Kläger mit, er vertrete eine zur Auffassung des Senats abweichende Rechtsauffassung, welche er nur wiederholen könnte. Zudem ist er der Ansicht, dass im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (9 U 77/18) die Revision zuzulassen sei.
Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 40 O 11421/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 12.07.2019, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält. Da eine sich mit den Argumenten des Senats inhaltlich auseinandersetzende Stellungnahme nicht eingegangen ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen.
Entgegen der Auffassung der Berufung steht § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO einer Entscheidung des Senates nach § 522 Abs. 2 ZPO weiterhin (vgl. die bisherigen Ausführungen in der Hinweisverfügung vom 12.07.2019, S. 26/28, Bl. 352/584 d. A.) nicht entgegen.
Insbesondere liegt kein Fall des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO vor, da in der Entscheidung kein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 10; Beschluss vom 29.05.2002 – V ZB 11/02; Beschluss vom 01.10.2002 – XI ZR 71/02; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 mwN; Beschluss vom 09.07.2007 – II ZR 95/06, Rn. 2).
Der Senat weicht in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder von obergerichtlicher Rechtsprechung, die das mit Divergenz anders sehen würde, ab.
Soweit die Berufung im Schriftsatz vom 12.08.2019 auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.05.2019 – 9 U 77/18 – rekurriert, besteht keine Divergenz im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO, da das Oberlandesgericht Düsseldorf seine Entscheidung ausschließlich darauf stützte, dass die Rechte des Klägers zum Widerruf seiner auf den Abschluss der beiden Darlehensverträge gerichteten Widerrufserklärungen im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs bereits verwirkt gewesen waren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2019 – 9 U 77/18, Rn. 21, 33 ff.), und aus diesem Grund die Berufung zurückwies. Die klägerseits zitierten Ausführungen in den Rn. 24 bis 32 des Urteils waren hingegen für die Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht tragend und nicht entscheidungserheblich. Zudem handelt es sich bei den dortigen Ausführungen nicht um abstrakte Rechtsfragen, sondern um Tatsachenfragen, die der 9. Zivilsenat des OLG Düsseldorf „in der vorliegenden Konstellation“ ausgelegt hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2019 – 9 U 77/18, Rn. 29). Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 15; Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02). Dies ist nach Ansicht des Senats und – soweit bekannt – erkennbar auch der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte nicht der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert bis zu 45.000,00 € für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, §§ 3, 4 ZPO anhand des Nettodarlehensbetrages von 43.500,00 € bestimmt.


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