Handels- und Gesellschaftsrecht

Europarechtswidrigkeit des Verbots der Unterschreitung der Mindestsätze für Architektenhonorar

Aktenzeichen  9 U 2001/19 Bau

Datum:
7.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19546
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Dienstleistungs-RL Art. 15
HOAI § 7 Abs. 1, Abs. 3 (idF bis zum 31.12.2020)

 

Leitsatz

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage, ob die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (NJW 2019, 2529) nur den deutschen Gesetzgeber bindet oder auch unmittelbar die Parteien eines laufenden Rechtsstreits, bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass in laufenden Prozessen die HOAI-Mindestsätze nicht mehr gelten und auch nicht die Formvorschriften der HOAI. Die Dienstleistungsrichtlinie der EU dürfte nicht nur den nationalen Gesetzgeber binden, sondern auch die Exekutive und die Judikative. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 U 2001/19 Bau 2019-10-31 OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Infolge Rücknahme hat die Klägerin ihr Rechtsmittel verloren.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 162.116,64 € festgesetzt.

Gründe

Der Senat weist darauf hin, dass der klagenden Architektin kein Anspruch auf Aufstockung des im April 2016 vereinbarten Pauschalhonorars von 107.100 € brutto (Anlage B 4) um weitere 162.116,64 € brutto nach HOAI-Mindestsätzen der beauftragten Leistungsphasen 1 – 8 zustehen dürfte.
Die Rechtsfrage, ob die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (NJW 2019, 2529) nur den deutschen Gesetzgeber bindet oder auch unmittelbar die Parteien eines laufenden Rechtsstreits, ist vom BGH nicht entschieden worden, sondern durch Beschluss vom 14.05.2020 (Az. VII ZR 174/19) dem EuGH vorgelegt worden.
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage bleibt der Senat bei seinen Hinweisen vom 31.10.2019. Danach gelten in laufenden Prozessen die HOAI-Mindestsätze nicht mehr und auch nicht die Formvorschriften der HOAI (vgl. OLG Celle BauR 2020, 1014). Die Dienstleistungsrichtlinie der EU dürfte nicht nur den nationalen Gesetzgeber binden, sondern auch die Exekutive und die Judikative (Fuchs, Unmittelbare Rechtsfolgen des HOAI-Urteils des EuGH, BauR 2020, 348, 354 m.w.N.).
Vorliegend dürften diese Rechtsfragen aber nicht entscheidend sein, weil das Aufstockungsverlangen der Klägerin praeter legem als treuwidrig erscheint. Selbst wenn man nur den nationalen Gesetzgeber als gebunden und die HOAI bis auf weiteres als wirksam ansieht, nutzt die Klägerin die klare Pflichtverletzung der Bundesrepublik Deutschland aus, um ihren Anspruch zu begründen. Die Berufung auf eine solche irreparabel europarechtswidrige Anspruchsgrundlage erscheint treuwidrig.
Eine weitere Treuwidrigkeit dürfte darin liegen, dass die Klägerin sich mit ihrem Anspruch über ihre eigene gravierende Vertragspflichtverletzung gegenüber dem beklagten Bauherrn hinwegsetzen würde: Sie hat ihn als Sachwalterin nicht richtig und fortlaufend über die zu erwartenden Kosten des Projekts informiert. Sie hat noch bis zu der Schlussrechnung bezüglich der letzten Rate des Pauschalhonorars vom 01.09.2016 den Eindruck erweckt (Anlage B 5), damit sei ihr Anspruch abschließend beziffert. Erst mit der neuen Schlussrechnung vom 28.07.2017 hat sie lange nach Abschluss ihrer Tätigkeit im Jahr 2016 weitere 162.116,64 € verlangt (Anlage K 4).


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