Handels- und Gesellschaftsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Fetstellungsklage über Ausschließungsbeschluss bei möglicher Erhebung der Ausschließungsklage

Aktenzeichen  13 HK O 19353/18

Datum:
17.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 48538
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbHG § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 2, Abs. 3, § 46
AktG § 241 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für jede Klage ist, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Zu verneinen ist das Rechtsschutzbedürfnis dagegen, wenn der Kläger sein Ziel auch ohne den begehrten Titel erreichen kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehlt eine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters und zur Einziehung seines Geschäftsanteiles in der Satzung der Beklagten, kann ein Kläger dieses Ziel nur durch einen Erfolg in einer Ausschlussklage erreichen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. In dem Sonderfall einer Zweipersonengesellschaft lässt die herrschende Rechtsprechung zum einen zu, dass eine Ausschließungsklage durch einen Gesellschafter persönlich und nicht durch die Gesellschaft selbst geführt werden muss. Zum anderen bedarf es bei einer Zweipersonengesellschaft keines Gesellschaftsbeschlusses vor Erhebung dieser Klage. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Beschluss über den Ausschluss des Gesellschafters und die Einziehung seines Geschäftsanteiles ist in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgeltes nicht ausreicht. Diesem Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteiles steht das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 GmbHG entgegen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten des Nebenintervenienten zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist bereits unzulässig.
Das Landgericht München I ist sachlich und örtlich zuständig. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen folgt aus § 95 I Nr. 4a GVG.
Der Klage fehlt jedoch sowohl für die Feststellungsklage als auch für die hilfsweise erhobene Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis.
Voraussetzung für jede Klage ist, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Zu verneinen ist das Rechtsschutzbedürfnis dagegen, wenn der Kläger sein Ziel auch ohne den begehrten Titel erreichen kann (vgl. Zöller, 33. Auflage, vor § 253 ZPO, Rdnr. 18, 18b).
So liegt der Fall hier. Ziel des Klägers ist es, den Mitgesellschafter … aus der Gesellschaft auszuschließen und seinen Geschäftsanteil gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte einziehen zu lassen. Da eine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters und zur Einziehung seines Geschäftsanteiles in der Satzung der Beklagten fehlt, kann der Kläger dieses Ziel nur durch einen Erfolg in der bereits vor der 16. KfH erhobenen Ausschlussklage (Az. 16 HK O 10218/18) erreichen.
Grundsätzlich bedarf es für die Frage, ob überhaupt das Ausschließungsverfahren eingeleitet werden soll, einer Willensbildung der Gesellschafter und damit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 4 GmbHG. Im vorliegenden Fall ist ein derartiger Beschluss aber ausnahmsweise nicht erforderlich. Bei der Beklagten handelt es sich um eine GmbH, an der der Kläger und der Nebenintervenient zu jeweils 50 % beteiligt sind. In diesem Sonderfall einer Zweipersonengesellschaft lässt die herrschende Rechtsprechung zum einen zu, dass eine Ausschließungsklage durch einen Gesellschafter persönlich und nicht durch die Gesellschaft selbst geführt werden muss (Münchner Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, § 34 GmbHG, Rdnr. 163). Zum anderen bedarf es bei einer Zweipersonengesellschaft keines Gesellschaftsbeschlusses vor Erhebung dieser Klage (Münchner Kommentar, 3. Auflage 2018, § 34 GmbHG, Rdnr. 147; BGH, Urteil vom 20.9.1999 – II ZR 345/97).
Entsprechend hat auch die 16. KfH in ihrem Urteil vom 28.02.2019 (Az. 16 HK O 10218/18) die Prozessführungsbefugnis des Klägers für die Erhebung der Ausschlussklage bejaht und einen Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 4 GmbHG nicht für erforderlich gehalten. Auch das OLG München weist in seinem Beschluss vom 29.05.2019 (Az: 23 W 543/19, vorgelegt als Anlage K 13) darauf hin, dass es in einer Zweipersonengesellschaft keiner Beschlussfassung der Gesellschaft über die Erhebung einer Ausschlussklage bedarf. In seiner Klageschrift vom 28.12.2018 vertritt auch der Kläger die Auffassung, dass ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht erforderlich sei. In seinem Schriftsatz vom 06.02.2019 führt der Kläger selbst zu dem Vorliegen eines Feststellungsinteresses aus, dass dieses „nur“ darauf gerichtet sei, dem Nebenintervenienten den Einwand der Unzulässigkeit der Erhebung der Ausschlussklage durch den Kläger persönlich abzuschneiden. Dies ist aber aus den oben genannten Gründen nicht erforderlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klagepartei in ihrem Schriftsatz vom 05.10.2020 zitierten Rechtsprechung. In dem Urteil des BGH vom 13.01.2003 (Az. II ZR 227/00) handelte es sich gerade nicht um eine Zweipersonengesellschaft, so dass das Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses Voraussetzung für die Erhebung der Ausschließungsklage war und folgerichtig ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage zur Prüfung formeller Mängel des Gesellschafterbeschlusses bejaht worden war.
Im vorliegenden Fall bedarf es in dem Verfahren über die Ausschließungsklage auch keiner inzidenten Prüfung der streitigen Gesellschafterbeschlüsse, da es für das Ergebnis der Ausschließungsklage nicht entscheidungserheblich ist, ob ein entsprechender Gesellschafterbeschluss mit positivem oder negativem Ergebnis zustande gekommen war, da der Gesellschafterbeschluss in der Zweipersonengesellschaft nicht erforderlich ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass bei erfolgreicher Klage gleichzeitig feststehen würde, dass der … durch seinen Beitritt zu der Ausschlussklage einen wirksam in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschluss umgesetzt hätte. Die begehrte Beschlussfeststellung würde unter Ziffer 3. dazu führen, dass der Kläger ermächtigt würde, die Gesellschaft bei der Ausschlussklage zu vertreten und gerade nicht der Notgeschäftsführer.
II.
Im übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
Die von dem Kläger zur Feststellung begehrten Beschlüsse über den Ausschluss des Gesellschafters … und die Einziehung seines Geschäftsanteiles wären ohnehin in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 3 AktG nichtig, da das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgeltes nicht ausreicht (BGH Urteil vom 24.01.2012, Az: II ZR 109/11). Dem begehrten Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteiles steht das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 GmbHG entgegen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in dem Urteil der 16. KfH vom 28.02.2019 zu dem freien Vermögen der Beklagten und der Deckung des Abfindungsanspruches Bezug genommen. Die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses hat auch die Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses zur Folge (vgl. BGH vom 05.04.2011, II ZR 263/08).
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der Nebenintervenient bei der Beschlussfassung vom 28.11.2018 einem Stimmverbot unterlag und ob tatsächlich Ausschlussgründe gegen ihn vorliegen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO sowie im Hinblick auf den Nebenintervenienten auf § 101 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Der Streitwert war gemäß § 247 Satz 1 AktG analog entsprechend der Bedeutung der Sache für die Parteien auf 10.000,00 € festzusetzen.


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