Handels- und Gesellschaftsrecht

Gesetzeskonforme Widerrufsinformationen in einem Verbraucherdarlehensvertrag

Aktenzeichen  17 U 68/20

Datum:
1.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27831
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Absatz 2 Satz 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zum EBGB a. F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut nicht zugänglich. Die verwendete Anlage 7 zum EGBGB a. F. genügt den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (ebenso BVerfG BeckRS 2020, 4002). (Rn. 10 – 12) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

17 U 68/20 2020-03-12 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin vom 27.03.2020, das Verfahren auszusetzen, wird abgelehnt.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.11.2019, Aktenzeichen 32 O 6479/19, wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts.
Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf die Schriftsätze der Klägerin vom 05.03.2020 (dort S. 1/2, Bl. 188/189 d.A.) und vom 27.03.2020 (dort S. 2, Bl. 215 d.A.) sowie der Beklagten vom 16.01.2020 (dort S. 2, Bl. 184 d.A.).
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.11.2019, Aktenzeichen 32 O 6479/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III.
Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 12.03.2020 (Bl. 209/212 d.A.), den Klägervertretern zugestellt am 13.03.2020, wird Bezug genommen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 27.03.2020 (Bl. 214/215 d.A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. Fragen der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts gehören nicht zum Belehrungsumfang des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB (vgl. zudem BGH, Beschluss vom 02.04.2019 – XI ZR 463/18, juris).
2. Der Bundesgerichtshof hat die Widerrufsinformationen der Beklagten mit Urteil vom 05.11.2019 einer Überprüfung unterzogen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, 2353). Danach sind die Widerrufsinformationen vollständig und beanstandungsfrei. Das gilt insbesondere auch für den von der Klägerin in ihrer Stellungnahme nochmals gerügten Gesichtspunkt der Kündigung (BGH a.a.O. unter II 3 = Rn. 26/39).
Da der Bundesgerichtshof ohne konkrete Rügen eine Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag in vollem Umfang zu überprüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 unter II 2 c insb. juris Rn. 28), kommt es zudem auf einzelne Rügen der Klägerin hierzu nicht an.
Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht, wie sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.11.2019 ergibt, keine Veranlassung.
3. Insgesamt hält der Senat deshalb nach nochmaliger Überprüfung an seiner im Beschluss vom 12.03.2020 dargelegten Auffassung fest.
IV.
Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (C-66/19 – nach juris) steht einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
1. Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zum EBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.09.2019, C-331/18, WM 2019, 2008, 2011, Randziffer 56) nicht zugänglich. Ob also das deutsche Gesetzesrecht Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (künftig: RLEG 48/08) entspricht oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls genügt Anlage 7 zum EGBGB a.F. den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020, 2 BvR 739/17, Randziffer 114 – nach juris).
2. Darüber hinaus ergibt sich aus Anlage 7 zum EGBGB a.F., dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB ausreichend ist. Mehr als der Gesetzeswortlaut vorsieht, braucht die Beklagte in Hinblick auf die Widerrufsinformation nicht zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017, XI ZR 586/15, WM 2017, 1258, 1260, Randziffer 23). Auch insoweit ist eine unionsrechtskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.
V.
Der Antrag der Klägerin vom 27.03.2020, das Verfahren auszusetzen, war demgemäß abzulehnen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben