Handels- und Gesellschaftsrecht

Kein Anspruch auf Rückzahlung von Ausschüttungen durch den Kommanditisten bei Masseunzulänglichkeit

Aktenzeichen  5 O 575/17

Datum:
25.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6866
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
HGB § 128, § 129, § 171 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 S. 2, § 172 Abs. 4, § 175
ZPO § 1, § 3, § 4, § 12, § 13, § 22, § 35
GVG § 23, § 71 Abs. 1
InsO § 178, § 201 Abs. 2 S. 1, § 208 Abs. 3, § 209

 

Leitsatz

1 Soweit trotz Herabminderung des Kapitalanteils seitens des Kommanditisten Gewinnanteile entnommen werden, lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 HGB bis maximal zur Haftsumme wieder auf. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle erstreckt sich auch auf den Kommanditisten. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Kommanditist ist wegen der rechtskräftigen Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle mit allen Einreden und Einwendungen ausgeschlossen, die der Gesellschaft zustehen würden, auch mit der Einwendung der fehlenden Fälligkeit. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Haftsumme kann im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden, wenn Masseunzulänglichkeit vorliegt und somit die geltend gemachte Summe nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dient. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.337,50 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist derzeit unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben, obwohl Gegenstand der Klage auch eine Gewerbesteuerforderung ist.
Es handelt sich zwar dabei um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabeangelegenheiten gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO, für die der Finanzrechtsweg eröffnet wäre. Trotz der Entscheidung des BFH vom 09.04.2014 – III S 4/14 ist die Kammer der Ansicht, dass im vorliegenden Fall dennoch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. § 171 Abs. 2 HGB bündelt die Forderungen der Gläubiger gegen die Kommanditisten in der Hand des Insolvenzverwalters, damit dieser einen geordneten Forderungsausgleich zwischen Gläubigern und den Kommanditisten herbeiführen kann. Dies ist nur möglich, wenn der Insolvenzverwalter sämtliche Forderungen in einem einheitlichen gerichtlichen Verfahren geltend machten kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.1989 – 6 U 218/88, juris). Die Zusammenfassung in einer Hand dient der gleichmäßigen Berücksichtigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren und damit der Vermeidung des Wettlaufs der Gläubiger um die Haftungsinanspruchnahme des Kommanditisten (Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 171 Rn. 61). Daher spielt es für die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges keine Rolle, dass eine der geltend gemachten Forderungen einem anderen Rechtsweg unterliegen würde.
2. Das angegangene Gericht ist auch gemäß § 1 ZPO iVm §§ 23, 71 Abs. 1 GVG iVm § 3,4 ZPO, §§ 12, 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig, da auf den Wohnsitz des Beklagten abzustellen ist. Ein besonderer Gerichtsstand nach § 22 ZPO, wie er vom Beklagten geltend gemacht wird, liegt nicht vor und würde wegen § 35 ZPO auch nicht zur Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts führen.
3. Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Nach seinem Vortrag macht der Kläger Außenhaftungsansprüche gemäß § 171 Abs. 2 HGB geltend. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter dem Grunde nach berechtigt, einen Haftungsanspruch nach § 171 Abs. 2 HGB geltend zu machen.
Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus, die Sperrwirkung und die Ermächtigungswirkung. Die Sperrwirkung besteht darin, dass die Gläubiger nicht mehr gegen persönlich haftende Gesellschafter vorgehen und diese nicht mehr befreiend an den Gläubiger der Gesellschaft leisten können (BGH, Urt. v. 12.07.2012 – IX ZR 217/11, Rn.8 f.). Die Ermächtigungswirkung verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft die treuhänderisch gebundene Befugnis, die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter gebündelt einzuziehen (BGH, Urt. v. 12.07.2012 – IX ZR 217/11, Rn. 4 ff.). Hierbei handelt es sich nicht um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Der in Anspruch genommene Gesellschafter tilgt durch die Zahlung an den Insolvenzverwalter der Gesellschaft konkrete Gläubigerforderungen, deren Selbstständigkeit durch die Verfahrenseröffnung unangetastet bleibt (BGH, Urt. v. 12.07.2012 – IX ZR 217/11, Rn. 6). Zweck der Regelung des § 171 Abs. 2 HGB ist es, einen Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der Haftsummen zu verhindern, den Haftungsanspruch der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die Gesellschafterhaftung auszudehnen. Der Verwalter ist verpflichtet, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter alle bestehenden Haftungsansprüche rechtzeitig geltend zu machen, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger voraussichtlich erforderlich ist. Denn die Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB soll der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dienen. Keiner der Gläubiger soll sich einen Sondervorteil aus dem Gesellschaftervermögen verschaffen können (BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, NZG 2016, 430, 431). Die treuhänderische Einziehung der Haftungsforderungen für die Insolvenzgläubiger hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter die Gesellschafterhaftung immer nur für die Gläubiger realisiert, die gegen den betroffenen Gesellschafter Ansprüche aus gesellschaftsrechtlicher Haftung haben.
Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Gesellschafterhaftung wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, weil der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an ihn konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt. Die Prozessführung für die Einziehung von Forderungen gegen Gesellschafter liegt während der gesamten Verfahrensdauer allein bei dem Insolvenzverwalter. Die Gesellschaftsgläubiger verlieren für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die Gesellschafter (BGH, Urt. v. 12.07.2012 – IX ZR 217/11, Rn. 9, juris).
§ 171 Abs. 2 HGB bildet dabei keine eigene Anspruchsgrundlage, noch wird dadurch ein Forderungsübergang begründet. Vielmehr wird der Insolvenzverwalter mit treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig (BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, juris). Er macht also fremde Rechte im eigenen Namen geltend.
Für den Nachweis einer zulässigen Prozessstandschaft reicht die Insolvenztabelle und der Eröffnungsbeschluss aus, da sich daraus ergibt, dass Forderungen vorhanden sind, die der Kläger als Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2 HGB gegen die Kommanditisten geltend machen kann.
II.
Die Klage ist derzeit unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten derzeit keinen Anspruch auf Rückzahlung der Ausschüttungen.
1. Der Beklagte ist unstreitig der FHH Fonds Nr. 4 MT „L.“ GmbH & Co. T. KG mit einer Zeichnungssumme von 30.000,00 € als Kommanditist beigetreten und hat nach ursprünglicher Leistung der Einlage Ausschüttungen in Höhe von 7.837,50 € erhalten, von denen er bereits 1.500,00 € an die Schuldnerin zurückgeführt hat.
2. Grundsätzlich ist durch die Leistung der Einlage gemäß § 171 Abs. 1 HGB die persönliche Haftung des Beklagten erloschen. Der Kapitalanteil des Beklagten wurde jedoch durch Verluste in den Jahren 2002 bis 2012 unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert. Dies wurde seitens des Beklagten nicht bestritten. Der Beklagte hat diesbzgl. nur vorgetragen, dass ein Rückzahlungsanspruch nicht besteht, da dieser weder im Gesellschaftsvertrag geregelt sei noch ein Gesellschafterbeschluss vorliege. Für die Geltendmachung der Außenhaftung, wie dies durch den Kläger erfolgt, ist jedoch weder eine Regelung im Gesellschaftsvertrag noch ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, da diese aus § 171 Abs. 1 iVm § 128 HGB folgt. Soweit daher trotz Herabminderung des Kapitalanteils seitens des Beklagten in der Zeit von 2002 bis 2012 Gewinnanteile entnommen wurden, lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 HGB bis maximal zur Haftsumme wieder auf. In den Jahren 2003 bis 2007 wurden 7.7837,50 € an den Beklagten ausgeschüttet, wie sich aus den seitens des Klägers vorgelegten Kontoauszügen ergibt. Somit wurden nicht durch Gewinn gedeckte Ausschüttungen an den Beklagten in dieser Höhe erbracht und seine persönliche Haftung besteht in diesem Umfang, soweit er die Ausschüttung nicht bereits zurückgeführt hat, gemäß § 171 Abs. 1 HGB.
3. Die Inanspruchnahme des Beklagten ist jedoch nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich.
3.1. Es bestehen Forderungen gegenüber der Gesellschaft, für die der Beklagte als Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB iVm § 128 HGB haftet.
Sind die Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet und im Prüfungstermin festgestellt worden, so greift gegenüber der Schuldnerin die Rechtskraftwirkung des § 201 Abs. 2 S. 1 InsO, die auch gegenüber dem Beklagten als Kommanditisten der Schuldnerin wirkt.
Seiner Darlegungs- und Beweislast genügt daher der Kläger als Insolvenzverwalter mit Vorlage der Tabelle nach § 175 HGB, aus der sich das Ergebnis des Prüfungstermins und die Feststellung der Forderungen nach § 178 HGB ergibt (BGH, Urt. V. 20.02.2018 – II ZR 272/16, ZIP 2018, 640, 641). Die entsprechenden Feststellungsnachweise hat er als Anlage K16 vorgelegt.
Die Eintragung und Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle gemäß § 178 HGB entfaltet gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 HGB Rechtskraftwirkung gegenüber der Schuldnerin. Die Rechtskraftwirkung außerhalb der Vollstreckung besteht dabei schon vor Aufhebung des Verfahrens, sobald die Feststellung zur Tabelle erfolgt ist (BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, NJW 2014, 391, 393).
Diese Rechtskraftwirkung erstreckt sich auch auf den Beklagten als Kommanditisten (BGH, Urt. V. 20.02.2018 – II ZR 272/16, ZIP 2018, 640, 641).
Aufgrund der Rechtskraftwirkung der Tabelle soweit die Forderungen dort festgestellt und durch die Schuldnerin nicht bestritten wurden, ist der Beklagte mit Einwendungen und Einreden gegen die Forderungen ausgeschlossen.
Der Kommanditist kann auch die rechtshemmende Einwendung der fehlenden Fälligkeit nach Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht mehr geltend machen kann.
Gemäß § 201 Abs. 2 InsO iVm § 129 HGB ist der Kommanditist wegen der rechtskräftigen Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle mit all den Einreden und Einwendungen ausgeschlossen, die der Gesellschaft zustehen würden. Darunter fällt auch die Einwendung der fehlenden Fälligkeit (EBJS/Hillmann HGB § 129 Rn. 3, beck-online). Dabei ist es nicht entscheidend, ob es sich um die vertraglich vereinbarte oder die sich aus §§ 269, 271 BGB ergebende oder die fingierte Fälligkeit nach § 41 InsO handelt. Nach sämtlichen Vorschriften wird die Forderung fällig und die fehlende Fälligkeit könnte nach Feststellung zur Tabelle durch die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin nicht mehr geltend gemacht werden. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Urteil des BGH vom 20.02.2018 – II ZR 272/16, das feststellt, dass der Kommanditist mit allen Einwendungen, die der Gesellschaft zustehen würden, ebenfalls ausgeschlossen ist (BGH Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, Rn. 23, juris), noch aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 04.02.2013 – 1 U 168/12, das sich nur mit der Haftung des Bürgen auseinandersetzt und insoweit nicht übertragbar ist. Auch das Urteil des BGH vom 15.11.2012 – IX ZR 169/11, das die Unwirksamkeit von Lösungsklausel zum Gegenstand hat, ist insoweit nicht einschlägig.
3.2. Jedoch kann die Haftsumme im vorliegenden Fall nicht vom Kläger geltend gemacht werden, da nach seinem Vortrag Masseunzulänglichkeit vorliegt und somit die geltend gemachte Summe nicht zur Befriedigung der Gesellschaftgläubiger dient.
Der Kläger hat am 06.04.2016 die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter im Fall der Masseunzulänglichkeit einen Anspruch nach §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 2 HGB nicht mehr einziehen, wenn die Gläubiger von der Einziehung überhaupt nicht profitieren. Der eingezogene Betrag muss nämlich den Gesellschaftsgläubigern zu Gute kommen (vgl. Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 171 Rn. 62; Graf-Schlicker/Hofmann, InsO, 4. Aufl. § 92 Rn. 15 und § 93 Rn. 13; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 92 Rn. 22). Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die fortbestehende Verwaltungs und Verwertungspflicht des Klägers als Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit sich nur noch auf die Masse (§ 80 Abs. 1 InsO) erstreckt. Dazu gehört allein das Gesellschaftsvermögen, nicht das Privatvermögen der Gesellschafter. Durch die Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung im Sinne der §§ 171, 172 HGB wird die nach § 209 InsO zu verteilende Masse nicht vergrößert (LG Hildesheim Urt. v. 14.11.2017-6 O 27/17, BeckRS 2017, 132623).
Der Kläger hat trotz entsprechendem Vortrag der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 09.01.2018 nicht substantiiert dargelegt, dass bei Einziehung der Haftsummen der Kommanditisten eine Rückkehr zur Regelinsolvenz zu erwarten ist.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711 ZPO.


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