Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Ersetzungsbefugnis des Luftfrachtführers bei vertraglicher Bestimmung des Transportmittels

Aktenzeichen  2 HK O 6370/19

Datum:
11.9.2020
Fundstelle:
TranspR – 2021, 176
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
MÜ Art. 18 Abs. 4 S. 3, Art. 22 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Ersetzungsbefugnis des Luftfrachtführers hinsichtlich des Transportmittels für die Beförderung von Frachtgut zwischen zwei Flughäfen scheidet aus, wenn sich der Luftfrachtführer in der Vereinbarung mit dem Absender kein entsprechendes Wahlrecht hat einräumen lassen, sondern die Art des Transportmittels (hier: Luftfahrzeug) vertraglich festgelegt war. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch im Verhältnis zwischen Kaufleuten muss sich die vertragliche Einigung auf die Einbeziehung von AGB erstrecken. Eine Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten ist zwar möglich, setzt aber einen erkennbaren Hinweis auf die AGB bei den konkreten Vertragsverhandlungen voraus. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.011,64 € (Gegenwert von 15.118,3 Rechnungseinheiten – Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds – in Euro am 11.09.2020) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltsgebührenforderungen der in Höhe von 1.100,51 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf bis 19.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet, da die Beklagte der Klägerin aus dem geschlossenen Luftfrachtspeditionsvertrag nach Art. 18 Abs. 4 S. 3, Abs. 1, 22 Abs. 3 des Montrealer Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (MÜ) haftet.
I.
1. Das Gericht ist von der Aktivlegitimation der Klägerin nach § 86 VVG überzeugt. Diese hat durch Anlage K1 urkundlich bewiesen, Transportversicherer der … gewesen zu sein, und durch Quittung vom 10.10.2019 (Anlage K7a), dass sie ihre Versicherungsnehmerin für den hier streitgegenständlichen Schadensfall in Höhe von 147.310,55 € entschädigt hat. Der Beweiswert der Urkunde wird durch das unsubstantiierte Bestreiten der Beklagten, dass die Regulierung des Schadens der … durch die Klägerin tatsächlich erfolgte, nicht gemindert. Ob die Regulierung durch direkte Überweisung der gesamten Summe erfolgte oder auch durch Verrechnung, ist für den Anspruchsübergang irrelevant.
2. Die Haftung der Beklagten richtet sich für den streitgegenständlichen Schadensfall, der auf einem LKW-Transport kurz vor der dänischen Grenze eintrat, nach dem Montrealer Übereinkommen (MÜ). Insbesondere ist dessen Art. 22 Abs. 3 anwendbar aufgrund von Art. 18 Abs. 4 S. 3 MÜ, da es sich bei dem LKW-Transport vom Flughafen … nach … um eine unerlaubte Luftfrachtersatzbeförderung gehandelt hatte.
a) Es kann daher dahinstehen, dass sich die Anwendbarkeit der Vorschriften des MÜ nicht aufgrund von Art. 18 Abs. 4 S. 2 MÜ ergibt. Um einen Zubringertransport könnte es sich nämlich allenfalls beim LKW-Transport vom Flughafen … zum Flughafen … gehandelt haben, wenn es zutrifft, dass Fluggerät in der erforderlichen Größe diese Strecke nicht bedient. Bei der Strecke vom Flughafen … zum Flughafen … handelte es sich jedenfalls nicht um einen Zubringertransport, da nämlich eine Luftbeförderung von … direkt … technisch und verbindungsmäßig möglich ist und nur deshalb die Teilstrecke zum Flughafen … als Oberflächentransport durchgeführt wurde, weil die von der Beklagten beauftragte Airline … dort ihren HUB unterhält (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.12.2015 – I ZR 87/14).
b) Allerdings hatten die Vertragsparteien ausdrücklich einen Vertrag über die speditionelle Organisation eines Luftfrachttransports geschlossen. Dieser kam zustande durch Angebot im Speditionsauftrag der … vom 12.11.2108 (Anlage K10) und dessen Annahme durch Übersendung der E-Mail der Beklagten vom 16.11.2018 (Anlage B4) mit der Anlage „Flugdaten-Avis“ (Anlage K7). Inhaltlich richtete sich der Vertrag darauf, dass die näher spezifizierte Sendung (1 Palette Röntgengeräte und 4 Kartons Zubehör) von … nach … befördert werden soll, und zwar per „Luftfracht lt. Angebot“. Konkretisiert wurde der Transportverlauf in der Annahmeerklärung der Beklagten mit Flugdaten-Avis („unter Vorbehalt“) dahingehend, dass 2 Flüge stattfinden sollten, nämlich am 21.11.2018 ab Verladeort … mit Ankunft am 22.11.2018 in … beide mit Flugnummern der Airline … Weiter erklärte die Beklagte in ihrer Annahmeerklärung, dass sie auf Grundlage der ADSp arbeite, weitere Vorbehalte erfolgten nicht. Bei Anlagen B4 und K7 handelt es sich damit nicht nur um eine Wissenserklärung der Beklagten, sondern bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont um eine Willenserklärung, mit der die Beklagte der … mitteilte, dass sie den ihr mit Anlage K10 übermittelten Speditionsauftrag annimmt. Wesentlich hierfür ist, dass die Beklagte zum Ausdruck bringt, die Organisation des konkreten Transports mittels Luftbeförderung in einem bestimmten zeitlichen Rahmen zu übernehmen, so dass eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbedingungen erfolgte. Für die Abgabe einer Willenserklärung spricht auch, dass die Beklagte ausdrücklich mitteilt, auf der Grundlage der ADSp zu arbeiten, was – mangels Widerspruchs der … – zu deren Einbeziehung in den Vertrag geführt haben dürfte.
Weitere Bedingungen teilte die Beklagte hingegen nicht mit. Der in dem Dokument Flugdaten-Avis erklärte Vorbehalt („change without notice“) bezieht sich ausdrücklich auf die mitgeteilten „Buchungsdaten zu ihrer Luftfrachtsendung“, d.h. auf Flugzeiten und Flugnummern, nicht auf die Tatsache, dass grundsätzlich die von der … beauftragte Luftfrachtbeförderung übernommen wurde. Auch die Übersendungsmail enthält keine weiteren Erklärungen, die für eine abweichende Auslegung herangezogen werden könnten. Dabei kann dahinstehen, dass dabei selbstverständlich Vorlauftransporte per LKW erforderlich und zulässig waren, insbesondere von der … zum Flughafen …, sowie in den USA vom Flughafen … zum endgültigen Bestimmungsort, so dass es sich de facto um einen Multimodaltransport handelte. Dies ändert aber am grundsätzlichen Charakter der geschuldeten Hauptleistung nichts. Die Beklagte hatte sich gerade nicht das Recht vorbehalten, nach billigem Ermessen ein anderes Beförderungsmittel zu wählen (§ 315 BGB), sondern es war eine ausdrückliche Vereinbarung über die geschuldete Luftbeförderung („Luftfracht“) getroffen worden. Eine Ersetzung war nicht vereinbart, auch war die Beklagte nicht anderweitig befugt, sie nach ihrem Ermessen vorzunehmen. Letzteres käme dann in Betracht, wenn die Art des Transportmittels nicht oder nur rahmenartig vertraglich bestimmt worden wäre. Aber auch dann muss der Frachtführer dafür sorgen, dass beim Absender keine falschen Erwartungen entstehen (vgl. Koller, Transportrecht, 10. Aufl. 2020, Art. 18 MÜ, Rn. 15; § 407 HGB, Rn. 47). Dieser bezahlt immerhin einen höheren Preis für eine Luftbeförderung und kann – unabhängig davon, ob ein Oberflächentransport im Einzelfall nicht zu einer zeitlichen Verzögerung führt – grundsätzlich erwarten, die vereinbarte Leistung zu erhalten. Dabei kann dahinstehen, dass die Verwendung einer AGB-Klausel zur Ersetzungsbefugnis der Beklagten bei Vertragsschluss angesichts der verbreiteten Verwendung der Klausel und der Häufigkeit der Verbringung von Gütern per LKW zu den Hubs der Fluggesellschaften (vgl. MüKo HGB/Müller-Rostin, 4. Aufl. 2020, Art. 18 MÜ, Rn. 59: „Diese Ausdehnung der Luftfrachtführerhaftung des Abs. 1 in Abs. 4 auch auf den Luftfrachtersatzverkehr ist dabei keineswegs eine quantite negligable, da jedenfalls innerhalb Europas ein mindestens hälftiger Anteil der Luftfrachtsendungen per Luftfrachtersatzbeförderung von den Luftfrachtführern zu ihren Zentralflughäfen (Hubs) befördert wird, von wo diese Sendungen sodann zumeist interkontinental weiterbefördert werden.“), anders als die Klägerin meint, wohl nicht überraschend, sondern zulässig gewesen wäre. Wesentlich ist aber hier, dass die Beklagte in ihrer Vertragserklärung auf die Ersetzungsbefugnis – anders als auf die ADSp – gerade nicht Bezug nimmt, sondern die Absenderin sogar durch Mitteilung von Flugdaten zu 2 Flügen in dem Glauben ließ, das Transportgut würde nach Verladung in … mit 2 Flügen (d.h. einer Zwischenlandung) nach … per Lufttransport befördert. Es kann auch dahinstehen, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, eine andere Fluggesellschaft zu beauftragen, mit der Folge, dass die Zwischenlandung nicht am Hub der SAS in … sondern z.B. am Hub der … erfolgen würde. Nach hiesiger Auffassung wäre dies zulässig, da es an dem Charakter der Beförderung nichts ändert, und der Auftraggeberin die Festlegung des Ablaufs insoweit der Beklagten überlassen hatte. Vorliegend geht es aber nicht um die Änderung der Transportroute, sondern um die Änderung des Transportmittels und damit der Art des Auftrags.
Nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der Auswertung der vorgelegten Vertragserklärungen unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vortrags zu der Vertragsbeziehung zwischen der … und der Beklagten hatte die … daher einer Luftersatzbeförderung nicht zugestimmt. Der Vertrag war durch Übermittlung der Annahmeerklärung durch die Beklagte an die … am 16.11.2018 zustande gekommen.
c) Am Inhalt des geschlossenen Vertrages änderte sich dann nichts mehr durch die von der Beklagten vorgelegte AGB-Klausel über die generelle Zustimmung zur Ersetzung des vorgesehenen Transportmittels durch andere Transportmittel i.S.v. Art. 18 Abs. 4 S. 3 MÜ, die sich für den streitgegenständlichen Auftrag erstmals in dem nach Vertragsschluss von der Beklagten ausgestellten … vom 20.11.2018 (Anlage K2) findet. Dabei gilt, dass der … das Verhältnis zwischen Luftfrachtspediteur (hier: die Beklagte) zum Absender … in den Fällen regelt, in denen das Frachtgut Teil einer vom Spediteur zu bewirkenden Sammelladung ist (vgl. Kleyensteuber in: Münchener Vertragshandbuch Bd. 4, Wirtschaftsrecht III, Schütze/Weipert/Rieder, 8. Aufl. 2018, zitiert nach beck-online).
Gegenüber der … war die Beklagte damit Carrier und haftet grundsätzlich nach Luftfrachtrecht (MÜ). Nicht maßgeblich für das Verhältnis zwischen den Parteien ist hingegen der MAWB vom 21.11.2018 (Anlage B1), der den Beförderungsvertrag zwischen dem Luftfrachtspediteur, der die Sammelladung zusammengestellt hat, und der Airline dokumentiert.
Die Aufnahme der Klausel über die Ersetzungsbefugnis in den … und das Ausbleiben eines diesbezüglichen Widerspruchs der … hat aber den zuvor geschlossenen Luftfrachtspeditionsvertrag nicht mehr nachträglich dahingehend abgeändert, dass die Beklagte nunmehr in der Wahl des Transportmittels nach ihrem Ermessen frei war. Dabei gilt nach allgemeinen Regeln, dass auch im Verhältnis zwischen Kaufleuten sich die vertragliche Einigung auf die Einbeziehung der AGB erstreckt haben muss. Eine Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten ist zwar möglich, setzt aber einen erkennbaren Hinweis auf die AGB bei den konkreten Vertragsverhandlungen voraus, an dem es hier fehlt. Es kann dabei dahinstehen, ob der …, wie die Beklagte behauptet, bereits am 16.11.2018 elektronisch und systemisch generiert war, da er unstreitig jedenfalls erst am 20.11.2018, also nach Vertragsschluss, der Vertragspartnerin übermittelt wurde.
Es handelt sich dabei auch nicht um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, da es sich nicht auf eine vorher nur mündlich getroffene Absprache bezieht, deren Einzelheiten festgelegt werden sollten, sondern sich die Parteien vorher bereits durch schriftliche Erklärungen geeinigt hatten, und eine hiervon abweichende Zusatzabrede enthalten ist. Hiermit musste die … aber schon alleine deshalb nicht rechnen, da der in Auftrag gegebene Transport unstreitig mit Abholung des Transportguts bei der … und Verbringung zum Lager der Beklagten am Flughafen … schon vor dem Änderüngswunsch der Beklagten, der erst nach Übernahme des Transportguts am 20.11.2018 an sie herangetragen wurde, bereits begonnen hatte. Im Übrigen werden auch in dem … wiederum dieselben 2 Flugnummern der … mitgeteilt, mit Abflughafen … und Ankunft in … und nur ergänzend eine Zwischenlandung in … angezeigt. Es bestand für die … daher überhaupt kein Anlass, der neuen Klausel zu widersprechen, weil sie aufgrund der erhaltenen Flugdaten nach Beginn des Transports durch Abholung des Transportguts bei ihr immer noch davon ausgehen durfte, dass eine Luftbeförderung von … aus stattfindet, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass ein Oberflächentransport bis … stattfinden würde. Auch unter diesem Aspekt bestand zu diesem Zeitpunkt keine Verpflichtung der … dieser zu widersprechen, da sie davon ausgehen durfte, dass eine Ersetzung in ihrem Fall nicht eingreifen werde. Damit ist die Klausel hier auch nicht stillschweigend in den bestehenden Vertrag einbezogen worden, da dem Schweigen der … auf den nachträglichen Änderungswunsch nach Beginn der Durchführung des Speditionsauftrags an einer einvernehmlichen nachträglichen Abänderung fehlt.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags zu einer dauernden Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der … in deren Rahmen seit dem Jahr 2012 eine Vielzahl von Luftbeförderungen durch sie speditionell organisiert wurde, wobei sie jedes Mal in den von ihr ausgestellten … eine gleichlautende Klausel über die Ersetzungsbefugnis aufgenommen habe. Das führt nämlich nicht zu einer stillschweigenden Vereinbarung einer Klausel nach den Grundsätzen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Einbeziehung von AGB im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen unter Kaufleuten aufgestellt wurden. Der BGH hat diesbezüglich ausgeführt, dass bei Würdigung aller Umstände eine stillschweigende Einbeziehung von AGB im Rahmen laufender Geschäftsverbindung dann in Betracht kommt, wenn frühere Verträge zwischen den Vertragsparteien stets zu den Geschäftsbedingungen der einen Seite abgeschlossen worden sind und diese unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass sie regelmäßig Geschäfte nur auf der Grundlage ihrer eigenen Geschäftsbedingungen tätigen will (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2005 – VIII ZR 265/04). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Zum einen behauptet die Beklagte nur, sie habe die Klausel jeweils in ihre … aufgenommen und der … übersandt, ohne dass ersichtlich wäre, dass sie in den zunächst schriftlich geschlossenen Verträgen darauf hingewiesen hätte. Es ist daher unklar, ob die Klausel auch in den anderen Fällen – wie hier – nur nachgeschoben oder tatsächlich wirksam einbezogen wurde. Zum anderen hat die Beklagte vorliegend – anders als im BGH-Fall, in dem jährlich Verkäufertreffen, so genannte Salesmeetings, zwischen den Mitarbeitern beider Vertragsparteien unter Teilnahme auch der Geschäftsführung stattfanden und eine Rahmenvereinbarung zwischen den Vertragsparteien bestand – nach ihrem Vorbringen zu keinem Zeitpunkt für die … klar erkennbar geäußert, nur aufgrund von bestimmten AGB tätig werden zu wollen. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass sie an keiner Stelle ein eigenes Regelwerk in Bezug nimmt, auch nicht in ihren Rechnungen, sondern nur auf die … verweist, und im Übrigen lediglich im Rahmen von Luftbeförderungsaufträgen in dem Luftfrachtbrief, bei dem es sich nicht um das Vertragsdokument handelt, eine einzelne AGB-Klausel abdruckt (anders als z.B. in der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12.03.2014 – I-18 U 91/18, Anlage B13, in der es um von Luftfrachtführern verwendete AGB geht, die eine Ersetzungsbefugnis vorsehen).
e) Auch aus Art. 11 MÜ ergibt sich nichts anderes. Zwar beweist der Luftfrachtbrief widerleglich den formellen Konsens zwischen den Parteien und die Vertragskonditionen. Hier ist aber die Behauptung, die Parteien hätten die Klausel zur Ersetzungsbefugnis bereits bei Vertragsschluss vereinbart, nach dem oben zur Auslegung der unstreitig zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen Gesagten bereits widerlegt. Zu beachten ist, dass der Luftfrachtbrief nicht notwendig selbst zum Vertragsschluss führt oder den geschlossenen Vertrag ändert (vgl. Koller a.a.O. Art. 11 MÜ, Rn. 5 m.w.N.). Beides ist hier gerade nicht der Fall.
f) Einen Wertungswiderspruch vermag das Gericht bei diesem Ergebnis nicht zu erkennen, auch wenn die Klagepartei nach eigenem Bekunden vorsorglich für den Fall abweichender Bewertung durch das Gericht die kürzere Verjährung der CMR in deren Art. 32 Abs. 1 S. 1 unterbrechen wollte, auch wenn bei Anwendbarkeit des MÜ die längere Verjährungsfrist des Art. 35 Abs. 1 läuft.
3. Die Höhe der Haftung folgt aus Art. 22 Abs. 3, 23 Abs. 1 MÜ. Danach haftet die Beklagte auf den Gegenwert von 19 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds (SZR) am Tag der Entscheidungsverkündung pro kg Sendungsgewicht, das hier unstreitig 795,7 kg betrug, also auf 15.118,3 SZR.
Die Berechnung für den Tag der Urteilsverkündung, dem 11.09.2020, erfolgte mit einem Wert des SZR von 1,19138 € (Quelle: https://www.imf.org/external/np/fin/data/rms_mth.aspx?reportType=CVSDR).
4. Nach Art. 22 Abs. 6 MÜ kann die Klägerin daneben Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. Berechnung in der Klageschrift nach deutschem Recht verlangen, hier aus Verzugsgesichtspunkten nach §§ 286, 288 BGB, beginnend mit dem Fristablauf aus dem Regressschreiben der Klägerin. Eine ausreichende Entschädigung hat die Beklagte vor Klageerhebung nicht angeboten, da das in Anlage B3 vorgelegte Angebot der Höhe nach nicht ausreicht.
Ein früherer Zinsbeginn alleine aufgrund der Haftbarhaltung der Klägerin (Anlage K9) ist hingegen nicht begründet, da Art. 27 Abs. 1 CMR für die hier gegebenen Ansprüche aus dem MÜ nicht einschlägig ist. Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
II.
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO


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