Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen

Aktenzeichen  1 HK O 193/19

Datum:
2.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54307
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 117, § 119
ZPO § 139 Abs. 2
AktG § 246 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klageanträge des Klägers im Termin vom 2.10.2019 sind als Parteiänderung zu behandeln.
Der Kläger hat zwar beantragt, die Klage auf die zu erweitern. Gegen eine subjektive Beklagtenhäufung spricht aber, dass er zugleich beantragt hat, die Klageänderung als sachdienlich zu behandeln.
Anträge zur Klage sind Prozesshandlungen, die der Auslegung fähig sind. Entscheidend ist der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn der Anträge. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen anzustellen. (Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, Vor § 128, Rn. 25).
Der Gesellschaftsvertrag sieht in § 16 Abs. 5 vor, dass fehlerhafte Beschlüsse, deren Zustandekommen oder Inhalt nicht gegen zwingende gesetzliche oder gegen berufsrechtliche Vorschriften verstoßen, zunächst innerhalb eines Monats seit Beschlussfassung durch schriftliche Erklärung gegenüber allen Gesellschaftern angefochten werden können. Das ist hier unstreitig geschehen. Nach Zurückweisung der Anfechtung ist nach dem Gesellschaftervertrag die Anfechtungsklage gegenüber der Gesellschaft zu richten.
Unerheblich ist, dass die unterschiedliche Vorgehensweise widersprüchlich und ohne Sinn und Zweck erscheint. Alle drei Gesellschafter haben den Gesellschaftsvertrag mit dieser Regelung unterschrieben. Insofern kann der Kläger auch nicht mit dem Argument eines Redaktionsversehens durchdringen.
§ 16 Abs. 5 des Gesellschaftervertrages kommt auch zur Anwendung.
Es handelt sich um Beschlüsse, deren Zustandekommen oder Inhalt nicht gegen zwingende gesetzliche oder berufsrechtliche Regelungen verstoßen.
Die Beschlussfassung in einer OHG ist in § 119 HGB geregelt. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass es für das Zustandekommen von Beschlüssen der Zustimmung aller zur Mitwirkung berufener Gesellschafter bedarf. Eine Gesellschafterversammlung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht notwendig. Es müssen nicht alle Gesellschafter immer mit abstimmen. Das ergibt sich aus der Wendung „aller zur Mitwirkung berufenen Gesellschafter“. Nach allgemeiner Meinung sind Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten vom Stimmrecht ausgeschlossen (Baumbach/Hopt/Roth HGB § 119 Rn. 8; Schäfer in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 119 Rn. 65). Im Übrigen ist § 119 HGB im Hinblick auf § 109 HGB dispositives Recht (Baumbach/Hopt/Roth a.a.O. § 119 Rn. 2), nicht zwingendes Recht.
Der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und als Annex die Freistellung von der Arbeitstätigkeit als Gesellschafter sind im Gesetz in § 117 HGB geregelt. Vorgesehen in der gesetzlichen Regelung ist der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch das Gericht. Die Gesellschafter der konnten davon aber abweichen. Soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob die ursprüngliche Regelung im Gesellschaftsvertrag unter § 25 Abs. 2 durch den Gesellschafterbeschluss vom 7.3.2018 (Anlage B 2) weggefallen ist, ist das für den Rechtsstreit hier unerheblich. Entscheidend ist, dass § 117 HGB ebenfalls im Hinblick auf § 109 HGB dispositiv ist (Baumbach/Hopt/Roth a.a.O. § 117 Rn. 11). Nach § 16 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages kommt es darauf an, ob generell gegen zwingende gesetzliche Regelungen verstoßen wurde, nicht ob die Parteien eine abweichende Regelung getroffen haben.
Vorliegend war eine Parteiänderung sachdienlich i.S.d. § 263 ZPO.
Die Klage wäre gegen die ursprünglich Beklagten zu 1 und 2 als unzulässig zu verwerfen gewesen, da nach der klaren Regelung in § 16 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags die Klage gegen die Gesellschaft gerichtet werden musste. Gegen die liegt kein völlig neuer Streitstoff vor. Der bisherige Sachvortrag der Parteien konnte auch nach Klageänderung verwertet werden (Zöller a.a.O. § 263 Rn. 13).
II.
Der Kläger hat gem. § 16 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen der Nichtigkeit der Beschlüsse vom 4.10.2018.
Grundsätzlich steht dem betroffenen Gesellschafter einer Personengesellschaft gegen mangelhafte Beschlüsse der Gesellschaft die Feststellungsklage zu. Diese ist nicht wie die Anfechtungsklage bei Kapitalgesellschaften an eine Frist von 1 Monat gem. § 246 Abs. 1 AktG gebunden bzw. entsprechend dieser Vorschrift gebunden (Baumbach/Hopt/Roth a.a.O. § 119 Rn. 32). Laut § 109 HGB richtet sich das Verhältnis der Gesellschafter untereinander nach dem Gesellschaftsvertrag. Hier haben die Gesellschafter in § 16 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags geregelt, dass der betroffene Gesellschafter innerhalb von 2 Monaten seit Bekanntgabe des seine Anfechtung zurückweisenden Beschlusses der übrigen Gesellschafter Klage gegen die Gesellschaft erheben muss.
Bekanntgegeben wurde dem Kläger der zurückweisende Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 28.11.2018. Zwei Monate liefen mit Ablauf des 28.1.2019 ab. Die Klageerhebung gegen die im Termin vom 2.10.2019 war damit verspätet. Die am 25.1.2019 eingereichte Klage gegen die beiden Gesellschafter hat keine fristwahrende Wirkung im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der.
Das Verfahren war nicht zu unterbrechen, dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Gerichts in Bezug auf die Passivlegitimation im Termin vom 2.10.2019 zu gewähren.
Die Beklagten haben bereits im Schriftsatz vom 12.3.2019 die fehlende Passivlegitimation gerügt. Insofern war dem Kläger dieser rechtliche Gesichtspunkt bekannt, so dass es keiner weiteren gerichtlichen Frist zur Äußerung nach der Erörterung im Termin vom 2.10.2019 nach § 139 Abs. 2 ZPO bedurfte. Der Kläger hatte auch im Schriftsatz vom 27.5.2019 zum Problem der fehlenden Passivlegitimation der ursprünglich Beklagten Stellung genommen. Eine Umstellung der Klage bzw. Berichtigung des Rubrums war nicht möglich, weil der Kläger unzweideutig gegen die Beklagten Klage erheben wollte und somit ganz offensichtlich keine unrichtige Parteibezeichnung vorliegt.
Unabhängig davon konnte der Kläger auch keine die zweimonatige Anfechtungsfrist fristwahrende Parteiänderung nach Klageerhebung gegenüber den beiden Gesellschaftern am 25.1.2019 mehr vornehmen.
III.
1. Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
In der Parteiänderung auf der Beklagtenseite ist zugleich eine Klagerücknahme gegenüber den ursprünglich Beklagten zu sehen, insofern richtet sich die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Soweit wegen Verfristung der Anfechtungsfrist des § 16 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages die Klage gegenüber der Beklagten zurückzuweisen war, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 91 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 1, 711 ZPO.
Die Beklagte kann im Kostenpunkt vorläufig vollstrecken. Die zu vollstreckenden Kosten werden 1.500,00 € nicht übersteigen (§ 708 Nr. 11 ZPO).
3. Der Streitwert war nach den Vorstellungen des Klägers unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % (Feststellungsklage) auf 6.072,06 € festzusetzen (§ 3 ZPO).
Die Parteiänderung führte nicht zur Erhöhung des Streitwerts nach § 5 ZPO, weil die Feststellungsansprüche gegen die ursprünglich Beklagten und der denselben Streitgegenstand betreffen (Zöller a.a.O. § 5 Rn. 3 und 8).


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