Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine typische Tiergefahr bei Verhaltens des Tieres entsprechend den Anweisungen des Tieraufsehers

Aktenzeichen  10 U 5304/19

Datum:
29.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7795
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 833, § 834

 

Leitsatz

Eine typische Tiergefahr im Sinne der §§ 833, 834 BGB hat sich nicht verwirklicht, wenn sich ein Tier entsprechend den Anweisungen des Tieraufsehers verhalten hat und hierdurch ein Schaden entstanden ist. (Rn. 6 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 4562/17 2019-08-07 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 16.09.2019 wird das Endurteil des LG München II vom 07.08.2019 (Az. 2 O 4562/17), soweit hierüber nicht bereits durch Beschluss des Senats vom 10.03.2020 entschieden wurde, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) der ersten und der zweiten Instanz fallen der Klagepartei zur Last. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, der Endentscheidung vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B.
Mit Endbeschluss des Senats vom 10.03.2020 (Bl. 169/172 d.A.) wurde die Berufung der Beklagten bezüglich des landgerichtlichen Grundurteils zu Lasten der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten bezüglich des Beklagten zu 2) hat in der Sache Erfolg.
I.
Das Landgericht hat zu Unrecht eine Haftung des Beklagten zu 2) dem Grunde nach bejaht.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Ersatz des ihr durch den streitgegenständlichen Unfall am 02.05.2015 am Bahnübergang O. von der F.straße zur W. Straße eingetretenen Schadens.
Als mögliche Anspruchsgrundlagen kämen vorliegend lediglich die §§ 833, 834 BGB in Betracht. Sowohl § 833 BGB als auch § 834 BGB setzen jedoch voraus, dass sich der Schaden aus der Realisierung einer „typischen Tiergefahr“ ergeben hat, woran es vorliegend fehlt. Insoweit darf zunächst auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 12.12.2019 und vom 10.03.2020 Bezug genommen werden.
Soweit die Klageseite nunmehr vorbringt, dass es das Landgericht ungeklärt gelassen habe, wie es tatsächlich dazu gekommen sei, dass die Schranke abgerissen wurde, kann diesem Einwand nicht gefolgt werden. Die Beklagte zu 1) schilderte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12.10.2018 unzweifelhaft, dass „sich das Gitter an der Unterseite der Schranke mit dem Horn des Sattels des Pferdes“ verfing, „als das Pferd sich unter der Schranke befand“. „Die Schranke ging dann wieder in die Höhe, weil sie sich verfangen hatte, brach sie aber ab und blieb auf dem Rücken des Tieres liegen“ (Seite 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2018). Die Beklagte zu 1) hob nach ihren Ausführungen dann den aufliegenden Teil der Schranke an und führte das Pferd darunter aus dem Bahnübergangsbereich heraus (Seite 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2018). Die Angaben der Beklagten zu 1) decken sich mit den Angaben der Zeugin L., die ebenfalls bezeugte, dass sich das Schrankengitter im Sattel des Pferdes “verfing“ (Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2018). Die Zeugin war sich lediglich nicht sicher, ob die Schranke beim anschließenden Öffnungsvorgang oder beim Herausführen des Pferdes durch die Beklagte zu 1) beschädigt wurde (Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2018).
Nach dem unstreitigen Tatbestand (Seite 3 des EU) und der insoweit nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung des Erstgerichts verwirklichte sich der Schaden mithin dadurch, dass die sich schließende Ausfuhrschranke zunächst im Sattel des darunter befindlichen Pferdes verfing und diese schließlich durch das Wiederanheben abbrach. Die Annahme einer „Ausweich- bzw. Schreckbewegung des Pferdes“, die von der Klageseite als wahrscheinlichere und plausiblere Erklärung vorgetragen wird, ist eine unbeachtliche Mutmaßung, die keine Grundlage in den tatrichterlichen Feststellungen findet.
Ein entsprechender Nachweis, dass eine Schreckbewegung des Pferdes und damit ein „unberechenbares und selbständiges Verhalten des Tieres“ (Palandt, BGB, 78. Aufl., § 833 Rn. 1 m.w.N.) trotz menschlicher Leitung schadensursächlich war, ist somit nicht geführt. Wie bereits in dem Beschluss vom 12.12.2019 dargelegt, ist das Pferd von der Beklagten zu 1) auf dem Bahnübergang geführt worden und hat sich dort – auch nach der Schließung der Ausfuhrschranke – anweisungsgemäß verhalten.
II.
Die Entscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) § 91 I ZPO. Im Übrigen war die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorzubehalten.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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