Handels- und Gesellschaftsrecht

Leistungen, Schadensersatz, Insolvenzverfahren, Schadensersatzanspruch, Schlussrechnung, Abtretung, Kaufvertrag, Insolvenzanfechtung, Werklohnforderung, Bauvorhaben, Baugeld, Kenntnis, Leistungserbringung, Anspruch, Zug um Zug, bedingter Vorsatz, inkongruente Deckung

Aktenzeichen  12 O 18/19

Datum:
25.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56557
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen ehemalige Geschäftsführer einer GmbH wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeld nach dem Bauforderungssicherungsgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1,2 BauFordSiG, § 14 StGB), insbesondere zu den Anforderungen an den Vorsatz (ZIff. I.3., II.) und zum maßgeblichen Zeitpunkt für dessen Vorliegen bei den gem. § 14 StGB verantwortlichen Personen (Ziff. II.).
2. § 1 Abs. 1 S.1 BauFordSiG ist nach seinem Schutzzweck auch dann anwendbar, wenn in einer Unternehmerkette die Subunternehmereigenschaft gegenüber dem Hauptauftraggeber verschleiert werden soll („Strohmanneigenschaft“ des Baugeldempfängers) (Ziff I.2.a)..
3. Zum Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch und der Insolvenzanfechtung gem. § 133 InsO (Ziff. I.4.b); das Verhandeln über das „Absondern von Geldern“ durch Errichtung von Treuhandkonten zwischen Baugeldempfänger und Baugeldgläubiger lässt für sich genommen noch nicht auf Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. Kenntnis hiervon und von drohender Zahlungsunfähigkeit schließen (I.4.b.cc).

Tenor

1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 197.604,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.02.2019 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Abtretung des diesem Betrag entsprechenden Teilbetrages der im Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Fürth, Az: (…) zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin 67% und der Beklagte zu 1) 33%. Ferner hat die Klägerin 33% der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu tragen. Im Übrigen trägt der Beklagte zu 1) seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 296.376,14 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und gegen den Beklagten zu 1) auch überwiegend begründet. Gegen den Beklagten zu 2) war sie hingegen abzuweisen.
I. Haftung des Beklagten zu 1)
Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 1, 2 BauFordSiG, § 14 StGB gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 197.604,38 €.
Gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 1 BauFordSiG ist ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung persönlich schadensersatzpflichtig, wenn er vorsätzlich Baugelder i. S. d. § 1 BauFordSiG zweckwidrig verwendet hat und deshalb eine einem Bauunternehmer zustehende Werklohnforderung nicht erfüllt wird (BGH, Urt. v. 19.08.2010 – VII ZR 169/09 Rn. 10).
1. Der Beklagte zu 1) war unstreitig jedenfalls vom 28.07.2015 bis 18.04.2017 Geschäftsführer der S-GmbH.
2. In diesem Zeitraum hat die S-GmbH Baugeld in Höhe von 249.783,33 € empfangen und in Höhe von 197.604,38 € nicht an die Klägerin weitergeleitet oder eine andere zweckgerechte Verwendung nachgewiesen. Baugeld sind gem. § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S.2 BauFordSiG Geldbeträge, die der Empfänger von einem Dritten für eine im Zusammenhang mit der Herstellung des Baues oder Umbaues stehende Leistung, die der Empfänger einem Dritten versprochen hat, erhalten hat, wenn an dieser Leistung andere Unternehmer (§ 14 BGB) aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrages beteiligt waren, insbesondere Abschlagszahlungen.
a) Bei Geldbeträgen, die die S-GmbH für Leistungen im Zusammenhang mit dem Auftrag Bauvorhaben Z. (…) vom Auftraggeber, der Z-AG, erhalten hat, handelt es sich um Baugeld. Denn es liegt eine dreigliedrige Unternehmerkette vor, weil die Klägerin aufgrund der „Auftragsübertragung“ vom 28.06.2016/01.07.2016 (K 5) den Auftrag im Innenverhältnis für die S-GmbH ausgeführt hat. Damit hatte die Klägerin gleichsam die Stellung einer Subunternehmerin. Als solche fällt sie – ungeachtet der konkreten vertraglichen Konstruktion und der beklagtenseits behaupteten „Strohmann“-Eigenschaft der S-GmbH – auch in den Anwendungsbereich des BauFordSiG. Denn die besondere Schutzwürdigkeit der Baugeldgläubiger i.S.d. § 1 Abs. 1 S.1 BauFordSiG und die Einstufung empfangener Gelder als Baugeld in den von § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauFordSiG erfassten Fällen beruht darauf, dass an der Leistungserbringung durch den Empfänger – mindestens – ein Baugeldgläubiger als Nachunternehmer mitgewirkt hat und daher sichergestellt werden soll, dass die ausgezahlte Vergütung auch diesem zugute kommt (vgl. LG Erfurt, NZBau 2014, 296 mit Verweis auf Joussen, NZBau 2009, 737 [738]).
b) Dass die S-GmbH Baugeld in Höhe von 249.783,33 € Höhe empfangen hat, hält die Kammer für bewiesen durch deren die Schlussrechnung Nr. 93001358 v. 17.03.2017, gerichtet an die Z-AG. Die Rechnung wurde zum einen durch den Insolvenzverwalter und zum anderen – mit Prüfvermerk – durch die Rechnungsempfängerin Z-AG gem. § 142 ZPO vorgelegt (Bl. 120 ff. d.A.). Die S-GmbH hatte dort eben jenen Betrag von 249.783,33 € unter dem Punkt „Verrechenbare Anzahlungen“ aufgeführt. Zusätzlich ergibt sich aus dem Vermerk am Ende der Rechnung, dass es sich bei diesem Betrag um eine Anzahlungsforderung („Re.Nr. 93001257“) vom 11.08.2016 gehandelt hat. Der Anzahlungsbetrag wurde von dem Rechnungsbetrag (457.695,72 € brutto) in Abzug gebracht, so dass als zu zahlender Betrag noch 207.912,39 € ausgewiesen wurden.
Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Betrag nach Stellung der Abschlagsrechnung und vor Schlussrechnungslegung, mithin zwischen August 2016 und März 2017 gezahlt worden ist. Anderenfalls wäre er in der Schlussrechnung nicht durch die S-GmbH selbst als Abzugsposition berücksichtigt worden. Keine andere Bewertung ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) aus der Betrachtung der Schlussrechnungsprüfung der Z-AG. Sofern dort eine handschriftliche Durchstreichung auf S. 2 der Rechnung (Bl. 126 d.A.) zu erkennen ist, die komplett über die unteren zwei Drittel der Seite reicht und damit sowohl die Abrechnungssumme als auch die bisher geleisteten Zahlungen erfasst, hat die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auftraggeberin damit die Abschlagszahlung in Abrede stellen wollte. Vielmehr wurde ausweislich der handschriftlichen Durchstreichung und Korrekturen offenbar der Nettorechnungsbetrag – vor Abzug der geleisteten Anzahlung – auf 362.979,01 € und damit um ca. 21.600 € reduziert. Für die Frage der geleisteten Anzahlung besitzt dies jedoch keine Relevanz.
c) Einen weiteren Eingang von Baugeld in dem Zeitraum, in dem der Beklagte zu 1) Geschäftsführer war, hat die Klägerin nicht dargelegt. Die weitere von der Klägerin behauptete Zahlung in Höhe von 149.267,64 € ging laut ihrem Vortrag erst am 01.06.2017 ein, mithin nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 1) aus der Geschäftsführung. Adressat der Norm ist allein der Baugeldempfänger, d.h. derjenige, der das Baugeld erhält, um die Baukosten zu bestreiten, und der hierüber tatsächlich und rechtlich verfügen kann, bzw. im Falle eines rechtlich selbständigen Unternehmens der in § 14 StGB genannte Personenkreis (MüKO zum StGB, 3. Aufl., § 2 BauFordSiG Rn. 8 m.w.N.; BGH NJW-RR 2013, 340). Eine entsprechende Dispositionsbefugnis hatte der Beklagte zu 1) nach seinem Ausscheiden nicht mehr inne; ihm fehlt für nach dem 18.04.2017 eingegangene Zahlungen das ihm über § 14 StGB als Geschäftsführer zuzurechnende besondere persönliche Merkmal des Baugeldempfängers.
d) Das Baugeld wurde von der SGmbH in Höhe von 197.604,38 € auch zweckwidrig verwendet.
Grundsätzlich darf Baugeld nur zur Befriedigung solcher Personen verwendet werden, die an der Herstellung oder dem Umbau des Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt sind. Der Baugeldempfänger ist verpflichtet, Baugeld so zu verwalten, dass es dem Zugriff Dritter entzogen ist und zur Befriedigung von Baugläubigern zur Verfügung steht. Das Baugeld darf also nicht mit anderen Mitteln vermischt werden; für Buchgeld muss ein Fremdgeldkonto eingerichtet werden (vgl. Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Aufl. § 1 BauFordSiG Rn. 47, BGH NJW 1988, 263).
Unstreitig wurde an die Klägerin (nur) ein Betrag in Höhe von 52.178,95 € ausgezahlt. Den Restbetrag hat die Klägerin nicht erhalten. Ebenfalls unstreitig wurde kein Treuhandkonto für die seitens der Z-AG eingehenden Zahlungen errichtet.
Eine – anderweitige – zweckgerechte Verwendung des Baugeldes, für die den Beklagten zu 1) gem. § 1 Abs. 4 BauFordSiG die Beweislast trifft, hat dieser nicht einmal dargelegt (vgl. BGH NZBau 2010, 746; OLG Celle NZBau 2018, 604). Erforderlich ist hierfür eine substantiierte Aufschlüsselung, welche Zahlung auf welches Bauwerk im Einzelnen geleistet und in welcher Art und Weise das empfangene Baugeld an welchen Baugeldgläubiger weitergeleitet worden ist (Werner/Pastor, 17. Aufl., Rn. 2372 m.w.N.; OLG Hamm, BeckRS 2018, 31995; Matthies, jurisPR-PrivBauR 9/2013 Anm.6).
Weder findet sich konkreter Vortrag dazu, dass die S-GmbH gem. § 1 Abs. 2 BauFordSiG aufgrund eigener erbrachter Leistungen an dem Bauvorhaben einen angemessenen Wert behalten durfte, noch dazu, dass etwa das Baugeld an andere an dem Bauvorhaben beteiligte Unternehmen – etwa die S.-St.-GmbH – ausgezahlt worden sei. Die Andeutungen im Schriftsatz vom 30.09.2019, dass andere Firmen (…) an dem Auftrag beteiligt gewesen seien (S. 2 f.), was die Reduzierung des weitergeleiteten Betrages auf 52.178,95 € erkläre, erfüllen die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung nicht.
3. Beim Beklagten zu 1) lag auch der für den Schadensersatzanspruch erforderliche Vorsatz bzgl. der Verletzung der Baugeldverwendungspflicht vor.
a) Die maßgeblichen Elemente des Vorsatzes sind die Kenntnis der die Baugeldeigenschaft begründenden Umstände, des Empfangs von Baugeld sowie von dessen zweckwidriger Verwendung. Dabei ist auf die Person des Handelnden, bei Kapitalgesellschaften auf die gem. § 14 StGB verantwortliche Person abzustellen; bedingter Vorsatz genügt (vgl. nur OLG München, BeckRS 2019, 22826 m.w.N.). Grundsätzlich genügt insofern der Vortrag, dass das vom in Anspruch Genommenen repräsentierte Unternehmen von seinem jeweiligen Auftraggeber Zahlungen für eine Leistung bezüglich des Bauvorhabens erhalten hat. Der Verantwortliche weiß, dass es sich um Baugeld handelt, und dass sein Unternehmen wiederum Nachunternehmer eingesetzt hat, die nun als Baugeldgläubiger Ansprüche geltend machen (Claus Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, IBR Reihe (www.ibr-online.de), Stand 15.05.2018, Rdn. 71). Fließt das Baugeld nicht auf ein gesondertes Baugeldkonto, sondern auf ein allgemein genutztes Geschäftskonto, resultiert hieraus eine gesteigerte Kontrollpflicht, Beträge in Höhe des (noch) nicht verbrauchten Baugeldes nicht zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten einzusetzen, sondern für die zweckgerechte Verwendung weiterhin zur Verfügung zu halten. Kommt der Baugeldempfänger dieser Kontrollpflicht nicht nach, nimmt er letztlich die Möglichkeit der zweckwidrigen Verwendung der Baugelder billigend in Kauf (OLG Hamm, BeckRS 2018, 31995).
b) In diesem Sinne hatte der Beklagte zu 1) Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen, insbesondere von der Leistungskette i.S.d. § 1 Abs. 3 S.1 Nr. 2 BauFordSiG. Soweit sich der Beklagte zu 1) darauf berufen hat, dass an der zugrunde liegenden „Auftragsübertragung“ (K 5) nicht er, sondern der weitere Geschäftsführer S. sowie der kaufmännische Leiter, Herr K., beteiligt gewesen seien, vermag ihn das nicht zu entlasten. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass er zumindest Kenntnis von den relevanten Vertragsgestaltungen hatte, die von der Z-AG eingehende Geldbeträge als Baugeld qualifizierten. Bei mehreren gesetzlichen Vertretern unterliegt im Übrigen grundsätzlich jeder der Baugeldverwendungspflicht und haftet für eine zweckwidrige Verwendung (vgl. Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., Anh. I, Rn. 325).
Die Kammer hält den Vorsatz für nachgewiesen durch die Korrespondenz, an der ausweislich der hierzu vorgelegten E-Mails auch der Beklagte zu 1) persönlich beteiligt war: So ergibt sich aus der als Anlage K 17 vorgelegten E-Mail des Beklagten zu 1) vom 20.9.2016 gerichtet an die Klägerin (namentlich Herrn B.), in der es um eine zugesagte Zahlung in Höhe von 100.000 € an die Klägerin geht, dass der Beklagte zu 1) sowohl über das Vertragsverhältnis mit der Klägerin informiert war, als auch darüber, dass der Klägerin aus diesem Grund eine Zahlung zusteht. Der Beklagte zu 1) hat zwar vorsorglich mit Nichtwissen bestritten, dass die E-Mail vom 20.09.2016 (K 17) von ihm stamme. Ob dieses Bestreiten gem. § 138 Abs. 4 ZPO überhaupt beachtlich ist, da dem Beklagten zu 1) im Rahmen seiner Recherche- und Informationspflicht ggf. noch Zugang zum früheren E-Mail-Verkehr hätte verschafft werden können, kann dahin gestellt bleiben. Denn in Anlage K 17 findet sich auch die Antwort-Mail des Herrn B., die der Beklagte zu 1) nicht bestritten hat. Die E-Mail wurde von der gleichen Adresse („…@…de“) versendet, von der auch seine mit Anlage K 10 vorgelegte – und vom Beklagten zu 1) nicht bestrittene – E-Mail stammt, und die zudem in der Anlage K 18 unter „cc“ nach dem Namen des Beklagten zu 1) aufgeführt ist. Der Beklagte zu 1) hat auch nicht vorgetragen, dass ggf. eine andere Person E-Mails von seinem Account verschickt haben könnte. Aus dem Gesamtkontext bestehen keine Zweifel daran, dass der E-Mail-Verkehr wie aus Anlage K 17 ersichtlich stattgefunden hat.
Zudem belegt Anlage K 10, eine E-Mail des Beklagten zu 1) an einen seiner Mitarbeiter vom 21.02.2017, dass er mit (erwarteten) Zahlungseingängen der S-GmbH im Allgemeinen und auch mit der finanziellen Abwicklung des Projekts Z-AG mit der Klägerin im Besonderen befasst war. In dieser Korrespondenz forderte der Beklagte zu 1) eine „Aufstellung der überhaupt noch zu erwartenden Zahlungseingänge aus S-Ausgangsrechnungen“. Er erhielt eine solche, aus der ersichtlich ist, dass auch Zahlungsflüsse zwischen S-GmbH und der Klägerin thematisiert wurden. Und schließlich hatte er Kenntnis darüber, dass über die Errichtung eines Fremdgeldkontos zur Sicherung der Forderungen der Klägerin verhandelt wurde, was sich etwa aus der am 22.11.2016 von Herrn K. an die Klägerin gerichtete und über „cc“ an den Beklagten zu 1) versandte E-Mail ergibt (K 18). Bereits aus der Betreffzeile dieser E-Mail ergibt sich, dass es um das Projekt Z. geht. Inhaltlich macht der Mitarbeiter der S-GmbH die Errichtung des Fremdgeldkontos von der Schlussrechnung der Z-AG und dem dafür von der Klägerin zu erstellenden Aufmaß abhängig.
All dies lässt keinen Zweifel daran, dass dem Beklagten zu 1) bewusst war, er es zumindest i.S. eines bedingten Vorsatzes für möglich hielt, dass es sich bei dem in der Schlussrechnung als Abschlagszahlung berücksichtigten Betrag von 249.783,33 € um Baugeld handelte, welches weder auf ein Fremdgeldkonto gelangt ist noch an die Klägerin geflossen ist.
4. Der Klägerin ist durch die zweckwidrige Verwendung von Baugeld ein Schaden in Höhe von 197.604,38 € entstanden.
a) Sie hat mindestens in Höhe des zweckwidrig verwendeten Baugeldes eine fällige Werklohnforderung gegen die S-GmbH, die wegen deren Insolvenz nicht mehr bedient werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ggf. im Insolvenzverfahren eine Quote erhalten könnte (Ingenstau/Korbion, S. 2813). Dem damit verbundenen Vorteilsausgleich wird durch die beantragte „Zug-um-Zug“-Verurteilung (gegen Abtretung der zur Tabelle angemeldeten Forderung) Rechnung getragen.
Die Kammer geht von einer berechtigten Werklohnforderung der Klägerin gegen die S-GmbH in Höhe von – mindestens – 289.256,37 € netto aus.
aa) In Höhe von 362.979,01 € netto wurde die Schlussrechnung der S-GmbH für eben jenes Bauvorhaben von deren Auftraggeberin Z-AG ausweislich der vorgelegten geprüften Schlussrechnung „…“ für berechtigt erachtet.
Die zugrunde liegenden Leistungen hat aber die Klägerin ausgeführt. Den Vertragsverhältnissen zwischen der Z-AG und der S-GmbH einerseits und der S-GmbH und der Klägerin andererseits liegen ausweislich der Anlagen K 23 und K 24 einerseits und K 25 und K 26 andererseits jeweils identische Leistungsverzeichnisse (…) zugrunde. Dies lässt den Schluss zu, dass die von der Z-AG beauftragten und mit der Schlussrechnungsprüfung anerkannten Leistungen auch erbracht wurden, und zwar von der Klägerin. Die Klägerin hat auf entsprechenden Hinweis der Kammer unter Vorlage der Aufmaßunterlagen (…) (K 32) und (…) (K 33) schlüssig dargelegt und u.a. Sachverständigenbeweis dafür angeboten, dass sie die dort aufgeführten und von ihr abgerechneten Leistungen (K 6) erbracht hat.
Dem ist der Beklagte zu 1) nicht substantiiert entgegen getreten. Nicht zutreffend war jedenfalls sein Einwand gegen das von der Klägerin als Anlage K 19 vorgelegte Abnahmeprotokoll, dass dieses die Abnahme im Vertragsverhältnis Z-AG – S-GmbH betreffe und nicht die Abnahme der Leistungen der Klägerin durch die S-GmbH. Insofern hat die Klägerin vorgetragen, dass es sich bei den dokumentierten Anwesenden um Mitarbeiter der S-GmbH und der Klägerin gehandelt habe. Dies ist für die Herren (…) nachvollziehbar anhand des auf der letzten Seite (insb. Rückseite) der Anlage K 5 enthaltenen Organigramms. Das Abnahmeprotokoll, das als Ersteller die S-GmbH ausweist, belegt damit ebenfalls, dass die Leistungen der Klägerin im Wesentlichen vertragsgerecht erfolgt sind.
bb) Die Klägerin hat abgerechnet mit Schlussrechnungen vom 20.12.2016 zum einen den Betrag von 364.475,92 € netto – einschließlich Nachträgen in Höhe von 45.863,57 € – (Re.-Nr. 1641/16) und zum anderen mit Re.-Nr. 1642/16 den Betrag von 57.807,81 € (…). Selbst wenn man bei der Berechnung der Werklohnforderung der Klägerin die von ihr geltend gemachten Nachträge unberücksichtigt lässt, verbleibt mithin ein Rechnungsbetrag von 376.420,16 € (364.475,92 – 45.863,57 [Nachträge] + 57.807,81 €). Jedenfalls in Höhe des von der Z-AG anerkannten Betrages von 362.979,01 € netto wurden damit vergütungspflichtige Leistungen auf das Projekt Z-AG erbracht. Selbst wenn man zusätzlich noch die in der Klageschrift (S. 11) aufgeführte „Gegenforderung S.“ von 73.722,64 € in Abzug bringt, verbleibt eine Werklohnforderung der Klägerin in Höhe von 289.256,37 €, auf die lediglich eine Abschlagszahlung in Höhe von 52.178,95 € geleistet wurde.
cc) Der Beklagte zu 1) hat trotz entsprechendem Hinweis der Kammer im Rahmen seiner abgestuften Darlegungs- und Beweislast keine substantiierten Einwände gegen die Höhe der Forderung vorgebracht. Dass der Beklagte zu 1) über keinerlei Firmenunterlagen mehr verfüge, führt nicht zu einer Erleichterung seiner Darlegungs- und Beweislast. Der Beklagte zu 1) hat nicht einmal vorgetragen, dass es ihm nicht möglich sei, sich die entsprechenden Kenntnisse durch Nachforschungen, etwa in den Insolvenzakten, zu beschaffen. Unbehelflich ist deshalb angesichts des substantiierten Vorbringens der Klägerin insbesondere die gegen die tatsächliche Leistungerbringung angeführte Übersicht (K 10), in der von internen Verrechnungen die Rede ist. Mangels konkreter Darlegung, auf welche vertraglichen Grundlagen sich etwaige Gutschriften zwischen den dort aufgelisteten Firmen zurückführen lassen, erschließt sich die Relevanz dieser behaupteten Gutschriften für die Abrechnung der Klägerin gegenüber der SGmbH nicht. Vielmehr stützt diese Aufstellung gerade den Vortrag der Klägerin, dass – Stand 17.02.2017 – Forderungen der Klägerin bestanden, die mit dem zu erwartenden eingehenden Baugeld nicht mehr beglichen werden konnten (erwarteter Zahlungseingang von Z-AG -nur- noch 160.000 €, gleichzeitig offene Forderung der Klägerin in Höhe von 356.000 €; selbst bei Abzug aller weiteren unter „interne Verrechnung“ aufgelisteten Positionen von dieser Forderung verbliebe noch eine über den zu erwartenden Zahlungseingang hinausgehende Forderung der Klägerin von 189.000 €). Mangels Substantiierung verfängt auch der Einwand nicht, dass die Z-AG gegenüber der S-GmbH einen Vorbehalt gegen deren geprüfte Schlussrechnung erklärt habe (vgl. K 11).
dd) Die Werklohnforderung ist fällig, die Abnahme fand ausweislich Anlage K 19 am 21.11.2016 statt, die Schlussrechnungen datieren vom 20.12.2016 und sind unstreitig zugegangen.
ee) Der Schaden ist auf 197.604,38 € zu beziffern, weil unter Abzug der bereits am 26.09.2016 (K 6) geleisteten Abschlagszahlung (52.178,95 €) von der zumindest in Höhe von 289.256,37 € netto berechtigten Werklohnforderung der Klägerin noch ein Betrag von 237.077,42 € verbleibt, der das von der S-GmbH empfangene und zweckwidrig verwendete Baugeld in Höhe von 197.604,38 € (= 249.783,33 € abzüglich unstreitig weitergeleiteter Abschlagszahlung von 52.178,95 €) übersteigt. Der Baugeldempfänger haftet jedem einzelnen Baugläubiger mit dem gesamten Baugeldbetrag für dessen Bauforderungen, bis das Baugeld für Bauforderungen verbraucht ist (OLG Hamm, BeckRS 2018, 31995).
b) Dem Schadensersatzanspruch steht vorliegend auch nicht die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit etwaiger Zahlungen entgegen. Ein ersatzfähiger Schaden bei zweckwidriger Verwendung von Baugeld soll entfallen, wenn eine pflichtgemäße Zahlung an einen Baugeldgläubiger anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätte (vgl. BGH NJW 2013, 2514). Für die Anfechtbarkeit einer pflichtgemäßen Zahlung trägt der Baugeldempfänger die Darlegungs- und Beweislast (Ingenstau/Korbion, a.a.O. Rn. 357), mithin der Beklagte zu 1).
aa) Die Anfechtbarkeit einer hypothetischen Weiterleitung von Baugeld beurteilt sich vorliegend nach § 133 InsO, da es sich jedenfalls um eine Rechtshandlung außerhalb des Dreimonatszeitraums gehandelt hätte. Der Insolvenzantrag wurde am 12.09.2017 gestellt, das Baugeld ging bereits zwischen dem 11.08.2016 (laut Schlussrechnung S-GmbH 1. Anzahlungsforderung) und dem 17.03.2017 ein und hätte bis zu Ausscheiden des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer im April 2017 noch zweckgerecht verwendet bzw. ausgezahlt werden können. Gem. Art. 103 j EGInsO findet auf Insolvenzverfahren, die ab dem 05.04.2017 eröffnet worden sind, § 133 InsO n.F. Anwendung.
Es kann im Rahmen der Anfechtbarkeit nach § 133 InsO unterstellt werden, dass die Schuldnerin, die S-GmbH, durch ihre Geschäftsführer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hätte, wenn sie Zahlungen im oben genannten Zeitraum an die Klägerin weitergeleitet hätte.
bb) Jedoch konnte der Beklagte zu 1) nicht beweisen, dass die Klägerin Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes hatte. Gem. § 133 Abs. 1 S.2 InsO n.F. wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Eine solche Kenntnis wenigstens drohender Zahlungsunfähigkeit kann sich für Außenstehende ohne Insiderwissen etwa daraus ergeben, dass Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber einem Gläubiger trotz intensiver Beitreibungsversuche ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden, und wenn der Gläubiger weiß, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt; ferner können eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung und die erforderliche Kenntnis hindeuten (vgl. BGH NJW-RR 2015, 612). Regelmäßig genügt aber ein erstmaliger Zahlungsrückstand nicht, mag er auch noch so hoch sein (OLG Frankfurt, ZinsO 2005, 548).
Umstände, die in diesem Sinne für die Kenntnis der Klägerin von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der S-GmbH sprechen würden, hat der Beklagte zu 1) nicht vorgetragen.
cc) Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung des Beklagten zu 1), dass bereits das „Absondern von Geldern“, also die Verhandlung über die Errichtung eines Treuhandkontos, in der konkreten Vertragskonstellation auf Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bzw. die Kenntnis der Klägerin hiervon und von drohender Zahlungsunfähigkeit schließen lässt. Denn der Gesetzgeber hatte mit dem BauFordSiG gerade die Sicherung der Auftragnehmer im Auge. Auf einem besonderen Treuhandkonto verbuchtes Baugeld soll gerade die am Bau beteiligten Firmen im Anwendungsbereich des BauFordSiG gegenüber anderen Gläubigern privilegieren (vgl. BGH NJW 2013, 2514). Hat aber der Gesetzgeber die Möglichkeit der Privilegierung der Werkunternehmer gegenüber anderen Gläubigern – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – vorgesehen, kann – bei Fehlen weiterer Anhaltspunkte – diesen allein wegen des Versuchs, von den legitimen Mitteln einer Sicherung, wie etwa durch Verhandlung über ein Treuhandkonto, Gebrauch zu machen, keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligung seines Vertragspartners unterstellt werden, jedenfalls dann nicht, wenn nicht zugleich Kenntnis von (drohender) Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen ist. Dies würde den Schutzzweck des BauFordSiG gänzlich leer laufen lassen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die in E-Mails dokumentierten Verhandlungen über ein Fremdgeldkonto bereits im Oktober 2016 stattfanden, und damit fast ein Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags. Weitere Anhaltspunkte, aus denen sich die Kenntnis drohender Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt einer hypothetischen Weiterleitung von Baugeld ergeben können, wurden nicht vorgetragen.
dd) Selbst wenn man die Inkongruenz einer etwaigen Zahlung vor Fälligkeit der Werklohnforderung der Klägerin als Beweisanzeichen für eine entsprechende Kenntnis heranzieht, gelangt man vorliegend zu keinem anderen Ergebnis.
Denn je geringer das Ausmaß der Inkongruenz im Einzelfall ist, desto mehr tritt ihre Bedeutung als Beweisanzeichen zurück; als solches ist sie bereits entkräftet, sofern Umstände feststehen, die den Benachteiligungsvorsatz ernsthaft in Frage stellen (MüKo, InsO, 4. Aufl. 2019, § 133 Rn. 31b m.w.N.). Im Übrigen verliert die Inkongruenz als Indiz an Beweiskraft, je länger die angefochtene Rechtshandlung vor dem Eröffnungsantrag liegt (a.a.O.).
(1) Wäre vor Fälligkeit der Schlussrechnung eine Abschlagszahlung an die Klägerin geleistet worden, hätte es sich wohl um eine inkongruente Deckung gehandelt. Eine Deckung ist u.a. inkongruent, wenn sie nicht zu der Zeit zu beanspruchen ist, der Gläubiger sie früher erhält als geschuldet, also wenn der Anspruch darauf im Zeitpunkt der Erfüllung etwa noch nicht fällig war (vgl. MüKo, InsO, § 131 Rn. 40 m.w.N.).
Abschlagszahlungen sind grundsätzlich kongruent (§ 632a BGB, § 16 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOB/B), inkongruent etwa aber dann, wenn ihnen keine prüfbare Abrechnung zugrunde lag (Messerschmidt/Voit, Priv. Baurecht, 3. Aufl. 2018, Rn. 90 m.w.N.).
Zwar hat die Klägerin selbst nicht behauptet, einen fälligen Anspruch auf eine Abschlagszahlung in Höhe des eingenommenen Baugeldes zu haben, so dass eine zwischen August 2016 und Fälligkeit der Schlussrechnung eingegangene Zahlung gerade nicht als kongruent anzusehen wäre. Jedoch würde sich die Inkongruenz bei einer Abschlagszahlung als eher schwach darstellen, weil ein – eben erst später fällig werdender – Anspruch immerhin infolge einer erbrachten Gegenleistung besteht.
Hinzu kommt, dass die indizielle Bedeutung der Inkongruenz mit zeitlichem Abstand zum Eröffnungsantrag abnimmt, und sie damit in ihrer Bedeutung als Beweiszeichen zurücktritt (s. Karsten Schmidt, InsO 2016, 49 m.w.N.). Der Beklagte zu 1) hat nicht vorgetragen, wann das Baugeld einging und es demzufolge hypothetisch hätte ausgezahlt werden können. Wie sich jedoch aus Anlage K 10 („S-GmbH – Übersicht noch zu erwartender Zahlungseingänge – Stand 21.02.2017)“ ergibt, erwartete die S-GmbH zu diesem Zeitpunkt (nur) noch ca. 160.000 € von ihrem Auftraggeber Z-AG. Dies spricht dafür, dass das Baugeld in Höhe von 249.783,33 € bereits spätestens Mitte Februar bei der S-GmbH eingegangen sein muss. Eine hypothetische Weiterleitung an die Klägerin zu diesem Zeitpunkt – oder früher – wäre mehr als 7 Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolgt, und damit in deutlichem zeitlichem Abstand zum Eröffnungsantrag.
(2) Mangels substantiierter Darlegung ist jedoch nicht einmal davon auszugehen, dass eine hypothetische Weiterleitung des Baugeldes eine inkongruente Deckung dargestellt hätte: Der Beklagte zu 1) datiert die Fälligkeit der Schlussrechnung der Klägerin bereits auf den 20.01.2017 (S. 3 des Schriftsatzes vom 13.12.2019, Bl. 86 d.A.). Selbst wenn man mit dem Klägervortrag davon ausgeht, dass die Schlussrechnung der Klägerin erst spätestens Anfang April 2017 fällig war, wäre ab diesem Zeitpunkt bis zum Ausscheiden des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer noch eine Weiterleitung von Baugeld sogar im Rahmen einer kongruenten Deckung möglich gewesen. Für kongruente Deckungshandlungen greift die gesetzliche Vermutung einer Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz nach Abs. 1 Satz 2 erst ein, sofern der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung die (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte (MüKo a.a.O., § 133 Rn. 24a). Dies konnte der Beklagte zu 1) jedoch erst recht nicht beweisen.
II. Keine Haftung des Beklagten zu 2)
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) war abzuweisen, weil die Kammer bei diesem einen wenigstens bedingten Vorsatz hinsichtlich der Baugeldeigenschaft des laut Klägervortrag und Anlage K 11 am 01.06.2017 eingegangen Betrages von 149.267,64 € nicht feststellen konnte.
Zwar muss der Empfänger von Baugeld in der Leistungskette (§ 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauFordSiG) für seinen Vorsatz keine Einzelheiten wissen, allerdings mit der Ausnahme, dass er als zwischengeschalteter Unternehmer die Gelder von seinem Auftraggeber für die Herstellung eines Baus erhalten hat (Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., Anh.I, Rn. 350). Die Klägerin konnte aber nicht konkret darlegen geschweige denn beweisen, dass der Beklagte zu 2) wusste, dass dieser Zahlungseingang auf einem Auftrag beruhte, in dem die S-GmbH als zwischengeschalteter Unternehmer handelte und weitere Auftragnehmer als Subunternehmer beteiligt waren. Unstreitig erfolgte die „Auftragsübertragung Z.“ lange vor Eintritt des Beklagten zu 2) als Geschäftsführer. Zudem war auch die Projektabwicklung bereits vor dem 25.04.2017 abgeschlossen und erfolgte auch die Stellung der Schlussrechnung am 17.03.2017 noch unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 1). Dass sich die Baugeldeigenschaft dann lediglich aufgrund der Rechnungsbezeichnung (ZE SR 93001358) in der Überweisung hätte aufdrängen müssen, hält die Kammer nicht für zwingend.
Schließlich lässt sich der Vorsatz des Beklagten zu 2) nicht mit dem Schreiben des Klägervertreters vom 03.07.2017 (K 21) begründen, und zwar selbst dann nicht, wenn der Beklagte zu 2) Kenntnis davon genommen hätte. Das Schreiben des Klägervertreters mit dem Hinweis auf Baugeld datiert nach dem behaupteten Eingang des Baugeldes und kann nicht mehr auf den Vorsatz zurückwirken: Wie sich aus der Aufstellung in Anlage K 11 ergibt, wurde der am 01.06.2017 eingegangene Betrag am 02.06.2017 fast vollständig verbraucht. Der Vorsatz muss aber zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem der Baugeldempfänger auch die Dispositionsbefugnis, also die faktische Möglichkeit und die rechtliche Befugnis besitzt, das Baugeld zu verwenden.
Das weitere Vorbringen im Schriftsatz vom 22.10.2020 war gem. § 296 a ZPO nicht beachtlich.
III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO. Die Klagezustellung an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) erfolgte am 18.02.2020. Ein vorheriger Zinsbeginn scheidet aus, weil die Klägerin die Voraussetzungen des Verzuges bereits am 27.02.2017 in Bezug auf den Beklagten zu 1) persönlich nicht dargetan hat. Die von der Klägerin für den beantragten früheren Zinsbeginn zugrunde gelegte Fälligkeit der Werklohnforderung und der daran gem. § 286 Abs. 3 BGB anknüpfende Verzugseintritt betrifft nur die Werklohnforderung gegen die S-GmbH, nicht aber den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Schadensersatzanspruch (vgl. auch OLG Celle, NJW-RR 2018, 982).
IV. Die Kostenentscheidung folgt dem Grundgedanken der §§ 91, 92 ZPO unter Anwendung der Baumbach´schen Kostenformel. Die Kostenquote der Klägerin und des Beklagten zu 1) bei den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin wurde unter Berücksichtigung eines fiktiven Streitwerts (“Addition der Einzelangriffe“: 592.752,28 €) im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Unterliegen ermittelt. Für die Ermittlung der Quote hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) war lediglich das Prozessrechtsverhältnis zwischen diesem und der Klägerin zu betrachten.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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