Handels- und Gesellschaftsrecht

Merkmal der Stoffgleichheit beim Schadensersatzanspruch wegen Prozessbetrugs

Aktenzeichen  13 U 1235/17

Datum:
14.8.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148459
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 263
ZPO § 138, § 513 Abs. 1, § 522 Abs. 2, § 546
BGB § 823 Abs. 2, § 826

 

Leitsatz

1. Will der Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen Prozessbetrugs auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB stützen, muss er darlegen, dass der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch stoffgleich mit dem Vorteil ist, den der Beklagte erlangt hat oder erlangen wollte. Das Merkmal der Stoffgleichheit ist nicht erfüllt, wenn der Kläger Schadensersatz wegen Recherche- und Beratungskosten begehrt, die er zum Nachweis des Prozessbetrugs aufgewandt hat. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch muss einem konkreten Schadensereignis zugeordnet werden können. Das ist nicht der Fall, wenn für das Gericht nicht erkennbar ist, welche Ansprüche aus eigenem und welche aus abgetretenem Recht geltend gemacht werden und welche konkreten Beratungs- und Recherchekosten wann, für wen und warum angefallen sind. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

40 O 808/16 2017-03-08 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.03.2017, Az. 40 O 808/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 854.953,52 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Prozessbetrugs, weil die Beklagte bzw. ihre Vertreter in Zivilverfahren vor dem Landgericht München I bewusst unwahr vorgetragen und einen Prozessbetrug begangen hätten. Geltend gemacht werden Beratungs- und Recherchekosten im In- und Ausland (in erster Instanz zudem entgangener Gewinn), die nach Vortrag des Klägers aufgewendet werden mussten, um aufzudecken, dass der Prospekt des HL-Fonds Nr. 136 falsch gewesen sei, da die Anlegergelder in Wahrheit nicht für die Produktion von Filmen verwendet worden, sondern einem Geldkreislauf zugeführt worden seien. Die Beklagte hätte im Prozess bewusst wahrheitswidrig die Existenz dieses Geldkreislaufs geleugnet.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Erstinstanzlich beantragte der Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.565.482,10 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
Mit Endurteil vom 08.03.2017, dem Kläger zugestellt am 13.03.2017, wies das Landgericht die Klage ab. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 11.04.2017, per Telefax eingegangen am gleichen Tage, legte der Kläger dagegen Berufung ein. In Höhe eines Betrages von 2.688.604,00 € (der u.a. den entgangenen Gewinn umfasst) wurde die Klage zurückgenommen, im Übrigen wurde die Berufung mit Schriftsatz vom 15.05.2017, eingegangen am gleichen Tage, im Wesentlichen wie folgt begründet:
– Das Erstgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Frage der Aktivlegitimation des Klägers nicht eindeutig sei.
– Es sei unzutreffend, dass beim Schadensersatzanspruch wegen Prozessbetrugs Stoffgleichheit zwischen dem vom Täter erstrebten Vorteil und dem eingetretenen Schaden bestehen müsse.
– Rechtsirrig sei die Auffassung des Landgerichts, der Anspruch des Klägers bestehe deswegen nicht, weil er auf die Möglichkeiten der ZPO hätte zurückgreifen können und er Aufwendungen getätigt habe, mit denen die Beklagten nicht zu rechnen brauchten.
– Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts habe der Kläger seinen Schaden ausreichend substantiiert dargelegt.
– Das Landgericht sei nicht auf die Argumentation des Klägers eingegangen, § 138 ZPO sei ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB und habe geringere Voraussetzungen als § 263 StGB.
– Die Begründung des Landgerichts zum mangelnden Vorsatz bei § 826 BGB sei willkürlich.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 854.953,52 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält Urteil des Landgerichts für zutreffend. Auf die Berufungserwiderung vom 13.06.2017 (Bl. 231/241 d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 19.07.2017 (Bl. 244/248 d.A.) erteilte der Senat Hinweise gem. § 522 Abs. 2 ZPO. Dazu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 09.08.2017 Stellung (Bl. 249/260 d.A.); die Beklagte gab keine Stellungnahme ab.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.03.2017, Az. 40 O 808/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig der Auffassung ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung.
Der Senat hat die Argumentation in der Stellungnahme des Klägers vom 09.08.2017 beraten und seine bisher geäußerte Rechtsauffassung überprüft. Der Senat ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Änderung seiner bisher schon geäußerten Rechtsauffassung nicht veranlasst ist. Zur Begründung dieses Beschlusses wird daher zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 19.07.2017 Bezug genommen.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht nicht auf der „unrichtigen Annahme, dass die Frage der Aktivlegitimation des Klägers nicht eindeutig sei“. Das Landgericht hat diese Frage ausweislich Seite 7 des Urteils nämlich ausdrücklich offen gelassen und ausgeführt, dass Schadensersatzansprüche auch dann nicht bestünden, wenn man die Aktivlegitimation des Klägers in vollem Umfang unterstellte.
2. Anders als der Kläger meint, liegt keine „Divergenzsituation“ vor, die den Senat dazu zwingen würde, mündlich zu verhandeln und die Revision zuzulassen, dies schon deshalb nicht, weil noch gar keine abweichende Entscheidung eines anderen Senats oder eines anderen Oberlandesgerichts vorliegt. Eine Verfügung mit einem Hinweis ist keine Entscheidung. Überdies ist der vom Kläger als BK 3 vorgelegten Verfügung des 17. Zivilsenats nicht zu entnehmen, dass der 17. Senat von anderen Rechtssätzen ausgeht als der 13. Zivilsenat. Gelangen Gerichte bei der Anwendung der gleichen Rechtssätze im konkreten Fall aufgrund unterschiedlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu unterschiedlichen Ergebnissen, ist das noch kein Grund für die Zulassung der Revision.
3. Der Senat ist nicht der Auffassung des Klägers, dass es vorliegend nicht auf das Merkmal der Stoffgleichheit ankommt. Wenn der Kläger hier seinen Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB stützen will, muss der Schaden, den er hier mit der Klage geltend macht, stoffgleich mit dem sein, den der Täter (die Beklagte) erlangte bzw. erlangen wollte. Warum das hinsichtlich der Recherche- und Beratungskosten nicht der Fall ist, wurde im Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt. Der Senat schließt sich somit nicht der auf Seiten 2 bis 7 oben des Schriftsatzes vom 09.08.2017 nochmals dargelegten Rechtsauffassung des Klägers an. Soweit der Kläger nunmehr ausführt, das Landgericht habe ihn wohl missverstanden, da es davon ausgegangen sei, es gehe ihm um Schadensersatz wegen vollendeten Prozessbetrugs im Hinblick auf die aufgewendeten Recherchekosten (Seite 4, 2. Absatz des Schriftsatzes vom 09.08.2017), ist nicht Recht nachvollziehbar, inwieweit das der Auffassung des Senats zur Stoffgleichheit entgegenstehen soll. Der Kläger macht eben in diesem Verfahren gerade nicht die Nachteile geltend (wie er aber im folgenden Satz behauptet), die ihm durch die Abweisung der Klage (unmittelbar) entstanden sind.
4. Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass der Kläger der Auffassung ist, die Lüge sei gleichsam Geschäftsgrundlage des Zivilprozesses (vgl. Seite 7, 2. Absatz des Schriftsatzes vom 09.08.2017).
5. Ob § 138 Abs. 1 ZPO ein Schutzgesetz ist oder nicht, braucht vorliegend dennoch nicht entschieden zu werden.
Der Senat hat durchaus verstanden (auch wenn der Kläger der Meinung ist, der Senat setze sich „gehörswidrig“ nicht mit dieser Frage auseinander), dass und warum der Kläger der Meinung ist, auf die „Stoffgleichheit“ komme es nicht an, so dass der „einfache“ Verstoß gegen § 138 ZPO gegebenfalls ausreichen könne, um umfangreiche Schadensersatzansprüche zu begründen.
Der Kläger verkennt aber zum einen, dass ein Schaden überhaupt nur eintreten kann, wenn ein vollendeter Prozessbetrug vorliegt; dessen Schaden liegt dann regelmäßig in der Abweisung der Klage. Die Geltendmachung eines (weiteren) Schadens, ohne dass gleichzeitig ein solcher Prozessbetrug vorliegt, dürfte somit ausgeschlossen sein. Nach Auffassung des Senats muss das im konkreten Fall dazu führen, dass – soweit die Schutzgesetzverletzung in Rede steht – der Schaden, der nicht unmittelbare Folge des Prozessbetrugs ist, nicht ersetzt werden kann. Alles andere wäre zu weitreichend.
Auch diese Überlegungen des Senats zwingen nicht zur mündlichen Verhandlung oder zur Zulassung der Revision, da sie sich zum einen nur auf den vorliegenden Einzelfall beziehen und zum anderen dazu – soweit ersichtlich – keine abweichende obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Darüber hinaus wurde – selbst wenn § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 138 Abs. 1 ZPO Anspruchsgrundlage wäre – auch insoweit der Schaden nicht ausreichend substantiiert vorgetragen ist (siehe dazu gleich).
6. Ansprüche aus eigenem und abgetretenem Recht (Seiten 8-10 der Berufungsbegründung) und Substantiierung des Schadens
Dem Senat ist trotz des ergänzenden Vortrags des Klägers unklar, welcher Teil der insgesamt noch geltend gemachten 854.953,52 € auf eigenen Ansprüchen des Klägers beruht und welche er aus abgetretenem Recht geltend macht.
Der Kläger hat zudem nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, welche konkrete Beratungsbzw. Recherchekosten wann, für wen und warum angefallen sind, was konkret Gegenstand der Beratung und Recherche war und warum diese erforderlich war.
Darüber hinaus wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit ausdrücklich nur zwei konkrete Zivilprozesse in Bezug nimmt, in denen die Beklagte bewusst falsch vorgetragen habe, er aber insgesamt 26 Verfahren geführt hat, die alle Schadensersatzbzw. Prospekthaftungsansprüche zum Gegenstand hatten. Es ist weiterhin nicht ersichtlich (weil dazu nicht ausreichend substantiiert vorgetragen wurde), warum die hier geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 854.953,52 € allein wegen des vom Kläger behaupteten falschen Sachvortrags in zwei Verfahren angefallen sein sollen.
Anders als der Kläger meint, unterstellt der Senat in diesem Zusammenhang auch nicht einen Sachverhalt, den keine Partei vorgetragen hat. Es geht nur darum, dass der hier geltend gemachte Schaden konkret einem Schadensereignis zugeordnet werden muss und dass die oben genannten Umstände hätten substantiiert vorgetragen werden müssen, damit die Klage schlüssig ist.
7. Gesamtschuldnerische Haftung
Der Kläger führt unstreitig mehrere Parallelverfahren, die die gleichen Ansprüche wie hier zum Gegenstand haben, die aber gegen andere Beklagte gerichtet sind. Die Ausführungen des Klägers auf Seite 11 unten des Schriftsatzes vom 09.08.2017 treffen deshalb nicht den Kern der Argumentation des Senats. Die verschiedenen vom Kläger geführten Parallelprozesse dürfen jedenfalls nicht zudem Ergebnis führen, dass er den geltend gemachten Betrag mehrfach fordern kann. Es ist unklar, wann in welchem Verfahren eine Entscheidung gehen wird. Deshalb muss der Kläger seinen Antrag hier so formulieren, dass deutlich wird, dass eine gesamtschuldnerische Verurteilung angestrebt wird. So wie der Antrag jetzt formuliert ist, wird gerade nicht deutlich, dass der Betrag insgesamt nur einmal gefordert wird.
8. Subjektive Voraussetzungen des § 826 BGB
Hier zitiert der Kläger im Schriftsatz vom 09.08.2017 nur drei Obersätze aus einer Entscheidung des III. Senats des Bundesgerichtshofs. Das ersetzt aber nicht den weiterhin fehlenden Sachvortrag. Gleiches gilt für den Hinweis des Klägers, er habe in den Ausgangsverfahren (also den Prospekthaftungsbzw. Schadensersatzprozessen) auf die Tatbeiträge der jeweiligen Mitarbeiter namentlich hingewiesen.
III.
Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Streitwert: §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.


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