Handels- und Gesellschaftsrecht

Missachtung der Kompetenzordnung der Gesellschaft als Pflichtverletzung; Einrede der beschränkten Erbenhaftung

Aktenzeichen  23 U 2755/13

Datum:
1.12.2016
Fundstelle:
NWB – 2017, 247
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbHG § 43 Abs. 2
HGB § 116, § 161 Abs. 2, § 163
BGB § 280
ZPO § 780

 

Leitsatz

1. Bedarf die Komplementärin nach der Satzung der Kommanditgesellschaft für außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, sind solche mit Ausnahmecharakter nach Art und Inhalt, insbesondere einschneidende Änderungen von Organisation oder Vertrieb unter Beachtung der besonderen Umstände der Gesellschaft zu verstehen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einführung einer weiteren Ebene in die Vertriebsstruktur stellt eine einschneidende Änderung der Vertriebsorganisation dar, die dann der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung im Urteil bedarf es keines Sachvortrags; es genügt die Erhebung der Einrede nach § 780 ZPO. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

II ZR 305/14 2016-06-21 Berichtigungsbeschluss BGH LG Traunstein

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen Ziffer II. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 26.06.2013, Az. 1 HK O 4672/10, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Thomas S. der Beklagten zum Ersatz sämtlicher über € 10.455,00 hinausgehender weiterer Schäden verpflichtet ist, die der S. G. GmbH & Co. KG durch die Vertriebsvereinbarung zwischen der S. G. GmbH & Co. KG und der T. Distribution GmbH vom 28.07.2010 entstanden sind oder noch entstehen werden und der S. G. GmbH & Co. KG von der Beklagten ersetzt werden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Klägerin bleibt die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

II. Hinsichtlich der Verurteilung auf die Widerklage hat die zulässige Berufung keinen Erfolg. Der Klägerin war jedoch nach § 780 ZPO die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.
1. Die Feststellungsklage der Beklagten ist zulässig.
1.1. Die Beklagte will mit ihrem Widerklageantrag einen ihr selbst zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin als Rechtnachfolgerin des verstorbenen früheren Klägers festgestellt wissen. Dieses Begehren war auch schon Gegenstand der in erster Instanz erhobenen Widerklage (BGH, Urteil vom 21.06.2016, II ZR 305/14, Tz. 11 ff). Der zur Auslegung des Widerklageantrags heranzuziehenden Begründung in der Klageerwiderung vom 16.03.2011 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz eines eigenen Schadens festgestellt haben möchte. So führt die Beklagte auf den Seiten 14 und 15 dieses Schriftsatzes (Bl. 33/34 d. A.) aus, dass es „neben der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft“ bei „seiner unmittelbaren Haftung gegenüber der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG“ bleibe, „wenn diese satzungsgemäß für die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft verantwortlich ist“. Der frühere Kläger habe vor Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit der T. die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der KG einholen müssen. Er sei „der Beklagten daher gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie ihrerseits wegen der vom früheren Kläger begangenen Pflichtverletzung der SGF KG die durch die Vertriebsvereinbarung mit der T. GmbH entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen hat“.
1.2. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Beschluss vom 04.03.2015, IV ZR 36/14, juris Tz. 15 m. w. N.). Insoweit wird auf die Ausführungen zur Begründetheit der Klage verwiesen. Es kann insbesondere dahinstehen, ob Ansprüche der SGF KG gegen die Beklagte bereits verjährt sind (s. u. Ziffer 2.4).
Die Abweisung der von der SGF KG gegen T. erhobenen Auskunftsklage (Urteil des OLG München vom 30.07.2015, U 3028/14 Kart, Anlage NZBE1) macht weder eine
– weitere – Bezifferung unmöglich, noch steht sie der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts entgegen. Hinsichtlich der Schäden, die dadurch entstanden sind, dass Vierol im Zeitraum zwischen September 2010 und März 2013 Produkte nicht unmittelbar bei der SGF KG, sondern über T. bezogen hat, hat die Beklagte die Schäden bereits beziffert.
1.3. Es kann dahinstehen, ob der Beklagten mittlerweile eine Bezifferung des gesamten Schadens möglich wäre. Auch in diesem Fall müsste sie nicht zur Leistungsklage übergehen. Bei Klageerhebung im Jahr 2010 war der Beklagten unstreitig eine Bezifferung nicht möglich. An einer zulässigerweise erhobenen Feststellungsklage darf die Klagepartei im Verlauf des Rechtsstreits jedoch grundsätzlich ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Schadens festhalten (BGH, Urteil vom 30.03.1983, VIII ZR 3/82, juris Tz. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.1992, 5 U 228/91, juris Tz. 12).
2. Die Feststellungsklage ist begründet.
2.1. Der Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit T. erfolgte ohne die erforderliche Einwilligung durch die Gesellschafterversammlung. Die Missachtung der Kompetenzordnung der Gesellschaft stellt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar.
Der Geschäftsführer führt gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft und des Gesellschaftsvertrages der SGF KG. Nach § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der SGF KG (Anlage B 1) i. V. m. der am 16.08.1996 beschlossenen Änderung (Anlage B 2) bedarf die Komplementärin zu Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Als außergewöhnliche Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 3 der Gesellschaftsvertrages der SGF KG, der keine Abweichungen von § 116 HGB i. V. m. §§ 163, 161 Abs. 2 HGB enthält, sind solche mit Ausnahmecharakter nach Art und Inhalt, insbesondere einschneidende Änderungen von Organisation oder Vertrieb unter Beachtung der besonderen Umstände der Gesellschaft zu verstehen (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 116, Rn. 2).
Der Senat ist in seiner jetzigen Besetzung aufgrund der protokollierten Zeugenaussagen und den Ausführungen im Senatsurteil vom 02.10.2014, aus denen sich keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen ergeben, davon überzeugt, dass mit dem Abschluss des Vertriebsvertrags zwar keine „Aufgabe des Eigenvertriebs“ in dem Sinne verbunden war, dass die Beklagte Ersatzteile für Kraftfahrzeuge nicht mehr selbst an die Endkunden insbesondere Werkstätten lieferte, dass aber durch den Vertriebsvertrag mit T. eine weitere Ebene in der Vertriebsstruktur geschaffen wurde. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen wurden auch von den Parteien nicht vorgetragen.
Die Einführung einer weiteren Ebene in die Vertriebsstruktur ist eine solch einschneidende Änderung der Vertriebsorganisation, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin nach § 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages i. V. m. § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der SGF KG dazu der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft hätte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Abschluss von Vertriebsverträgen auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet ist und der Ersatzteilmarkt nur einen kleineren Teil des Umsatzes der SGF KG ausmacht. Die Ausführungen des Kartellsenats des OLG München (Anlage NZBE 1), es bestünden keine Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken des früheren Klägers und Herrn Templin, um T. zur Lasten der SGF KG durch den Abschluss des Vertriebsvertrages Vorteile zu verschaffen, stehen der Annahme einer Pflichtverletzung nicht entgegen.
Während die SGF KG nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Wä., Wr., T. und R. vor Abschluss des Vertriebsvertrages mit T. mindestens drei größere Ersatzteilkunden hatte, wurde der Vertrieb mit Abschluss des Vertrages mit T. neu strukturiert. Der von der Klagepartei benannte Zeuge T. bekundete insbesondere, dass es sich bei T. um eine weitere Ebene zwischen SGF und den bisherigen Kunden handelte, habe jedoch die zusätzliche Aufgabe gehabt, den Markenwert wiederherzustellen. Bislang hätten die Ersatzteilkunden die Aufträge ihrer Kunden zusammengefasst und an SGF weitergegeben; T. habe im Wesentlichen die gleiche Aufgabe gehabt, sollte aber darüber hinaus das Produkt auch promoten. Diese vom Zeugen T. für den Senat in seiner damaligen Besetzung ausweislich des Senatsurteils vom 02.10.2014 nachvollziehbar begründete Übertragung einer weiteren Aufgabe auf T., die sich allerdings nicht aus dem schriftlichen Vertriebsvertrag ergibt, ändert nichts an der damit verbundenen Einführung einer weiteren Ebene in der Vertriebsstruktur.
Die Behauptung des Rechtsvorgängers der Klägerin, auch über die früheren Vertriebsvereinbarungen seien die Gesellschafter nicht vorher informiert worden, hat der Zeuge T. nicht bestätigt. Er bekundete vielmehr, er könne nichts dazu sagen, was zu Vertriebsvereinbarungen mit den Gesellschaftern besprochen worden sei.
Da die Beklagte eine Pflichtverletzung des früheren Klägers nachgewiesen hat, kann offenbleiben, ob sich die Beklagte auch gegenüber der jetzigen Klägerin auf die von der Rechtsprechung entwickelte Darlegungs- und Beweislastverteilung (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2022, II ZR 224/00) berufen kann.
2.2. Der frühere Kläger hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Dies wird nach § 280 BGB i. V. m. dem Geschäftsführerdienstvertrag vermutet. Ein Rechtsirrtum wird nicht behauptet.
2.3. Der Abschluss des Vertriebsvertrages hat dadurch zu einem Schaden für die SGF KG geführt, dass – entgegen ihrem Willen – in die Vertriebsstruktur eine weitere Ebene eingeführt wurde und T. ein Preisnachlass gewährt wurde.
Aufgrund des vorgelegten Vertriebsvertrags, der Anlagen B 32 und B 33 und der Aussage des Zeugen G. (Seite 2 ff. des Protokolls vom 31.07.2014, Bl. 512 ff. d. A.) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der SGF KG – über den bereits im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Schadensersatz hinaus – dadurch Gewinn entgangen ist, dass die Firma Vi. ab September 2010 Gelenkscheiben nicht unmittelbar von der SGF KG, sondern von T. bezogen hat.
Ob und inwieweit der SGF KG dadurch ein weiterer Schaden entstanden ist, dass die weiteren Kunden ZF Services, Ho. und F. ebenfalls Gelenkscheiben nicht unmittelbar von der SGF KG, sondern von T. bezogen haben, und ob der SGF KG durch die in der Vertriebsvereinbarung geregelten Preisnachlässe Schäden in Höhe von mindestens € 868.540,00 entstanden sind (vgl. Seite 4 ff. Schriftsatzes der Beklagten vom 13.10.2016, Bl. 669 d. A.), muss im Rahmen der Feststellungsklage nicht entschieden werden. Denn im Verfahren, das zum Erlass eines Feststellungsurteils führt (§ 256 ZPO), ist für eine Prüfung und Entscheidung über die Höhe des festzustellenden Anspruchs kein Raum (BGH, Urteil vom 31.01.1984, VI ZR 150/82, juris Tz. 18).
Die Beklagte hat mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet, die darauf zurückzuführen sind, dass Vierol 850 Stück GAD-139-0, 5 Stück GAV-23-Z-0, 70 Stück GPD-3-0, 40 Stück TTV01-002-0, 350 Stück GAB01-009-0, 40 Stück GAB-106-0, 500 Stück GAB01-017-0, 650 Stück GAB-74-0, 100 Stück GAB-87-0, 400 Stück GAB01-003-0 und 150 Stück GAB01-015-0 nicht bei der SGF KG bezogen hat (Seite 20 des Schriftsatzes vom 31.12.2013, Bl. 413 d. A.). Diese Artikel (SGF-Bezeichnung) sind in der Anlage B 33 in den Zeilen 1- 12 aufgeführt.
Die weiteren in der Anlage B 33 in den Zeilen 13 ff. genannten Positionen waren nicht Gegenstand der Aufrechnung. Auch hinsichtlich dieser Produkte ist der Senat davon überzeugt, dass der SGF KG dadurch Gewinn entgangen ist, dass Vi. Produkte, die sie vor Abschluss des Vertriebsvertrages bei der SGF KG bezogen hat und nunmehr wieder bezieht, im Zeitraum zwischen September 2010 und März 2013 nicht unmittelbar bei der SGF KG, sondern über T. bezogen hat. Der Zeuge G. hat bekundet, er sei bei Vi. für den Einkauf zuständig gewesen und er habe die Anlage B 32 auf der Grundlage des Warenwirtschaftssystems erstellt. Vi. habe seit 2006 Gelenkscheiben bei SGF bezogen, dann seien sie informiert worden, dass das Aftermarket-Geschäft über die Firma T. abgewickelt werde. Für sie sei das Geschäft in gleicher Weise weiter gelaufen. Seit Februar oder März 2013 bezögen sie die Ware wieder unmittelbar bei SGF. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen G. sind aus dem Senatsurteil vom 02.10.2014 nicht ersichtlich und wurden von den Parteien auch nicht geäußert.
Die in der Anlage B 33 genannten Produkte entsprechen den in der Anlage B 32 aufgeführten. So werden z. B. in der zweiten Zeile der Anlage B 32 und der drittletzten Zeile der Anlage B 33 850 Stück der Artikelnummer V 30-18044 (OE 124 411 06 15; SGF-Bezeichnung GAD-129-0) genannt. Ausweislich der Anlage 1 zum Vertriebsvertrag betrug der bisherige Preis für dieses Produkt für Vi. € 11,34, während der jeweils geringste Verkaufspreis, der nach § 2 des Vertriebsvertrages Grundlage der Preisermittlung war, € 11,00 beträgt. Allein durch die Differenz von € 0,34 ist der SGF KG bei einer Stückzahl von 850 ein Schaden in Höhe von € 289,00 entstanden, ohne dass es darauf ankommt, welche Stückzahl in den ersten zwölf Monaten des Vertragslaufzeit des Vertriebsvertrages – mit der Folge eines Preisabschlags von 10% – erworben wurde. Der Senat versteht den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 13.10.2016 (S. 5, Bl. 670 d. A.) und die aus der mit diesem Schriftsatz vorgelegten weiteren Anlage B 36 ersichtliche Berechnung eines Mindestschadens, der allein durch die gewährten Preisnachlässe von 10% und weiteren 4% entstanden sein soll, nicht dahingehend, dass die Beklagte ihren Vortrag, sie hätte die Produkte an Vi. zu den gleichen Preisen wie bisher verkaufen können (Seite 19 des Schriftsatzes vom 31.12.2013, Bl. 412 d. A.), aufgegeben hat. Die Beklagte behauptet nämlich auch, die SGF KG hätte nicht zum niedrigsten Preis veräußert, sondern innerhalb des gegebenen Preisgefälles höhere Preise vereinbart (Seite 5, Bl. 670 d. A.) und beruft sich auf die im Senatsurteil vom 02.10.2014 wieder gegebene Aussage des Zeugen G. (S. 9, Bl. 674 d. A.). Dass Vi. die Produkte mindestens zu dem gleichen Preis wie bisher bezogen hätte, ergibt sich – im Rahmen des § 287 ZPO (BGH, Urteil vom 04.11.2002, II ZR 224/00, juris Tz. 15) – aus der Aussage des Zeugen G., für Vi. sei das Geschäft in gleicher Weise weiter gelaufen. Es sei durchaus zu Preisveränderungen gekommen. Als sie bei T. bezogen hätten, seien die Preise nach oben gegangen, als sie wieder bei der SGF KG bezogen hätten, seien die Preise artikelabhängig wieder nach unten gegangen.
2.4. Im Rahmen der Feststellungsklage beruft sich die Klägerin ohne Erfolg darauf, der Abschluss des Vertriebsvertrages habe zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die SGF KG geführt, weil sich ihr Umsatz infolge des garantierten Umsatzvolumens durch den Vertriebsvertrag um ca. € 1 Mio. pro Jahr gesteigert habe (Seite 9 ff. des Schriftsatzes vom 11.10.2016, Bl. 660 ff. d. A.). Ob und ggf. inwieweit Vorteile aus dem Vertriebsvertrag den entgangenen Gewinn mindern, kann erst beurteilt werden, wenn feststeht, welche Teile die SGF KG in welchem Jahr unmittelbar an welchen Kunden zu welchem Preis hätte veräußern können, also welchen Veräußerungserlös sie – ohne Vertriebsvertrag – bei ihren vier Bestandskunden hätte erzielen können und welche Zahlungen sie von T. aufgrund der Umsatzgarantie im Vertriebsvertrag erhalten hat.
Der von der Klägerin vorgenommenen „Berechnung“ mit durchschnittlichen Stückpreisen – unabhängig vom Produkt – vermag der Senat nicht zu folgen. Dass die Vermögensnachteile (entgangener Gewinn) durch die Vermögensvorteile (Umsatzgarantie) ausgeglichen worden wären, ergibt sich daraus nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Schaden der SGF KG, den die Beklagte zunächst für eine fünfjährige Vertragslaufzeit mit € 6 Mio. angegeben hat (Schriftsatz vom 24.07.2013, Bl. 283 d. A.) und dann für die Vertragsjahre 2010/2011 sowie 2011/2012 mit mindestens € 1,5 Mio. beziffert hat, den von der Klägerin mit € 1.160.913,00 bezifferten Gewinn aus der Vertriebsvereinbarung (Seite 12 des Schriftsatzes vom 11.10.2016, Bl. 663 d. A.) übersteigt.
2.5. Ohne Erfolg berufen sich die Klägerin und die Nebenintervenientin darauf, (etwaige) Schadensersatzansprüche der SGF KG gegen die Beklagte als Komplementärin aus § 280 BGB seien mittlerweile nach §§ 195, 199 BGB verjährt und die Beklagte sei gemäß § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den behaupteten Schaden durch Einrede der Verjährung zu mindern.
Die Beklagte hat im Prozess deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie davon ausgeht, ihrerseits wegen der Pflichtverletzung ihres Geschäftsführers der SGF KG zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Ob die einmalige Schadensersatzzahlung „durch Verrechnung“ in Höhe von € 10.455,00 am 13.10.2013 (vgl. Seite 2 des Protokolls vom 28.11.2013, Bl. 389 d. A.) bzw. „Buchung auf den Darlehenskonten“ (Seite 9 des Protokolls vom 31.07.2014, Bl. 519 d. A.) als Anerkennungshandlung im Sinne des § 212 Abs.1 Nr. 1 BGB zu sehen ist, kann dahin stehen. Denn die Beklagte ist weder gehalten, gegenüber der SGF KG die Einrede der Verjährung zu erheben, noch war es ihr umgekehrt verwehrt durch diese Zahlung ihre Haftung anzuerkennen.
Die von der Klägerin und der Nebenintervenientin zitierte Rechtsprechung betrifft andere Fallkonstellationen und ist auf den streitgegenständlichen Fall nicht übertragbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Rahmen einer werkvertraglichen Leistungskette der Nachunternehmer gegebenenfalls zwecks Minderung des Schadens zur Erhebung der Verjährungseinrede gehalten (Urteil vom 28.06.2007, VII ZR 81/06, juris Tz. 23 m. w. N.). Das OLG Hamm (Urteil vom 24.05.1995, 12 U 159/94, juris Tz. 8) hat zur Frage, ob eine Partei von ihrem Vertragspartner noch in Anspruch genommen werden kann ausgeführt, ein Mitverschulden i. S. d. § 254 Abs. 2 BGB müsse bejaht werden, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Abwendung oder Minderung von Schäden ergreifen würde, wobei Abgrenzungsmaßstab der Grundsatz von Treu und Glauben ist. Besondere Umstände, die es ausnahmsweise als unzumutbar erscheinen ließen, die Verjährungseinrede zu erheben, waren in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall nicht zu erkennen. Anders als in diesen Fallkonstellationen sind die SGF KG und die Beklagte jedoch nicht Vertragspartner eines Werkvertrags o.ä. Die Beklagte ist vielmehr die einzige Komplementärin der SGF KG; nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags erbringt sie keine Kapitaleinlage und keinen Kapitalanteil. Ihre alleinige Aufgabe besteht darin, die Geschäfte der SGF KG zu führen. Die Beklagte verhielte sich gegenüber der SGF KG treuwidrig, wenn sie einerseits die Feststellung begehrte, dass die Klägerin ihr zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist, die der SGF KG durch die Vertriebsvereinbarung entstanden sind oder noch entstehen werden und die der SGF KG von der Beklagten ersetzt werden, und andererseits nun – nachdem Schadenersatzansprüche der SGF KG gegen die Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2002, II ZR 236/00, juris Tz. 11) verjährt sind – gegenüber der SGF KG die Einrede der Verjährung erhöbe. Entgegen der von der Nebenintervenientin im Schriftsatz vom 08.11.2016 vertretenen Ansicht (Seite 10, Bl. 691 d. A.) handelt es sich bei der Beklagten und der SGF KG in der vorliegenden Fallkonstellation nicht um zwei wirtschaftliche denkende Unternehmen, deren Verhältnis einer konzernrechtlichen Verbindung vergleichbar ist, für die in der Literatur (Kraft/Giermann, VersR 2001, 1475) die Ansicht vertreten wird, sie rechtfertige für sich genommen keine Ausnahme von der grundsätzlichen Obliegenheit, die Einrede der Verjährung zu erheben. Wirtschaftsunternehmen dokumentierten ihre Vertragsbeziehungen und Ansprüche grundsätzlich ohne Rücksicht auf ein etwaiges Näheverhältnis zu ihrem Vertragspartner.
3. Die als Erbin in Anspruch genommene Klägerin hat im Prozess die haftungsbeschränkende Einrede nach § 780 ZPO erhoben. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags (BGH, Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 82/09, juris Tz. 7).
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO.


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