Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatz von GmbH-Geschäftsführer wegen eigenmächtiger Vertragsänderungen eines Vertrages mit Dritten

Aktenzeichen  13 O 2376/16

Datum:
30.6.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141906
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbH § 43 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Die wesentliche Geschäftsführungsaufgabe ist, den Gesellschaftszweck möglichst effektiv zu verfolgen und die Geschäftsgrundlagen zu erhalten, sodass auch Gewinne durch Geschäft erzielt werden können. Auch die Hinnahme der Reduzierung ein Provision kann pflichtgemäß sein, wenn ansonsten das Vertragsverhältnis sogleich beendet worden wäre. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist für den Geschäftsführer ohne Weiteres erkennbar, dass eine Vertragsklausel Vermögensinteressen der Gesellschaft schützt und verlangt die Gegenseite nicht die Streichung dieser Klausel, und kommt es gleichwohl zur Streichung, so ist eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers gegeben, § 43 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Schäden, die durch seine eigenmächtige Vertragsänderung der Rahmenvereinbarung vom 01./05.08.2013 mit der W. GmbH (Vertragsnummer 20130014) entstanden sind oder noch entstehen werden, auszugleichen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 4/5, der Beklagte 1/5.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages.
4. Streitwert: 23.411,00 €

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Zulässig und begründet ist der Feststellungsantrag gegen den Beklagten wegen der Streichung der Kundenschutzklausel (§ 12 des Rahmenvertrags). Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche war die Klage abzuweisen.
1. Die Klageerhebung wurde durch Gesellschafterbeschluss vom 16.03.2016 ausreichend im Sinne des § 46 Ziff. 8 GmbHG legitimiert. Einen solchen Beschluss der Gesellschafter der Klägerin haben die Zeugen H. und R. glaubhaft bestätigt. Der Beschluss wurde in der ausreichenden Form des Protokolls der Vorstandssitzung vom 16.03.2016 auch nachträglich (wie im Termin aufgegeben) vorgelegt (Anlage zum Schriftsatz vom 20.60.2017). Die Anlage B 1 belegt auch, dass die Herren P., H. und R. Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft sind und daher einen entsprechenden Beschluss bezüglich der Klägerin treffen konnten. Der Beschluss ist ausreichend bestimmt (Zivilklage gegen W. Sch. wegen Abschluss neuer Rahmenvertrag mit WI), sodass der Begründetheit der beiden Klageanträge in diesem Punkt nichts entgegensteht (siehe auch Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Auflage, § 46 GmbHG, Rn. 62).
2. Trotz der umfangreichen Ausführungen der Parteien ist unstreitig und entscheidend, dass der Beklagte jedenfalls im Außenverhältnis befugt war, die streitgegenständliche Vertragsänderung für die Klägerin abzuschließen, das Geschäftsführeramt hatte er noch nicht niedergelegt und die Abberufung als Geschäftsführer erfolgte erst am 27.02.2016, also nach Abschluss der Verträge.
3. Eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 GmbH bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266, 263 StGB liegt zur Überzeugung des Gerichts nicht vor.
Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden, andernfalls können sie auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Die Zeugen H. und R., die sich zu dem Vorgang sehr eloquent äußerten, gaben im Wesentlichen an, dass der Beklagte an sich nicht befugt sei, solche Verträge mit der W. abzuschließen und man sei mit einer Provisionsreduzierung „natürlich nicht einverstanden“ gewesen. Vielmehr habe man auch wegen einer Provisionserhöhung mit der WI GmbH verhandelt. Nach Ansicht des Gerichts scheint dies aber illusorisch gewesen zu sein, wie die Angaben des Zeugen W. verdeutlichen. In Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen H. und R. bekundete dieser schriftlich, es habe permanent Diskussionen mit der Klägerin über die Provisionshöhen gegeben und immer wieder sei versucht worden, irgendwelche Sonderlösungen durchzusetzen. Dass die W. GmbH allerdings tatsächlich die Provisionssätze reduzieren wollte, wird schon durch den neuen Vertragsentwurf von Mitte Februar unterstrichen und schließlich durch den Umstand, dass die WI das Vertragsverhältnis etwas später beendete. Auch der Geschäftsführer der Klägerin, Herr P., hatte im Termin vom 07.12.2016 vermutet, dass die Klägerin für die WI wohl zu teuer gewesen sei, weshalb gekündigt wurde. Es mag sein, dass im Jahr zuvor (2014) höhere Provisionssätze im Gespräch waren, für die Situation im Frühjahr 2015 war dies offensichtlich irrelevant. Nach Aussage des Zeugen W. wurde von der WI dann im ersten Halbjahr auch bei allen wesentlichen Vertriebspartnern eine neue Rahmenvertriebsvereinbarung durchgesetzt, durchgehend mit 10% oder niedriger.
Für das Gericht erscheint es daher auch plausibel, dass der Zeuge W. für die W. GmbH beabsichtigte, das Vertragsverhältnis zur Klägerin gleich zu beenden, wenn eine entsprechende Abänderung der Provisionsvereinbarung nicht zustande käme. In dieser Situation hat der Beklagte die Vertragsabänderung unterschrieben. Inwieweit er hierzu intern befugt gewesen sein mag und die Abänderung auch mit Kenntnis von Herrn P. geschah (was dieser verneinte), so ergibt sich für das Gericht daraus kein für die Klägerin letztendlich nachteiliges Geschäft. Denn die wesentliche Geschäftsführungsaufgabe ist, den Gesellschaftszweck möglichst effektiv zu verfolgen, die Geschäftsgrundlagen zu erhalten, sodass auch Gewinne durch Geschäft erzielt werden können. Hätte also die Klägerin eine Reduzierung der Provision nicht hingenommen, wäre das Vertragsverhältnis sogleich beendet worden. Dass es zu einem späteren Zeitpunkt trotz Abschluss der Provisionsänderungsvereinbarung zur Kündigung kam, dürfte bei Unterzeichnung nicht bekannt gewesen sein. Das Gericht erkennt daher im Ergebnis zum damaligen Zeitpunkt in der konkreten Lage keinen Sorgfaltspflichtverstoß gegenüber der Klägerin.
Der Schadensersatzanspruch war daher abzuweisen.
4. Allerdings ist der Feststellungsantrag zulässig und begründet:
Der Feststellungsantrag bezieht sich lediglich auf die durch den Beklagten bei der Abänderung des Rahmenvertrags veranlasste Streichung des Kundenschutzes gemäß § 12 des bisherigen Rahmenvertrages.
Ein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) liegt vor, denn die Klägerin hat plausibel vorgetragen, dass ihr Provisionszahlungen dadurch entgehen können, dass die vertragliche Kundenschutzklausel gänzlich gestrichen wurde. Die Daten von der Klägerin akquirierter Kunden sind daher für die Klägerin nicht mehr geschützt, sondern Kunden können direkt auf die W. GmbH zugehen. Hieraus kann mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen, der derzeit nicht bezifferbar ist. Eine Leistungsklage muss daher nicht erhoben werden.
Insoweit erkennt das Gericht bei dem Beklagten allerdings eine Pflichtwidrigkeit und einen Sorgfaltspflichtverstoß: Denn er hat unbefugt und unersichtlichem Grund daran mitgewirkt, dass § 12 des alten Rahmenvertrages gestrichen wurde. Für den Beklagten war hier ohne Weiteres erkennbar, dass die Klausel Vermögensinteressen der Gesellschaft schützt. Es ist weder erkennbar, dass die W. GmbH eine Streichung dieser Klausel aus irgendwelchen Gründen verlangt oder beabsichtigt hätte noch ist ersichtlich, dass die Klägerin die Vertragsänderung genehmigt hätte. In dem Mitte Februar übersandten neuen Vertragsentwurf soll die Klausel auch noch enthalten gewesen sein. Weil der Beklagte insoweit zum Nachteil der Klägerin gehandelt hat, ist dem Grunde nach seine Schadensersatzpflicht festzustellen, § 43 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Der Streitwertbeschluss ergeht gemäß § 3 ZPO. Er folgt der klägerischen Bewertung.


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