Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatzpflicht der Bank bei Nichtausführung einer Anweisung eines Kontobevollmächtigten

Aktenzeichen  22 O 257/19

Datum:
28.10.2019
Fundstelle:
ErbR – 2020, 131
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 25 Abs. 3
ZPO § 3
BGB § 1901c

 

Leitsatz

1. Die Weigerung einer Bank, die Anweisung eines über den Tod des Erblassers hinaus Bevollmächtigten und Vorsorgebevollmächtigten bis zur Vorlage eines Erbscheins auszuführen, stellt eine Pflichtverletzung dar. (Rn. 15) (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Transfer eines Guthabens allein aufgrund der Bitte des Kontobevollmächtigten, alles für einen Transfer vorzubereiten, ist pflichtwidrig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.971,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.066,11 € seit 18.07.2018 sowie aus 1943,32 € ab 9.3.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und im ausgesprochenen Umfang begründet.
Die Beklagte war aufgrund der bestehenden Kontovollmacht und der Vorsorgevollmacht verpflichtet der Zahlungsanweisung der Klägerin Folge zu leisten und hat deshalb den ihr als zwischenzeitlich unstreitiger Alleinerbin infolge der verspäteten Auszahlung entstandenen Verzugsschaden zu ersetzen.
Ob die Vorlage des eröffneten kalifornischen Testaments zum Nachweis der Efrbenstellung ausreichte erscheint zwar zweifelhaft, nachdem diese in fremder Sprache verfasst und durchaus komplex ist, so dass es der Beklagten womöglich nicht zumutbar war sich hierauf zu verlassen. Allerdings kann dies letztendlich dahinstehen, denn die Beklagte hätte die Auszahlung bereits aufgrund der Kontovollmacht und der Vorsorgevollmacht vornehmen müssen.
1. Der als Anlage B1 vorgelegten Mitteilung der Klägerin an die Bankangestellte … kann noch kein definitiver Auftrag zur Eröffnung des Unterkontos „Aktivsparen“ entnommen werden, denn danach sollte Frau … zunächst ausdrücklich nur alles vorbereiten, nicht aber bereits ausführen. Dass die Klägerin weitergehende Anweisungen als aufgrund der Anlage B1 erteilt hätte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Die Gelder wurden daher rechtswidrig transferiert und dadurch dem Zugriff der für das Girokonto bevollmächtigten Klägerin entzogen, weshalb die Beklagte schon aufgrund dieser Pflichtwidrigkeit die Rücküberweisung auf das Girokonto, zu dem die Klägerin unstreitig Vollmacht hatte, schuldete.
Abgesehen davon erstreckt sich die Kontovollmacht für das Girokonto auch auf das zugehörige Unterkonto, denn als Unterkonto handelt es sich nicht um ein selbständiges Konto. Dass bezüglich dem Unterkonto „Aktivsparen“ eine Bevollmächtigung im Übrigen vertraglich ausgeschlossen worden wäre durch die Beklagte, hat sie nicht bewiesen, jedenfalls dann aber konkludent zugelassen, nachdem sie nach eigenem Vortrag die Eröffnung des Kontos durch die Klägerin als Bevollmächtigte zugelassen hat.
2. Auch aufgrund der vorgelegten Vorsorgevollmacht hätte die Beklagte der Anweisung vom 25.5.2018 auf Auszahlung nachkommen müssen. Eindeutig war die Klägerin dadurch zu Verfügungen über das Vermögen des Erblassers umfassend auch nach dessen Tod berechtigt. Die entsprechende Ziffer 4 der Vorsorgevollmacht ist umfassend und enthält keinerlei Einschränkung. Auch weicht die Unterschrift des Vollmachtgebers nicht wesentlich ab von der von ihm bei der Beklagten hinterlegten Unterschrift (Anl. K2). Dass er einmal den Vornamen abgekürzt und das andere Mal diesen ausgeschrieben hat, kann keine berechtigten Zweifel an seiner Urheberschaft hinsichtlich der Unterschrift begründen und auch dass die Vorsorgevollmacht nicht sofort vorgelegt wurde, begründet keine vernünftigen Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunde. Dementsprechend hat die Beklagte gegenüber der Klägerin auch in ihrem Schreiben vom 22.6.2018 (Anl. B3) keine Zweifel hinsichtlich der Echtheit der Urkunde geäußert und diese etwa zur Vorlage von Vergleichsunterschriften aufgefordert, sondern nur moniert, dass sie nicht prüfen könne, wann und wie die Vollmacht zustandegekommen sei, was aber für ihre Wirksamkeit völlig irrelevant ist.
Die Beklagte hat der Klägerin daher den der Klägerin infolge Verzugs entstandenen Schaden zu ersetzen.
3. Dies sind zunächst die Kosten für den Erbschein i.H.v. 1.470 € und zu einem kleinen Teil die Fahrtkosten zur Beantragung eines Erbscheins. Für diese kann jedoch lediglich ein Betrag von geschätzt 5 € angesetzt werden, denn es wäre nicht erforderlich gewesen zur Beantragung nach Memmingen zu reisen, sondern die Beklagte hätte den Erbschein auch gem. § 25 III FamFG beim Amtsgericht in Augsburg beantragen können. Soweit die Beklagte einwendet, dass bei einer Beantragung beim Notar dann aber wegen der Mehrwertsteuer ein höherer Betrag angefallen wäre, so greift dies nicht, denn die Klägerin hätte den Erbschein nicht bei einem Notar in Augsburg beantragen müssen, sondern dies auch beim Amtsgericht erledigen können, so dass keine Mehrwertsteuer für eine eidesstattliche Versicherung angefallen wäre.
Zur Überzeugung des Gerichts sind durch den Verzug schließlich 389,52 € Zinsen für eine Zwischenfinanzierung der fälligen Erbschaftssteuer aufgrund des Verzugs der Beklagten verursacht worden. Dies ergibt sich nachvollziehbar aus dem Bescheid des Finanzamts und der entsprechenden Abrechnung der Sparda-Bank in Anl. K11 und 18 über den gleichlautenden Betrag.
Auch der Vortrag der Klägerin, wonach sie für die Fortführung des Girokontos bei der Beklagten über vier Monate wegen der Nichtanerkennung ihrer Rechtsposition als Alleinerbin und Bevollmächtigte insgesamt 40,40 € aufbringen musste, ist angesichts der Anlage K19 und dem Kündigungsschreiben vom 17.6.2018 in Anl. K10 völlig glaubhaft und das Bestreiten der Beklagten insoweit unsubstantiiert. Das Gericht ist überzeugt, dass die Klägerin ohne das rechtswidrige Verhalten der Beklagten das Girokonto nicht länger fortgeführt hätte.
Auch die Anwaltskosten i.H.v. 4.066,11 € stehen der Klägerin in voller Höhe zu. Die Beklagte wendet insoweit zu Unrecht ein, dass der Gegenstandswert des Mandats sich nicht auf 331.000,72 € belaufen hätte, weil sie grundsätzlich zur Auszahlung des verlangten Betrages bereit gewesen sei, aber nur gegen Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis der Alleinerbenstellung. Nach herrschender Meinung, der sich auch das Gericht anschließt, bleiben Gegenleistungen oder Zugum Zug zu erbringende Leistungen bei der Bemessung des Streitwerts bei einem Anspruch auf Herausgabe bzw. Zahlungsanspruch unbeachtlich (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, Rn 11 zu § 3 ZPO, Stichwort „Gegenleistung“, „Herausgabeklagen“, „Zug-umZug-Leistungen“).
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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