Handels- und Gesellschaftsrecht

Schimmelbildung beim Seetransport

Aktenzeichen  23 U 2430/16

Datum:
28.11.2016
Fundstelle:
r+s – 2017, 644
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
DTV-Güter 2000 Ziff. 2.5.1.4, Ziff. 2.5.1.5, Ziff. 2.6

 

Leitsatz

Sind Temperaturschwankungen auf See die maßgebliche Schadensursache, die zur Kondensation von Wasser im Container und in Folge dessen zur Schimmelbildung an der beförderten Ware führen, macht es für die (fehlende) Einstandspflicht der Transportversicherung keinen Unterschied, ob die hohe Luftfeuchtigkeit durch die Ware selbst in den Container eingebracht wurde, oder in der als Verpackungsmaterial genutzten hygroskopischen Wellpappe gespeichert war oder durch die während der Verladung offenstehenden Containertüren ins Innere des Containers gelangt ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 U 2430/16 2016-10-25 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2016, Aktenzeichen 12 HK O 10874/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.243,28 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung aus einer Transportversicherung. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2016 Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht verkenne, dass die Feuchtigkeitsschäden durch eine während des Transport bestehende Gefahr hervorgerufen worden sei. Wannen und Transportbehältnis bildeten vorliegend gerade keine Einheit. Die Klägerin habe seit 20 Jahren die Waren ohne Trocknungsmittel und Ventilation versendet, ohne dass es zu vergleichbaren Schäden gekommen sei. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass auch die nicht beanspruchungsgerechte Verpackung versichert sei. Das Landgericht habe zudem nicht darauf hingewiesen, dass es von einem Verladefehler ausgehe.
Die Klägerin beantragt,
1.Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I, Az. 12 HKO 10874/15 vom 28.04.2016, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 51.243,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 48.018,26 Euro seit 08.04.2015 sowie aus weiteren 2.225,00 Euro ab Rechtshängigkeit zu leisten.
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Hilfsweise: das Urteil des Landgerichts München I, Az. 12 HKO 10874/15 aufzuheben sowie den Rechtsstreit an das Landgericht München I zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 25.10.2016 (Bl. 276 ff d.A.) darauf hingewiesen, dass er eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt. Auf diesen Beschluss, die Gegenerklärung der Klägerin vom 11.11.2016 (Bl. 282 ff d.A.) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2016, Aktenzeichen 12 HKO 10874/15, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats (Bl. 276 ff d.A.) Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Das Landgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Rügen der Klägerin in Berufung und Gegenerklärung greifen demgegenüber nicht durch. Die Beklagte ist nicht zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Die von der Klägerin behaupteten Schäden, die Schimmelbildung an den Wannen, sind durch eine nicht versicherte Gefahr nach Ziff. 2.5.1.4. DTV-Güter 2000 (Anlage K 2) entstanden.
1. Nach dem Vortrag der Klägerin beginnt der versicherte Zeitraum ab dem Zeitpunkt, an dem die Ware an Bord gebracht wurde. Nach Ziff. 4.4 des Versicherungsscheins (Anlage K 1) besteht Versicherungsschutz, soweit der Versicherungsnehmer die Gefahr trägt. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde zwischen ihr und ihrer Lieferantin in China „FOB C. “ vereinbart. Nach B 5 i.V.m. A 4 FOB (abgedruckt in Baumbach / Hopt, HGB, 37. Aufl, S. 1864 ff) geht die Gefahr auf den Käufer, mithin die Klägerin ab Lieferung an Bord über. Die Verpackung bzw. Verladung in Container durch die Verkäuferin in China sind damit auch nach dem Vortrag der Klägerin vom versicherten Zeitraum nicht umfasst.
2. Die Schimmelbildung an den Wannen beruht auf normaler Luftfeuchtigkeit oder gewöhnlichen Temperaturschwankungen i.S. der Ziff. 2.5.1.4 DTV-Güter 2000.
2.1. Das Landgericht geht aufgrund der von Kläger- und Beklagtenseite vorgelegten Sachverständigengutachten davon aus, bei der Verladung der Waren sei warme feuchte Luft über die hygroskopische Verpackung, die verwendete Wellpappe, in die Container gelangt und infolge der Temperaturschwankungen auf See innerhalb der Container kondensiert. Da den Sendungen kein Trocknungsmittel zugefügt worden und keine ausreichende Luftzirkulation im Container möglich gewesen sei, habe dies zur Schimmelbildung bei den Wannen geführt.
Konkrete Anhaltspunkte i.S. des § 529 Abs. 1 ZPO, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der insoweit festgestellten Tatsachen ergeben könnten, hat die Klägerin – auch in der Gegenerklärung – nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin darlegt, die Ware, mithin die Wannen selbst seien nicht feucht gewesen, hat dies das Landgericht zutreffend als nicht entscheidungserheblich angesehen (s. dazu unten 2.3). Der Vortrag der Klägerin, auch die Verpackung sei nicht „vernässt“ gewesen und eine Vernässung sei vom angebotenen Zeugen R. bei der Endabnahme auch nicht festgestellt worden, kann als wahr unterstellt werden. Dass die hygroskopische Wellpappe infolge der hohen Umgebungsluftfeuchtigkeit in China selbst Feuchtigkeit gespeichert hatte, bedeutet nicht, dass diese „vernässt“ gewesen sei oder als feucht zu erkennen war.
2.2. Ursächlich für die Schimmelbildung waren die Temperaturschwankungen auf dem Seetransport, die zur Kondensation des Wassers innerhalb der Container führten. Dabei handelt es sich auch um „gewöhnliche“ Temperaturschwankungen i.S. des Ziff. 2.5.1.4 DTV-Güter 2000. Maßgeblich sind die bei einem Transport der vereinbarten Art übliche Luftfeuchtigkeit und die zu erwartenden Temperaturschwankungen (Koller in Prölss / Martin, VVG, 29. Aufl, Ziff. 2 DTV-Gü VolleDeckung Rz. 5). Somit kommt es auf die übliche Luftfeuchtigkeit und die gewöhnlichen Temperaturschwankungen zwischen dem Verladeort in China und der Ankunft in Europa an. Dass es in Bezug gerade auf diese Route ungewöhnliche Wetter- oder Temperaturverhältnisse gegeben hätte, ist nicht dargetan. Vielmehr verweist die Klägerin selbst darauf (Berufungsbegründung S. 4, Bl. 263 d.A., Gegenerklärung S. 2, Bl. 283 d.A.) mit starken Temperaturschwankungen sei beim Transport von China nach Europa zu rechnen. Auch stellt sie nicht in Abrede, dass letztendlich die Temperaturschwankungen auf dem Seetransport zur Kondensation von Wasser innerhalb der Container führte (Gegenerklärung S. 2, Bl. 283 d.A).
2.3. Die Klägerin hat auch unter Berücksichtigung des Vortrags in der Gegenerklärung (S. 2 f, Bl. 283 f d.A) nicht dargelegt und bewiesen, dass der Schaden durch eine andere, versicherte Gefahr herbeigeführt wurde. Nach Ziff. 2.6 DTV-Güter 2000 kann der Versicherungsnehmer auch dann Entschädigung vom Versicherer verlangen, wenn er darlegt und beweist, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durch die vom Versicherer dargelegte und bewiesene, nicht versicherte Gefahr bzw. Ursache, sondern durch eine andere – versicherte – Gefahr oder Ursache entstanden ist (Koller, a.a.O., Rz. 6). Entscheidend ist die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, in ihrer Ursächlichkeit erheblichste Ursache (sog. causa proxima) (BGH, NJW-RR 2002, S. 1102, 1103; KG, Urteil vom 02.07.1999, 6 U 8103/97, BeckRS 1999, 12185 Tz. 5).
Vorliegend kommen – worauf auch die Klägerin in der Gegenerkärung (S. 2, Bl. 283 d.A.) zutreffend hinweist – als weitere Schadensursachen in Betracht, dass in den Containern keine Trocknungsmittel beigefügt waren und eine ausreichende Luftzirkualtion in den Containern aufgrund der engen Stapelung nicht mehr möglich war. Insoweit hat die Klägerin dargetan und unter Beweis gestellt, der Versicherungsausschluss nach Ziff. 2.5.1.5 DTV-Güter 2000 greife wegen Ziff. 3.2 und Ziff. 3.4 des Versicherungsscheins nicht. Sie habe die Verpackung bzw. Verladung nicht zu vertreten, habe diesbezüglich keine Weisungen erteilt und die Verpackung sei handelsüblich. In den letzten 20 Jahren seien die Waren stets in derselben Verpackung und ebenfalls in Container gestapelt an die Klägerin versendet worden, ohne dass es jemals zu Schäden gekommen sei. Im Übrigen seien die Waren im zweiten Container nicht so eng gestapelt gewesen wie im ersten Container, deshalb sei im zweiten Container weniger Ware beschädigt gewesen. Auch wenn man diesen Vortrag als wahr unterstellt, ergibt sich keine andere Bewertung, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Landgericht von einem Verladefehler ausgeht und hierauf hätte hinweisen müssen. Zum einen ändert die unzureichende Verpackung oder Verladung in die Container nichts daran, dass es gerade aufgrund der Temperaturschwankungen zu der Kondenswasserbildung innerhalb der Container kam (zum Versicherungsausschluss bei Kondenswasserbildung im Container auch Koller, a.a.O., Rz. 5). Ohne die Temperaturschwankungen wäre der Schaden trotz fehlender Trocknungsmittel und enger Stapelung nicht eingetreten. Dies übersieht die Klägerin, wenn sie in der Gegenerklärung (S. 3, Bl. 284 d.A.) im Ergebnis meint, bei Vorliegen eines Verlade- oder Verpackungsfehler sei dieser ohne Weiteres als causa proxima anzusehen. Zum anderen waren bei Beginn des versicherten Transports die Wannen samt Wellpappe und Umkartons bereits durch den Absender im Container verstaut. Das Fehlen der Trocknungsmittel und die mangelnde Luftzirkulation innerhalb der Container konnte bei Beginn des Seetransports nicht mehr beseitigt werden. Es ist Sache des Absenders sicherzustellen, dass die in den Containern befindliche Ware unter den zu erwartenden Transportverhältnissen den sich aus ihrer Beschaffenheit und der gespeicherten Luftfeuchtigkeit ergebenden Gefahren standzuhalten vermag (vgl. KG, a.a.O, Tz. 8). Auch hat die Klägerin nicht dargetan, dass sich allein durch den Transport – abgesehen von den zu erwartenden Temperaturschwankungen auf See – weitere Gefahren ergeben oder realisiert hätten.
Soweit die Klägerin behauptet, die Wannen und die Verpackung würden vorliegend gerade keine Einheit bilden, da die Verpackung anders als etwa beim Transport von Kaffeebohnen hier nicht von wesentlicher Bedeutung sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Ob die hohe Luftfeuchtigkeit durch die Wannen selbst in den Container eingebracht wurde, oder in der hygroskopischen Wellpappe gespeichert war oder durch die während der Verladung offenstehenden Containertüren ins Innere des Containers gelangt ist, macht keinen Unterschied. Ebenso ist ohne Belang, ob die Tatsache, dass sich Luftfeuchtigkeit in der hygroskopischen Wellpappe gespeichert haben könnte, nicht den normalen Bedingungen entsprach (Gegenerklärung S. 3, Bl. 284 d.A.). In jedem Fall waren die Temperaturschwankungen auf See die maßgebliche Schadensursache, die zur Kondensation des Wassers im Container führte.
Einer Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise bedurfte es daher nicht. Insbesondere kann als wahr unterstellt werden, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn entweder Trocknungsmittel beigefügt oder die Stapelung nicht so eng gewesen wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
4. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Abweichende ober- oder höchstrichterliche Entscheidungen sind nicht ersichtlich.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG bestimmt.


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