Handels- und Gesellschaftsrecht

Streit um ein Sondernutzungsrecht an einem Garten – Keine Zustimmung auf Grundbuchberichtigung mangels dinglichen Rechts

Aktenzeichen  24 U 40/18

Datum:
18.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39569
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, §241, § 249, § 311 Abs. 2, § 873 Abs. 1, § 877, § 892 Abs. 1, § 894
GBO § 19
ZPO § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein dingliches Recht entsteht nicht, wenn ein vereinbartes Sonderrecht an einem Garten nicht in das Grundbuch eingetragen wird. Das Ausbleiben dieser Eintragung kann daher nicht mit einer Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs korrigiert werden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem Kaufvertrag, der hinsichtlich eines bestimmten Punktes unklar ist und nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden muss, kommt es nicht nur auf seinen Wortlaut, sondern auch auf dessen Begleitumstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte an. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einem Schadensersatzanspruch aus § 311 Abs. 2 iVm § 241 Abs. 2 BGB gilt die Rechtsfolge des § 249 BGB; danach ist der Anspruchsteller so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Als Rechtsfolge kann aber nicht verlangt werden, dass ein Vertragsinhalt in einem bestimmten Sinne angepasst wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

92 O 3347/16 2017-12-11 LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 11.12.2017, Az. 092 O 3347/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen dreier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss liegen vor.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Augsburg weist weder entscheidungserhebliche Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin von der Beklagten weder die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB noch aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags oder aufgrund eines Schadensersatzanspruchs von der Beklagten die Erteilung der Bewilligung der Eintragung eines mit dem Sondereigentum der Klägerin verbundenen Sondernutzungsrechts am Garten im Grundbuch verlangen kann.
1. Ein Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB setzt voraus, dass der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 BGB bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht. Auf den zu beurteilenden Fall gewendet bedeutet dies, dass die Klägerin von der Beklagten nur dann Zustimmung zur Grundbuchberichtigung verlangen kann, wenn das von der Klägerin beanspruchte Sondernutzungsrecht am Garten wirksam entstanden (und nicht später erloschen) ist, dieses Recht jedoch im Grundbuch keinen Niederschlag findet. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt die Entstehung eines Sondernutzungsrechts an einem Grundstücksteil als dingliches Recht voraus, dass es nicht nur zwischen den Parteien zu einer Einigung über die Entstehung dieses Sondernutzungsrechts gekommen ist, sondern dass zudem das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen wurde (§ 873 Abs. 1 i.V.m. § 877 BGB). Da das von der Klägerin beanspruchte Sondernutzungsrecht am Garten jedoch zu keinem Zeitpunkt im Grundbuch eingetragen war, ist es als dingliches Recht nie entstanden, weshalb der Grundbuchinhalt nicht im Sinn des § 894 BGB unrichtig ist, sodass die Klägerin nicht die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs nach dieser Vorschrift verlangen kann.
2. Das Landgericht hat auch zutreffend entschieden, dass die Klägerin aus dem zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag (Anlage K 1) keinen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte die gemäß § 19 GBO erforderliche Bewilligung dazu erteilt, dass ein Sondernutzungsrecht der Klägerin am Garten im Grundbuch eingetragen und damit (vorbehaltlich der gemäß § 873 Abs. 1 BGB ebenfalls erforderlichen Einigung über die Rechtsänderung) erstmals zur Entstehung gebracht wird. Das Landgericht ist nämlich zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag keine solche Einigung ergibt.
a) Anders als die Berufungsbegründung meint, ist der Kaufvertrag im vom 24 U 40/18 – Seite 3 Landgericht dargelegten Sinn widersprüchlich. In Nr. I. 1. (Seite 2) des Kaufvertrags heißt es:
„Mit diesem Sondereigentum ist verbunden das Sondernutzungsrecht an der dieser [von der Klägerin erworbenen] Wohnung vorgelagerten Gartenund Terrassenfläche wie es sich aus den dieser Urkunde als Anlage IV beigefügten Plänen ergibt, in dem [!] die Terrasse rot umrandet und mit T 1 bezeichnet ist“.
Bereits diese Passage weist einen Widerspruch in sich insofern auf, als von einem Sondernutzungsrecht an einer „Garten- und Terrassenfläche“ die Rede ist, hinsichtlich dessen auf beigefügte Pläne verwiesen wird, die dortigen Einzeichnungen jedoch nur insoweit in Bezug genommen werden, als „die Terrasse rot umrandet und mit T 1 bezeichnet ist“. Dass – wie die Berufungsbegründung hervorhebt – dem Kaufvertrag eine Teilungserklärung vom 25.04.2012 (Anlage K 2) beigefügt war, laut deren Anlage I das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 verbunden ist mit dem 
„Sondernutzungsrecht an der dieser Wohnung vorgelagerten Garten- und Terrassenfläche wie es sich aus den dieser Urkunde als Anlage IV beigefügten Plänen ergibt, in dem [!] die Gartenfläche grün umrandet und mit GA 1 und die Terrasse rot umrandet und mit T 1 bezeichnet ist“,
macht die vom Landgericht zu Recht angenommene Widersprüchlichkeit des Kaufvertrages nur noch sinnfälliger. Gerade durch die Beifügung dieser Teilungserklärung ist offenkundig, dass der Text des im Rahmen des Beurkundungstermins vereinbarten Kaufvertrags hinsichtlich der Gartenfläche abweicht von dem Teilungsplan, welcher diesem Kaufvertrag beigefügt war.
b) War der Kaufvertrag damit hinsichtlich einer Einigung über ein Sondernutzungsrecht an der Gartenfläche unklar, war er gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei es nicht nur auf den – gerade nicht eindeutigen – Wortlaut der Erklärung, sondern auch auf deren Begleitumstände, insbesondere ihre Entstehungsgeschichte ankommt (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 133 Rn. 15 f. m. w. N.). Soweit in der Berufungsbegründung mehrfach ausgeführt wird, es sei „Tatsache“, dass ein Sondernutzungsrecht an der Gartenfläche vereinbart worden sei, handelt es sich um einen Zirkelschluss, da der zutreffende Inhalt der Vertragserklärung gerade erst durch Auslegung zu ermitteln ist. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung ist nicht zu beanstanden.
1) Der Klägerin ist zuzugeben, dass vertragliche Vereinbarungen „nicht immer absolut,logisch, lebensnah und verständig’“ sein müssen (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 174 d. A.). Dennoch ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht – im Rahmen einer Gesamtbetrachtung – die Überlegung angestellt hat, es liege nicht nahe, dass das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1, die einem Miteigentumsanteil in Höhe von lediglich 31,500/100 entspricht, mit einem Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche verbunden wird, die den weitaus größten Teil des 885 qm großen Grundstücks ausmacht (vgl. die Zeichnung am Ende der von der Beklagten vorgelegten Anlage „K 3“). Dass diese Erwägung für das Verständnis der Vereinbarung nicht allein ausschlaggebend sein kann, trifft zu; das Landgericht hat den dargelegten Umstand jedoch lediglich als einen von mehreren Aspekten gewürdigt.
2) Entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung ist aus Sicht des Senats von erheblicher Bedeutung, dass aus der vom beurkundenden Notar (Zeuge und Streitverkündungsempfänger K.) in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2017 vorgelegten Entwurfsfassung des Kaufvertrags (Bl. 124/136 d.A.) hervorgeht, dass an dem ursprünglichen Entwurfstext Änderungen vorgenommen wurden, wobei in Nr. I. 1. (Seite 2) des Vertragsentwurfs die Wörter „die Gartenfläche grün umrandet und mit GA 1“ gestrichen wurden; außerdem wurden der Kaufpreis von 67.000,- € auf 66.000,- € reduziert und einige weitere Änderungen vorgenommen. In dem von der Klägerin als Anlage K 1 vorgelegten unterschriebenen Kaufvertrag sind sämtliche dieser Änderungen berücksichtigt. Damit steht fest, dass es vor Abschluss des Vertrags zur gegenständlich relevanten Änderung des Entwurfs kam, sei es erst im Rahmen des Beurkundungstermins, wie vom Zeugen K. angegeben, sei es bereits vor dem Beurkundungstermin auf entsprechende Intervention der Klägerin hin. Damit ist der Hinweis der Berufungsbegründung (Seite 5, Bl. 175 d. A.), im Unterschied zum Notar K. hätten die Parteien und der Zeuge G. angegeben, es sei bei der Beurkundung zu keiner Änderung des Vertrages gekommen, unerheblich. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, die Äußerungen des als Zeugen einvernommenen Notars K. erklärten unabhängig vom Zeitpunkt der Streichung die Herkunft des widersprüchlichen Wortlauts plausibel. Die Genese des endgültigen Vertragstextes spricht daher, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, dafür, dass ein Sondernutzungsrecht am Garten zugunsten der Klägerin eben nicht begründet werden sollte.
3) Soweit die Berufungsbegründung die Würdigung des Prozessstoffs durch das Landgericht beanstandet (Seiten 6 bis 8, Bl. 176/178 d. A.), setzt die Klägerin ihre Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landgerichts, ohne darzulegen, dass diese unvollständig oder in sich widersprüchlich wäre oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstieße (vgl. BGH vom 12.03.2004 – V ZR 257/03 – juris Rn. 9 m. w. N.).
Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang erneut darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass die hinsichtlich der relevanten Passage offensichtlich im Wortlaut von Nr. I. 1. (Seite 2) des Kaufvertrags abweichende Teilungsvereinbarung vom 25.04.2012 dem Kaufvertrag beigefügt war, gerade dessen Widersprüchlichkeit und nicht – wie die Klägerin annimmt – dessen Eindeutigkeit belegt.
Soweit die Berufungsbegründung (Seite 7, Bl. 177 d. A.) rügt, das Landgericht habe den Vortrag der Klägerin komplett übergangen, dass diese für die Pflege und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, des Wegerechts sowie des Bürgersteigs monatlich 48 € an die Beklagte bezahlt habe, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Vortrag während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nicht erfolgt ist. Dieser – bestrittene (Seite 3 der Berufungserwiderung, Bl. 184 d. A.) – Vortrag ist in der Berufungsinstanz neu, ohne dass ein Zulassungsgrund im Sinn des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorläge.
3. Das Landgericht hat schließlich zutreffend dargelegt, dass die Klägerin die Bewilligung der Eintragung des von ihr beanspruchten Sondernutzungsrechts auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus § 311 Abs. 2 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB verlangen kann.
a) Das ergibt sich bereits daraus, dass Rechtsfolge eines solchen Schadensersatzanspruchs gemäß § 249 Abs. 1 BGB wäre, dass die Beklagte die Klägerin so zu stellen hätte, wie sie stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hätte es das Missverständnis über den Vertragsinhalt nicht gegeben, wäre der Kaufvertrag jedoch gar nicht abgeschlossen worden; hingegen kann die Klägerin als Rechtsfolge des Schadensersatzes nicht verlangen, dass der Vertragsinhalt in ihrem Sinne angepasst wird. Mit dieser Problematik setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.
b) Im Übrigen scheitert ein Anspruch aus § 311 Abs. 2 i. V. m. § 241 Abs. 2 und § 280 Abs. 1 BGB auch daran, dass eine etwaige Pflichtverletzung des Notariats der Beklagten nicht gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen wäre, wie das Landgericht unter zutreffendem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH vom 15.10.1992 – IX ZR 43/92 – juris Rn. 64) ausgeführt hat. Dem setzt die Berufungsbegründung (Seite 8, vorletzter Absatz, Bl. 178 d. A.) nichts entgegen.
c) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und dem Notariat zu ihren Lasten lediglich behauptet, jedoch durch keinerlei Beweisangebot oder objektive Anhaltspunkte untermauert hat. Dies wird durch den Vortrag in der Berufungsbegründung (Seite 8, letzter Absatz/Seite 9, 1. Absatz, Bl. 178 f. d. A.) nicht erschüttert.
4. Welche Bedeutung es für die Erfolgsaussichten der Berufung haben soll, dass das Landgericht den Umstand nicht gewürdigt hat, dass auch die geänderte Teilungserklärung nach der übereinstimmenden Auffassung beider Parteien insofern fehlerhaft ist, als sie nunmehr auch die Terrassenfläche der Wohnung Nr. 2 zuordnet (vgl. Seite 9, 2. Absatz der Berufungsbegründung, Bl. 179 d. A.), erschließt sich dem Senat nicht. Diese Unrichtigkeit der geänderten Teilungserklärung hat mit einem Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche bzw. mit einer Einigung über die Begründung eines solchen Sondernutzungsrechts nichts zu tun.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, sollte auch aus Kostengründen – Ersparung zweier Gerichtsgebühren gemäß KV 1222 – ihre Rücknahme erwogen werden.


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