Handels- und Gesellschaftsrecht

Tätigkeit als Geschäftsführer

Aktenzeichen  2 HK O 2540/18

Datum:
21.3.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55826
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 266, § 356
GmbHG § 35, § 43 Abs. 4, § 46 Nr. 8
BGB § 134, § 138, § 181
BRAO § 43 a Abs. 4
ZPO § 50, § 51, § 80, § 89, § 110, § 129, § 253 Abs. 4

 

Leitsatz

Die Wirksamkeit der Vollmacht und seiner namens der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen ist jedenfalls abstrakt und unabhängig von Zustandekommen und Wirksamkeit eines Anwaltsvertrages. (BGH IX ZR 60/08 m.w.N.) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage ist zulässig.

Gründe

Der Erlass eines Zwischenurteils gemäß § 280 II ZPO ist zulässig.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Klage. Vom Beklagten wurde die Partei- und Prozessfähigkeit der Klägerin gemäß §§ 50, 51 ZPO gerügt. Zudem wurde eine wirksame Bevollmächtigung der Klägervertreter bestritten, d.h. die ordnungsgemäße Erhebung der Klage in Zweifel gezogen.
Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif.
Nach Auffassung des Gerichts ist, wie nachfolgend darzulegen, die Klage zulässig.
I. Die sachlichen Prozessvoraussetzungen sind gegeben.
1. Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 I ZPO: die Frage, ob die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wirksame Prozessvollmacht erhalten haben, war hier auf entsprechende Rüge des Gegners als Prozesshandlungsvoraussetzung für eine wirksame, die Verjährung der Ansprüche hemmende Klage zu prüfen. Die Klageschrift als bestimmender Schriftsatz unterliegt dem Anwaltszwang, §§ 253 IV, 129 ZPO, 78 ZPO. Die Prozessvollmacht ist grundsätzlich abstrakt von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Eine wirksame Prozessvollmacht für die Klägervertreter ist vorhanden. Dabei kann hier offenbleiben, ob Herr … wirksam zum besonderen Vertreter der Klägerin bestellt worden war, dazu aber s.u., Prozessfähigkeit der Klägerin. Denn eine eventuell fehlende Prozessvollmacht kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, vorgelegt werden, vgl. Toussaint, Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Rn. 14-17 zu § 89 ZPO, so beispielsweise durch nachträgliche Erteilung einer Vollmacht in der Form des § 80 ZPO.
Die Klägerin hat derzeit aufgrund Beschluss des Amtsgerichts- Registergericht … vom 20.7.2018 einen Notgeschäftsführer, (Anl K 64), dieser hat die Prozessführung im Januar 2019 genehmigt, vgl. Anlage K 63. Die Bestellung des Herrn … durch das Registergericht ist wirksam, sie ist jedenfalls nicht nichtig. So ist nicht ersichtlich, dass der Antrag des Herrn … vom Dezember 2017 rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Wegen der Pattsituation in der Gesellschaft und der geringen echten Kooperationsbereitschaft beider Beteiligter war die Einschaltung eines Dritten nötig. Dass dieser aus dem Umfeld des Vaters des Mitgesellschafters … kommt, ist nicht bedenklich, dieser ist letztlich der Geldgeber für die Klägerin gewesen, und hat die Anteile an ihr an die Herren … und … übertragen. Zur Frage der wirksamen Vertretung von Herrn … in dem Verfahren hat das Amtsgericht Ausführungen gemacht, denen sich die Kammer anschließt. Der Notgeschäftsführer ist für Vertretung der Gesellschaft in anhängigen Gerichtsverfahren bestellt worden. Das hiesige Verfahren ist zu diesem Zeitpunkt wegen der Klageeinreichung am 9.7.2018 anhängig gewesen. Dass das Amtsgericht für die weiteren beantragten Wirkungskreise (mutmaßlich Prozessführung in weiteren Prozessen) keine Dringlichkeit gesehen hat, und dementsprechend mit einem Satz auf mögliche Schadensersatzansprüche u.a. gegen den Geschäftsführer Bezug genommen hat, die nach Ansicht der Rechtspflegerin nicht eilbedürftig seien, (S. 2 und 3 oben des Beschlusses) führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sachlage. Denn es ist anzunehmen, dass das Amtsgericht die Frage der Verjährung von Ansprüchen nach § 43 IV GmbHG nicht mit in Erwägung gezogen hat. Der Beschluss wird hier also so ausgelegt, dass der Notgeschäftsführer die gesetzliche Vertretungsmacht hinsichtlich dies hier anhängigen Prozesses hat.
Seine Genehmigung heilt rückwirkend auf den Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung den prozessualen Mangel der möglicherweise vollmachtlosen Prozessführung. Die Rückwirkung gilt auch für die Hemmung der Verjährung durch vollmachtlose Klageerhebung (vgl. MüKo a.a.O.), von einer Verjährung mangels wirksamer Klageerhebung wird im Rahmen der Begründetheitsprüfung daher nicht auszugehen sein.
2. Zuständigkeit LG München II: sachlich, örtlich und funktional KfH liegt unproblematisch vor.
3. Es liegen keine Prozesshindernisse in Form anderweitiger Rechtshängigkeit oder entgegenstehender Rechtskraft vor, §§ 261 III Nr. 1, 322 I ZPO: dass über denselben Streitgegenstand, d.h. derselbe Klageantrag mit demselben zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (vgl. Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff) mit denselben Parteien andere Verfahren geführt werden bzw wurden, hat die Beklagtenseite nicht vorgetragen, und ergibt sich aus den vorliegenden Anlagen auch nicht.
4. Prozesshindernde Einreden (§ 113 ZPO) sind erhoben worden, aber greifen nicht: ein Fall des § 110 ZPO liegt hier nicht vor. Aufgrund der Genehmigung durch den Notgeschäftsführer ist ein Fall des § 89 I ZPO hier auch nicht mehr gegeben.
5. Die Parteifähigkeit der Klägerin ist unproblematisch.
6. Die Prozessfähigkeit der Klägerin i.S.d. § 51 I ZPO i.V.m. § 35 GmbHG bzw § 46 Nr. 8 Alt 2 GmbHG ist mindestens zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Zwischenurteils gegeben. Nachdem der Haupt- Streitgegenstand dieses Verfahrens (Verkauf der 6 Wohnungen) nicht Gegenstand der Beschlüsse vor dem 25.5.18 war, kam es hier für die Frage der Zulässigkeit der Klage auf die Frage an, ob insoweit ein wirksamer Beschluss des zuständigen Organs, der Gesellschafterversammlung gefasst wurde.
Nach dem Willen des Gesetzgebers hat die Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 8 Alt 2 GmbHG die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen gegen Geschäftsführer inne. Wenn die Gesellschafterversammlung ausdrücklich hierüber Beschluss fasst, kann auch nicht ersatzweise ein anderer Geschäftsführer als der zukünftig zu verklagende für sie tätig werden, vgl. Liebscher, in MüKo GmbHG, Rn 288 a. Auf die Frage der Legitimation des Notgeschäftsführers kam es in diesem Zusammenhang also tatsächlich nicht an.
Die Gesellschaft hat nach Ansicht der Kammer hier wirksam Beschluss gefasst, denn das Abstimmverhalten des neuen Gesellschafters … war treuwidrig, denn es diente nicht dem Gesellschaftswohl, sondern war sachfremden Beweggründen geschuldet. Seine Stimme war nicht zu werten, der Beschluss ist mit den Stimmen des Gesellschafters … wirksam gefasst worden:
– Aus der von Klägerseite vorgelegten und von Beklagtenseite nicht substantiiert bestrittenen Anlage K 54 ergibt sich, dass Herr …, vertreten durch RA …, zunächst mehrfach zugunsten der Gesellschaft des Beklagten abstimmte. Das allein stellt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände noch kein zwingendes Indiz für eine Treuwidrigkeit dar. Die Beschlussfassung zu TOP 5 jedoch zielte so ersichtlich auf eine Verzögerung der Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Klägerin hin mit der Folge der Verjährung der Ansprüche, dass die Kammer hier ein Abstimmverhalten sieht, das nicht mehr dem Wohl der Gesellschaft dient, sondern lediglich dem des früheren Geschäftsführers, von dem Herr … seine Anteile erworben hat. Ob dieser lediglich als Strohmann agiert, kann hier letztlich wegen der Treuwidrigkeit seines Verhaltens offen bleiben, die Kammer bemerkt allerdings durchaus ein gewisses Widerstreben der Beklagtenseite, obwohl dies mehrfach thematisiert wurde, irgendwelche Informationen dazu zu geben, für welchen Preis die Anteile tatsächlich erworben wurden. Es wäre ihr ein Leichtes, den Verdacht eines Strohmanngeschäftes zu entkräften.
– Es steht nahezu fest, dass bis zum Vorliegen eines Gutachtens einer Anwaltskanzlei, die erst noch vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer zu bestimmen gewesen wäre, eine Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn diese schließlich zum Ergebnis gekommen wäre, dass die Klage zu erheben wäre. Wirtschaftlich betrachtet ergibt dieses Abstimmverhalten keinen Sinn, zumal die Klägervertreter, die eine entsprechende Klage aufgrund einer Prüfung schon vorbereitet hatten, in … durchaus ein gewisses Renommee haben, so dass sich irgendein rationaler Mehrwert für die Klägerin durch das von Herrn … vorgeschlagene Procedere nicht ergibt.
– An der Wirksamkeit der weiteren gefassten Beschlüsse bestehen keine Zweifel. Die Klägerin ist insoweit wirksam vertreten, die Klage insgesamt zulässig. Die Kammer ist hier der Ansicht, dass die Vertretung des Nebenintervenienten … in der Gesellschafterversammlung durch Herrn RA …, der ursprünglich den Beklagten in dem Verfahren … vertreten hatte (LG …, Az …), nicht unwirksam war. Herr RA … war in jenem Verfahren vom hiesigen Beklagten mandatiert worden, um den Zugriff der Gläubiger des Herrn … (vormals Alleingesellschafter der Klägerin) auf die Anteile des hier Beklagten zu verhindern. Die Beklagtenseite ist hier der Ansicht, das Mandat habe Herr … im März 2013 zur Unzeit niedergelegt. Informationen aus dem Mandat, insbesondere über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, verwende er nun gegen seinen früheren Mandanten, und verstoße dadurch gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen. Ein Parteiverrat i.S.d. § 356 StGB liegt hier allerdings schon deswegen nicht vor, weil Prozessvertretung im Verfahren … und Stimmabgabe in einer Gesellschafterversammlung nicht „dieselbe Rechtssache“ darstellen. Auch eine Wahrnehmung widerstreitender Interessen i.S.d. § 43a IV BRAO liegt hier nach Ansicht der Kammer mangels Sachverhaltsidentität nicht vor, vgl. hierzu Träger Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung: BRAO, 9. Auflage 2016, zu § 43 a, Rn 60 ff. Unabhängig davon hätte ein etwaiger Verstoß gegen diese Normen keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung. Die Wirksamkeit der Vollmacht und seiner namens der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen ist jedenfalls abstrakt und unabhängig von Zustandekommen und Wirksamkeit des Anwaltsvertrages, (BGH IX ZR 60/08 m.w.N.), aus Gründen der Rechtssicherheit und des Mandantenschutzes kann grundsätzlich ein Verstoß gegen anwaltliche Standesvorschriften nicht die Unwirksamkeit der Tätigkeit des Anwaltes nach sich ziehen, zumindest wenn diese – wie hier – ersichtlich im Interesse und im Willen des vertretenen Mandanten geschehen sind.
Ob der Einziehungsbeschluss hinsichtlich der Gesellschaftsanteile … in der Versammlung wirksam oder nichtig war, kann hier offenbleiben. Unter keinem Gesichtspunkt würde eine Nichtigkeit des einen Beschlusses die Nichtigkeit der Beschlüsse über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach sich ziehen i.S.d. § 139 BGB Denn es handelt sich hier nicht um „ein“ Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB, d.h. ein einheitliches Rechtsgeschäft, sondern um eine Mehrzahl einzelner. Das von Beklagtenseite hier noch aufgeworfene Problem einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes – der Beschluss lasse nicht hinreichend bestimmt erkennen, welche Zahlungen zurückgefordert werden sollten – kommt im hier vorliegenden Fall gar nicht zur Anwendung, und ist im Übrigen inzwischen wohl weitgehend aufgegeben worden, vgl. Risse/Höfling: Leitplankentheorie statt Bestimmtheitsgrundsatz und Kernbereichslehre NZG 2017, 1131 m.w.N. In jedem Fall ist für die beiden Betroffenen unproblematisch klar und erkennbar gewesen, um welche Vorwürfe es tatsächlich gin, der Beschlussinhalt wäre demnach ggf auch auslegbar.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.


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