Handels- und Gesellschaftsrecht

Vereinbarungswidrige Mängelbeseitigung durch den Käufer

Aktenzeichen  26 O 7245/15

Datum:
2.5.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 118594
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 439 Abs. 2

 

Leitsatz

Vereinbaren die Kaufvertragsparteien eine Mängelbeseitigung durch den Käufer unter Verwendung von verkäuferseitig hergestellten Baumaterialien, bestellt der Käufer jedoch dennoch von Dritten das betreffende Baumaterial, so muss der Verkäufer nicht für diese Kosten aufkommen, sondern nur die Kosten tragen, die ihm durch die Herstellung eigener Baumaterialien entstanden wären. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Vollstreckungsbescheid vom 13.04.2015 wird insoweit aufrecht erhalten, als die Beklagte zur Zahlung von 52.660,04 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 13.851,99 € seit dem 25.02.2015, aus 30.918,35 € seit dem 17.03.2015 und aus 7.889,70 € seit dem 27.02.2015 sowie Mahnkosten in Höhe von 10,00 € verurteilt worden ist.
Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid vom 13.04.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Widerklagen werden abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 5 % und die Beklagte 95 % zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 309.920,89 € festgesetzt.

Gründe

Der verspätete Widerspruch der Beklagten gegen den Mahnbescheid vom 19.03.2015 ist als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu behandeln. In der Sache hat der Einspruch nur zum Teil Erfolg. Die Widerklagen der Beklagten haben keinen Erfolg.
I.
Die Klägerin hat noch Anspruch auf Bezahlung der im Tatbestand aufgeführten Rechnungen über Warenlieferungen an die Beklagte in 2014 in Höhe von 86.012,59 € abzüglich eines 20 %-igen Rabatts in Höhe von 17.202,52 €. Weiter abzuziehen sind die Aufwendungen für Materialkosten in Höhe von 16.150,00 €, die der Klägerin für die Lieferung des Materials für die Sanierung entstanden wären. Demgemäß war der Klägerin ein Betrag von 52.660,04 € zuzusprechen.
Als nicht bezahlt macht die Klägerin folgende Rechnungen im Gesamtwert von 86.012,59 € geltend:
Rechnungsnummer: 294720 vom 31.07.2014
10.305,28 €
(Anlage K 2)
Rechnungsnummer: 301163 vom 08.08.2014
5.325,73 €
(Anlage K 4)
Rechnungsnummer: 320042 vom 28.08.2014
8.763,04 €
(Anlage K 6)
Rechnungsnummer: 320288 vom 28.08.2014
1.850,69 €
(Anlage K 8)
Rechnungsnummer: 326243 vom 29.08.2014
1.601,62 €
(Anlage K 10)
Rechnungsnummer: 326263 vom 29.08.2014
782,90 €
(Anlage K 12)
Rechnungsnummer: 350253 vom 24.09.2014
27,16 €
(Anlage K 14)
Rechnungsnummer: 351411 vom 25.09.2014
342,55 €
(Anlage K 16)
Rechnungsnummer: 352298 vom 25.09.2014
103,53 €
(Anlage K 18)
Rechnungsnummer: 403620 vom 17.11.2014
2.666,79 €
(Anlage K 20)
Rechnungsnummer: 410840 vom 26.11.2014
4.069,68 €
(Anlage K 22)
Rechnungsnummer: 411207 vom 26.11.2014
10.543,28 €
(Anlage K 24)
Rechnungsnummer: 411650 vom 26.11.2014
822,29 €
(Anlage K 26)
Rechnungsnummer: 415545 vom 28.11.2014
7.889,70 €
(Anlage K 28)
Rechnungsnummer: 426905 vom 16.12.2014
3.816,81 €
(Anlage K 30)
Rechnungsnummer: 426936 vom 16.12.2014
843,59 €
(Anlage K 32)
Rechnungsnummer: 427156 vom 16.12.2014
16.383,21 €
(Anlage K 34)
Rechnungsnummer: 427157 vom 16.12.2014
1.388,02 €
(Anlage K 36)
Rechnungsnummer: 427158 vom 16.12.2014
2.127,60 €
(Anlage K 38)
Rechnungsnummer: 427159 vom 16.12.2014
1.601,62 €
(Anlage K 40)
Rechnungsnummer: 427160 vom 16.12.2014
4.757,50 €
(Anlage K 42)
86.012,59 €
Auf diese 21 Rechnungen aus 2014 gewährte die Klägerin den 20 %-igen Rabatt gemäß Ziffer 2. der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 in Höhe von 17.202,52 € (Gutschrift vom 13.03.2015, Anlage K 43), nach dessen Abzug sich die Klageforderung ergibt.
Weitere Abzüge gemäß den Ziffern 1. und 2. der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 muss die Klägerin nicht vornehmen, da sie ihre Verpflichtungen aus den Ziffern 1. und 2. der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 erfüllt hat.
Die Klägerin hat die Rechnungen mit einer Gesamtsumme von 132.563,08 €, die dem Warenbezug durch die Beklagte in 2014 zugrundeliegen, auf Seite 4 des Klageschriftsatzes vom 04.08.2015 bezeichnet. Die Rechnungsbeträge sind ohne Kürzung dargestellt, erfolgte Ausbuchungen und Kürzungen wurden zusätzlich dargestellt. Die Beklagte hat ihre Behauptung, dass sie 2014 Waren im Wert von 145.374,23 € bei der Klägerin gekauft habe, nicht nachgewiesen. Sie hätte ohne weiteres dartun Können, welche Rechnungen die Klägerin in ihrer Aufstellung auf Seite 4 des Klageschriftsatzes vom 04.08.2015 nicht erfasst hat.
Die Rechnungen vom 30.01.2014 mit den Nummern 114613, 114614, 114615 (s. Seite 4 des Klageschriftsatzes vom 04.08.2015) in Höhe von insgesamt 4.654,69 € wurden vollständig durch die Gutschrift vom 29.07.2014 (Anlage K 44/K 55) ausgebucht. Die weiteren ausgebuchten Rechnungen gemäß Gutschrift vom 29.07.2014 über 37.919,95 € betreffen Lieferungen von 2013 (s. Anlage K 55). Die Gesamtsumme der Rechnungen aus 2014 reduziert sich auf 127.908,39 €. Auf diese verbliebenen Rechnungsbeträge wurde ein Rabatt von 20 % gewährt, dies entspricht einem Betrag von 25.581,68 €: 17.202,52 € (Gutschrift vom 13.03.2015, Anlage K 43) auf die klageweise geltend gemachten Rechnungen und 8.457,17 € auf die nicht klageweise geltend gemachten Rechnungen: Gutschriften vom 25.09.2014 (Anlage K 45), vom 17.10.2014 (Anlage K 46) und vom 20.11.2014 (Anlage K 47).
Der maximale Betrag gemäß Ziffer 2. der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 in Höhe von 26.580,05 € konnte nicht als Rabatt gewährt werden, da in 2014 keine weiteren Warenbestellungen durch die Beklagte erfolgten.
Die vollständig durch die Gutschrift vom 29.07.2014 (Anlage K 44/K 55) ausgebuchten Rechnungen betreffen auch Rechnungen, denen Warenbezüge zugrunde liegen, die im Bauvorhaben Parkhaus … verbaut wurden und sich als problematisch herausgestellt haben. Die Klägerin konnte diese Rechnungen mit der Warengutschrift gemäß Ziffer 1. der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 erfassen, da diese Materialrechnungen nicht ausgenommen wurden. Zudem hat die Klägerin die Materialkosten zu tragen, die ihr für die Herstellung des Überarbeitungsmaterials entstanden wären. Die Zeugen … sagten insoweit übereinstimmend aus, dass das von der Klägerin gelieferte Material problematisch war, da sich Farbunterschiede gebildet haben. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass eine Überarbeitung mit einem Decklack erforderlich ist. Wegen der Kosten hat man sich schließlich auf die Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 geeinigt. Da in dem zugrunde liegenden Angebot vom 30.12.2013 (Anlage B 4) mehrfach erwähnt ist, dass das Material die Klägerin stellt, lag dies ohne ausdrückliche Erwähnung auch der Vereinbarung zugrunde. Die Zeugen … sagten übereinstimmend aus, dass die Beklagte das Material für die Überarbeitung auch bei der Klägerin bestellen wollte, dass die Bestellung jedoch zu spät erfolgte und die Klägerin das Material wegen einer Herstellungszeit von mindestens sieben Werktagen bis zum 10.06.2014, dem feststehenden Überarbeitungsbeginn, nicht mehr herstellen konnte. Da der Beklagten der Überarbeitungsbeginn bekannt war, hätte sie rechtzeitig bestellen müssen und hätte die die Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 nicht hinauszögern dürfen. Als der Geschäftsführer der Beklagten die Vereinbarung erst nach dem 08.07.2014 an die Klägerin gemäß Ankündigung vom 08.07.2014 (Anlage K 50) zurücksandte, hatte er gemäß Aussagen der Zeugen … ohne Absprache ab 10.06.2014 das Material der … verwendet. Demgemäß fügte er den Zusatz „Die Beschichtungsprodukte werden zusätzlich berechnet.“ auf der Vereinbarung an. Da dies jedoch mit der Klägerin nicht vereinbart war, muss die Klägerin nicht die Kosten des bei der … bezogenen Materials bezahlen, sondern die Kosten in Höhe von 16.150,00 €, die ihr durch die Herstellung des Beschichtungsmaterials entstanden wären.
Demgemäß sind von der Klageforderung 16.150,00 € durch Verrechnung auf die ältesten Forderungen in Abzug zu bringen und der Klägerin konnten nur 52.660,04 € zugesprochen werden. Die zugesprochenen Verzugszinsen und Mahnkosten ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB. Eine Aufrechnung mit Forderungen der Widerklagen kommt nicht in Betracht, da die Widerklageforderungen nicht bestehen (s.u.).
II.
Die erste Widerklage war abzuweisen, da die Berechnung der Beklagten nicht nachvollziehbar ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 noch Ansprüche gegen die Klägerin hat. Unter I. ist dargestellt, dass die Klägerin ihre Verpflichtungen aus der Vereinbarung durch die Gutschrift vom 29.07.2014 über 37.919,95 € und die Rabattgewährungen in Höhe von insgesamt 25.581,68 € erfüllt hat. Die Rechnungen der … muss die Klägerin nicht übernehmen, da die Verwendung eines Fremdmaterials nicht vereinbart war. Die Beklagte kann nur die Kosten gegenrechnen, die der Klägerin durch die Herstellung des eigenen Überarbeitungsmaterials entstanden wären (s.o.). Die Kosten für das fehlerhatte Material muss die Beklagte tragen, da insoweit keine Regelung in die Vereinbarung vom 28.05.2014/18.06.2014 aufgenommen wurde. Dafür kann die Beklagte die Kosten für das Überarbeitungsmaterial gegenrechnen. Dieses wäre von der Klägerin zu stellen gewesen (§ 439 Abs. 2 BGB).
III.
Der erste Hauptantrag der zweiten Widerklage war abzuweisen, da nicht dargetan ist, dass die Beklagte von der … zur Nachbesserung aufgefordert wurde und sich die Nachbesserungskosten hinsichtlich der Bodenbeschichtung im … in … wegen eines von der Klägerin gelieferten mangelhaften Materials auf 124.960,00 € belaufen werden.
Unstreitig hat am 13.05.2015 um 11.00 Uhr mit … von den … vom Ingenieurbüro … von der Klägerin, dem Geschäftsführer … von der Beklagten sowie … von der … eine Besprechung stattgefunden, bei der festgestellt wurde, dass eine Sanierung der Bodenbeschichtung durchgeführt werden muss. Die Klägerin legte jedoch eine Vereinbarungsbestätigung vom 02.12.2015 (Anlage K 53, Original Anlage K 54) vor, wonach am 05.11.2015 eine Einigung erfolgt ist, dass die Klägerin die festgestellten Beeinträchtigungen beseitigt oder beseitigen lässt und dass Ausfallkosten nicht erhoben werden. Weiter wurde festgehalten, dass nach Durchführung der Arbeiten sämtliche Ansprüche der … vertreten durch die … gegen die Klägerin, die … sowie die Beklagte erledigt sind.
Bei dieser Sachlage kann ein derzeitiger Nacherfüllungsanspruch der Beklagten gemäß § 439 BGB nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die … Sachmängelansprüche gemäß § 635 ff BGB gegen sie geltend gemacht hat. Demgemäß kann gar nicht abgeschätzt werden, ob und in welcher Höhe eventuelle Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin gemäß § 439 BGB bestehen. Es besteht kein Anspruch, für noch nicht geltend gemachte ungewisse Sachmängelansprüche einen grob geschätzten Mängelbeseitigungskostenvorschuss zu leisten.
Demgemäß ist der zweite Hauptantrag der zweiten Widerklage unzulässig. Mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses besteht kein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).
Auch der hilfsweise gestellte Freistellungsantrag kann nicht zugesprochen werden, da nicht dargetan ist, dass die … Ansprüche auf Nutzungsausfall bzw. entgangenen Gewinn gegen die Beklagte geltend macht.
Weiterhin ist der Hilfsantrag zum ersten Hauptantrag der zweiten Widerklage unzulässig (Ziffer 4. der zweiten Widerklage). Es besteht kein Feststellungsinteresse, da gegenwärtige Mängelbeseitigungsansprüche der … gegen die Beklagte nicht ersichtlich sind.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
V.
Streitwert: Klageforderung: 63.810,07 €, 1. Widerklage: 39.160,82 €, 2. Widerklage: 124.950,00 € + 77.000,00 €.


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