Handels- und Gesellschaftsrecht

Werklohnansprüche im Rahmen des Umbaus und Sanierung eines Gebäudes

Aktenzeichen  32 O 283/17

Datum:
27.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57585
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 27 Abs. 3
BGB § 121, § 123, § 133, § 143, § 157, § 286 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1, § 779
ZPO § 92, § 101
HGB § 48, §49

 

Leitsatz

Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der Vertreter als Handelnder bevollmächtigt ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.083,51 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.09.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 10%, 90% fallen der Beklagten zur Last. Ausgenommen hiervon sind abtrennbare Kosten, die mit der Klageerhebung gegen den ursprünglich am Verfahren beteiligten Beklagten zu 2) zusammenhängen. Diese trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten trägt die Klägerin 10%, 90% der Nebenintervenient selbst.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich überwiegend als begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe des zugesprochenen Betrages aus der wirksamen Vereinbarung vom 22.04.2014 (Anlage K5). Es handelt sich hierbei um einen zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichsvertrag (§ 779 BGB), der das zwischen den Parteien ursprünglich bestehende Vertragsverhältnis neu regelte.
1. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei der Vereinbarung vom 22.04.2014 nicht um eine bloße Absichtserklärung der Parteien gehandelt hat, sondern dass die Parteien mit dieser Vereinbarung eine für beide Seiten bindende und abschließende Regelung des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses getroffen haben. Die spätere Vertragsreue der Beklagten führt nicht dazu, dass sie sich von dieser wirksamen Vereinbarung wieder lösen konnte.
Beim Vergleichsvertrag im Sinne des § 779 BGB handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, der für streitige oder ungewisse Punkte zwischen den Parteien festlegen soll, was gilt (Palandt-Sprau, BGB, 77. Auflage, § 779 Rn. 2). Er verändert das ursprüngliche Ausgangsrechtsverhältnis und auf ihn sind die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte anzuwenden. Die getroffene „Vereinbarung“ ist daher auch nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen.
Erforderlich ist zunächst, dass zwischen den Parteien überhaupt eine Ungewissheit oder Streit im Sinne des § 779 BGB bestand, da nur bei einer solchen Ausgangslage überhaupt der Anwendungsbereich des § 779 BGB eröffnet ist. Wie sich bereits aus dem wechselseitigen Schriftverkehr (z. B. Anlage B4) aber auch den Angaben der Zeugen W. (Bl. 382 f. d. A.) und K. (Bl. 388 d. A.) ergab, war bereits vor dem Termin vom 22.04.2014 die Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung des Betrages aus der Schlussrechnung vom 17.09.2013 streitig. Dieser Streit bezog sich sowohl (wenn auch von untergeordneter Bedeutung) auf Mängelrügen der Beklagten als auch den tatsächlichen Auftragsumfang und den Umfang der tatsächlich von der Klägerin geleisteten Arbeiten sowie der angesetzten Massen. Hierüber war über einen Zeitraum von 7 Monaten zwischen den Parteien keine Einigung erzielt worden, weshalb beide Parteien übereinkamen, einen gemeinsamen Gesprächstermin, der eben am 22.04.2014 stattfand, durchzuführen. Im Rahmen dieses Termins wurden sowohl die Mängel (was sich aus der schriftlichen Urkunde der Anlage K5 ergibt) als auch der Umfang der tatsächlich von der Klägerin geleisteten Arbeiten und deren Grundlage erörtert. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Dokument der Anlage K5 und aus den Angaben der vom Gericht einvernommenen Zeugen W., D., K. und H. Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis, nämlich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der von der Klägerin gestellten Schlussrechnung vom 17.09.2013, bestand daher zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 22.04.2014.
Die Urkunde vom 22.04.2014 begründet auch ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne des § 779 BGB. Wie sich aus der Urkunde ergibt, hat sich die Klägerin verpflichtet, kostenneutral ein Regenrohr und Fallleitungsanschluss herzustellen und hat eine Minderung in Höhe von 10.000,- € netto für behauptete Mängel, die die Klägerin bestritten hat, akzeptiert. Darüber hinaus hat die Klägerin keine sofortige Zahlung gefordert, sondern ist der Beklagten mit einer vorübergehenden Stundung und Zahlung in zwei Raten entgegen gekommen.
Für die Beklagte ergibt sich ebenfalls ein Nachgeben, die sich zur Zahlung der von ihr als unberechtigt erachteten Schlussrechnungssumme verpflichtete, soweit sie nicht durch den vereinbarten Minderungsbetrag abgegolten war.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht auch davon überzeugt, dass es sich hierbei nicht um eine bloße Absichtserklärung, sondern eine für beide Seiten bindende Willenserklärung gehandelt hat. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Auslegung einer Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont erfolgt, §§ 133, 157 BGB, das heißt sie ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt-Ellenberger a. a. O., § 133 Rn. 9). Die Auslegung hat hierbei vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (Palandt-Ellenberger a. a. O., Rn. 14). Bereits der Wortlaut der Anlage K5 spricht hier für eine bindende Vereinbarung der Parteien. Das Schreiben ist zunächst mit „Vereinbarung“ überschrieben und bezieht sich auf die Schlussrechnung vom 17.09.2013. Darüber hinaus ist nach einer Erfassung der Teilnehmer der Besprechung ausgeführt „es wird zwischen den Vertragsparteien folgendes vereinbart…“. Schließlich wird ein konkretes Zahlungsziel für die vereinbarten Raten, wobei wieder das Wort „vereinbart“ verwendet wird, getroffen. Diese Zahlungsziele liegen auch so kurz nach dem Datum der Besprechung, wobei die Einzelabrechnung für die Verbräuche sogar noch innerhalb von 8 Werktagen zu zahlen sind, dass die kurzen Zahlungsziele gar keinen Raum für weitere Erörterungen zwischen den Parteien lassen.
Auch die Begleitumstände und die Interessenlage der Parteien spricht für eine abschließende Vereinbarung. Den Parteien ist es innerhalb eines Zeitrahmens von 7 Monaten nicht gelungen, eine Lösung für die Unstimmigkeiten zur Berechtigung der Klägerin zur Berechnung des Leistungsumfangs und zu behaupteten Mängeln herbeizuführen. Aus diesem Grund wurde der Termin vom 22.04.2017 zwischen den Parteien angesetzt, der damit endete, dass man dieses Schriftstück aufsetzte. Der Wortlaut der Erklärung (wobei die Unstimmigkeiten zwischen den Parteien allen Teilnehmern dieser Besprechung bekannt war), lässt keinerlei Interesse der Parteien erkennen, sich nochmals zu treffen.
Darüber hinaus hat das Gericht zu diesen Umständen Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen H., K., W. und D. Aufgrund dieser durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei dem Schreiben vom 22.04.2014 um eine abschließende Vereinbarung der Parteien, nicht eine bloße Absichtserklärung, handelt. Der Zeuge W. hat hierzu ausgeführt, dass es in dem Gespräch darum ging, in welcher Höhe und in welchem zeitlichen Rahmen die Schlussrechnung bezahlt wird und welche Mängel durch einen Abschlag abgegolten werden sollten (Bl. 383 d. A.). Für ihn habe es sich um eine abschließende Vereinbarung zur Schlussrechnung gehandelt, er habe in der Vergangenheit bereits oft solche Verhandlungen geführt und wüsste deswegen, worauf es ankam. Die Vereinbarung habe auch der Herr K. geschrieben. Es seien die Eigentümer der Beklagten stark vertreten gewesen. Bei dem Mangel hätte es sich zwar um eine aus ihrer Sicht zusätzliche Leistung gehandelt, aber um des lieben Friedens willen hätten sie einer entsprechenden Regelung zugestimmt. Die Schlussrechnungshöhe sei diskutiert worden, man habe sich im Rahmen des Gesprächs auf eine neue Summe geeinigt und diese entsprechend in die Vereinbarung nebst Zahlungszielen hineingeschrieben als feste Vereinbarung, nicht als bloße Absichtserklärung. Er sei mit einem guten Gefühl aus der Besprechung rausgegangen und hätte gedacht, dass die Angelegenheit so beendet sei. In dem Gespräch sei alles abschließend geklärt worden, da hätte es nichts mehr gegeben, dass man die Besprechung fortsetzen müsse. Erst im Nachhinein seien die Eigentümer gekommen und haben gemeint, dass sie die Vereinbarung zurückziehen müssten.
Auch der Zeuge F. D. hat, obwohl ihm in der Vernehmung anzumerken war, dass er nur noch geringe eigene Erinnerungen an das Gespräch hat, bestätigt, dass in dem Gespräch eine abschließende Einigung erzielt wurde und das Thema damit eigentlich erledigt gewesen sei. Es hätten vorher über die Zahlungssumme unterschiedliche Ansichten bestanden, der Herr K hätte dann die Vereinbarung K5 geschrieben.
Dies hat auch der Zeuge S. K. bestätigt. Das Gespräch sei angestrebt worden, um die gestellte Rechnung zu besprechen, weil die Eigentümergemeinschaft mit der Rechnungsstellung unzufrieden gewesen sei. Es hätte auch schon vorher darüber mündlich Gespräche gegeben und sich das Ganze etwas hingezogen. Sowohl der Abrechnungsmodus als auch einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses waren im Streit, dies wurde im Gespräch durch den Herrn W. und den Herrn D. erläutert. Es sei um die Abrechnungshöhe und die erbrachte Leistung gegangen, auch um Mängel. Der Zeuge S. K. bestätigte, dass man sich zu dem Gespräch mit dem Ziel getroffen hatte, sich zu vereinbaren.
Soweit der Zeuge ausgeführt hat, dass man so verblieben sei, dass kurz danach nochmal ein Termin zu einer Besprechung gemacht würde, so deckt sich diese Aussage weder mit den Aussagen der Zeugen W. und D., noch mit dem Inhalt der Urkunde (Anlage K5). Der Zeuge, der am Anfang der Vernehmung noch den Eindruck erweckte, dass bereits am Ende des Termins vereinbart wurde, dass man sich nochmals trifft, hat dann auf konkrete Nachfragen des Gerichts zu diesen Umständen ausweichend geantwortet und sich immer wieder um eine konkrete Beantwortung der Frage gewunden. Es bestand für das Gericht kein Zweifel, dass der Zeuge sich nicht einer Falschaussage schuldig machen wollte, andererseits aber, da er von seiner Interessenlage im Lager der Beklagten steht, auch keine für diese ungünstige Aussage treffen wollte. Dieses „sich winden“ des Zeugen trat sowohl bei Fragen des Gerichts nach der Rolle des Herrn H. auf, als auch nach der Frage, ob es sich bei der Vereinbarung vom 22.04.2014 um eine abschließende Vereinbarung gehandelt hat oder nicht. Der Zeuge äußerte hierzu, dass er ja eigentlich auch ein Interesse hatte, dass es zu einem Abschluss kommt und dass, wenn das mit der Erläuterung funktioniert hätte, er gesagt hätte, das sei eine Vereinbarung. Das Gericht konnte sich aufgrund dieser fragwürdigen Aussage des Zeugen keine Überzeugung davon bilden, dass die Angaben der Zeugen W. und D. zum verbindlichen Charakter der Erklärung vom 22.04.2014, die sich mit dem Inhalt der Urkunde decken, unzutreffend sind. Das Gericht geht daher von der Richtigkeit der Angaben der Zeugen W. und D. in Übereinstimmung mit der Urkunde vom 22.04.2014 aus.
Auch die Angaben des Zeugen H. im Termin vom 06.03.2018 (Bl. 413 ff. d. A.) führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Zeuge hat vielmehr erkennen lassen, dass gegen seinen Willen die dort Anwesenden die Vereinbarung als abschließende Vereinbarung getroffen haben. Er führte immer wieder aus, seiner Meinung nach fehlte der Zusatz „nach Prüfung der Schlussrechnung“, erläuterte aber immer wieder auf Nachfrage, dass die Anwesenden gegen seinen Willen diese Vereinbarung geschlossen haben. Mit „Fehlen des Zusatzes“ kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Passus vergessen worden sei, sondern das Gericht ist aufgrund des Gesamteindrucks aller einvernommenen Zeugen und des Wortlauts der Urkunde sowie der Vorgeschichte des Termins vom 22.04.2014 davon überzeugt, dass dieser Zusatz eben bewusst nicht in die Urkunde aufgenommen wurde, sondern die Parteien eine endgültige Beilegung der bestehenden Unstimmigkeiten herbeiführen wollten.
2. Diese Vereinbarung vom 22.04.2014 ist auch durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen wirksam zustande gekommen. Für die Klägerin hat der als Prokurist vertretungsberechtigte Zeuge W. unterzeichnet, §§ 48, 49 HGB. Für die Beklagte ist deren Verwalter H. tätig geworden. Auch hiervon ist das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt. Zwar hat die Beklagte ausgeführt, dass der Verwalter H. weder gesetzlich noch rechtsgeschäftlich zur Vertretung der Beklagten berechtigt gewesen sei, die Beklagte haftet jedoch unter Rechtscheingesichtspunkten für die vom Verwalter abgegebene Erklärung nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Für das tatsächliche Bestehen einer Vollmacht wäre die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Diesen Pflichten ist die Klägerin nicht gerecht geworden, eine tatsächlich bestehende Vollmacht ergibt sich vorliegend weder aus Rechtsgeschäft, noch aus § 27 Abs. 3 WEG.
3. Die Bindung der Beklagten ergibt sich jedoch sowohl aus den Grundsätzen der Duldungs- als auch den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der Vertreter als Handelnder bevollmächtigt ist (Palandt-Ellenberger a. a. O., § 172 Rn. 8). Dies ist vorliegend gegeben. Die Beklagte wird gem. § 27 Abs. 3 WEG durch den Verwalter, nämlich R. H., vertreten. Auf dessen Kenntnis kommt es daher im Rahmen der Grundsätze der Duldungsvollmacht an. Ihm war aber gerade bekannt, dass er selbst die Erklärung vom 22.04.2014 unterzeichnet hat. Die Beklagte ließ es daher wissentlich geschehen, dass R. H. für sie entsprechende Erklärungen abgibt. Der Umstand, dass R. H. nicht mit einem Zusatz (Verwalter o. Ä.) die Vereinbarung unterzeichnete, spielt im Rahmen der Grundsätze der Duldungsvollmacht nur eine untergeordnete Rolle. Es kommt im Wesentlichen auf eine Wissenszurechnung an, die vorliegend gegeben ist. Der Wortlaut der Urkunde zeigt auch nach der Aufzählung der Anwesenden, dass die Vereinbarung nicht zwischen den Teilnehmern, sondern den „Vertragsparteien“ gelten soll.
4. In gleicher Weise sind die Grundsätze der Anscheinsvollmacht anzuwenden. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters zwar nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters (Palandt-Ellenberger, a. a. O., Rn. 11). Auch hierfür ist auf das Wissen des Verwalters der Beklagten abzustellen. Im Unterschied zur Duldungsvollmacht spielt im Rahmen der Anscheinsvollmacht auch eine Rolle, dass R. H. nicht das erste Mal für die Beklagte aufgetreten ist, sondern dies gegenüber der Klägerin in der Vergangenheit bereits mehrfach der Fall gewesen ist. Bereits im ursprünglichen Verhandlungsprotokoll vom 02.08.2012 (Anlage K1) ist R. H. als Bauherrenvertreter aufgetreten und hat für die Beklagte das Verhandlungsprotokoll und auch die konkrete Beauftragung (Anlage K2) unterzeichnet. Unstreitig blieb zwischen den Parteien auch, dass sämtliche Abschlagsrechnungen über R. H. an die Beklagte eingereicht wurden und in der Folge auch bezahlt wurden. Darüber hinaus blieb unstreitig, dass R. H. als Vertreter der WEG (und auch zum Teil aus Eigeninteressen, da er selbst Miteigentümer ist) auf der Baustelle anwesend war und dort Gespräche geführt hat. Schließlich hat sich zur Überzeugung des Gerichts auch aus der Einvernahme sämtlicher Zeugen ergeben, dass R. H. im Termin vom 22.04. nicht als Eigentümer, sondern als Vertreter der Beklagten aufgetreten ist. Dies haben sowohl die Zeugen W. und D. angegeben, als auch der Zeuge K. bestätigt, der nämlich ausgeführt hat, dass Ziel dieses Treffens gewesen ist, eine abschließende Vereinbarung herbeizuführen. Auch er hat bestätigt, obwohl er sich um diese Frage immer wieder herumgewunden hat, dass er nicht sagen könne, in welcher Funktion er da gewesen ist, offensichtlich ergibt sich aber aus der Aussage des Zeugen K. jedenfalls, dass R. H. während der Besprechung zu keinem Zeitpunkt angegeben hat, dass er nicht für die Beklagte handelt. Dafür spricht wiederum der Wortlaut der Anlage K5, der davon spricht, dass zwischen den „Vertragsparteien folgendes vereinbart“ wird.
5. Die Klägerin durfte daher davon ausgehen, dass R. H. von der Beklagten nicht nur mit der Auftragserteilung, sondern mit der gesamten Abwicklung des Bauverfahrens beauftragt wurde, da aufgrund des Umstands, dass er nicht nur den Bauvertrag unterschrieben hat, sondern auch im weiteren Verlauf regelmäßig für die Beklagte aufgetreten ist, keine Veranlassung bestand, von einer beschränkten Vollmacht von R. H. auszugehen. Auch die bei der Besprechung anwesenden Eigentümer haben zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, dass R. H. nicht zu einer entsprechenden Erklärung berechtigt wäre.
6. An der Wirksamkeit der zwischen den Parteien am 22.04.2014 getroffenen Vereinbarung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des § 779 Abs. 1 2. HS BGB keine Bedenken. Auch wenn die Beklagte die Erklärung im Nachhinein angefochten und als nicht bindend bezeichnet hat und ausgeführt hat, dass sie über den tatsächlichen Auftragsumfang und den Umfang der tatsächlich erbrachten Leistung getäuscht worden sei, begründet dies keine Unwirksamkeit aufgrund des gesetzlichen Regelbeispiels des § 779 Abs. 1 2. HS BGB. Dieser Fall liegt gerade dann nicht vor, wenn der falsche, der Vereinbarung zugrunde gelegte Sachverhalt gerade die Umstände betrifft, die den Streit oder die Ungewissheit im Vorfeld begründet haben (Palandt-Sprau a. a. O., § 779, Rn. 15).
7. Auch die von der Beklagten vorgebrachten Anfechtungen führen nicht zu einer Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 22.04.2014. Soweit die Beklagte auf das Schreiben vom 03.06.2014 (Anlage K6) abstellt, fehlt es bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten an einer Anfechtungsberechtigung des Erklärenden. Das Schreiben wurde von S. K. unterzeichnet, der nach dem Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung vom 22.02.2017, Seite 2 (Bl. 30 d. A.) gerade nicht berechtigt gewesen ist, rechtlich bindende Erklärungen für die Beklagte abzugeben. Im Übrigen genügt der Inhalt des Schreibens nicht den Voraussetzungen des § 143 BGB, denn das Schreiben lässt nicht zweifelsfrei erkennen, dass die Beklagte die Vereinbarung wegen eines Willensmangels nicht gegen sich gelten lassen will (Palandt-Ellenberger, a. a. O., § 143, Rn. 3). Aus dem Schreiben lässt sich nur entnehmen, dass sich die Beklagte nicht an die Vereinbarung gebunden fühlt, Anhaltspunkte für einen Willensmangel lässt das Schreiben dagegen nicht erkennen.
Das Schreiben vom 11.09.2014 (Anlage K11) ist für eine erfolgreiche Anfechtung wegen eines Inhalts oder Erklärungsirrtums nicht fristgerecht erfolgt, da dieses Schreiben außerhalb der Anfechtungsfrist des § 121 BGB erfolgte.
Ein Anfechtungsgrund aus § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine arglistige Täuschung der Beklagten lag gerade nicht vor, da bereits vor Abschluss der Vereinbarung vom 22.04.2014 die Schlussrechnung vom 17.09.2013 und die Tatsache, dass die Beklagte sowie die einzelnen Eigentümer den Umfang der in Rechnung gestellten Arbeiten bezweifelten, bei der Beklagten bekannt gewesen ist. Es handelt sich um einen klassischen Fall von Vertragsreue, weil möglicherweise die abschließende Vereinbarung nicht die Zustimmung sämtlicher betroffener Eigentümer fand. Der Umstand, dass die Vertreter der Klägerin im Termin vom 22.04.2014 ihre eigenen Ansprüche als berechtigt dargestellt haben, ist nicht geeignet, den Tatbestand einer arglistigen Täuschung zu begründen, denn gerade diese Berechtigung war zwischen den Parteien streitig. Durch die getroffene Vereinbarung sollte diese zwischen den Parteien auch nach dem Gespräch vom 22.04.2014 bestehende Unsicherheit durch eine vergleichsweise Streitbeilegung erledigt werden. Die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit der Beklagten ist daher durch die Äußerungen der Vertreter der Klägerin nicht beeinträchtigt worden. Vielmehr hat sich nach Überzeugung des Gerichts aus der Beweisaufnahme ergeben, dass auf Seiten der Beklagten auch während und nach dem Gespräch vom 22.04.2014 noch erhebliche Bedenken bestanden, ob und in welchem Umfang die von der Klägerin berechneten Leistungen berechtigt gewesen sind. Dies haben sowohl der Zeuge K. als auch der Zeuge H. bestätigt. Die Vereinbarung vom 22.04.2014 diente ja gerade dem Zweck, über diese bestehende Unsicherheit eine abschließende Regelung herbeizuführen.
8. Der Anspruch der Klägerin in der zugesprochenen Höhe ergibt sich daher im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Betrages von 403.839,29 € (Anlage K5) zzgl. Mehrwertsteuer abzüglich der unstreitigen Abschlagszahlungen der Beklagten in Höhe von 398.485,24 €. Die Klage basiert auf einen Übertragungsfehler aus dem Schreiben vom 18.08.2014 (Anlage K10). Dort wurde als Betrag aus der Vereinbarung vom 22.04.2014 versehentlich ein Betrag von 409.839,29 € statt 403.839,29 € angenommen.
Es ergibt sich daher eine geschuldete Abrechnungssumme von 480.568,75 € brutto. Abzüglich der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 398.485,24 € verbleibt ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 82.083,51 €.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Auf den Hilfsantrag war insoweit nicht einzugehen, da der Hilfsantrag nur für den Fall gestellt wurde, dass das Gericht nicht von einer bindenden Vereinbarung vom 22.04.2014 ausgeht.
9. Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus Verzug, § 286, 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich spätestens nach Zahlungsaufforderung vom 18.08.2014 und Fristsetzung zum 01.09.2014 mit Ablauf dieses Tages im Verzug.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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