Insolvenzrecht

Darlegungs- und Beweislast für den Zugang eines die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit vermittelnden Faxschreibens

Aktenzeichen  5 U 915/18

Datum:
3.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40852
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 133 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der „OK-Vermerk“ auf einem Fax-Sendebericht belegt das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer; in Anbetracht dieses Umstands kann sich der Empfänger nicht auf das Bestreiten des Zugangs beschränken; er muss sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vielmehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betrieben hat, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal geführt hat und dieses gegebenenfalls vorlegen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hält eine staatliche Stelle – hier das Finanzamt – offiziell ein Faxempfangsgerät vor, hat es die nötige Vorsorge zu treffen, um sich substantiiert dazu zu erklären zu können, ob ein Schreiben eingegangen ist oder nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 O 344/17 2018-02-26 Urt LGDEGGENDORF LG Deggendorf

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 26.02.2018, Az. 23 O 344/17, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die durch das zitierte Urteil bereits zugesprochenen 10.355,10 € hinaus weitere 34.705,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2014 zu zahlen.
2.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die durch das zitierte Urteil bereits zugesprochenen 958,19 € hinaus weitere 864,77 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2016 zu zahlen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Beklagte.
II. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.705,54 festgesetzt.

Gründe

I.
Der klagende Insolvenzverwalter nimmt den beklagten Freistaat Bayern unter der dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung auf Zahlung in Anspruch.
Das Landgericht Deggendorf hat mit Endurteil vom 26.02.2018 unter Klageabweisung im Übrigen den Beklagten nach Beweiserhebung durch Einvernahme der Zeugen B. und W. im Termin vom 22.01.2018 verurteilt, an den Kläger, der mit auf Antrag vom 01.04.2014 ergangenem Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 30.05.2014 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Bayerische Wald Resort GmbH (künftig: Schuldnerin) bestellt worden ist, 10.355,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.05.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2016 zu zahlen. Für die Zahlungen vom 15.01.2014 und am 20.02.2014 in Höhe von insgesamt 10.355,10 € stehe dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch gem. §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO a.F. zu. Aufgrund von Rücklastschriften und deren anschließenden Zahlverhalten sei auf die Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu schließen. Insoweit ist das Ersturteil rechtskräftig.
Wegen der weiteren angefochtenen Lohnzahlungen sei die Klage unbegründet, weil die für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche Kenntnis des Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen sei. Die Schuldnerin sei zwar jedenfalls zum 31.03.2013 objektiv zahlungsunfähig gewesen. Die Kenntnis hiervon ergebe sich aber nicht aus dem Schreiben vom 03.06.2013, das für sich genommen geeignet gewesen sei, eine solche Kenntnis zu begründen, weil der beweisbelastete Kläger dessen Zugang nicht nachgewiesen habe. Der Fax-Sendebericht mit einem „OK-Vermerk“ begründe keinen Beweis des ersten Anscheins für den tatsächlichen Zugang der Sendung, sondern belege nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät. Der Beklagte habe seine sekundäre Beweislast durch den Vortrag erfüllt, das entsprechende Schreiben sei dort vor der Insolvenzanfechtung und Vorlage durch den Insolvenzverwalter nicht bekannt gewesen, Nachforschungen hätten nichts ergeben. Hinsichtlich der Rückforderung der Kfz-Steuer sei der Beklagte nicht passiv legitimiert. Die Rechtsanwaltskosten wurden anteilig zugesprochen.
Gegen das ihm am 02.03.2018 zugestellte Urteil legte der Kläger am 21.03.2018 hinsichtlich der Klageabweisung Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 26.04.2018, eingegangen bei Gericht am 02.05.2018 begründete.
Er trägt vor, die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit könne aus dem Telefaxschreiben der Schuldnerin vom 05.06.2013 abgeleitet werden, in dem diese den Beklagten über den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit informiert habe. Nachdem das Fax-Versendungsprotokoll des Sendeberichs den „OK-Vermerk“ enthalte, könne der Beklagte unter Bestreiten des Zugangs nicht einfach behaupten, das Telefaxschreiben in seinen Unterlagen nicht zu finden. Dem Beklagten obliege nach den Grundsätzen der sekundären Beweislast vorzutragen, welches Gerät er an der Gegenstelle betreibe, ob die Verbindung im Speicher des Geräts enthalten sei und auf welche Weise er eine Dokumentation des Empfangsjournals führe.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren unter teilweiser Abänderung des Ersturteils:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die bereits zugesprochenen 10.355,10 € hinaus 34.705,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2014 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die bereits zugesprochenen 958,19 € hinaus weitere 996,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2016 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das seinerzeit betriebene Faxgerät sei im Sommer 2015, also lange vor Beginn des vorliegenden Verfahrens wegen eines Defekts ausgetauscht worden. Das Altgerät sei entsorgt worden. Aufzeichnungen dazu, um welches Gerät genau es sich gehandelt habe, lägen nicht vor. Wegen der Vernichtung des Geräts könnten in diesem zunächst etwa vorhandene Aufzeichnungen nicht mehr vorgelegt werden. Faxeingangsprotokolle aus dem Jahre 2013 lägen nicht mehr vor. Im Übrigen könne allein der OK-Vermerk auf dem Fax Anlage K 3 dessen Eingang nicht belegen. Es sei durch Zeugenbeweis nachgewiesen, dass nach Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits jedenfalls versucht worden sei, einen entsprechenden Faxeingang nachzuvollziehen. Entsprechende Belege seien in keiner Vollstreckungsakte gefunden worden, obwohl das Schreiben thematisch dort hingehört hätte. Ebenso wenig sei man in der allgemeinen Ablage fündig geworden. Nach Angaben des Zeugen B. sei sogar beim Finanzamt Straubing nachgefragt worden, ob das Schreiben dorthin weitergeleitet worden sei, auch dort sei es nicht aufzufinden gewesen. Daher könne der Beklagte den Eingang des Schreibens beim Finanzamt Zwiesel nur bestreiten, zumal der Kläger über den Zugang lediglich spekuliere, ebenso wie die von ihm ins Feld geführte Ablage in einer falschen Akte, sei es denkbar, dass – wie der OK-Vermerk belege – eine Faxverbindung zustande gekommen sei, dann jedoch aus technischen Gründen eine Übertragung nicht stattgefunden habe. Weitere Erklärungen hierzu könnten nicht abgegeben werden.
Ferner sei darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung nicht nur auf den Zugang des Schreibens sondern auch auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters ankomme (BGH, Urteil vom 4.10.2001, IX ZR 81/99 Rn. 16). Außerdem ergebe sich aus dem Schreiben vom 05.06.2013 nicht die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Wenn dort von einem Liquiditätsengpass die Rede sei, aber auch davon, dass dessen Überwindung in 3-4 Monaten zu erwarten sei und man anschließend seinen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommen werde, bedeute das Schreiben nicht die Mitteilung der Zahlungsunfähigkeit. Außerdem habe das Finanzamt Zwiesel mit der Schuldnerin nur im Rahmen der Lohnsteuererhebung zu tun gehabt, aber keinen Einblick in die ertrags- oder umsatzsteuerlichen Unterlagen gehabt. Dies gelte schon deshalb, weil im weiteren Verlauf die Lohnsteuer 2013 bei Fälligkeit per Lastschrifteinzug habe eingezogen werden können, ohne dass es zu einer Rücklastschrift gekommen sei. Die Schuldnerin habe sich weder mit einer Stundungsbitte an das Finanzamt gewandt, noch die Lastschriftermächtigung widerrufen. Das Schreiben vom 05.06.2013 könne allenfalls als ein Indiz für die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewertet werden, das sei aber nur eine von mehreren Tatsachen, die im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sei. Aufgrund des übrigen Inhalts des Schreibens könne die Erwähnung der „Zahlungsunfähigkeit“ angesichts des gegenteiligen übrigen Inhalts des Schreibens nicht ausschlaggebend sein. Mithin könne das Schreiben auch nicht die Annahme der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit begründen. Die Schuldnerin habe zum Zeitpunkt des Schreibens vom 05.06.2013 keine Steuerrückstände beim Finanzamt Zwiesel gehabt und sei bis zur späteren Rücklastschrift am 18.12.2013 eine pünktliche Zahlerin gewesen. Damit habe für das Finanzamt Zwiesel auch kein Anlass bestanden, Auskünfte zum Liquiditätsstand der Schuldnerin einzuholen. Vielmehr habe es von der Überwindung der Zahlungsschwierigkeiten ausgehen müssen. Aufgrund des Zahlungsverhaltens habe es auch davon ausgehen können, dass es keine weiteren Gläubiger gebe. Es sei keinesfalls zu erwarten, dass bei drohender Zahlungsunfähigkeit fällige Beträge bezahlt würden, vielmehr habe aufgrund des bereits geschilderten Zahlungsverhaltens der Schuldnerin davon ausgegangen werden müssen, dass sich die Lage entspannt habe.
Der Senat hat mit der Ladungsverfügung darauf hingewiesen, dass die Berufung Aussicht auf Erfolg habe. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.02.2014 – IV ZR 163/13, Rn. 30) müsse sich der Beklagte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibe, ob die Verbindung im Speicher enthalten sei, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führe und dieses gegebenenfalls vorlegen. Es fehlten Ausführungen dazu, ob und welche Nachforschungen bzgl. des Faxgerätes (Speicher, evtl. Fehlermeldung in der fraglichen Zeit, etc.) angestellt worden seien. Die Nachforschungen hinsichtlich der Aktenlage seien nicht ausreichend. Die bisherigen Einlassungen des Beklagten reichten für eine Behörde nicht aus, die mit dem Eingang fristgebundener Anträge zu rechnen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 03.07.2018 Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat mit Ausnahme eines geringfügigen Betrags, der die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betrifft, Erfolg, weil das Landgericht die Klage hinsichtlich der mit der Berufung weiter verfolgten Zahlungsansprüche in der Hauptsache zu Unrecht abgewiesen hat.
Hinsichtlich der vom Kläger weiterhin geltend gemachten Zahlungen der Schuldnerin an den Beklagten:
Datum
Betrag
13.06.2013
6.291,68 €
26.07.2013
6.239,82 €
15.08.2013
6.256,86 €
13.09.2013
5.597,99 €
15.10.2013
5.110,61 €
14.11.2013
5.241,03 €
gesamt
34.737,99 €
liegen die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO vor.
Die Zahlungen erfolgten innerhalb des 10-Jahreszeitraums vor Insolvenzantragstellung und verkürzten die Insolvenzmasse entsprechend. Ausweislich der Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 2 und 8) ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Schuldnerin bereits vor Leistung der ersten Zahlung zahlungsunfähig war. Die Kenntnis des Geschäftsführers der Schuldnerin ergibt sich jedenfalls aus dem Schreiben der Insolvenzschuldnerin, wie bereits das Erstgericht festgestellt hat (LGU S. 8), ohne dass sich der Beklagte hiergegen gewandt hat.
Streitentscheidend ist mithin, ob der Beklagte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Diese vermittelte das Faxschreiben der Insolvenzschuldnerin vom 05.06.2013 an das Finanzamt Zwiesel. In diesem heißt es klipp und klar, „sehen wir uns leider gezwungen, Ihnen Zahlungsunfähigkeit mitzuteilen.“ Soweit es weiter heißt: „Angesichts der aktuellen Umsatzentwicklung möchten wir Ihnen zugleich auch mitteilen, dass wir erwarten, diese Liquiditätsengpässe innerhalb von drei bis vier Monaten nahezu überwunden zu haben, so dass wir danach unseren Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommen können“, handelt es sich wie auch wörtlich mitgeteilt, um eine Erwartung, deren Eintritt nicht als sicher dargestellt wird. Bedenkt man, dass – wie dem Beklagten natürlich bekannt – gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO der Schuldner zahlungsunfähig ist, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat, es sich also für die beteiligten Verkehrskreise aufdrängen muss, dass die Nichtzahlung trotz Fälligkeit eines nicht unerheblichen Teils der Verbindlichkeiten auf einem objektiven Mangel an Zahlungsmitteln beruht, der länger als zwei bis drei Wochen andauert, vermittelte das Schreiben zweifelsfrei die erforderlichen Kenntnisse. Soweit der Beklagte demgegenüber geltend macht, das Finanzamt habe keine weiteren Erkenntnisse in Richtung auf eine Zahlungsunfähigkeit gehabt, zumal die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten bis zum Lastschriftrückruf im Dezember stets pünktlich erfüllt habe, übersieht er, dass er für die Wiederaufnahme der Zahlungen des Schuldners nach Zahlungseinstellung nach einhelliger Auffassung darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 3/16 Rn. 16 m.w.N.). Allein der Umstand, dass die Schuldnerin ihre dringendsten Verpflichtungen, wie etwa gegenüber dem vollstreckungsbefugten Finanzamt, einhielt, besagt nichts dazu, wie sie sich gegenüber ihren anderen Gläubigern verhielt, die sie als lohnsteuerpflichtige Arbeitgeberin natürlich hatte. Es fehlt mithin an jedem belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte bei zurechenbarer Kenntnis von dem Schreiben vom 05.06.2013 aufgrund des anschließenden Zahlungsverhaltens der Schuldnerin bezüglich ihrer Lohnsteuerabführungspflichten davon hätte ausgehen können, dass diese ihre Zahlungen wieder aufgenommen hätte.
Dem Beklagten ist die Kenntnis von dem Schreiben vom 05.06.2013 an das Finanzamt Zwiesel zuzurechnen. Wie der Bundesgerichtshof in dem hingewiesenen Urteil vom 19.02.2014 im Verfahren IV ZR 163/13 betreffend den Zugang zweier per Fax versandter Kündigungsschreiben vom Juli und November 2008 an eine Versicherung entschieden hat, belegt der „OK-Vermerk“ auf dem Sendebericht (vgl. dazu Anlage K 3) das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer. In Anbetracht dieses Umstands kann sich der Beklagte als Empfänger nicht auf das Bestreiten des Zugangs beschränken; er muss sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vielmehr näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betrieben hat, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal geführt hat und dieses gegebenenfalls vorlegen usw. Die Beweiskraft des im „OK-Vermerk“ liegenden Indizes ist sodann unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu würdigen (a.a.O. Rn. 30).
Hier hat sich der Beklagte darauf beschränkt, unter Beweis zu stellen, dass das Schreiben in den bei den Finanzämtern Zwiesel und Straubing geführten Akten nicht enthalten sei. Hinsichtlich des im Finanzamt Zwiesel bereitgehaltenen Empfangsfaxgerätes hat er allerdings nur vorgetragen, dieses sei wegen eines Defekts im Sommer 2015 entsorgt worden, der Typ sei nicht bekannt, Eingangsjournale lägen nicht mehr vor. Damit hat der Beklagte einerseits seiner sekundären Darlegungspflichten nicht genügt, so dass der Zugang des einseitigen Schreibens der Schuldnerin mit dem in Anlage K 3 dokumentierten Inhalt gem. § 138 Abs. 4 ZPO zugestanden ist, und ist andererseits belegt, dass der Beklagte Beweisvereitelung betreibt. Hält eine staatliche Stelle – wie hier das Finanzamt – offiziell ein Faxempfangsgerät vor (vgl. etwa die Fußzeile des als Anlage B 3 vorgelegten Schreibens vom 05.02.2014), hat es die nötige Vorsorge zu treffen, um sich ggf. substantiiert dazu zu erklären zu können, ob ein – ggf. fristgebundenes Schreiben – eingegangen ist oder nicht. Denn dem Bürger darf auch nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht die Feststellungslast für Vorgänge aufgebürdet werden, die sich im behördeninternen Bereich abgespielt haben und deren Unaufklärbarkeit daher allein in den Verantwortungsbereich der Behörde fällt (vgl. FG München, Urteil vom 24.05.2007, 5 K 4036/06, unter 11.1 zum Faxeingang unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 28.10.1987, I R 12/84, BStBl II 1988, 111 zum Zugang einer Rechtsbehelfsschrift in einem Postfach).
Auch der Verweis des Beklagten darauf, dass nicht von der Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters vom Schreiben vom 05.06.2013 ausgegangen werden könne, trägt nicht. Denn die insoweit von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 14.02.2013, IX ZR 115/12 Rn. 4 und Urt. v. 04.10.2001, IX ZR 81/99 Rn. 16 Juris) erklären sich nicht dazu, ob das Wissen eines Sachbearbeiters erforderlich ist, sondern dazu, ob dass Wissen eines Sachbearbeiters zugerechnet werden kann. Insoweit wird im Beschl. v. 14.02.2013, IX ZR 115/12 Rn. 4 auf das auch vom Beklagten zitierte Urteil des OLG München, 26 U 6853/91, vom 27.04.1992 verwiesen, in dem es ausdrücklich unter Ziffer 4.b der Gründe heißt, dass sich „der beklagte Freistaat … die mögliche Kenntnis des zuständigen Vollstreckungssachbearbeiters entgegenhalten lassen“ müsse. Genauso verhält es sich hier. Wenn das Schreiben der Schuldnerin vom 05.06.2013 beim Finanzamt Zwiesel eingegangen ist, hätte es, wenn es auch nicht mit Aktenzeichen versehen worden ist, aufgrund der Angabe ihres Namens ohne weiteres ihrer Steuerakte zugeordnet und dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt werden können, so dass sich der Beklagte die Kenntnis von dessen Inhalt zurechnen lassen muss. Die vom Landgericht geäußerte Überzeugung, dass das Schreiben in den Akten des Beklagten nicht vorhanden ist, ist im Übrigen nicht geeignet, dessen fehlenden Zugang nachzuweisen, weil dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist, dass es immer wieder zu Fehlleitungen von korrekt adressierten Schriftstücken innerhalb einer Behörde oder eines Gerichts kommen kann, weshalb deren Fehlen in einer Papierakte nicht belegen kann, dass diese tatsächlich nicht eingegangen sind.
Die weiter zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ergeben sich daraus, dass der Beklagte den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 45.060,64 €, aber nicht – wie erstinstanzlich vertreten – von 50.775,38 € verlangen kann.
Entsprechend dem Obsiegen des Klägers waren dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz aufzuerlegen (§§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Verkündet am 03.07.2018


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