Insolvenzrecht

Dinglicher Arrest wegen einer gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichteten Straftat des Arbeitnehmers

Aktenzeichen  10 Ga 9/16

Datum:
25.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 117368
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 916 Abs. 1, § 917 Abs. 1, § 921

 

Leitsatz

Eine erhebliche Straftat zu Lasten des Gläubigers begründet für sich genommen keinen Arrestgrund iSv § 917 Abs. 1 ZPO. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein Schuldner, der durch kriminelle Handlungen den Gläubiger geschädigt hat, nach deren Aufdeckung versuchen wird, die ihm wegen der Schadensersatzforderung drohende Vollstreckung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren (Anschluss an OLG Rostock BeckRS 2006, 00555; OLG Köln BeckRS 1999, 30061455; differenzierend – nachgehend – LAG Nürnberg BeckRS 2016, 117367). (Rn. 38 – 40) (red. LS Alke Kayser)

Tenor

1. Der Antrag auf dinglichen Arrest wird abgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des vorliegenden Arrestverfahrens.
3. Der Streitwert beträgt 82.133,- €.

Gründe

Der Arrestantrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
A.
Der Arrest ist zulässig.
Das Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – ist sowohl örtlich (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 29, 32 ZPO) als auch vom Rechtsweg her (§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 a ArbGG) für die Entscheidung über den Rechtsstreit in der Hauptsache zuständig.
Der Antrag ist daher beim zuständigen Gericht der Hauptsache erhoben (§ 943, 919 erste Alternative ZPO). Das angerufene Gericht ist für das Verfahren auf dinglichen Arrest zuständig.
B.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Es fehlt bereits am Arrestgrund.
I.
Nach § 916 Abs. 1 ZPO findet der Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruches statt, der in eine Geldforderung übergehen kann.
Vorliegend kann offen bleiben, ob die Antragstellerin einen solchen Arrestanspruch – die Forderung, deren Vollstreckung für den Fall ihrer späteren Titulierung gesichert werden soll – hinreichend dargetan hat.
II.
Jedenfalls fehlt es an einem Arrestgrund.
1. Gemäß § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung eines Urteils wegen einer Geldforderung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Es muss die Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners drohen. Der Arrest darf daher nur angeordnet werden, wenn bestimmte Anhaltspunkte gegeben sind, die erhebliche nachteilige Einwirkungen auf das der künftigen Zwangsvollstreckung offen stehende Vermögen des Schuldners befürchten lassen (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 31. Auflage, § 917 RNr. 4; MK Drescher, Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 917 RNr. 3 f; OLG Köln vom 02.06.1999 – 16 W 14/99, zitiert nach JURIS).
Zweck des dinglichen Arrests ist ausschließlich die Verhinderung der Verschlechterung der Lage des Gläubigers gegenüber dem Vermögen des Schuldners und mithin die Stilllegung des Schuldnervermögens bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Um die Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung bzw. -erschwerung zu begründen, muss mithin zumindest glaubhaft sein, dass eine ungünstige nicht unerhebliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners bevorsteht (OLG Köln, a.a.O., RNr. 5).
2. Eine derartige Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung bzw. -erschwerung hat die Antragstellerin nicht aufzuzeigen vermocht.
a) Insbesondere hat die Antragstellerin nicht dargestellt, ob und durch welche konkreten Handlungen der Antragsgegner beispielsweise über sein Vermögen oder Teile davon verfügt, ohne adäquate Gegenleistung zu erhalten, ob er Vermögensgegenstände unter Wert verkauft oder verschenkt oder ob er einen verschwenderischen Lebenswandel führt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach der Antragsgegner nicht in geordneten Verhältnissen lebt. Ein Auslandsbezug von Vermögenswerten ist nicht feststellbar.
b) Das erkennende Gericht teilt nicht die Auffassung der Antragstellerin und der von ihr zitierten Rechtsprechung und Literatur, dass ein Arrestgrund i.S.d. § 917 Abs. 1 ZPO bereits dann vorliegt, wenn eine erhebliche Straftat zu Lasten des Gläubigers gegeben ist (Stein/Jonas/Grunsky, Kommentar zur ZPO, 22. Auflage 2002, § 917 RNr. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 74. Auflage 2016, § 917 RNr. 11; OLG Stuttgart vom 11.04.2007 – 2 Ws 41/07).
Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts gibt es keinen Erfahrungssatz, dass ein Schuldner, der durch kriminelle Handlungen den Gläubiger geschädigt hat, nach deren Aufdeckung versuchen wird, die ihm wegen der Schadensersatzforderung drohende Vollstreckung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren. Mit der aufgedeckten Straftat ist für den Schuldner grundsätzlich eine neue Situation entstanden, nach der im Regelfall nicht davon auszugehen ist, dass sich seine kriminelle Energie nun auch darauf richtet, eine Vollstreckung des Gläubigers wegen des eine Ersatzforderung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren. Es sind daher im Rahmen einer zu treffenden Einzelfallentscheidung stets konkrete Anhaltspunkte für die Besorgnis erforderlich, der Schuldner werde in Fortsetzung seines unredlichen Verhaltens auch sein Vermögen dem drohenden Zugriff des Gläubigers entziehen (OLG Rostock vom 23.02.2005 – 6 U 159/04; OLG Köln vom 02.06.1999 – 16 W 14/99; LAG Baden-Württemberg vom 23.03.2011 – 13 SaGa 2/11; Korinth, einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Auflage, 2015, A Rz 39). Mit einem allgemeinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der einmal unredlich gewesen ist, dass auch in Zukunft sein werde, ist es nicht getan (BGH WM 1975, 641).
Mit der Erwägung, allein der Verdacht einer Straftat lasse auf die Absicht des Beschuldigten schließen, alles zu tun, um das gegebenenfalls hoch in seinem Besitz vorhandene Vermögen dem Zugriff des Berechtigten zu entziehen, ließe sich ein Arrestgrund in nahezu allen Fällen von Eigentums- und Vermögensstraftaten begründen. Eine solche Betrachtung wird der wirtschaftlich nicht selten existenzbedrohenden Belastung des Schuldners durch die Anordnung des dinglichen Arrestes nicht gerecht (LAG Baden-Württemberg vom 23.03.2011, a.a.O., Rz 16). Sie liefe zudem der Gesetzessystematik zu wider; die Verweisung in § 111 d Abs. 1 StPO auf § 917 in ZPO wäre insoweit unsinnig.
c) Ebensowenig kommt das von der Antragstellerin geltend gemachte prozessuale Verhalten des Schuldners als Arrestgrund in Betracht. Ein falscher Sachvortrag des Antragsgegners in „geradezu dreister Weise“ vermag nicht die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung oder -erschwerung aufzuzeigen.
aa) Die Aufforderung des Antragsgegnervertreters in dem Schreiben an die Antragstellerinvertreter vom 08.12.2015 zur unverzüglichen schriftlichen Mitteilung des außerordentlichen Kündigungsgrundes stellt sich auch in Anbetracht des von der Antragstellerin herangezogenen Anhörungsgespräches des Antragsgegners mit Herrn … vom 19.11.2015 nicht als ein dreistes wahrheitswidriges Prozessverhalten dar, welches die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung begründen könnte.
bb) Der Sachvortrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 11.04.2016, Seite 2 und Seite 3, wonach er nicht neben dem Einkäufer Ansprechpartner dieser Firma (…) gewesen und weder den Vertrag noch Verhandlungen mit … geführt habe, mögen zwar durch das von der Antragstellerin als Anlage A S. 3 vorgelegte Schreiben der … vom 23.07.2008 (Bl. 128 d.A.) widerlegt oder stark in Zweifel gezogen seien; einen Anlass zu der Besorgnis, der Antragsgegner werde eine etwaige Zwangsvollstreckung vereiteln oder erschweren, kann das erkennende Gericht hieraus nicht ableiten.
cc) Ebenso sind die von der Antragstellerin als Anlagenkonvolut AS 17 (Bl. 189 d.A.) in Kopie eingereichten Angebote der Firmen … und … wegen der Adressierung an den Antragsgegner nicht geeignet, die Behauptung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 11.04.2016 in Zweifel zu ziehen, wonach Angebote der Unternehmen … und … nicht an ihn, sondern an die Mitarbeiter … und … gegangen seien. Auch eine derartige Verhaltensweise wäre – ihr tatsächliches Vorliegen unterstellt – zur Überzeugung des Gerichtes nicht geeignet, die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung oder Vollstreckungserschwerung zu begründen.
d) Schließlich ist auch das von der Antragstellerin vorgetragene außerprozessuale Verhalten des Antragsgegners zur Aufzeigung einer derartigen Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung nicht geeignet.
aa) Die von der Antragstellerin behauptete zögerliche Behandlung der Korrespondenz im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche durch den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners mag zu einer gewissen Verzögerung der Klärung der behaupteten Schadensersatzansprüche für die Antragstellerin und insbesondere zu einer Verzögerung der Erhebung der Widerklage im Hauptsacheverfahren geführt haben. Eine konkrete Gefährdung der Vollstreckung eines etwaigen Titels vermag das Gericht hieraus nicht abzuleiten.
bb) Auch die zögerliche und schlussendlich gänzlich ausfallende Reaktion der … auf die Forderung der Antragstellerin zur Stellungnahme hinsichtlich der Regranulierungsanlage mögen die interne Klärung dieses Komplexes für die Antragstellerin verzögert haben. Ein zu objektiver Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung Anlass gebendes Verhalten des Antragsgegners – noch dazu in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der nicht im Hauptsacherechtsstreit teilnehmenden … – ist nicht gegeben.
cc) Ebenso wenig vermögen die von der Antragstellerin unter Bezugnahme auf Ermittlungen des Herrn …, sowie auf einen Bericht in der Lokalzeitung behaupteten Umstände, um die fehlende Eignung des Betriebsgeländes der … zur Regranulatherstellung – auch ohne Berücksichtigung des insoweit substantiiert bestreitenden Sachvortrages der Antragsgegners im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 24.05.2016, Seite 7 – nicht aufzuzeigen, aus welchem konkreten Grund aus der – lediglich für den Arrestanspruch bedeutsamen – behaupteten Nichteignung der … zu der Herstellung des Regranulats objektiv zu besorgen sei, dass der Antragsgegner im Falle einer etwaigen Verurteilung zur Schadensersatzleistung die Vollstreckung vereiteln oder erheblich erschweren würde.
dd) Schließlich sind auch die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2016 geltend gemachten Umstände des Erscheinungsbildes des „Rücklieferscheins vom 18.12.2015“ nicht geeignet, über die eventuelle Begründung eines Schadensersatzanspruches hinaus auf eine Haltung oder Verhaltensweise des Antragsgegners schlussfolgern zu können, wonach er für den Fall einer Verurteilung sein Vermögen der Zwangsvollstreckung zu entziehen versuchen würde.
Nach alledem vermag die zu erkennende Gericht keine Befürchtungen nachzuvollziehen, der Antragsgegner werde sich einer möglichen Schadensersatzforderung und deren Vollstreckung entziehen.
3. Entgegen der Anregung der Antragstellerin kam auch eine Anordnung des dinglichen Arrests gegen Sicherheitsleistung durch die Antragstellerin gem. § 921 ZPOO nicht in Betracht. Dies setzt nach § 921 Satz 1 ZPO voraus, dass der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht sind.
Der vorliegende Antrag auf Arrestanordnung scheitert jedoch nach Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht an der fehlenden Glaubhaftmachung vom Arrestanspruch oder Arrestgrund, sondern bereits an der fehlenden Aufzeigung des Arrestgrundes. Steht das Fehlen eines Arrestgrundes fest, scheidet die Anordnung nach § 921 Satz 1 ZPO aus (MK/Drescher, a.a.O., Rn. 2; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 921 Rn. 2).
Wegen Fehlens des erforderlichen Arrestgrundes war der Antrag daher im vollen Umfang abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 2, 3 ZPO unter Zugrundelegung von einem Drittel der Hauptsacheforderung festgesetzt. Dies entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Parteien an der Forderungssicherung, die noch dazu vorrübergehend ist (Münchener Kommentar zur ZPO/Westmann, 4. Auflage 2013, § 3 RNr. 32; OLG München vom 16.08.2010 – 4 Ws 114/10).


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