Insolvenzrecht

Fälligkeit der Zinsen einer Sicherungsgrundschuld

Aktenzeichen  1 K 13/16

Datum:
4.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 1192 Abs. 1a, § 1193 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 751 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei der zugunsten einer Bank bestellten Grundschuld ist anzunehmen, dass es sich um eine Sicherungsgrundschuld handelt, die zu Absicherung einer Forderung der Bank dient (ebenso BGH BeckRS 2014, 07721). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld wegen der Zinsen setzt in analoger Anwendung von § 1193 Abs. 1 S. 1 BGB eine Kündigung unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist voraus. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung des o. g. Objektes wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Mit Schreiben vom 30.03.2016 beantragte die Gläubigerin … Bank wegen ihrer dinglichen Zinsen in Höhe von 7.360,93 € aus der eingetragenen Grundschuld in Abt. III/1 die Zwangsversteigerung des oben genannten Grundbesitzes.
2. Der Antrag zurückzuweisen, weil die besonderen Zwangsvollststreckungsvoraussetzungen im Sinne des § 751 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind. Diese sind vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu prüfen (Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 751 ZPO, Rn. 1).
a) Die Grundschuld wurde am 13.02.2013 ins Grundbuch eingetragen, somit findet § 1193 BGB in der derzeitigen Fassung Anwendung (Art. 229 § 18 Abs. 3 EGBGB). Hiernach wird das Kapital einer Grundschuld erst mit Kündigung fällig, die Kündigungsfrist beträgt 6 Monate.
Vorliegend ist von einer Sicherungsgrundschuld auszugehen, da Banken nach der Lebenserfahrung keine isolierten Grundschulden bestellen, sondern stets zur Absicherung einer Forderung (BGH, Beschluss vom 06. März 2014 – V ZB 27/13 -, Rn. 7, juris).
Die Gläubigerin legt das Kündigungsschreiben vom 04.12.2015 vor, das der Schuldnerin am 11.12.2015 zuging. Das Kapital der Grundschuld wird damit erst am 12.06.2016 fällig. Die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen des § 751 Abs. 1 ZPO liegen insoweit (noch) nicht vor.
b) Die Zwangsversteigerung wird jedoch nicht aus dem Nennkapital, sondern nur aus den Zinsen auf die Hauptforderung vom 01.01.2014 bis 31.12.2015 beantragt.
Laut Grundschuldbestellungsurkunde sind die Zinsen jeweils am 31.12. eines Kalenderjahres nachträglich fällig. § 751 Abs. 1 ZPO stünde einer Vollstreckung demnach nicht entgegen.
§ 1193 Abs. 1 BGB regelt nur die Fälligkeit des Kapitals. Hinsichtlich der Zinsen aber schweigt das Gesetz.
Diese gesetzliche Regelungslücke ist durch Analogie auszufüllen (so auch MüKoBGB/Eickmann BGB § 1193 Rn. 1-11, beck-online, m.w.N).
b.1) Voraussetzung für eine Analogie ist zum einen eine planwidrige Lücke. Aus den Materialien ergibt sich, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Risikobegrenzungsgesetz nur von der Grundschuld bzw. von der Sicherungsgrundschuld die Rede ist. Erkennbar hat der Gesetzgeber das Problem, dass die Zwangsversteigerung auch aus den Zinsen betrieben werden kann nicht erkannt.
„Nach § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt die Fälligkeit der Grundschuld eine Kündigung voraus. Nach Satz 3 beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate. In der Praxis wird jedoch vielfach von Absatz 2 der Vorschrift Gebrauch gemacht, wonach die Beteiligten von Absatz 1 Abweichendes vereinbaren können. Üblich sind daher – jedenfalls bei Sicherungsgrundschulden – Vereinbarungen, wonach die Grundschuld sofort fällig sein soll oder wonach sie sofort und fristlos gekündigt werden kann. Wird von einer derartigen Bestimmung Gebrauch gemacht, so kann dies den Schuldner in eine schwierige Situation bringen, auf die er nicht eingestellt war. Er gerät zeitlich unter großen Handlungsdruck. Ein zwingendes Erfordernis dafür ist indes, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gläubigers, nicht ersichtlich.
Durch Ergänzung von Absatz 2 soll daher, wenn es sich um eine Sicherungsgrundschuld handelt (§ 1192 Abs. 1a BGB), die Fälligkeit zwingend an das Erfordernis einer vorgängigen Kündigung geknüpft werden. Vereinbarungen über die sofortige Fälligkeit einer Sicherungsgrundschuld werden damit für die Zukunft ausgeschlossen. Ebenso soll ausgeschlossen werden, dass die Grundschuld sofort und fristlos gekündigt werden kann. Vielmehr soll die Kündigung zwingend nur mit einer Frist von sechs Monaten möglich sein. Dies regelt der neue Satz 2“ (Drucksache des Bundestages 16/9821, zu Art. 6 Nr. 8, S. 17)
b.2) Weitere Voraussetzung für die Analogie ist, dass Tatbestände vergleichbar und deshalb rechtlich gleich zu bewerten sind. Aus Sicht des Schuldners macht es keinen Unterschied, ob die Zwangsversteigerung aus dem Kapital oder aus den Zinsen betrieben wird. Das Ergebnis ist für ihn immer das gleiche: Sein Grundstück wird mit dem Zwangsversteigerungsbeschlag belegt. Der Zwangsversteigerungsvermerk wird in das Grundbuch eingetragen. Der Eingriff in sein Eigentum wird verwirklicht.
3. Die Alternative, die Zwangsversteigerung anzuordnen, und den Schuldner auf Vollstreckungsabwehrklage zu verweisen, scheidet nach Gesetzesintention zum Risikobegrenzungsgesetz aus. Der Schuldner darf der möglichen Willkür der zwangsvollstreckenden Finanzinvestoren nicht überlassen werden. Im Hinblick auf die frühere Rechtslage forderte der Rechtsausschuss des Bundestag eine gesetzliche Regelung:
„Der Schuldner kann eine Vollstreckungsgegenklage erheben. Das ist das Recht, wie es auf dem Papier steht. In der Praxis ist dieser Weg des Rechtsschutzes allerdings so beschwerlich, dass er keinen adäquaten Interessenausgleich darstellt. Die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage bewirkt noch nicht, dass die vom Gläubiger eingeleitete Zwangsvollstreckung eingestellt wird. Vielmehr müsste der betroffene Kreditnehmer zusätzlich einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung im einstweiligen Rechtsschutz stellen. Allerdings hat sich in derartigen Fällen gezeigt, dass die Gerichte hohe Sicherheitsleistungen fordern, wenn die Einstellung angeordnet werden soll. Diese Sicherheitsleistungen können die Betroffenen regelmäßig nicht erbringen. Zusätzlich müssen die Betroffenen zumindest anfänglich die Gerichtskosten des Verfahrens tragen. Diese orientieren sich am Wert der Grundschuld und sind entsprechend hoch. Schließlich sind die sich wehrenden Kreditnehmer in einem solchen Verfahren in der Beweislast. All diese Faktoren führen letztlich dazu, dass Rechtsschutz zwar theoretisch bestünde, sich die Betroffenen diesen Schutz aber nicht leisten können. Dieser Zustand ist untragbar und überlässt die betroffenen Kreditnehmer der möglichen Willkür der zwangsvollstreckenden Finanzinvestoren.“ (BT 16/9815, II Nr. 3, S. 4)
4. Die Möglichkeit der Gläubigerin, einen erneuten Antrag nach Ablauf der 6-monatigen Kündigungsfrist zu stellen, bleibt unberührt.


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