Insolvenzrecht

Fristsetzung bei der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen

Aktenzeichen  20 W 2044/16

Datum:
10.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 888

 

Leitsatz

1 Die Wertermittlung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO (ebenso OLG Celle BeckRS 2012, 22270). (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen ist eine Fristsetzung durch § 888 Abs. 2 ZPO, wonach eine Androhung von Zwangsmitteln nicht stattfindet, nicht ausgeschlossen. Sie kann etwa dann geboten sein, wenn die Verpflichtung zu einer umfangreichen Rechnungslegung im Erkenntnisverfahren streitig war und dem Schuldner dafür nunmehr eine angemessen Frist eingeräumt werden muss. In derartigen Fällen kann mit einer Fristsetzung zugleich dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 19849/10 2016-10-25 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25.10.2016, Az. 10 O 19849/10, wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25.10.2016, Az. 10 O 19849/10, wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Gläubigerin gegen die vom Landgericht ausgesprochene Fristsetzung für die Vornahme der von der Schuldnerin auszuführenden Handlungen.
Eine Fristsetzung ist durch § 888 Abs. 2 ZPO, wonach eine Androhung von Zwangsmitteln nicht stattfindet, nicht ausgeschlossen. Sie kann etwa dann geboten sein, wenn die Verpflichtung zu einer umfangreichen Rechnungslegung im Erkenntnisverfahren streitig war und dem Schuldner dafür nunmehr eine angemessen Frist eingeräumt werden muss. In derartigen Fällen kann mit einer Fristsetzung zugleich dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden (BT-Drs. 13/341 S. 41; MünchKommZPO/Gruber 4. Aufl. 2012 § 888 Rn. 24; Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. 2016 Rn. 16). Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 18.12.2008 – I ZB 68/08, juris Rn. 29) bei einer anderen Fallgestaltung die Einräumung einer Abwendungsbefugnis durch den Schuldner gebilligt hat.
Allein durch die Wortwahl „für den Fall, dass …“ wird die Fristsetzung nicht zu einer Bedingung, deren Eintritt der Gläubiger gemäß § 726 Abs. 1 ZPO zu beweisen hat.
Die vom Landgericht eingeräumten Fristen sind angemessen. Auf die zutreffenden Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 7.12.2016 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit die Gläubigerin einwendet, für die Beauftragung von Notar und Sachverständigem würden keine zwei bzw. drei Monate benötigt, verkennt sie, dass Gegenstand der Fristsetzung nicht die Auftragserteilung, sondern die Vorlage des notariellen Verzeichnisses bzw. des Sachverständigengutachtens ist.
2. Die Einwände der Schuldnerin greifen nicht durch. Die Wertermittlung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO (vgl. Palandt/Weidlich BGB 76. Aufl. 2017 § 2314 Rn. 20; OLG Celle Beschluss vom 17.10.2012 – 4 W 181/12). Die Ausführungen der Schuldnerin zu ihren finanziellen Verhältnissen sind nicht geeignet, die Unmöglichkeit der geschuldeten Handlungen zu belegen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 7.12.2016 Bezug genommen.
II Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht; im Beschwerdeverfahren fällt eine Festgebühr an (Ziffer 2121 KV-GKG). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.


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