Insolvenzrecht

Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens

Aktenzeichen  5 W 421/20

Datum:
12.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 2174
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 58 Abs. 1 S. 1
InsO §§ 35 ff., § 63
InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2b

 

Leitsatz

Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Wert der bei Beendigung des Verfahrens vorhandenen Insolvenzmasse, wie ihn der Verwalter bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens realisieren konnte. Wie auch bei der Berechnung der Insolvenzverwaltervergütung sind die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen. (Rn. 16)

Verfahrensgang

1 T 868/19 2020-01-23 Bes LGANSBACH LG Ansbach

Tenor

Die weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 23.01.2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ansbach vom 01.05.2014 eröffnet und zunächst Eigenverwaltung angeordnet. Mit Beschluss vom 15.01.2015 wurde diese Anordnung aufgehoben und Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 09.05.2018 ordnete das Amtsgericht Ansbach das schriftliche Verfahren zur Prüfung der nachträglich angemeldete Insolvenzforderungen an.
Mit Beschluss vom 20.05.2019 setzte das Amtsgericht – Rechtspfleger – Ansbach die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters fest, bestimmte eine Frist zur Erhebung von Einwendungen gegen die beabsichtigte Einstellung des Verfahrens und legte den Wert für die Kosten nach KVGKG Nr. 2310 und 2322 auf 531.609,39 Euro fest.
Gegen diesen Kostenansatz legte der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 12.06.2019, eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Es sei der wirtschaftliche Wert der Insolvenzmasse heranzuziehen. Die Kosten der Betriebsfortführung seien daher abzuziehen.
Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Ansbach gab mit Schreiben vom 08.07.2019 eine Stellungnahme dahingehend ab, dass die Erinnerung gegen den Kostenansatz als unbegründet zurückgewiesen werden solle. Gemäß § 58 GKG sei für die Wertberechnung – ebenso wie bei der Vergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 63 InsO – auf die Beendigung des Verfahrens abzustellen. Den Gesetzesmaterialien sei nicht zu entnehmen, dass Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters einheitlich berechnet werden sollten. Vielmehr solle der Insolvenzverwalter nicht veranlasst werden, ein bestimmte Verwertungsart zu bevorzugen. Das Oberlandesgericht Bamberg vertrete die Auffassung, dass die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen seien, das Oberlandesgericht München vertrete die gegenteilige Auffassung.
Der sofortigen Beschwerde half das Amtsgericht Ansbach unter Bezug auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin nicht ab.
Mit Beschluss vom 17.07.2019 wies das Amtsgericht Ansbach die Erinnerung des Insolvenzverwalters gegen den Kostenansatz zurück. Der Wert der Gerichtskosten sei auf 531.609,39 Euro festzusetzen. Die Einnahmen aus der Betriebsfortführung seien zu berücksichtigen. Abzuziehen seien nur die Abfindungen von Aus- und Absonderungsrechten.
Gegen diesen Beschluss, ihm zugestellt am 18.07.2019, legte der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 30.07.2019, eingegangen am 31.07.2019, sofortige Beschwerde ein. Durch die Kostenentscheidung werde die Insolvenzmasse massiv geschmälert. Die Betriebsausgaben seien bereits vor Abschluss des Verfahrens entstanden und daher bei Beendigung nicht mehr vorhanden. Ohne Berücksichtigung der Betriebsausgaben wären die Gerichtskosten unverhältnismäßig hoch, was bei vielen Verfahren zu einer Masseunzulänglichkeit führen würde. Bei der Berechnung der Verwaltervergütung würde nur der Überschuss nach Abzug aller Betriebskosten zum Ansatz gebracht. Die Mehrheit der Oberlandesgerichte vertrete die Auffassung, dass auch bei der Festsetzung der Gerichtskosten die Kosten der Betriebsfortführung in Abzug zu bringen seien. Die weitere Regelung in § 1 Abs. 2 InsVV betreffend die Vergütung des Insolvenzverwalters konkretisiere lediglich § 63 InsO. Der Mehraufwand für die Betriebsfortführung werde bei der Vergütung des Insolvenzverwalters durch Zuschlagstatbestände berücksichtigt, die für die Berechnung der Gerichtskosten aber gerade nicht vorgesehen seien. Es entspreche daher nicht dem Willen des Gesetzgebers, einen Mehraufwand bei den Gerichtskosten zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 01.08.2019 nicht ab.
Das Landgericht Ansbach übertrug mit Beschluss vom 01.10.2019 das Verfahren der Kammer zur Entscheidung, hob mit Beschluss vom 23.01.2020 auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters den Beschluss des Amtsgerichts Ansbach auf und setzte den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren auf 102.996,17 Euro fest. Bei einer Betriebsfortführung seien die damit verbundenen Kosten in Abzug zu bringen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 S. 1 GKG, der auf den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abstelle. Es entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, dass der Gegenstandwert für die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Insolvenzverwalters einheitlich berechnet würde. Die Insolvenzmasse solle auch nicht durch ausufernde Gerichtskosten aufgezehrt werden. Der Gegenstandswert sei daher mit 102.996,17 Euro festzusetzen. Die weitere Beschwerde wurde zugelassen, da die Frage der Berechnung der Gerichtsgebühren bei Betriebsfortführung in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten und von grundsätzlicher Bedeutung sei.
Gegen diesen Beschluss legte die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Ansbach als Vertreterin der Staatskasse mit Schreiben vom 29.01.2020, eingegangen am 30.01.2020, weitere Beschwerde ein. Zur Begründung ist ausgeführt, für die Festsetzung der Gerichtsgebühren im Insolvenzverfahren sei bei Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter der Wert der Insolvenzmasse anhand des gesamten Umsatzes zu ermitteln, ohne Kosten für die Betriebsfortführung abzuziehen. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 25.04.2017 sei den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber für Gericht und Insolvenzverwalter eine einheitliche Vergütung angestrebt habe. Vielmehr solle die Vergütung so ausgestaltet werden, dass sämtliche Verwertungsarten für den Insolvenzverwalter gleichrangig seien. Dieser solle nicht veranlasst werden, ein bestimmtes Verfahrensergebnis zu bevorzugen. Auch bei der Vergütung des Insolvenzverwalters entspreche es nicht dem Regelfall, Masseverbindlichkeiten in Abzug zu bringen, § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 InsVV. Lediglich § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV enthalte eine Sonderregelung, wonach der Überschuss maßgeblich sei. Es verbiete sich aber eine entsprechende Anwendung dieser Ausnahmeregelung. Bei Betriebsfortführung habe das Insolvenzgericht einen höheren Aufwand bei der Prüfung nach § 66 Abs. 2 S. 1 InsO, was durch die Gerichtsgebühren abgedeckt werden solle. Im Hinblick auf die gegensätzlichen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bamberg und München sei eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg veranlasst.
Das Landgericht Ansbach hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Insolvenzverwalter führte mit Schriftsatz vom 05.03.2020 ergänzend aus, die Gerichtskosten würden sich nach einem starren Gegenstandswert richten, während der Insolvenzverwalter für die geleistete Arbeit angemessen vergütet werden solle. Diese Gebühren seien völlig unterschiedlich, so dass eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 b InsVV auf die Gerichtskosten ausscheide. Die Unterschiede stünden aber einer Gleichbehandlung im Rahmen der Ermittlung des Gegenstandwertes nicht entgegen. Es sei sogar zwingend erforderlich, einen einheitlichen Gegenstandswert zu definieren. Sonst müsse eine Betriebsfortführung ggf. unterbleiben, um die Insolvenzgläubiger nicht zu benachteiligen. Da es bei den Gerichtsgebühren das Korrektiv über Zuschläge nicht gebe, könne ein höherer Prüfungsaufwand eine andere Berechnung des Gegenstandswertes nicht rechtfertigen. Maßgeblich für die Berechnung seien daher nur die Reinerlöse.
II.
Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Ansbach als Vertreterin der Staatskasse ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landgericht gemäß §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 4 S. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.
1. Gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmen sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Eine gleichlautende Formulierung enthält § 63 Abs. 1 S. 2 InsO für die Vergütung des Insolvenzverwalters.
Der Wert der Insolvenzmasse nach § 63 InsO ist der wirtschaftliche Wert der Insolvenzmasse, wie ihn der Insolvenzverwalter bis zum Abschluss des Verfahrens hat realisieren können (OLG Düsseldorf, 19.03.2012, 3 W 286/11). Dies folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV, wonach bei der Betriebsfortführung die Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen sind.
Mit der gleichlautenden Formulierung in § 58 GKG und § 63 InsO wollte der Gesetzgeber eine einheitliche Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters schaffen (OLG Dresden, 26.08.2013, 3 W 739/13). Dies ergibt sich aus dem Gesetzesentwurf zum Einführungsgesetz zur InsO zum § 37 GKG a.F. (BT-Drucksache 12/3803 S. 72). Dort ist ausgeführt: „Für das einheitliche Insolvenzverfahren soll der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein, für die Erhebung der Gerichtskosten ebenso wie für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters.“ In diesem Gesetzesentwurf wird überdies Bezug genommen auf § 74 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs zur Insolvenzordnung (BT-Drucksache 12/2443 S. 20), wonach für die Vergütung des Insolvenzverwalters auf den Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens abgestellt wird.
Aufgrund des identischen Wortlautes des § 58 Abs. 1 S. 1 GKG und des § 63 Abs. 1 S. 2 InsO und der oben genannten gesetzgeberischen Intention ist kein Grund ersichtlich, von unterschiedlichen Gegenstandswerten auszugehen, so dass sowohl für die Erhebung der Gerichtskosten als auch für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters dieselbe Berechnungsgrundlage zur Anwendung kommt (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2014, 8 W 149/14).
Insbesondere greift das Argument nicht durch, dass der Wert der Insolvenzmasse für die Gerichtskosten und für die Vergütung des Insolvenzverwalters unterschiedlich zu berechnen sei, da bei § 58 GKG eine dem § 4 Abs. 2 Nr. 4 S. 2b) InsVV vergleichbaren Regelung fehle (so aber OLG München, Beschluss vom 25.04.2017, 21 W 2/17, und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2010, 10 W 60/10). Zwar gilt die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S.2b) InsVV, wonach bei Betriebsfortführung die Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen sind, nur für die Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 63 InsO. Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2b) InsVV gestaltet aber den Begriff des Wertes der Insolvenzmasse lediglich konkretisierend aus, ohne ihn in seiner grundsätzlichen Festlegung zu ändern (OLG Hamm, Beschluss vom 14.05.2013, 15 W 198/12). Die Begrenzung des Wertes der Insolvenzmasse auf den Überschuss der Einnahmen folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 58 GKG. Ein Rückgriff auf die Regelung der InsVV ist daher für die Bestimmung des Wertes der Insolvenzmasse im Sinne des § 58 GKG nicht erforderlich (OLG Hamm, Beschluss vom 18.01.2013, 25 W 262/12).
2. Der Begriff des Wertes der Insolvenzmasse entspricht entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 08.08.2012, 11 W 832/12) nicht der Definition der Insolvenzmasse in den §§ 35 bis 37 InsO. Denn § 58 Abs. 1 S. 1 GKG und die §§ 35-37 InsO verfolgen unterschiedliche Regelungszwecke. Aufgabe der Wertvorschrift des § 58 GKG ist es, das durch das jeweilige gerichtliche Verfahren betroffene und für die Gebührenberechnung maßgebende wirtschaftliche Interesse festzulegen. § 35 InsO stellt demgegenüber nicht auf die Insolvenzmasse bei Beendigung des Insolvenzverfahrens ab, sondern definiert, welches Vermögen vom laufenden Insolvenzverfahren erfasst werden soll, d.h. auf welche Vermögensteile sich die Beschlagnahme erstreckt (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.01.2014, 12 W 640/13). Diese unterschiedlichen Zielsetzungen verbieten es, den Begriff des Wertes der Insolvenzmasse im Sinne des § 58 GKG mit der Definition der Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35-37 InsO gleichzusetzen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 18.01.2013, 25 W 262/12).
3. Es kann sich auch nicht werterhöhend auswirken, dass bei einer Betriebsfortführung auch bei Gericht ein entsprechender Mehraufwand bei der Prüfung entsteht (so aber das Oberlandesgericht München, Beschluss vom 08.08.2012, 11 W 832/12). Bei der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters wird dieser Mehraufwand durch den Zuschlagstatbestand des § 3 Abs. 1 b InsVV ausgeglichen. Eine entsprechende Regelung existiert im Rahmen der Gerichtskosten nicht. Allerdings stellt das Gerichtskostenrecht auf die Erfüllung äußerer (objektiver) Merkmale ab und nicht auf den konkreten Aufwand. Es ist Sache des Gesetzgebers, das Kostenrecht so auszugestalten, dass angemessene und ggf. sogar ausreichende Kosten erhoben werden können (OLG Bamberg, Beschluss vom 05.01.2017, 8 W 87/16).
Zu Recht hat damit das Landgericht Ansbach den Beschluss des Amtsgerichts Ansbach vom 17.07.2019 aufgehoben und den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren auf 102.996,17 Euro festgesetzt.
Die Berechnung des Landgericht (Seite 3 des Beschlusses) ist nicht zu beanstanden und wurde mit der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 GKG).


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