Insolvenzrecht

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei bargeschäftsähnlichem Leistungsaustausch

Aktenzeichen  71 O 1592/16 Ins

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 1059
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 17, § 19, § 133 Abs. 1 S. 2, § 143 Abs. 1 S. 1, § 142 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners folgende starke Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei der Befriedigung einer Forderung kann entfallen, wenn der vorgenommene Leistungsaustausch bargeschäftsähnlichen Charakter hat und zur Fortführung des Unternehmens notwendig ist.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Sanierungsberatungsfällen ist für die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs auf die Zeitspanne der zeitnahen Rechnungsstellung und den der Bezahlung durch den Schuldner abzustellen.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs, so spricht dies, trotz dessen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit, gegen die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütungen in Höhe von …nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO i. V. m. § 133 InsO, noch aus sonstigen Rechtsgründen zu. Es mangelt am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.
A.
Gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO muss, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners (…GmbH) veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.
Gem. § 133 Abs. 1 Satz 1 a.F. InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz der Schuldnerin kannte; die Kenntnis des anderen Teils wird gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt.
1. Der Schuldner hat an die Beklagte in der Zeit von 01.07.2013 bis 21.11.2013 insgesamt Zahlungen in Höhe von insgesamt … € zur Erfüllung offener Forderungen der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossen Beratungsvertrag gezahlt.
Diese Zahlungen sind Rechtshandlungen, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen und umfasst alle vom Willen getragene Betätigungen, die in irgendeiner Weise Rechtwirkungen auslösen können. Dies ist hier der Fall.
2. Die Zahlungen des Schuldners waren auch in objektiver Hinsicht gläubigerbenachteiligend.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch der Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert wird, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (vgl. BGH, Urt. v. 17.07.2014 – IX ZR 240/13, Rn.6; Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, Rn. 26, zit. nach Juris; Kayser in Münchener Kommentar zur InsO, Band 2, 3. Auflage, § 129, Rn.77). Da das Sanierungsprojekt gescheitert ist, ist ein Mehrwert für die Gläubiger nicht gegeben.
B.
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners:
Der klagende Insolvenzverwalter konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) darlegen, dass die Schuldnerin den Vorsatz hatte, bei selbst erkannter zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit, durch Erbringung der Zahlungen an die Beklagte zugleich auch zu erkennen und zu billigen, dass sie die übrigen Gläubigerforderungen wird nicht bedienen können. Dieser Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der …GmbH ist zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen an die Beklagte nicht gegeben. Zum einen liegen bargeschäftsähnliche Vorgänge vor und zum anderen verfolgte die Schuldnerin ein professionell aufgesetztes Sanierungsprojekt.
Das Gericht geht davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin die Sanierungsleistungen der Beklagten in Anspruch genommen hat, weil eine solche Sanierung und Fortführung der Unternehmen tatsächlich umgesetzt werden sollte.
I. Bargeschäftsähnliche Zahlungsvorgänge
Die Leistungen der Beklagten als Sanierungsberaterin waren notwendige bzw. betriebsnotwendige Leistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu bargeschäftsähnlichen Zahlungsvorgängen im Rahmen der Vorsatzanfechtung. Daher ist der notwendige Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners nicht gegeben.
1. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.02.2015 – IX ZR 180/12) kann das aus der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners folgende starke Beweisanzeichen für seinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei der Befriedigung eines Gläubigers entfallen, wenn der vorgenommene Leistungsaustausch bargeschäftsähnlichen Charakter hat und zur Fortführung des Unternehmens notwendig ist. In Fällen kongruenter Leistungen ist danach anerkannt, dass der Schuldner nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er die Zahlung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt. Der subjektive Tatbestand kann hiernach entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – IX ZR 240/13, a. a. O. m. w. N.; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 28). Dem liegt zugrunde, dass dem Schuldner in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein kann (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 280/13, a. a. O.; Kayser, NJW 2014, 422, 427; Fischer, NZI 2008, 588, 594).
2. Zur Notwendigkeit bzw. Betriebsnotwendigkeit der Leistungen der Beklagten:
Die Erstellung eines Sanierungskonzepts bzw. einer Fortführungsprognose i.S. des § 19 InsO war ein betriebsnotwendiges Geschäft aus Sicht der jetzigen Insolvenzschuldnerin, weil diese Leistungen zur Fortführung des Unternehmens notwendig waren.
Außergerichtliche Sanierungen sind i.d.R. von intensiven und zum Teil langwierigen Verhandlungen zwischen den Beteiligten geprägt. Es ist anerkennt, dass es losgelöst ob es sich um Kapitalbeiträge der Gesellschafter, Tilgungsstundungen der Finanzierer, Zahlungszielverlängerungen der Lieferanten oder um Verzichte der Arbeitnehmer handelt, die rechtswirksame Einigung auf die erforderlichen Sanierungsbeiträge aus rechtlichen Gründen nur auf der Grundlage eines tragfähigen, i.d.R. von einem unabhängigen Experten erstellten Sanierungskonzepts erfolgen (vgl. Andersch/Philipp, NZI 2017, 782).
Auch kann ein Kreditinstitut bei Beachtung dieser Anforderungen einen Sanierungskredit gewähren, ohne sich einem begründeten Sittenwidrigkeitsvorwurf, einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung oder der Gefahr auszusetzen, dass ein Dritter einen Anspruch wegen Gläubigergefährdung realisieren kann (BGH, NJW 1998, 1561; OLG Köln, Urt. v. 3.4.2009 – 6 U 80/08, BeckRS 2010, 03013). Auch insoweit ist anerkannt, dass das Konzept von einem unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmann erstellt und überprüft worden sein sollte.
An der Betriebsnotwendigkeit der Leistungen eines externen Beraters im Rahmen der Prüfung einer Sanierung bzw. Fortführung des Unternehmens bei Liquiditätsproblemen oder drohender Zahlungsunfähigkeit besteht daher kein Zweifel.
3. Die angefochtenen Zahlungsvorgänge wurden auch im Rahmen des von § 142 InsO geforderten engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht.
Die Beklagte hat die jeweiligen Rechnungen zeitnah zur jeweiligen Leistungserbringung erstellt und die Zahlungen seitens der Insolvenzschuldnerin erfolgten innerhalb eines 30-Tage Zeitraumes. Daher wird eine bargeschäftsähnliche Situation angenommen.
a. Wie aus dem Wort „unmittelbar“ folgt, muss zwischen Leistung und Gegenleistung ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen (BGH 10.7.2014, IX ZR 192/13). Zutreffend ist zwar die Ansicht des Klägers, dass jegliches Kreditieren gegenüber dem Schuldner die Annahme eines Bargeschäfts ausschließt (BGH 13.4.2006, IX ZR 158/05 = NJW 2006, 2701; BGH 10.7.2014, IX ZR 192/13 = ZInsO 2014, 1602). Auch ein Zahlungsaufschub durch Stundung schließt die Annahme eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs aus. Dennoch schadet die in den jeweiligen Rechnungen der Beklagten vorgesehene sofortige Fälligkeit der Honorare vorliegend nicht.
Es ist anerkannt, dass ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Akten eines Leistungsaustauschs der Annahme eines Bargeschäfts nicht entgegen steht (BGH 13.4.2006, IX ZR 158/05 = NJW 2006, 2701; BGH 29.5.2008, IX ZR 42/07 = NZI 2008, 482).
Die Abgrenzung zwischen einer nicht von § 142 InsO erfassten Kreditgewährung und einer nur geringfügigen Verzögerung des Leistungsaustausches, die der Annahme eines Bargeschäfts nicht entgegensteht, ist eine Frage des Einzelfalles (BGH NZI 2008, 482; BGH 10.7.2014, IX ZR 192/13 = ZInsO 2014, 1602). Eine Zeitspanne von einer Woche zwischen Lieferung und Zahlung ist danach jedenfalls nicht zu lang, um ein Bargeschäft anzunehmen (BGH 29.5.2008 IX ZR 42/07 Tz 12 ZIP 2008, 1241 = ZInsO 2008, 749 = NZI 2008, 482). Hingegen dürfte ein Zeitraum von mehr als 30 Tagen regelmäßig zu lang sein (BGH 21.6.2007, IX ZR 231/04, NZI 2007).
Entscheidend sind die im jeweiligen Geschäftsverkehr üblichen Zahlungsbräuche und eine „wirtschaftliche Einheitsbetrachtung“ (BGH 13.4.2006, IX ZR 158/05 = NJW 2006, 2701; BGH 11.2.2010, IX ZR 104/ = NZI 2010, 985; BGH 10.7.2014, IX ZR 192/13 = ZInsO 2014, 1602).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist es gerade in Sanierungsberatungsfällen weder üblich noch notwendig, auf Vorkasse zu bestehen.
b. Da anders als im Warenverkehr bei Dienstleistungen höherer Art die erbrachten Leistungen erst intern zusammengefasst und bewertet werden müssen, ist für den Leistungsaustausch auf die Zeitspanne der zeitnahen Rechnungsstellung und den der Bezahlung des Mandanten abzustellen (so schon BGH NJW 1980, 1961 Münchner Kommentar InsO/Kirchhof, 3. Aufl. 2013, InsO § 142 Rn. 17). Dies insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte abgrenzbare Leistungsteile erbracht und auch gesondert abgerechnet hat.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Analyse der wirtschaftlichen Lage, zunächst die Vorbereitung und Einarbeitung erfordert. Der Konzeptersteller muss zu Beginn der Erstellung eine mögliche Insolvenzreife analysieren und die ggf. notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während des Erstellungszeitraums darstellen. Im Rahmen der Berichterstellung und der bereits begonnenen Umsetzung der definierten Maßnahmen ist die Sanierungsfähigkeit zu prüfen. Diese ist wiederum nur gegeben, wenn die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose während des Prognosezeitraums positiv ist und die nachhaltige Wettbewerbs- und Renditefähigkeit am Ende des Prognosezeitraums wiedererlangt werden kann.
Dabei ist auch bei kleineren Unternehmen die Sanierungsplanung in Form einer integrierten Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung obligatorisch (Becker/Bieckmann/Wechsung/Müller DStR 2017, 2506).
Daher erfordert dieses gestufte Vorgehensmodell schon aus sich heraus eine Abgrenzung einzelner Leistungsstufen und auch deren Abrechnung. Es ist daher die zeitnahe Rechnungsstellung mit der jeweiligen Zahlung in Beziehung zu setzen, um zu prüfen ob ein zeitlich naher Leistungsaustausch erfolgte.
c. Dies vorausgeschickt sind folgende Zahlungen im Hinblick auf den bargeschäftsähnlichen Charakter mangels Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht anfechtbar:
– Erstellung der Fortbestehensprognose:
– Rechnung vom 04.06.2013 (Leistungsphase vom 06.05. – 04.06.2013): bezahlt am 05.07.2013: … €
– Rechnung vom 24.06.2013 (Leistungsphase bis 13.06.2013): bezahlt am 25.07.2013: …€ d. Die Teilzahlungen für die Erstellung der Fortführungsprognose auf die Rechnung vom 06.08.2013 (Leistungsphase vom 02.07. – 29.07.2013), bezahlt am 19.09.2013 (Teilzahlung … €) und am 11.10.2013 weitere … €, sind nicht als bargeschäftsähnliche Vorgänge einzustufen, weil sie deutlich außerhalb der 30-Tagesfrist liegen.
Aber auch insoweit greift die Anfechtung nicht durch (vgl. nachstehend).
II. Mangelnde Anfechtbarkeit wegen fehlendem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners in Folge des beabsichtigten Sanierungsversuchs
1. Die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers hiervon verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist (BGH, NJW-RR 1993, 238; BGHZ 180, 98 = NZI 2009, 372 Rn. 17; BGH, NZI 2013, 500 Rn. 11; NZI 2014, 650 Rn. 40 m.w.N.). Denn in diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen des Insolvenzschuldners geleitet und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger tritt in den Hintergrund (BGH, NZI 2012, 142 Rn. 11 u. 18; NZI 2013, 500 m.w.N.). Entscheidend ist also, dass schon der notwendige Vorsatz des Schuldners fehlt und es daher im Rahmen der Prüfung des § 133 InsO nicht mehr darauf ankommt, welche Vorstellungen der Gläubiger hatte.
2. a. Gegenüber Gläubigern, die behaupten, sie seien von Sanierungsbemühungen ausgegangen, hat der Bundesgerichtshof allerdings gefordert, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung für den Schuldner ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte (BGH, NZI 2009, 171 Rn. 52; NZI 2012, 142; NZI 2013, 500, jew. m.w.N.). Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räume seinen Benachteiligungsvorsatz nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind (BGH, NZI 2012, 142; NZI 2014, 650). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof bislang gerade nicht auf Sanierungsberater ausgedehnt, weil diese ja erst den Sachverhalt prüfen und ggf. ein solches Konzept erstellen bzw. dies ablehnen, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind.
b. Daher ist in Fällen der Sanierungsberatung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs heranzuziehen, wonach „der Begriff der Gläubigerbenachteiligungsabsicht, welcher bedingten Vorsatz erfordert, ein Element der persönlichen Unlauterkeit enthält, das schon dann fehlt, wenn der Sanierungsversuch für den Insolvenzschuldner zwar erkennbar mit Risiken belastet ist, die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens jedoch ganz im Vordergrund stehen und auf Grund konkret benennbarer Umstände eine positive Prognose nachvollziehbar und vertretbar erscheint“ (BGH, NJW-RR 1993, 238 [241]). Dieser Rechtsprechung folgt das erkennende Gericht in Fällen der Sanierungsberatung.
Dabei geht es auch davon aus, dass „die fachgerechte Einleitung des Versuchs […] Rückschlüsse auf dessen Ernsthaftigkeit zulassen (kann)“ (BGH, NJW 1998, 1561 [1564]). Die vorgenannte Rechtsprechung wird vom Bundesgerichtshof fortgesetzt (vgl. BGH, NZI 2012, 142 Rn. 11) und auch in der Literatur (vgl. Huber NZI 2015, 489 [492]; Kayser (NJW 2014, 422) und Rechtsprechung geteilt (vgl. OLG Bremen BeckRS 2015, 12183).
3. Ein schlüssiges Sanierungskonzept, das aus Sicht des Insolvenzschuldners eine fachgerechte Einleitung des Versuchs der Sanierung unterstützen soll, setzt nicht notwendigerweise eine Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus. Ein Sanierungsversuch kann auch aussichtsreich sein, wenn sich die beabsichtigten Maßnahmen nur auf einen Teil der Gläubiger erstrecken, etwa wenn umfangreiche Forderungsverzichte der Hauptgläubiger dem Schuldner neue Liquidität verschaffen, mittels der er in die Lage versetzt wird, seine übrigen Gläubiger vollständig zu befriedigen (BGH, NZI 2012, 142 Rn.13). Die Zustimmung aller Gläubiger wird häufig ohnehin nicht erreichbar sein. Die für eine erfolgreiche Sanierung erforderliche Quote hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind für unterschiedliche Gläubiger unterschiedliche Quoten denkbar, weil verkehrswertbestimmende Faktoren bei der Festlegung der Quote berücksichtigt werden können (BGH, GWR 2011, 144 = BeckRS 2011, 04820).
4. Ein Sanierungskonzept, das zu einer Verneinung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners führt, muss dagegen nicht bestimmten formalen Erfordernissen entsprechen, wie sie etwa das Institut für Wirtschaftsprüfer e. V. in dem IDW Standard S. 6 (IDW S. 6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben. Die Einhaltung der dort für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen mag für eine erfolgreiche Sanierung in der Regel eine positive Prognose ermöglichen. Sie ist aber nicht zwingend erforderlich und vor allem bei kleinen Unternehmen nicht immer in vollem Umfang geboten. Auch dort muss jedoch die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und müssen die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst werden (BGH, NJW 1998, 1561; BGH NZI 2016, 636).
5. Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ist hier entscheidend, dass die Insolvenzschuldnerin tatsächlich das Gutachten der Beklagten verwendete, um im Rahmen der Sanierungsbemühungen ihre Gläubiger zu überzeugen. Damit ist die entsprechende Vorstellung der Insolvenzschuldnerin zur Überzeugung des Gerichts gegeben, wonach die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens im Vordergrund standen und jedenfalls für die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Bezahlung der Rechnungen der Beklagten die Möglichkeit einer Sanierung und eine positive Fortbestehensprognose nachvollziehbar und vertretbar erschienen. Damit ist unter Beachtung der o.g. Rechtsprechung der erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten der Insolvenzschuldnerin zu verneinen.
b.Es kommt entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf an, ob die Gläubiger und potentiellen Investoren von dem Sanierungskonzept überzeugt waren oder nicht. Für § 133 InsO kommt es in diesem Kontext nur auf die Vorstellung der Insolvenzschuldnerin an. Das Gericht ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die „Vorstellungswelt“ der Insolvenzschuldnerin darin bestand, dass sie selbst in kaufmännisch vertretbarer Weise annehmen durfte, in 2013 von professioneller Dritter Seite prüfen und sich dabei unterstützen zu lassen, ob eine Sanierung und Fortführung des Unternehmens gelingen kann.
aa. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 8. Januar 2015 – IX ZR 203/12, Rn. 25, juris) können die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden.
Das Urteil des BGH (IX ZR 47/97) ist Maßstab für den IDW Standard S. 6 bzw. dessen Neufassung IDW ES 6 n. F., „Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten“. Der Inhalt des Sanierungsgutachtens muss u. a. die Ist-Situation des Unternehmens darstellen, die Analyse der Krisenursachen, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen, den Stand der Umsetzung und die dazu gehörigen Liquiditätsplanungen, die Plan-GuV und die Planbilanz für einen längeren Prognosezeitraum, der der Situation des konkreten Unternehmens gerecht wird. Darzustellen ist der Natur der Sache nach auch, ob und welche Insolvenzgründe bestehen und wie sie behoben werden (vgl. Holtkötter/Portisch/Schuppener, Rechtliche Anforderungen an Sanierungskonzepte, in: ISU Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen, 2. Aufl., 2012, Rn. 40 – 43). Ferner bedarf es einer Beschreibung des Sanierungsziels. In seinem Urteil vom 24.09.2009 hat das OLG Köln (18 U 134/05 – ZInsO 2010, 238 Rn. 55) herausgearbeitet, die Tauglichkeit eines Sanierungskonzepts sei „keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage“ (dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 4/2012 Anm. 2 zu BGH IX ZR 156/09; OLG Celle Urt. v. 8.10.2015 – 16 U 17/15, BeckRS 2015, 19427).
bb. Daher war das Vorgehen der Insolvenzschuldnerin, nämlich eine professionelle Sanierungsberatung in Anspruch zu nehmen, in Einklang mit den Vorgaben der Rechtsprechung. Das Vorgehensmodell der Beklagten wiederum entsprach den Standards einer solchen professionellen Sanierungsberatung. Daher besteht für das Gericht kein Anlass daran zu zweifeln, dass die Insolvenzschuldnerin ernsthaft die Sanierung versucht hat. Dem stünde nicht entgegen, dass sie ggf. seit längerer Zeit schon defizitär wirtschaftete und ggf. auch über einen längeren Zeitraum bereits zahlungsunfähig i.S. des § 17 InsO war. Nur bei aussichtsloser Sanierungsfähigkeit wäre anders zu entscheiden.
cc. Aus Sicht der Insolvenzschuldnerin war es sowohl für die Frage der Bewertung der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit der Sanierung richtig, mit der Beklagten auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen (vgl. BGH, NJW 1998, 1561 = WM 1998, 248 [250]). Die Analyse der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in der Zukunft und Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife und die Notwendigkeit und Höhe einzuwerbenden frischen Kapitals darzustellen, sowie die Chance, dieses Kapital tatsächlich zu gewinnen (vgl. BGH, NJW 1998, 1561 = WM 1998, 248 [250]; Beschluss vom 10.2.2011, BeckRS 2011, 04820 Rn. 4 ff.) wurden von der Beklagten geprüft und beurteilt. Damit ist eine Situation gegeben, in der mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzunehmen ist, dass „der Begriff der Gläubigerbenachteiligungsabsicht, welcher bedingten Vorsatz erfordert, ein Element der persönlichen Unlauterkeit enthält, das schon dann fehlt, wenn der Sanierungsversuch für den Insolvenzschuldner zwar erkennbar mit Risiken belastet ist, die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens jedoch ganz im Vordergrund stehen und auf Grund konkret benennbarer Umstände eine positive Prognose nachvollziehbar und vertretbar erscheint“ (BGH, NJW-RR 1993, 238 [241]).
dd. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es nicht darauf an, ob Investoren oder Gläubiger auf das Sanierungskonzept vertrauten, es ablehnten oder ob es dem IDW S6 Standard 2012 entsprach. Entscheidend ist, ob die Insolvenzschuldnerin bei den jeweiligen Zahlungen darauf vertrauen durfte, sich nach wie vor innerhalb eines professionellen Sanierungskonzepts zu bewegen. Das war der Fall.
6. Bei einer solchen Sachlage und auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Einsatzes des Konzepts gegenüber den Investoren, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass für die Insolvenzschuldnerin die Leistungen der Beklagten dazu beitrugen, den ernsthaften Sanierungsversuch zu unternehmen und dass zum Zeitpunkt der Bezahlung der Rechnungen der Beklagten die Möglichkeit einer Sanierung und eine positive Fortbestehensprognose für die Insolvenzschuldnerin nachvollziehbar und vertretbar erschien. Daher bestand der erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei der Insolvenzschuldnerin nicht.

Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S.1 ZPO.


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