Insolvenzrecht

Vollstreckung einer Gewerbeuntersagung im Insolvenzverfahren

Aktenzeichen  RN 5 E 19.1956

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 963
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 33 Abs. 1
GewO § 12 S. 1

 

Leitsatz

1. Ein Zwangsgeld ist nicht bereits dann „uneinbringlich“, wenn der Schuldner die Zahlung verweigert; die Vollstreckungsbehörde muss vielmehr intensive Bemühungen zur zwangsweisen Beitreibung der Forderung nachweisen. Erst dann kommt die Anordnung von Ersatzzwangshaft in Betracht.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn § 12 Satz 1 GewO kein Vollstreckungsverbot für vollziehbare Untersagungsverfügungen beinhaltet, ist die Entscheidung des Insolvenzgerichts, eine abtrennbare gewerbliche Tätigkeit zu erlauben, bei der Ausübung des vollstreckungsrechtlichen Ermessens zu berücksichtigen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der Ersatzzwangshaft wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt erneut die Anordnung von Ersatzzwangshaft.
Dem Antragsgegner war die Ausübung einer selbstständigen gewerblichen Tätigkeit oder als entsprechender Vertretungsberechtigter/mit der Leitung Beauftragter rechtskräftig seit 11.07.2016 untersagt worden. Das Landratsamt hatte jedoch Kenntnis erlangt, dass der Antragsgegner im April 2017 ein Angebot für Pflasterarbeiten gemacht und im Juni 2017 zu etwa zwei Dritteln (mithin seinen Vertrag nicht vollständig erfüllend) ausgeführt hat. Des Weiteren erlangte das Landratsamt am 08.11.2018 Kenntnis, dass der Antragsgegner von April bis Mai 2018 Pflasterarbeiten ausgeführt, am 08.06.2018 in Rechnung gestellt hatte und am 15.06.2018 dafür bezahlt worden war.
Mit Schreiben des Antragstellers vom 05.06.2018 wurde das im Gewerbeuntersagungsbescheid vom 06.06.2016 angedrohte Zwangsgeld fällig gestellt (Art. 31 VwZVG) und zugleich vorsorglich auf die Möglichkeit der Anordnung von Ersatzzwangshaft im Falle der Nichtzahlung bzw. nicht möglicher Beitreibung des Zwangsgelds hingewiesen (Art. 33 VwZVG).
Infolge fernmündlicher Vereinbarung wurde dem Antragsgegner auferlegt, von den fälligen 500 € Zwangsgeld 250 € am 15.08.2018, 250 € am 15.09.2018 zu zahlen. Auf die Möglichkeit der Anordnung von Zwangshaft bzw. der Vollstreckung der Forderung bei nicht termingemäßer Zahlung wurde hingewiesen. Eine Anfrage bei der Kreiskasse vom 17.10.2018 ergab, dass einmal 250 € gezahlt worden waren, die weiteren 250 € aber noch offen seien.
Mit Schriftsatz vom 23.10.2018, bei Gericht eingegangen am 29.10.2018, beantragte der Antragsteller wegen Verstoßes gegen das bestandskräftige Gewerbeverbot die Anordnung von Ersatzzwangshaft (Art. 33 VwZVG).
Das Gericht hat mit Beschluss vom 27 November 2018 (Az. RN 5 18.1759) den Antrag auf Anordnung der Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner abgelehnt. Auf den Inhalt des damaligen Beschlusses wird Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 24.10.2019 im anhängigen Verfahren erneut,
die Anordnung einer Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner.
Zur Begründung wird vorgetragen:
Im Rahmen des gegen den Antragsgegner am 28.04.2017 eröffneten Insolvenzverfahren (Amtsgericht Passau Az. IN 21/17) sei am 08.02.2018 gerichtlich festgestellt worden, dass das Vermögen des Schuldners aus seiner selbstständigen Tätigkeit „Pflasterbau“ nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können, § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung.
Die gegenständliche Zwangsgeldforderung, Kostenrechnung 222- 0 7433 FaD 1867, Restbetrag 100 EUR stehe in ursächlichen Zusammenhang mit der am 06.06.2016 verfügten und seit 11.07.2016 bestandskräftigen und damit vollziehbaren Maßnahme der Gewerbeuntersagung. Diese Untersagung habe sich unter anderem auf die Tätigkeiten Gestaltung und Außenanlagen Bau erstreckt und umfasse somit auch den Bereich „Pflasterbau“. Aufgrund der seit 11.07.2016 bestandskräftigen und vollziehbaren Maßnahme sei § 12 GewO nicht anwendbar, da das mit der Untersagung einhergehende umfassende Gewerbeverbot bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei. Dem Schuldner sei die Zahlung des Restbetrags möglich und zumutbar, da dieser weiterhin Einkünfte aus seiner unerlaubten selbstständigen gewerblichen Betätigung erziele, wie sich aus dem Inhalt des derzeit bei der Staatsanwaltschaft Passau anhängigen Strafverfahrens wegen beharrlicher Zuwiderhandlung gegen eine Gewerbeuntersagung ergebe. Auf Seite 8 des Gerichtsaktes findet sich ein Schreiben vom 31.07.2019 des mit der Vollstreckung befassten Beamten des Landkreises. Danach werden Vollstreckungsmaßnahmen mitten im Insolvenzverfahren nicht für sinnvoll erachtet.
Mit Äußerungsfrist binnen einer Woche nach Zugang wurde dieser Antrag dem Antragsgegner am 04.11.2019 per Post zugestellt. Eine Äußerung des Antragsgegners erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Anordnung von Ersatzzwanghaft muss in Ermangelung des Vorliegens der nötigen Voraussetzungen unterbleiben.
Ist das Zwangsgeld uneinbringlich und verspricht auch unmittelbarer Zwang keinen Erfolg, so kann das Verwaltungsgericht nach Anhörung des Pflichtigen auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen, wenn der Pflichtige bei der Androhung des Zwangsgeldes auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (Art. 33 Abs. 1 BayVwZVG). Voraussetzung für eine Zwangshaft sind aber auch das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen. Es muss also ein Vollstreckungstitel vorliegen, der vollziehbar oder bestandskräftig ist, auf dessen Grundlage die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes erfolgen kann. Ferner setzt Art. 33 Abs. 1 VwZVG voraus, dass das Zwangsgeld „uneinbringlich“ ist. Demnach genügt es nicht, wenn der Schuldner die Zahlung nur verweigert hat. Die Vollstreckungsbehörde muss dabei intensive Bemühungen zur (notfalls) zwangsweisen Beitreibung der Forderung nachweisen. Erst wenn diese intensiven Bemühungen letztlich erfolglos geblieben sind oder der Vollstreckungsschuldner zahlungsunfähig ist, kommt überhaupt nur eine gerichtliche Anordnung der Ersatzzwangshaft in Betracht (PdK Bay A-19, 3.3.1.2 VwZVG Art. 33, beck-online) Dies würde z.B. einen erfolglosen, ernsthaft betriebenen und ausreichend dokumentierten, Vollstreckungsversuch oder die Offenkundigkeit der Zahlungsunfähigkeit des Pflichtigen voraussetzen.
Es kann offenbleiben, ob vorliegend das Zwangsgeld uneinbringlich ist. Denn ein Vollstreckungsversuch hat wieder nicht stattgefunden, weil das Amtsgericht Passau nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 08.04.2017 mitgeteilt hatte, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners im Bereich „Pflasterbau“ nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Vollstreckungsbeamten des Landkreises vom 31.07.2019, Blatt 8 der Gerichtsakte. Dort wird auch eine Vollstreckungsmaßnahme mitten im Insolvenzverfahren nicht für sinnvoll erachtet. Der Antragsteller hat deshalb eine Anmeldung der offenen Forderungen im Insolvenzverfahren nicht vorgenommen. Es kann dahingestellt sein, ob in solchen Fällen die Uneinbringlichkeit nachgewiesen ist. Denn der mit der Anordnung der Ersatzzwangshaft verbundene schwerwiegende Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit des Antragsgegners darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Denn die Ersatzzwangshaft ist das letzte Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen. Die Zwangshaft muss sich in der Regel als schärfstes Zwangsmittel auf besondere Ausnahmefälle beschränken (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.12.1996 – 8C 96.216, juris Rn. 13). Das Gericht hat daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die Freiheitsentziehung in Ansehung aller Umstände und insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Erforderlichkeit und der Eignung gerechtfertigt ist. Zu berücksichtigen ist insbesondere, ob der Erfolg der durchzusetzenden Handlung durch mildere Mittel möglich ist. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass nach Auffassung des Insolvenzgerichts die Pflastertätigkeit des Antragsgegners offenbar nicht zum mit bestandskräftigen Gewerbeuntersagungsbescheid untersagten Gewerbe gehört. Das Landratsamt ist zwar anderer Auffassung. Trotzdem ist zu beachten, dass dem Antragsgegner diese Pflastertätigkeit durch das Insolvenzgericht erlaubt ist. Zwar wurde das Insolvenzverfahren zeitlich nach dem bestandskräftigen Gewerbeuntersagungsbescheid angeordnet, so dass § 12 Satz 1 GewO kein Verbot der Vollstreckung der Gewerbeuntersagung für die Dauer des Insolvenzverfahrens normiert. Gleichwohl hat die Vollstreckungsbehörde und auch das Gericht im Rahmen des Ermessens den Sinn und Zweck des § 12 Satz 1 Gewerbeordnung und des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Diese Vorschrift verfolgt den Zweck, einen Konflikt mit den Zielen des Insolvenzverfahrens zu vermeiden und insbesondere die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens nicht durch eine Gewerbeuntersagung zu vereiteln. Deshalb ist auch in den Fällen wie hier, in denen § 12 Satz 1 GewO kein Vollstreckungsverbot für sofort vollziehbare oder bestandskräftig gewordene Untersagungsverfügungen beinhaltet, die Entscheidung des Insolvenzgerichts, hier eine abtrennbare gewerbliche Tätigkeit, den Pflasterbau zu erlauben, bei der Ausübung des vollstreckungsrechtlichen Ermessens zu berücksichtigen (so auch BVerwG, Urteil vom 15.04.2015-8 C 6/14, juris Rn. 24). Deshalb kommt das Gericht zu der Auffassung, dass es nicht ermessensgerecht ist, im Insolvenzverfahren eine Vollstreckungsmaßnahme durch Zwangsgeld gegen den Antragsgegner einzuleiten. Schließlich sieht § 35 Abs. 2 Gewerbeordnung bei Gewerbeuntersagung auch die Fortführung des untersagten Gewerbes durch einen Dritten mit Stellvertretererlaubnis vor.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, da Gerichtskosten mangels eines entsprechenden Tatbestandes im Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz nicht erhoben werden. Insbesondere ist auch nicht dessen Nr. 5301 einschlägig, da es sich nicht um ein Verfahren nach §§ 169, 170 oder 172 VwGO handelt.


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