Insolvenzrecht

Widerruf der Eintragung in die Architektenliste

Aktenzeichen  AN 4 K 17.00607

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3266
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48 Abs. 4, Art. 49 Abs. 2
BauKaG Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Art. 24 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 61 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Versagungs- und Löschungstatbestände des Baukammergesetzes korrelieren mit den gesetzlich normierten Berufsaufgaben und Berufspflichten des Architekten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vermögensverfall eines Architekten indiziert dessen mangelnde berufliche Zuverlässigkeit. Ihm fehlt die wirtschaftliche Grundlage für die erforderliche berufliche Unabhängigkeit. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das mit den Widerrufsvorschriften verfolgte Ziel  der Erhaltung eines funktionierenden und anerkannten Architektenwesens ist so gewichtig, dass die Belange der betroffenen Architekten dahinter zurückstehen müssen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Jahresfrist für den Widerruf handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde vollständige Kenntnis der für den Widerruf maßgebenden Sach- und Rechtslage erlangt hat. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO. Den Beteiligten wurde in der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2020 eine dreiwöchige Schriftsatzfrist bis zum 25. Februar 2020 gewährt. Nach Ablauf dieser Frist muss grundsätzlich jederzeit mit einer Entscheidung des Gerichts gerechnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2009 – 6 ZB 08.221 – juris Rn. 3). Die vom Kläger beantragte Fristverlängerung wurde faktisch bis zum 1. März 2020 gewährt. Im Übrigen hatte der Kläger auch ausreichend Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern, zumal sich weder in der mündlichen Verhandlung noch während der gewährten Schriftsatzfrist neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte ergeben haben.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte ist als unabhängiges und an Weisungen nicht gebundenes Organ der ByAK (Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauKaG) selbst passivlegitimiert (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.4.2004 – AN 4 K 04.00261 – BeckRS 2004, 32472). Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2 Nr. 3, Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BauKaG. Demnach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Die Eintragung in die Architektenliste wäre zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Bewerber nicht die für den Beruf des Architekten erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Der Widerruf ist innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, welche den Widerruf rechtfertigen, zulässig. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung ist auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2013 – 22 ZB 13.657 – juris Rn. 21 m.w.N.).
a) Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der Kläger aufgrund nachträglich eingetretenen Vermögensverfalls die für die Führung der geschützten Berufsbezeichnung „Architekt“ (Art. 1 Abs. 1 BauKaG) erforderliche berufliche Zuverlässigkeit i.S.d. Art. 7 Abs. 1 BauKaG nicht mehr besitzt.
Unzuverlässig ist ein Architekt, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seinen Beruf künftig ordnungsgemäß ausüben wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – BVerwGE 152, 39 – juris Rn. 14). Da dem Berufs- und Gewerberecht ein absoluter Zuverlässigkeitsbegriff fremd ist, kommt es für die Prüfung der Unzuverlässigkeit auf den jeweiligen Beruf bzw. das jeweilige Gewerbe und den Schutzzweck der entsprechenden berufs- bzw. gewerberechtlichen Bestimmungen an (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.1961 – I C 34/60 – NJW 1961, 1834).
Das Baukammerngesetz, welches das Bayerische Architektengesetz novelliert, bezweckt mit den dort geregelten besonderen Voraussetzungen für die Berechtigung zum Führen der geschützten Berufsbezeichnung „Architekt“ den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, vor allem den Schutz vor Gefahren, die der Öffentlichkeit bei Verletzung der Regeln der Baukunst drohen, und das Gemeinschaftsinteresse an sinnvoller und sparsamer Verwendung öffentlicher und privater Baugelder (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.1982 – 5 B 149/80 – juris Rn. 2). Die Versagungs- und Löschungstatbestände korrelieren mit den gesetzlich normierten Berufsaufgaben und Berufspflichten des Architekten. Zu den Berufsaufgaben des Architekten gehören insbesondere die gestaltende, technische, wirtschaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken unter besonderer Beachtung der die Sicherheit der Nutzer und der Öffentlichkeit betreffenden Gesichtspunkte sowie die Orts- und Stadtplanung innerhalb ihrer oder seiner Fachrichtung (Art. 3 Abs. 1 BauKaG), einschließlich der Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers, Arbeitgebers oder Dienstherrn in den mit der Planung, Ausführung und Steuerung des Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie der Überwachung der Ausführung und der Projektentwicklung (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 BauKaG). Die Tätigkeit berücksichtigt die Bedürfnisse der Auftraggeber und des Gemeinwesens und achtet dabei das architektonische Erbe sowie die natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 3 Abs. 7 Satz 2 BauKaG). Die Berufspflichten des Architekten sind, dass er seinen Beruf gewissenhaft ausübt, dem ihm im Zusammenhang mit seinem Berufsstand entgegen gebrachten Vertrauen entspricht und alles unterlässt, was dem Ansehen seines Berufsstandes schaden kann (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BauKaG). Im Einzelnen muss der Architekt nach der – aufgrund Art. 24 Abs. 1 Satz 3 BauKaG erlassenen – Berufsordnung der ByAK u.a. bei Planung und Lenkung der Abläufe die anerkannten Regeln der Baukunst beachten (Nr. 1.2), der Lösung der ihm vom Bauherrn oder Dienstherrn gestellten Aufgaben seine Erfahrung und seine Arbeitskraft widmen und die ihm übertragenen Berufsaufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen (Nr. 1.4), einen Auftrag ablehnen, wenn seine Bedingungen unzumutbar sind oder wenn die Voraussetzungen für seine Erfüllung nicht bestehen (Nr. 1.6), die Rechte des Bauherrn gegenüber den anderen am Bau Beteiligten wahren und sie im Rahmen seiner Berufsaufgaben sachlich, sachgerecht und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vertreten (Nr. 1.8), sich solcher Tätigkeiten oder geschäftlicher Beteiligungen enthalten, die geeignet sein können, den freien Bereich seiner fachlichen Entscheidungen einzuschränken oder seine Entscheidungen in eine durch solche Tätigkeiten oder Beteiligungen vorbestimmte Richtung zu lenken (Nr. 3.1), sich gegenüber anderen loyal und kollegial verhalten und gegenüber Architekten oder Mitarbeitern, die ihm unterstellt sind, seine sozialen Verpflichtungen erfüllen (Nr. 4.1), Architektenhonorare nach den Grundlagen der gültigen Honorarordnung berechnen (Nr. 5.1), werbliche Maßnahmen unterlassen, durch die seine Unabhängigkeit als Architekt beeinträchtigt oder gefährdet wird (Nr. 7.2), und sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche versichern (Nr. 9, Art. 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauKaG). Das hohe Maß an Achtung und Vertrauen des Gesetzgebers in die Angehörigen des Berufsstandes der Architekten kommt insbesondere in Art. 61 Abs. 2 BayBO zum Ausdruck, wonach nur Architekten und besonders bestimmte Ingenieure uneingeschränkt bauvorlageberechtigt sind.
Vor diesem Hintergrund indiziert der Vermögensverfall eines Architekten nach ständiger Rechtsprechung dessen mangelnde berufliche Zuverlässigkeit. Ein zahlungsunfähiger oder überschuldeter Architekt stellt eine Gefahr für die von ihm betreuten Vermögenswerte dar. Ihm fehlt die wirtschaftliche Grundlage für die erforderliche berufliche Unabhängigkeit. Damit rechtfertigt er in seiner Person die Besorgnis, dass sich seine ungeordneten Vermögensverhältnisse u.a. zu Lasten der Einhaltung der Regeln der Baukunst und der sonstigen baupolizeilichen Vorschriften auswirken können und dass er sich bei seinen Handlungen von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung leiten lässt (vgl. OVG Saarl, U.v. 20.11.2015 – 1 A 405/14 – juris Rn. 50; SächsOVG, U.v. 18.9.2012 – 4 A 855/11 – juris Rn. 39; NdsOVG, B.v. 29.07.2011 – 8 ME 36/11 – juris Rn. 27; OVG NW, B.v. 4.5.2011 – 4 A 697/10 – juris Rn. 10; OVG LSA, B.v. 18.3.2011 – 1 L 17/11 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 16.6.2010 – 22 ZB 10.1207 – juris Rn. 2; VGH BW, B.v. 17.5.2006 – 9 S 2538/05 – juris Rn. 6; HessVGH, B.v. 15.6.2004 – 11 TP 1440/04 – juris Rn. 2).
Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Architekt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, gerät und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BVerfG, B.v. 31.8.2005 – 1 BvR 912/04 – juris Rn. 22; BGH, B.v. 5.12.2005 – AnwZ (B) 14/05 – juris Rn. 5).
aa) Ein solcher die berufliche Unzuverlässigkeit indizierender Vermögensverfall zeigt sich vorliegend vornehmlich in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers.
Art. 12 BayArchG, die Vorgängerregelung zum Art. 7 Abs. 1 BauKaG, sah in Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 noch ausdrücklich vor, dass die Eintragung in die Architektenliste einem Bewerber versagt werden kann, wenn das Konkursverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Nach dem Willen des Reformgesetzgebers soll das nunmehrige Abstellen auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Unzuverlässigkeit unter Verzicht auf die Aufzählung einzelner Tatbestände den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 BauKaG lediglich erweitern, indem auch bisher ungeschriebene Sachverhalte erfasst werden können, die im konkreten Fall den Schluss der Unzuverlässigkeit zulassen. Der klarstellende Verweis in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 BauKaG soll Handlungsmöglichkeiten insbesondere auch für Fälle nachträglich eintretender Insolvenz oder Vermögenslosigkeit eröffnen (vgl. zum Ganzen: LT-Drs. 15/7162 S. 18 f.).
Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Eröffnung bzw. Durchführung des Insolvenzverfahrens können im hiesigen Verfahren nicht – erneut (AG Nürnberg, B.v. 24.9.2010 – 8322 IN 142/08 – BeckRS 2013, 7025; LG Nürnberg-Fürth, B.v. 8.2.2013 – 11 T 916/13 – BeckRS 2013, 7024; BGH, B.v. 3.4.2013 – IX ZB 15/13 – juris) – überprüft werden.
Unschädlich ist, dass das Insolvenzverfahren bereits am 22. Juli 2014, somit mehr als zweieinhalb Jahre vor Bescheidserlass aufgehoben wurde. Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters hatten sich während des gesamten Insolvenzverfahrens keine pfändbaren Beträge für die Insolvenzmasse ergeben. Die im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern bestehen auch nach der Verfahrensaufhebung so lange fort, bis das Insolvenzgericht am Ende der Wohlverhaltensphase die Restschuldbefreiung erteilt, §§ 201, 286 ff. InsO. Eine konkrete Aussicht auf Restschuldbefreiung scheidet vorliegend bereits mangels entsprechenden Antrags des Klägers (§ 287 InsO) aus. Es ist auch sonst nicht erkennbar, dass sich die Vermögensverhältnisse des Klägers in der Zwischenzeit wieder konsolidieren konnten. Vielmehr waren zum Stand vom 18. März 2016 seit Januar 2008 Rückstände bei der KKH in Höhe von insgesamt 51.116,93 EUR aufgelaufen. Zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die KKH war der Kläger jedenfalls nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder selbst berechtigt und verpflichtet gewesen. In diesem Zusammenhang kommt erschwerend hinzu, dass der Kläger am 27. Oktober 2010 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zulasten der KKH rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Dennoch betrafen die Rückstände bei der KKH zum Teil auch den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung, namentlich: März, April und Juni 2018, September 2010, November 2012, Januar, März, April, Juni, Juli, September und Dezember 2013, März bis August und November 2014, Januar, Juni, Juli, September und November 2015, Januar und Februar 2016 (Bl. 4 ff. der Behördenakte Bd. V).
Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob im Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Eintragung über die Verurteilung vom 4. Juli 2005 im Bundeszentralregister bereits getilgt wurde oder zu tilgen war, sodass diese nicht zum Nachteil des Klägers verwertet werden durfte, § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 47, § 51 Abs. 1 BZRG. Ferner kann es auch dahinstehen, ob die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO (a.F.) am 23. Juni 2004 und 17. April 2008 im Hinblick auf die zeitlichen Grenzen des Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BayArchG (innerhalb der letzten fünf Jahre) berücksichtigt werden durfte.
bb) Besondere Umstände, dass im Zeitpunkt des Bescheidserlasses trotz der ungeordneten, schlechten Vermögensverhältnisse die Interessen der Auftraggeber oder der Allgemeinheit im konkreten Einzelfall ausnahmsweise nicht gefährdet waren, liegen nicht vor. Insbesondere hatte der Kläger kein planvolles und nachvollziehbares Sanierungskonzept vorgelegt, das den Schluss auf einen baldigen angemessenen Schuldenabbau rechtfertigt. Hiervon kann nur dann die Rede sein, wenn die Vermögensverhältnisse insgesamt, insbesondere auch die laufenden Einnahmen und Ausgaben sowie die sonstigen Verbindlichkeiten und die vorgesehene Schuldentilgung im Einzelnen offen gelegt werden (OVG NW, B.v. 26.4.2007 – 4 B 497/06 – juris Rn. 8). Das bloße Bemühen des Klägers um Einkünfte aus einem größeren Projekt, das noch im Genehmigungsverfahren „festhänge“, reicht insoweit nicht aus. Nicht entscheidungserheblich ist, ob das erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Sanierungskonzept den vorgenannten Anforderungen entspricht.
b) Ohne den Widerruf würde das öffentliche Interesse vorliegend gefährdet.
Der Widerruf muss zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten sein. Dies kann regelmäßig bereits aus dem Fehlen erforderlicher Eignungsvoraussetzungen gefolgert werden, wenn ansonsten damit zu rechnen ist, dass ungeeignete Personen weiterhin eine Tätigkeit mit gewissem Gefahrenpotential ausüben (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 70 m.w.N.; BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112/93 – GewArch 1995, 113 – juris Rn. 6; U.v. 29.6.1990 – 8 C 69/88 – DÖV 1991, 76 – juris Rn. 10).
Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers wegen Vermögensverfalls indiziert vorliegend die konkrete Gefährdung der durch Art. 7 Abs. 1 BauKaG geschützten Rechtsgüter (s.o. unter a), zu denen er im Rahmen einer weiteren Berufsausübung besonderen Zugriff hätte (vgl. BayVGH, U.v. 20.2.2014 – 22 BV 13.1909 – GewArch 2014, 251 – juris Rn. 50 f.; BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112/93 – GewArch 1995, 113 – juris Rn. 6). Der Widerruf wirkt der Gefahr einer aufgrund finanzieller Abhängigkeit zu besorgenden pflichtwidrigen Berufsausübung entgegen und sichert die Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Architekten (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.2005 – 6 B 51/05 – juris Rn. 12). Dies gilt vollkommen unabhängig davon, aus welchen Gründen oder bei welchen Betätigungen die finanzielle Notlage entstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2010 – 22 ZB 10.1207 – juris Rn. 2). Es entspricht vielmehr dem tragenden Grundsatz des Berufs- und Gewerberechts, dass die berufliche bzw. gewerbliche Tätigkeit ungeeigneter Personen ohne Rücksicht auf deren persönliche Belange oder etwaiges Verschulden unterbunden werden darf, weil der Schutz der Allgemeinheit in diesem Bereich den privaten Interessen des Betroffenen vorgeht (VG Ansbach, U.v. 29.4.2004 – AN 4 K 04.00261 – BeckRS 2004, 32472 m.w.N.). Unerheblich ist auch der Einwand des Klägers, seine langjährige Berufstätigkeit einschließlich der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Beratungsstelle Barrierefreiheit der ByAK bisher beanstandungsfrei ausgeübt zu haben. Angesichts des hohen Stellenwerts der zu schützenden Rechtsgüter kann jedenfalls nicht verantwortet werden, den Eintritt eines tatsächlichen Schadens abzuwarten.
Dem Kläger weniger belastende, gleich effektive Mittel stehen nicht zur Verfügung. Die nach Art. 27 Abs. 1 BauKaG im berufsgerichtlichen Verfahren vorgesehenen Maßnahmen können nur durch die Berufsgerichte verhängt werden (Art. 28 Abs. 1 BauKaG). Der Gesetzgeber hat die sich aus der nachträglich eingetretenen Unzuverlässigkeit eines Architekten ergebenden Rechtsfolgen abschließend in Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BauKaG geregelt. Für eine analoge Anwendung des Art. 27 Abs. 1 BauKaG fehlt es daher bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke, jedenfalls aber an einer vergleichbaren Interessenlage. Denn im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 1 BauKaG dienen die Maßnahmen nach Art. 27 Abs. 1 BauKaG der Ahndung schuldhafter Verstöße gegen Berufspflichten (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BauKaG), indem sie auf den Betroffenen individuell einwirken und ihn zur Erfüllung seiner Berufspflichten anhalten (vgl. VG des Saarlandes, U.v. 31.10.2018 – 1 K 2318/17 – juris Rn. 18). Schließlich vermögen die aus Sicht des Klägers milderen Maßnahmen nach Art. 27 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BauKaG (Verweis, Geldbuße, Entziehung der Wählbarkeit zu Kammerorganen, Entziehung der Mitgliedschaft in Kammerorganen) seine auf dem Vermögensverfall beruhende Unzuverlässigkeit auch nicht zu beseitigen.
Der Widerruf steht auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Rechtsgüterschutz. Trotz der damit verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Folgen, insbesondere Wettbewerbsnachteile (vgl. Art. 61 Abs. 2 BayBO) sowie der Verlust der Mitgliedschaft in der Architektenkammer (Art. 12 Abs. 3 Satz 2 BauKaG) und in der Architektenversorgung (§ 15 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 der Satzung der Bayerischen Architektenversorgung) stellt der Widerruf der Eintragung in die Architektenliste keine unzumutbare Belastung für den Kläger dar. Das mit Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BauKaG verfolgte Ziel der Erhaltung eines funktionierenden und anerkannten Architektenwesens ist so gewichtig, dass die Belange der betroffenen Architekten dahinter zurückstehen müssen. Wer als Architekt tätig sein will, kann sich bei der Berufswahl auf das sachlich gerechtfertigte Erfordernis geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse einstellen, zumal dieses bereits im Zusammenhang mit der Eintragung in die Architektenliste von Bedeutung ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.2005 – 6 B 51/05 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 17.5.2006 – 9 S 2538/05 – juris Rn. 6). Überdies entzieht der Widerruf dem Kläger nicht die berufliche Existenzgrundlage, sondern verwehrt ihm nur die Führung der bisherigen Berufsbezeichnung „Architekt“. Insbesondere ist er weiterhin berechtigt, Bauvorlagen i.S.d. Art. 61 Abs. 3 ff. BayBO zu erstellen. Schließlich bleibt es ihm unbenommen, nach einer etwaigen Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse einen erneuten Antrag auf Eintragung in die Architektenliste zu stellen.
c) Die Jahresfrist nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG ist gewahrt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Daraus folgt, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn der Beklagte – als die für den Widerruf zuständige Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2001 – 22 ZB 01.61 – juris Rn. 2) – vollständige Kenntnis der für den Widerruf maßgebenden Sach- und Rechtslage, insbesondere auch der für eine sachgerechte Ermessensausübung unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes wesentlichen Umstände, erlangt hat und auf dieser Grundlage den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Widerrufsbefugnis zusteht (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 – 2 C 13/11 – BVerwGE 143, 230 – juris Rn. 27, 29; B.v. 19.12.1984 – GrSen 1/84, GrSen 2/84 – BVerwGE 70, 356 – juris Rn. 19). Vorliegend hat die Sachverhaltsaufklärung durch den Beklagten frühestens mit Zugang der Stellungnahme des Klägers im Rahmen der Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) am 15. Juni 2016 (Bl. 29 ff. der Behördenakte Bd. V) zur Entscheidungsreife geführt, sodass die Jahresfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begann (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2013 – 22 ZB 13.657 – juris Rn. 34).
Die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 27 Abs. 3 BauKaG gilt für die Verfolgung der Verletzung einer Berufspflicht im berufsgerichtlichen Verfahren und ist daher auf den vorliegenden Fall des Widerrufs der Eintragung in die Architektenliste wegen beruflicher Unzuverlässigkeit nicht, auch nicht analog (s.o. unter b) anwendbar.
d) Die nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG zu treffende Ermessensentscheidung ist bei der insoweit – auf den Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO – beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit nicht zu beanstanden.
Zwar steht die Widerrufsentscheidung dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG nach im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde („darf“). Die Ermessensausübung ist vorliegend jedoch im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse am Widerruf der Eintragung in Richtung auf einen Widerruf „intendiert“. Der Regelung des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG liegt der Gedanke zugrunde, dass in den Fällen der Nrn. 1 bis 5 das öffentliche Interesse an der Beseitigung oder Änderung des Verwaltungsaktes im allgemeinen schwerer wiegt als das Interesse des Betroffenen an dessen Bestand und das entsprechende Vertrauensinteresse. Dieses prinzipielle Übergewicht des öffentlichen Interesses liegt in den Fällen der Nrn. 3 bis 5 darin begründet, dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits durch den Entschädigungsanspruch nach Art. 49 Abs. 6 BayVwVfG ausreichend Rechnung getragen worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.1.1992 – 7 C 38/90 – NVwZ 1992, 565 – juris Rn. 15 m.w.N.). Intendierte Ermessensentscheidungen bedürfen keiner Abwägung des „Für und Wider“, wenn ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vorliegt (vgl. VGH BW, U.v. 11.1.2006 – 13 S 2345/05 – VBlBW 2006, 354 – juris Rn. 36 m.w.N.).
Ergänzend wird, unter Vorbehalt der vorstehenden Ausführungen, auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen, der das Gericht folgt, § 117 Abs. 5 VwGO.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO.


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