Aktenzeichen 20 F 9/09
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 15. Mai 2009, Az: 8 F 434/08, Beschluss
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zwischenverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Mit der diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Klage begehrt der Kläger, der auch Verfahrensbevollmächtigter der Kläger der Parallelverfahren BVerwG 20 F 5.09, 7.09 und 8.09 ist, vollständige Auskunft über sämtliche beim Beklagten zu seiner Person gespeicherten Daten und Informationen. Ursprünglich hatte der Beigeladene mit Sperrerklärung vom 14. Mai 2008 die Vorlage der Akten an das Gericht verweigert. Nachdem der Senat mit Beschlüssen vom 18. Juni 2008 in dem ersten Zwischenverfahren der Kläger der Parallelverfahren festgestellt hat, dass die Verweigerung der Aktenvorlage – soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war – rechtswidrig war, weil der Beigeladene sein Ermessen gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht ordnungsgemäß ausgeübt hatte, hob der Beigeladene mit Schreiben vom 10. September 2008 die Sperrerklärung vom 14. Mai 2008 auf. Wie sich aus den Sperrerklärungen vom 14. Mai 2008 und vom 31. Oktober 2008 ergibt, handelt es sich um Aktenteile einer von dem Beklagten jahrgangsweise geführten Sachakte, in der die Ergebnisse der seit Dezember 1999 bis zum 31. Dezember 2007 dauernden Beobachtung der “Linkspartei.Landesverband Saarland”, vormals Landesverband Saarland der “Partei des demokratischen Sozialismus” (PDS) festgehalten sind.
2
Mit Sperrerklärung vom 31. Oktober 2008 hat der Beigeladene erneut die vollständige Vorlage der Akten verweigert und hinsichtlich der Sachakte unter Angabe von Blattzahlen dargelegt, welche Aktenseiten ohne Einschränkung und aus welchen Gründen Aktenseiten gar nicht oder nur teilweise geschwärzt vorgelegt werden können. Mit Beschluss vom 15. Mai 2009 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig ist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
3
Die Beschwerde des Klägersist unbegründet. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass die Weigerung des Beigeladenen, die begehrten Aktenseiten vorzulegen, auf der Grundlage der Sperrerklärung vom 31. Oktober 2008 rechtmäßig ist.
4
Bereitet das Bekanntwerden des Inhalts zurückgehaltener Dokumente dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile, ist ihre Geheimhaltung ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. November 2002 – BVerwG 2 AV 2.02 – NVwZ 2003, 347 und vom 23. März 2009 – BVerwG 20 F 11.08 – juris Rn. 5), das eine Verweigerung der Vorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kann. Ein Nachteil in diesem Sinne ist u.a. dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juli 2002 – BVerwG 2 AV 1.02 – BVerwGE 117, 8 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 27, vom 25. Februar 2008 – BVerwG 20 F 43.07 – juris Rn. 10, vom 5. Februar 2009 – BVerwG 20 F 24.08 – juris Rn. 4, vom 3. März 2009 – BVerwG 20 F 9.08 – juris Rn. 7 – und vom 2. Juli 2009 – BVerwG 20 F 4.09 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 54 Rn. 8). An diesen besonderen Gründen des Geheimnisschutzes hat sich der Beigeladene (nunmehr) ausgerichtet. Wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend ausgeführt hat, hat der Beigeladene in der (erneuten) Sperrerklärung vom 31. Oktober 2008 erkannt, dass die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unterscheiden sind, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Er hat auf dieser Grundlage das ihm gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eingeräumte Ermessen ausgeübt und auch erkannt, dass bei der Abwägung neben den Gründen des Geheimnisschutzes nicht nur das öffentliche Interesse an der von Amts wegen gebotenen Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht, sondern auch das private Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs zu berücksichtigen ist. Ausgerichtet an dem legitimen Anliegen, eine mögliche Gefährdung der künftigen Aufgabenerfüllung des Landesamts für Verfassungsschutz zu verhindern und Quellenschutz zu gewährleisten, hat der Beigeladene im jeweiligenkonkreten Einzelfall – bei der Sachakte je Aktenseite – die inhaltliche Qualität der Information in den Blick genommen und zunächst zwischen sog. Deckblattmeldungen und Anlagen unterschieden und dabei wiederum nach verschiedenen Geheimhaltungsinteressen geordnete Gruppen gebildet und untersucht. Auf dieser Grundlage war es ihm dann möglich, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderte Abwägung vorzunehmen und dabei auch dem Offenbarungsinteresse des Klägers Rechnung zu tragen, was darin zum Ausdruck kommt, dass er zwischen einer uneingeschränkten Offenlegung, einer durch Schwärzungen eingeschränkten Offenlegung und einer Vorenthaltung der übrigen Seiten der Sachakte unterschieden hat. Dass er dabei alle sog. Deckblattmeldungen schon aus inhaltlichen Gründen wegen der Vielzahl der enthaltenen Informationen zur Arbeitsweise des Beklagten und aus der Zusammenarbeit mit Quellen als schützenswert erachtet hat, ist nicht zu beanstanden. Daten, die dem Quellenschutz dienen oder Methoden der operativen Arbeit der Sicherheitsbehörde bei einer Offenlegung offenbaren würden, lassen Rückschlüsse auf geheime Einschätzungen und Entscheidungsbildungen auch in Sachfragen zu. Ebenso wenig sind die formalen Gesichtspunkte zu beanstanden, an Hand derer der Beigeladene in jedem Einzelfall entschieden hat, welche als Anlagen und sonstige Bestandteile bezeichneten Aktenseiten im Interesse des Klägers insgesamt oder nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zumindest teilweise – mit Schwärzungen – vorgelegt werden können. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind formale, die Aktenführung betreffende Gesichtspunkte wie beispielsweise Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Bezeichnungen des Verwaltungsvorgangs, Handzeichen und Mitarbeiternamen, Verfügungen, schriftliche Randbemerkungen, Arbeitshinweise und Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen grundsätzlich geeignet, vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau, die künftige Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu erschweren, weil sich daraus Rückschlüsse auf Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung ableiten lassen (vgl. nur Beschlüsse vom 1. August 2007 – BVerwG 20 F 10.06 – juris Rn. 7 und vom 23. März 2009 – BVerwG 20 F 11.08 – juris Rn. 9). Auch die weitere Differenzierung bei den als Anlagen bezeichneten Aktenseiten, bei der unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes unterschieden wird, ob es sich um Informationen, die ausschließlich für einen beschränkten Personenkreis bestimmt waren, oder um Dokumente und Unterlagen allgemeinen Inhalts handelt, die aber angesichts des Zeitpunkts der Kenntniserlangung im kleinen Personenkreis Rückschlüsse auf die Quelle erlauben, zeigt, dass der Beigeladene berücksichtigt hat, im Rahmen seiner Ermessenserwägungen gerade auch dem Offenbarungsinteresse des Klägers an den in der Sachakte des Beklagten zusammengetragenen Informationen Rechnung zu tragen.
5
Vor diesem Hintergrund ist – wie auch der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts angemerkt hat – der Einwand des Klägers, die Sperrerklärung vom31. Oktober 2008 leide an demselben Ermessensfehler, den der erkennende Senat in dem Beschluss vom 18. Juni 2008 festgestellt habe, nicht nachvollziehbar. Die vom Senat mit Beschluss vom 18. Juni 2008 beanstandete Sperrerklärung vom 24. April 2007 beschränkte sich darauf, ohne jegliche Differenzierung nach Art der Information und Grund der Weigerung pauschal auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit aller Unterlagen zu verweisen.
6
Der Senat hat die ihm im Original vorgelegten Seiten der Sachakte, die dem Kläger nicht oder nur als Kopien mit Schwärzungen zugänglich gemacht worden sind, im Einzelnen durchgesehen. Dabei hat sich ergeben, dass der Beigeladene keine Informationen vorenthalten und keine Eintragungen geschwärzt hat, die nicht den oben aufgeführten Kriterien entsprechen und gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geheimhaltungsbedürftig sind.
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Der unter Bezugnahme auf das gerichtliche Schreiben des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2009 erhobene Einwand des Klägers, im Hauptsacheverfahren werde lediglich vollständige Auskunft über sämtliche zu seiner Person gespeicherten Daten und Informationen verlangt, auch das Verwaltungsgericht habe die “einschlägigen” Verwaltungsakten angefordert, sodass die Vorlage eines ganzen Aktenordners als bewusste Verschleierungs- und Vernebelungstaktik anzusehen sei, zielt anscheinend – soweit sich der Vortrag dem Senat erschließt – auf den Vorwurf, der Beigeladene schaffe sich selbst durch Hinzuziehung von Material, das keinen Bezug zum Kläger habe, überhaupt erst die Voraussetzungen, um Unterscheidungen treffen zu können und damit den Anschein einer sorgfältigen Ermessensentscheidung zu erzeugen. Dieser Vorwurf liegt neben der Sache. Die Einsicht hat bestätigt, dass die Sachakte Informationen enthält, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers für die damals beobachtete Partei angefallen sind. Das gilt auch für Dokumente und Unterlagen mit allgemeinem Inhalt, die indes die Besonderheit aufweisen, dass sie vor dem Zeitpunkt der Allgemeinzugänglichkeit durch den Einsatz sicherheitsbehördlicher Mittel erlangt wurden. Soweit Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Beklagten ausgeschlossen erscheinen, hat der Beigeladene die Unterlagen z.T. vollständig, z.T. mit Schwärzungen auch vorgelegt. Ob – wie der Kläger weiter geltend macht – die bis zum31. Dezember 2007 dauernde Beobachtung der Partei und der damit verbundene Einsatz von sicherheitsbehördlichen Mitteln rechtmäßig war, ist keine Frage, über die der nach § 99 Abs. 2 VwGO angerufene Fachsenat zu entscheiden hat.
8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25.05.2012 – 1 BvR 533/10 – nicht zur Entscheidung angenommen.