IT- und Medienrecht

Abgasskandal: Ansprüche des Fahrzeugkäufers gegen den Hersteller aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Aktenzeichen  5 O 1369/19

Datum:
21.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40974
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249, § 254, § 288 Abs. 1, § 291 S. 1, § 311 Abs. 2, § 826, § 849
StGB § 263
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Beklagte aus Gewinnstreben sowohl die zuständigen Behörden als auch Käufer von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern durch Entwicklung und Verwendung des Softwareprogramms in dem von ihr hergestellten Dieselmotor EA 189 über den unter normalen Fahrbedingungen erhöhten Schadstoffausstoß täuschte. Dies geschah, um Behörden und Kunden in dem Glauben zu lassen, Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 würden die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten, was tatsächlich nicht zutrifft. Ohne diese Maßnahme hätten die Beklagte und ihre Tochterunternehmen angesichts der Wichtigkeit der Eingruppierung in eine möglichst hohe Schadstofffreiheitsklasse geringere Verkaufszahlen erzielt. (Rn. 19 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Schaden des Fahrzeugkäufers liegt bereits in dem Erwerb des mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen der Klägerin von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbenden Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte. In der vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Ausstattung des Fahrzeugs mit einem Software-Update ist keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs zu sehen. (Rn. 29 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Rechtsfolge der Haftung des Fahrzeugherstellers gemäß § 826 BGB ist die Rückgewähr des Kaufpreises abzüglich der vom Käufer gezogenen Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Ein Zinsanspruch aus § 849 BGB besteht nicht. (Rn. 35 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung im sog. Dieselskandal war jedenfalls im Jahr 2018 nicht mehr erfolgversprechend. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 9.635,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2018 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW VW Sharan 2.0 TDI, FIN: …
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 54 % und die Beklagte 46 % zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich im tenorierten Umfang als begründet. Der klägerische Anspruch ist nicht verjährt.
I.
Die Klagepartei hat Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich des Nutzungsersatzes Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus §§ 826, 31 BGB.
1. Die Beklagte hat der Klagepartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.
Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH, Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, juris). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, juris; BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris).
Vorliegend bestehen für das Gericht keine Zweifel daran, dass die Beklagte aus Gewinnstreben sowohl die zuständigen Behörden als auch Käufer von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern wie der Klägerin durch Entwicklung und Verwendung des Softwareprogramms in dem von ihr hergestellten Dieselmotor EA189 über den unter normalen Fahrbedingungen erhöhten Schadstoffausstoß täuschte. Dies geschah, um Behörden und Kunden in dem Glauben zu lassen, Fahrzeuge mit dem Motor EA189 würden die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten, was tatsächlich nicht zutrifft. Ohne diese Maßnahme hätten die Beklagte und ihre Tochterunternehmen angesichts der Wichtigkeit der Eingruppierung in eine möglichst hohe Schadstofffreiheitsklasse geringere Verkaufszahlen erzielt.
a) Im vorliegenden Fall haben Mitarbeiter der Beklagten den Motor EA 189 mit einer Software zur Motorsteuerung ausrüsten lassen, die zwei Betriebsmodi und darunter einen im Sinne der Abgasrückführung optimierten Betriebsmodus vorsah, und auf dieser Grundlage haben Mitarbeiter der Beklagten die Typengenehmigungen der so ausgerüsteten Fahrzeuge erwirkt, ohne die dafür zuständige Behörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Darin allein liegt, mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ein gravierender Mangel (BGH, Hinweisbeschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133, 1135).
Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 den zum VW-Konzern gehörenden Herstellern gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überließen, also damit rechnen mussten, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251).
Die Täuschung durch die Beklagte gegenüber den Kunden erfolgte systematisch, in erheblichem Umfang und über einen jahrelangen Zeitraum. Sogar jetzt streitet die Beklagte ihre zivilrechtliche Verantwortung noch ab, indem sie behauptet, das klägerische Fahrzeug sei nicht mangelhaft und die Programmaktualisierung lediglich eine freiwillige Leistung. Eine bewusste Täuschung kann ein erhebliches Indiz für die Annahme eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens darstellen (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251). Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251).
b) Zum anderen haben die an der Beauftragung, Entwicklung und Verwendung der Manipulations-Software beteiligten Mitarbeiter der Beklagten zur Überzeugung des Gerichts vorsätzlich gehandelt. Die Beklagte kommt ihrer Darlegungs- und Substantiierungspflicht hinsichtlich der internen Vorgänge im Zusammenhang mit der Manipulations-Software nicht ansatzweise hinreichend nach.
Insofern greift in zweierlei Hinsicht zugunsten der Klagepartei eine Erleichterung der Darlegungslast:
Steht nämlich ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.01.2008 – III ZR 239/06, juris Rn. 16 m.w.N.).
Soll aber für diese höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt ein Anwendungsbereich eröffnet sein, müssen schon die Anforderungen an die primären Darlegungen seitens des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der nach dem maßgebenden Tatbestandsmerkmal erforderlichen Tatsache beschränkt werden, denn zur Frage des Umfangs einer sekundären Darlegungslast kann man stets nur dann gelangen, wenn der Anspruchsteller die Voraussetzung der ihn treffenden primären Darlegungslast zu erfüllen vermag. Das aber kann mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Anspruchsteller in der von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung erörterten Fällen jeweils außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihm entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, nur dann geschehen, wenn man allgemeine Behauptungen ausreichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 252).
Vor diesem Hintergrund reicht einerseits die Behauptung der Klagepartei aus, dass dem Vorstand der Beklagten sämtliche oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien, während andererseits das Vorbringen der Beklagten zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der oben erwähnten Motorsteuerungs-Software nicht einmal ansatzweise ausreichen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251). Da die Beklagte auch nicht konkret darlegt, dass und wie einzelne Mitarbeiter unter Ausschluss des Vorstandes die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen, kann sich die Beklagte auch hierauf nicht berufen und muss es sowohl bei der Annahme umfassender Kenntnisse des Vorstandes der Beklagten als auch bei der Anwendung des § 31 BGB im Sinne einer Zurechnung bleiben.
2. Die sittenwidrige Schädigung ist auch kausal für die Kaufentscheidung der Klagepartei gewesen. Bei täuschendem oder manipulativem Verhalten ist es für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94 -, juris). Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die Klägerin den Wagen gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass dieser die beworbenen Abgaswerte angesichts deren allgemein bekannten Bedeutung in mehrfacher Hinsicht (Betriebserlaubnis, Kfz-Steuer, etwaige Fahrverbote bei Nichteinhaltung der Grenzwerte, Umweltfragen) in Wirklichkeit nicht hat.
3. Die Klagepartei hat den geltend gemachten Schaden schon durch den Erwerb des mit der bereits mehrfach erwähnten Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs erlitten. Auf die Fragen, welchen Verkehrswert das Fahrzeug hatte und hat und worauf eine negative Entwicklung des Verkehrswertes des Diesel-Fahrzeugs des Klägers zurückgeht, kommt es nicht an (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251).
Der Schaden der Klagepartei besteht im vorliegenden Fall bereits in dem Erwerb des mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen der Klägerin von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbende Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte.
In welchem Umfang das genau der Fall war und inwiefern andere Gesichtspunkte hinzutraten, die zu einem erheblichen Wertverlust sämtlicher Diesel-Fahrzeuge führten und führen, ist für die Entscheidung des vorliegendes Falles schon deshalb nicht relevant, weil die Klagepartei als Schadenersatz die Rückabwicklung des Erwerbs begehrt und nicht Zahlung irgendeiner Wertdifferenz verlangt. Ausschlaggebend ist hier allein, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet war, die zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestandes der Typengenehmigung und der Betriebszulassung führte sowie nach den verbindlichen Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes einen Rückruf und ein Update mit einer seitens des Kraftfahrtbundesamtes genehmigten Software des Herstellers erforderte.
Auch mit Rücksicht auf den Schutzzweck des hier verletzten Verhaltensgebots kommt hier kein anderes Ergebnis in Betracht. Denn oben ist bereits ausgeführt worden, dass sittenwidrig hier bereits das Inverkehrbringen der mit der Manipulations-Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 in der Vorstellung war, dass diese in Fahrzeuge eingebaut werden würden und diese Fahrzeuge ahnungslosen Kunden veräußert werden würden. Der Sinn des entsprechenden Verhaltensverbots liegt aber in der Vermeidung solcher Schäden, wie sie der Kläger hier erlitten hat (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 252).
Da der Schadenersatzanspruch der Klagepartei bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs entstanden ist und auf Restitution durch Rückabwicklung des Kaufs gerichtet ist, kann in der erfolgten Ausstattung des Fahrzeugs mit dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs liegen, und auch ein Entfallen des Schadens infolge eines überholenden Kausalverlaufs vermag die Beklagte insofern nicht hinreichend darzulegen, als sie nicht durch Offenlegung des Software-Updates in allen Details dartut, dass das Software-Update keine anderen negativen Auswirkungen haben kann (OLG Köln, Beschluss vom 3.1.2019 – 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 252).
Dass nach dem hier maßgebenden Sach- und Streitstand Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich handelten und dass ihr dies entsprechend § 31 BGB zuzurechnen ist, ist der Sache nach bereits oben und im Zusammenhang mit der Qualifikation des Verhaltens der Beklagten als sittenwidrig näher ausgeführt worden. Die dort angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für den Vorsatz hinsichtlich des Schadens.
4. Die Beklagte hat der Klagepartei nach § 826 BGB in Verb. mit §§ 249 ff. BGB demnach einen Betrag in Höhe des Kaufpreises abzüglich des von der Klagepartei gezogenen Nutzungsvorteils zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
a) Die Nutzungsvorteile sind nach der allgemein anerkannten Formel zu berechnen: Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer geteilt durch die erwartete Gesamtlaufleistung, geteilt durch die voraussichtliche (Rest-)Gesamtlaufleistung (s. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rz 1166). Soweit die Beklagte zwischen der zu erwartenden Gesamtlaufleistung und der angeblich niedrigeren Gesamtnutzungsdauer differenzieren will, findet sich hierfür im Gesetz keine Stütze.
Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km.
Die Laufleistung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung belief sich auf 174.572 km. Davon sind die bereits bei Erwerb des Fahrzeugs durch die Klagepartei gefahrenen 86.000 km abzuziehen.
Hieraus ergibt sich folgender, der Beklagten zustehender Nutzungsersatz: 20.950,00 € × 174.572 km geteilt durch 250.000 km = 11.315,00 €.
Dieser Betrag ist von dem Kaufpreis in Abzug zu bringen, so dass ein Schadensersatzanspruch zur Zeit der mündlichen Verhandlung in Höhe von 9.635,00 € verbleibt.
Der Zinsausspruch folgt den §§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 BGB. Eine Verzinsung war ab Rechtshängigkeit zu gewähren. Ein vorheriger Verzug wurde nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere genügt hierfür allein die Mitteilung einer einseitigen Fristsetzung (Anlage K 11) nicht. Eine darüber hinausgehende Verzinsung nach § 849 BGB sieht das Gericht nicht. Die Regelung des § 849 BGB greift weder vom Wortlaut noch vom Normzweck ein (so auch Riehm, NJW 2019, 1105).
5. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten sind nicht ersatzfähig.
Voraussetzung für einen solchen Erstattungsanspruch von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wäre grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil v. 19.10.2010 – IV ZR 237/09, Rz. 15). Dabei ist auch zu prüfen, ob vertretbare sachliche Gründe für eine rein außergerichtliche Geltendmachung bestanden haben oder ob dadurch lediglich Mehrkosten verursacht worden sind (vgl. BGH, Urteil v. 04.12.2007 – VI ZR 277/06, Rz. 17). Ist der Gläubiger bekanntermaßen etwa zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig (vgl. BGH WM 2012, 1337). Hierbei handelt es sich um echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen und nicht lediglich um im Rahmen des § 254 BGB bedeutsame, die Ersatzpflicht beschränkende und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende Umstände (BGH, Urteil v. 27.10.2010, Rz. 26). Vorliegend geht das Gericht davon aus, dass jedenfalls im Jahr 2018 eine vorgerichtliche Forderungsdurchsetzung nicht erfolgsversprechend, und dies der Klägerseite auch bekannt war. Gegenteiliges hat die Klägerseite nicht vorgetragen.
II.
Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Beklagtenpartei hat den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass die Klagepartei bereits bis Ende 2015 davon Kenntnis gehabt hat, dass in dem streitgegenständlichen PKW die durch das KBA beanstandete Software verbaut ist, nicht erbracht.
Die Beklagtenpartei hat umfangreich auf die seit September 2015 erfolgte Berichterstattung und damit einhergehende Information der breiten Öffentlichkeit Bezug genommen, auch auf Basis der seitens der Beklagte zu dieser Zeit veröffentlichten Mitteilungen.
Das Gericht geht auch davon aus, dass die Thematik „Abgasskandal“ in der Öffentlichkeit spätestens Ende des Jahre 2015 derart bekannt war, dass es lebensfremd erschiene anzunehmen, dass durchschnittlich informierte Verbraucher keine Kenntnis davon erhalten hätten.
Allerdings reicht dies zur Überzeugung des Gerichts nicht aus, um den Nachweis dafür, dass die Klagepartei Kenntnis von der konkreten Betroffenheit ihres (des streitgegenständlichen) PKW gehabt hat, als erbracht anzusehen. Die insoweit beweisbelastete Beklagtenpartei hat vorgetragen, dass Ende 2015 auf ihrer Homepage die Möglichkeit gegeben wurde, durch Eingabe von Fahrzeugdaten seitens der Endkunden schnell und unkompliziert prüfen zu können, ob das jeweilige Fahrzeug betroffen ist. Daraus ergibt sich aber noch nicht der Nachweis dafür, dass auch die Klagepartei von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und so von der Betroffenheit konkret ihres Fahrzeugs Kenntnis erlangt hätte.
Eine allgemeine Verpflichtung der Klagepartei sich eigenständig noch im Jahr 2015 Klarheit zu verschaffen, ob in ihrem Fahrzeug ebenfalls die in der Öffentlichkeit thematisierte Software verbaut ist, besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht.
Damit ist auf den Zeitpunkt der Aufforderung der Klagepartei, das Update aufspielen zu lassen, abzustellen, da sie jedenfalls mit dieser Aufforderung nachweislich Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen PKW erhielt. Da diese Aufforderung erst 2016 bei der Klagepartei einging, ist der Klageanspruch nicht verjährt,III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1; 711 ZPO.


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