IT- und Medienrecht

Ablehnung der Bewerbung auf Einstellung im Angestelltenverhältnis auf ausgeschriebene Professorenstelle – hoheitliche Regelung oder privatrechtliche Willenserklärung?

Aktenzeichen  M 5 K 18.2420

Datum:
4.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32297
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG § 35 S. 1
VwGO § 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
GG Art. 1 Abs. 3, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Qualifizierung einer Streitigkeit als öffentlich-rechtlich ist es unbeachtlich, ob der Verwaltung eine entsprechende Regelungsbefugnis zustand bzw. die von ihr durch Verwaltungsakt geregelte Materie öffentlich-rechtlicher Natur ist; allein maßgeblich ist, wie die Verwaltung gehandelt hat und nicht wie sie hätte handeln müssen (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 28410). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Bescheid, der auf die Ablehnung der Begründung eines gleichgeordneten privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses abzielt, ergeht auf dem Gebiet des Privatrechts. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Hochschule für anwandte Wissenschaften München vom 25. April 2018 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
2. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gem. § 40 Abs. 1 Satz VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt, die spezialgesetzlich keiner anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Es handelt sich insbesondere nicht um eine bürgerliche und dabei in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallende Rechtsstreitigkeit (vgl. § 13 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a Arbeitsgerichtsgesetz – ArbGG).
Die Zuordnung einer Streitigkeit zum öffentlichen oder bürgerlichen Recht richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Maßgebend für die Einstufung ist somit, ob der dem Klagebegehren zu Grunde liegende Sachverhalt sich nach öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vorschriften beurteilt. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es maßgeblich auf den objektiven (wahren) rechtlichen Charakter des Anspruchs an, so wie sich dieser nach den vom Kläger zur Begründung der Klage vorgetragenen, im Rahmen der Rechtswegentscheidung als zutreffend zu unterstellenden Tatsachen ergibt. Zu prüfen ist daher, welche Rechtsvorschrift für den Streitgegenstand maßgeblich ist und ob diese dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Eine Rechtsstreitigkeit ist deshalb öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlicher Natur sind. Öffentlichrechtlicher Natur ist eine Rechtsnorm, wenn sie einen Träger hoheitlicher Gewalt gerade in seiner Funktion als solchen berechtigt oder verpflichtet.
Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Streitsache öffentlich-rechtlich, weil die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25. April 2018, welcher zwar nicht ausdrücklich als solcher überschrieben und auch nicht mit einem formalen Tenor versehen ist. Die Qualifizierung dieses Schreibens als Bescheid bzw. Verwaltungsakt (jedenfalls der Form nach) ergibt sich jedoch aus der diesem anliegenden Rechtsbehelfsbelehrung:(vgl. BVerwG, B.v. 18.1.1993 – 6 B 5/92 – juris Rn. 11 ff.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 16; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 382, 385).
Streitgegenstand ist damit die Rechtsbehauptung des Klägers, durch einen jedenfalls mit Blick auf die anliegende Rechtsbehelfsbelehrung:in der – typisch öffentlich-rechtlichen – Handlungsform des Verwaltungsakts ergangenen belastenden Rechtsakt des Beklagten in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein mit der Folge eines Anspruchs auf dessen Aufhebung zur Vermeidung des Eintritts der Bestandskraft. Für Streitigkeiten in Bezug auf Verwaltungsakte ist – vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher spezieller Rechtswegzuweisungen – der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der öffentlich-rechtliche Charakter einer solchen Streitigkeit folgt daraus, dass es sich bei Verwaltungsakten nach der ausschließlich Träger der öffentlichen Gewalt berechtigenden Vorschrift des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) um auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Maßnahmen einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt.
Für die Qualifizierung der vorliegenden Streitigkeit als öffentlich-rechtlich ist es irrelevant, ob dem Beklagten eine entsprechende Regelungsbefugnis (so genannte VA-Befugnis oder Verwaltungsaktkompetenz) zustand bzw. die von ihm durch Verwaltungsakt geregelte Materie öffentlich-rechtlicher Natur ist. Denn für die Einordnung einer behördlichen Maßnahme als öffentlich-rechtlich ist es unmaßgeblich, wie der Staat hätte handeln müssen; entscheidend ist vielmehr allein, wie er tatsächlich gehandelt hat (BVerwG, B.v. 18.1.1993 – 6 B 5/92 – juris Rn. 11 ff.; OVG NW, B.v. 27.4.2010 – 1 E 406/10 – juris Rn. 2 ff.; siehe jedoch auch OVG RhPf, U.v. 17.7.1991 – 2 A 10173/91 – juris Rn. 35).
3. Die gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn der Beklagte ist mit dem streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid in öffentlich-rechtlicher, hoheitlicher Form auf dem Gebiet des Privatrechts und damit ohne die erforderliche Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts tätig geworden.
a) In der Form eines Verwaltungsakts i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darf eine Behörde nur auf dem Gebiet des öffentlichen Rechs handeln. Ein Verwaltungshandeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Beteiligten zueinander in einem (hoheitlichen) Über-/Unterordnungsverhältnis stehen und sich der Hoheitsträger der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient (von Alemann/Scheffczyk in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK-VwVfG, Stand: 1.10.2018, § 35 Rn. 203). Ein Tätigwerden auf dem Gebiet des Privatrechts liegt hingegen vor, wenn eine Behörde zwischen ihr und dem Maßnahme-Adressaten ein nicht öffentlich-rechtliches, also privatrechtliches (oder verfassungsrechtliches) Rechtsverhältnis begründen, aufheben oder ändern will (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 209). In Anlehnung an den actus-contrarius-Gedanken wird eine Behörde dementsprechend auch dann auf dem Gebiet des Privatrechts tätig, wenn ihr Handeln nicht auf die Begründung, sondern auf die Ablehnung der Begründung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zielt.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid lehnt die Hochschule als Behörde des Beklagten die Bewerbung des Klägers um eine Einstellung im Angestelltenverhältnis auf der ausgeschriebenen Professorenstelle ab. Der Bescheid zielt mithin auf die Ablehnung der Begründung eines gleichgeordneten privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses ab und ergeht damit auf dem Gebiet des Privatrechts (vgl. OVG NW, B.v. 27.4.2010 – 1 E 406/10 – juris Rn. 14; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 382). Irrelevant ist insoweit, dass der Beklagte bei der Ablehnungsentscheidung aufgrund seiner Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Körperschaft gem. Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) dazu verpflichtet ist, die Grundrechte des Klägers – insbesondere dessen Bewerbungsverfahrensanspruch gem. Art. 33 Abs. 2 GG – zu wahren (vgl. zu der daraus resultierenden teilweisen Überprüfung beamtenrechtlicher Konkurrentenstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten BVerwG, B.v. 19.7.2017 – 2 A 9.16 – BeckRS 2017, 120752; B.v. 18.1.1993 – 6 B 5/92, NVwZ-RR 1993, 251; BayVGH, B.v. 7.4.2014 – 7 C 14.408 – BeckRS 2014, 50065; ThürOVG, B.v. 30.1.1996 – 2 EO 497/95 – juris; OVG RhPf, B.v. 10.12.1997 – 2 E 12965/97 – NVwZ-RR 1999, 51; OVG NW, B.v. 27.4.2010 – 1 E 406/10 – NVwZ-RR 2010, 587 – juris Rn. 7 ff.; nun anders OVG RhPf, B.v. 19.1.2018 – 2 E 10045/18.OVG – BeckRS 2018, 9722).
b) Die Befugnis einer Behörde, Verwaltungsakte zu erlassen, ist beschränkt auf die hoheitliche Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Ein Einzelfall des bürgerlichen Rechts darf von ihr nicht durch Verwaltungsakt, sondern nur durch bürgerlich-rechtliche Willenserklärung geregelt werden. Formelle – also nur der Form nach so erscheinende – Verwaltungsakte, die dem zuwider auf dem Gebiet des Privatrechts erlassen wurden, sind unabhängig von ihrer (weiteren) inhaltlichen Rechtmäßigkeit allein aufgrund der fehlerhaften Formenwahl rechtswidrig (BVerwG, U.v. 23.1.1990 – 8 C 38/88 – juris Rn. 13; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 16; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 382, 385; von Alemann/Scheffczyk in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK-VwVfG, Stand: 1.7.2018, § 35 Rn. 39 f.). Der angegriffene Bescheid war daher aufzuheben.
4. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, (allein) seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).


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