IT- und Medienrecht

Abtretung, Eintragung, Berufung, Gesellschafterliste, Gesellschafterversammlung, Gesellschafter, Betreuung, Zustimmung, Handelsregister, Genehmigung, Widerspruch, Gesellschafterbeschluss, Notar, Krankenhaus, beide Elternteile, entsprechende Anwendung, notarieller Urkunde

Aktenzeichen  7 U 6050/21

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7476
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

14 HK O 2900/20 2021-08-05 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.08.2021, Az. 14 HK O 2900/20 in Ziffer 1 seines Tenors dahingehend abgeändert, dass der Beschluss des Landgerichts München I vom 09.03.2020, Az. 14 HK O 2900/20 in Ziffer 2 seines Tenors aufgehoben und der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückgewiesen wird.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Die Parteien streiten um die Gesellschafterstellung des Klägers in der P. R. GmbH.
Der unter rechtlicher Betreuung stehende Kläger ist der Sohn der E. R. und des am 19.01.2020 verstorbenen P. R. Bis zum Tod des P. R. waren Betreuer die Eltern des Klägers, wobei beide Elternteile einzelvertretungsberechtigt waren. Die Betreuung erstreckt sich u.a. auch auf den Aufgabenkreis Vermögenssorge. Seit 11.03.2020 ist Frau I. D. weitere einzelvertretungsberechtigte Betreuerin des Klägers.
Die Beklagte ist die Ehefrau des Halbbruders des Klägers M. R. M. R. ist Sohn des P. R.
Gesellschafter der P. R. GmbH waren nach deren Gründung mit Urkunde des Notars Dr. S. (URNr. …77/2005 laut Anl. AS 17) zunächst die Eheleute P. und E. R. An dem voll eingezahlten Stammkapital von 25.000,00 € hielten die Eheleute R. jeweils einen Anteil von 12.500,00 € (P. R. Geschäftsanteil Nr.1 und E. R. Geschäftsanteil Nr. 2).
Die Satzung der P. R. GmbH lautete auszugsweise wie folgt (Anl. AS 17):
„§ 6 Verfügung über Geschäftsanteile
Die Teilung von Geschäftsanteilen sowie jede Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile von solchen, insbesondere die Abtretung, die Verpfändung und die Nießbrauchsbestellung, ist bis zum Vorliegen eines einstimmig gefassten Zustimmungsbeschlusses aller Gesellschafter unwirksam. (…)“
Mit notarieller Urkunde vom 05.12.2008 (UR-Nr. …66/2008 laut Anl. AS 7) teilten die Eheleute ihre Anteile an der P. R. GmbH in Anteile von jeweils 6.250,00 € (P. R. Geschäftsanteile Nrn 1 und 3, E. R. Geschäftsanteile Nrn 2 und 4). Mit gleicher Urkunde schenkten die Eheleute dem Sohn des P. R. aus erster Ehe, M. R., die Geschäftsanteile Nrn 1 und 2 und dem Kläger die Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 und traten diese ab. Die Anteilsabtretung an M. R. sollte sofort wirksam werden, die Abtretung an den Kläger erst „mit Genehmigung des Familiengerichts“.
In der Urkunde vom 05.12.2008 laut Anl. AS 7 hieß es unter V.:
„Die Beteiligten wurden vom Notar darauf hingewiesen, dass
1. die Abtretung für die Gesellschaft erst mit Vorlage der neuen Liste der Gesellschafter beim Handelsregister wirksam ist; Aus diesem Grund erteilt der Veräußerer dem Erwerber bereits heute bis zu diesem Zeitpunkt Vollmacht, befreit von § 181 BGB, für ihn in Gesellschafterversammlungen abzustimmen;
(…)
4. eine aktualisierte Liste muss beim Registergericht eingereicht werden. Der Notar wird zu deren Entwurf beauftragt, ebenso zur Einreichung der entsprechenden Bescheinigung.
(…)“
In Vollzug der Urkunde vom 05.12.2008 reichte der beurkundende Notar unter URNr. …93/2008 beim Handelsregister die Gesellschafterliste laut Anl. AS 12 ein, die als Gesellschafter der P. R. GmbH Herrn M1. R. (Geschäftsanteile Nrn 1 und 2), Herrn P. R. (Geschäftsanteil Nr. 3) und Frau E. R. (Geschäftsanteil Nr. 4) auswies. Nach Bestellung einer Ergänzungsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis „Schenkung von Geschäftsanteilen und Kommanditeinlagen gemäß Urkunde des Notars Dr. M2. S. (…) vom 05.12.2008, URNr. …66/2008“ (Anl.AS 9) und Genehmigung des Schenkungsvertrages durch das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 09.06.2009 (Anl. AS 10) waren die Bedingungen, unter denen die Geschäftsanteilsabtretung stand, erfüllt. Eine dementsprechend aktualisierte Gesellschafterliste der P. R. GmbH wurde jedoch in der Folge bis 15.01.2020 nicht eingereicht.
Am 16.01.2020 ging beim Amtsgericht Registergericht München die unter dem 15.01.2020 vom Geschäftsführer der P. R. GmbH eingereichte Gesellschafterliste laut Anl. AS 13 beim Handelsregister ein, die als Gesellschafter der P. R. GmbH nunmehr M. R. (Geschäftsanteile Nrn 1 und 2) und den Kläger (Geschäftsanteile Nrn 3 und 4) mit jeweils zwei Geschäftsanteilen zu je 6.250,00 € auswies. Die Gesellschafterliste vom 15.01.2020 wurde am 20.01.2020 in den Registerordner aufgenommen.
Mit Urkunde des Notars Dr. G. vom 17.01.2020 (URNr. … 87/2020) laut Anl. AS 15, bei deren Errichtung im Klinikum N. neben P. R. M. R. und die Beklagte anwesend waren, veräußerte der Kläger, hierbei vertreten durch P. R. als dessen Betreuer, die Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 an der P. R. GmbH zum Preis von insgesamt 12.500 € an die Beklagte, die Frau des M. R. Gleichzeitig trat der Kläger in der notariellen Urkunde diese Geschäftsanteile unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises durch die Beklagte an ihn an die Beklagte ab. Die Urkunde vom 17.01.2020 enthält unter § 3 Nr. 2 folgenden weiteren Passus:
„Zustimmung:
Sämtliche Gesellschafter der GmbH sind anwesend oder vertreten und fassen unter Verzicht auf die Einhaltung aller Form- und Fristvorschriften folgenden Gesellschafterbeschluss:
„Den in dieser Urkunde vereinbarten Geschäftsanteilsabtretungen wird vorbehaltslos zugestimmt.“
(…)“
Der beurkundende Notar reichte am 21.01.2020 eine neue Gesellschafterliste laut Anl. AG 1 beim Handelsregister ein, die am 23.01.2020 in das Handelsregister aufgenommen wurde und die als Gesellschafter der P. R. GmbH M. R. (Geschäftsanteile Nrn 1 und 2) und die Beklagte (Geschäftsanteile Nrn 3 und 4) mit jeweils zwei Geschäftsanteilen zu je 6.250,00 € auswies.
Die P. R. GmbH ist geschäftsführende Komplementärin der P. R. GmbH & Co. G. KG sowie der R. B.- und I. GmbH & Co G. KG, die jeweils über Grundvermögen im Wert von mindestens fünf Millionen Euro verfügen, hält jedoch keinen Kapitalanteil an den beiden Kommanditgesellschaften. Kommanditisten der beiden Kommanditgesellschaften sind zu gleichen Teilen der Kläger und M. R.
Der Kläger trug vor, dass die Abtretung der Geschäftsanteile des Klägers durch diesen an die Beklagte unwirksam sei, da der nach § 6 der Satzung der P. R. GmbH dazu erforderliche einstimmige Zustimmungsbeschluss aller Gesellschafter nicht vorgelegen habe. Denn der Gesellschafterbeschluss vom 17.01.2020, mit dem die Zustimmung zur Abtretung hätte erklärt werden sollen, sei entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig, da E. R. zu der Gesellschafterversammlung vom 17.01.2020 nicht geladen gewesen sei und deshalb daran auch nicht teilgenommen habe. E. R. sei aber zum Zeitpunkt der Fassung des Zustimmungsbeschlusses noch Gesellschafterin der P. R. GmbH gewesen, da die Gesellschafterliste vom 15.01.2020, die E. R. nicht mehr als Gesellschafterin auswies, am 17.01.2020 noch nicht in das Handelsregister aufgenommen gewesen sei. Auf § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG könne sich die Beklagte insoweit nicht berufen, da die Gesellschafterliste vom 15.01.2020 nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Anteilsübertragung eingereicht worden sei, nachdem die darin nachvollzogene Anteilsübertragung bereits im Jahr 2008 erfolgt sei. Darüber hinaus betreffe die fragliche Rechtshandlung des Klägers auch nicht die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses, sondern sein sofortiges Ausscheiden. Im Übrigen hätten die Beteiligten von der aufschiebenden Bedingung in der Urkunde vom 05.12.2008 gewusst. Schließlich könne die Gesellschafterliste vom 15.01.2020 auch schon deshalb keine Rechtsscheinswirkung entfalten, da sie nicht vom Notar als dafür nach § 40 GmbHG zuständiger Person eingereicht worden sei.
Darüber hinaus hätte die Veräußerung der Anteile an der P. R. GmbH auch der Genehmigung durch das Betreuungsgericht nach § 1822 Nr. 3 BGB bedurft.
Der Kläger beantragte daher im Wege der einstweiligen Verfügung folgendes anzuordnen.
I. Hinsichtlich der im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 158468 eingetragenen P. R. GmbH mit dem Sitz in M. ist zur Liste der Gesellschafter ein Widerspruch zuzuordnen, soweit die Antragsgegnerin und nicht der Antragsteller als Inhaber der Geschäftsanteile der Gesellschaft mit Lfd. Nr. 3 und 4 zu je nominal EUR 6.250,00 ausgewiesen ist.
II. Der Antragsgegnerin wird untersagt, ihre Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen mit Lfd. Nr. 3 und 4 aufgrund Eintragung in der Gesellschafterliste der P. R. GmbH mit dem Sitz in M., insbesondere das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen, auszuüben, bis die Wirksamkeit der Übertragung der in Ziff. I. näher bezeichneten Geschäftsanteile aufgrund der Urkunde über eine Geschäftsanteilsveräußerung vom 17.01.2020 (Notar Dr. M1. G. in M., URNr. …87/2020) rechtskräftig ist.
Mit Beschluss vom 09.03.2020, Az. 14 HK O 2900/20, der dem Klägervertreter am selben Tag zugestellt wurde, erließ das Landgericht München I wegen Dringlichkeit gemäß § 937 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung die beantragte einstweilige Verfügung, die der Beklagten im Wege des Parteibetriebes am 11.03.2020 zugestellt wurde (Bl. zu 24 d.A.).
Auf Antrag des Klägers vom 09.04.2020 wurde am 15.04.2020 ein Widerspruch zur Gesellschafterliste vom 21.01.2020 in das Handelsregister aufgenommen (vgl. Anl. AG 3).
Mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.10.2020 legte die Beklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 09.03.2020 ein und beantragte,
Unter Aufhebung der Einstweiligen Verfügung des Landgericht München [sic] vom 09.03.2020, Aktenzeichen 14 HK O 2900/20 wird der auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag des Antragstellers vom 06.03.2020 zurückgewiesen.
Die Beklagte trug zur Begründung ihres Widerspruchs vor, dass die einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen worden sei, da in der einstweiligen Verfügung eine Unterlassungsanordnung getroffen worden sei, sodass für eine Vollziehung eine Ordnungsmittelandrohung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO erforderlich gewesen sei. Eine solche gebe es aber nicht.
Die einstweilige Verfügung sei, jedenfalls soweit der Beklagte untersagt werden solle, ihre Gesellschafterrechte bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszuüben, eine Leistungsverfügung und würde die Hauptsache in unzulässiger Weise vorwegnehmen. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer solchen Verfügung lägen nicht vor.
Hinsichtlich des Widerspruchs fehle es schon deshalb an einer Dringlichkeit, da gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG eine Übertragung der streitgegenständlichen Geschäftsanteile auf einen gutgläubigen Dritten frühestens in zweieinhalb Jahren möglich sei und die Beklagte keine konkrete Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs der Anteile durch einen Dritten dargelegt habe.
Es läge auch ein Fall der Selbstwiderlegung vor, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben bereits seit Januar 2020 Kenntnis von der Anteilsübertragung gehabt habe.
Da die die Beklagte als Gesellschafterin ausweisende Gesellschafterliste vom 21.01.2020 (Anl. AG 1) in das Handelsregister aufgenommen worden sei, sei die Beklagte aufgrund der unwiderleglichen Legitimationswirkung dieser Liste zwingend als Gesellschafterin zu behandeln. Selbst wenn sie materiell nicht Inhaberin der Geschäftsanteile sein sollte, werde sie als Inhaberin fingiert, sodass ihr die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte nicht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden könnten.
Im Übrigen hätte E. R. den Gesellschafterbeschluss vom 17.01.2020 anfechten müssen, wenn sie glaube, zu diesem Zeitpunkt noch Gesellschafterin gewesen zu sein. Dies habe sie jedoch nicht getan.
Mit Endurteil vom 05.08.2021, Az. 2900/20, hielt das Landgericht seinen Beschluss vom 09.03.2020 (im Urteil irrtümlich als vom 09.04.2020 datierend bezeichnet) aufrecht.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht aus, dass der Geschäftsanteilsveräußerungsvertrag vom 17.01.2020 entsprechend §§ 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB unwirksam gewesen sei. Zwar sei der Anwendungsbereich des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht unmittelbar eröffnet, da der Geschäftsanteilsveräußerungsvertrag nicht – wie vom Wortlaut des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB gefordert – zwischen dem Kläger einerseits und dem Ehegatten des Betreuers P. R. oder einem seiner Verwandten in gerader Linie andererseits geschlossen worden. Jedoch läge ein Umgehungstatbestand vor, der eine entsprechende Anwendung des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtfertige. Der Umgehungstatbestand ergäbe sich aus einer Gesamtschau der Umstände des Abschlusses des Vertrages. Durch die Geschäftsanteilsveräußerung sei die von den Eltern des Klägers vorgenommene Teilung der Kontrolle der P. R. GmbH (im Endurteil infolge einer jedenfalls insoweit unveränderten Übernahme der Textpassage aus der Hauptsacheentscheidung des Landgerichts irrig als Beklagte zu 1 bezeichnet) vollständig aufgehoben worden, da nunmehr der Geschäftsführer der P. R. GmbH zusammen mit seiner Ehefrau die Kontrolle über die P. R. GmbH und damit mittelbar auch über die P. R. GmbH & Co Grundstücks KG erlangt habe (LGU S. 4). Auch die Abläufe der Gesellschafterversammlung der P. R. GmbH vom 17.01.2020 belegten den Umgehungswillen der an der Geschäftsanteilsveräußerung Beteiligten. Auffällig sei bereits, dass die Niederschrift des beurkundenden Notars keinerlei Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit des P. R. enthalte, obwohl dieser zwei Tage danach versterben sollte. Auch sei in der Urkunde des Notars nicht erwähnt, in wessen Auftrag der Notar sich zur Beurkundung in das Krankenhaus begeben habe. Fragwürdig sei des Weiteren, wieso die Betreuungsakte des Amtsgerichts München zur Einsichtnahme vorgelegen habe. Die Urkunde enthalte auch keine Angaben, in welchem Zimmer des Krankenhauses N. die Beurkundung erfolgt sei. Ein starkes Indiz für den Umgehungswillen aller Beteiligten sei auch, dass, obwohl in einem psychiatrischen Konsil am 14.01.2020, d.h. fünf Tage vor dem Tod des Betreuers, kognitive Defizite im Kurzzeitgedächtnis des P. R. sowie eine beeinträchtigte Kritik- und Urteilsfähigkeit festgestellt worden seien, die Geschäftsfähigkeit nicht mehr überprüft worden sei. All dies zeige, dass es bei der Anteilsveräußerung und -übertragung nur darum gegangen sei, dem Geschäftsführer der P. R. GmbH die faktische Kontrolle über alle Geschäftsanteile zu verschaffen, was ihm durch Übertragung an sich selbst gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB verwehrt gewesen sei (LGU S. 4 und 5).
Aufgrund der Unwirksamkeit des Geschäftsanteilsveräußerungsvertrages komme es auf die Geschäftsfähigkeit des P. R. sowie auf die Frage eines Ladungsmangels hinsichtlich der Gesellschafterversammlung nicht mehr an (LGU S. 5).
Die einstweilige Verfügung sei auch binnen der Monatsfrist des § 929 ZPO vollzogen worden. Für die Ordnungsmäßigkeit dieses Vollzugs – auch nicht hinsichtlich des Unterlassungsteils – sei es nicht erforderlich, dass in der einstweiligen Verfügung eine Ordnungsmittelandrohung iSd. § 890 Abs. 2 ZPO enthalten gewesen sei (LGU S. 5). Die Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb genüge (LGU S. 6).
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr Aufhebungs- und Antragsabweisungsziel vollumfänglich weiter.
Die Beklagte beantragt daher:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 05.08.2021, Az. 14 HK O 2900/20, wird die Einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 aufgehoben und sämtliche Verfügungsanträge zurückgewiesen [sic].
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Hilfsweise:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 26.08.2021, 14 HK O 2900/20, wird abgeändert und die Einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 wird aufgehoben, soweit der Antragsgegnerin in Ziffer II untersagt wurde, ihre Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen mit Lfd. Nr. 3 und 4 aufgrund Eintragung in der Gesellschafterliste der P. R. GmbH mit dem Sitz in M., insbesondere das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen, auszuüben. Im Übrigen wird die Berufung kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Senat hat am 30.03.2022 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich Ziffer 2 des Tenors der einstweiligen Verfügung vom 09.03.2020 begründet, da insoweit die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten ist (s. unten II.). Im Übrigen, d.h. bezüglich Ziffer 1 des Tenors der einstweiligen Verfügung vom 09.03.2020, ist die Berufung dagegen unbegründet, da der Kläger insoweit sowohl einen Verfügungsanspruch hat, ein Verfügungsgrund vorliegt als auch die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO eingehalten wurde (s. unten I).
I.
1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung, mittels derer einer Eintragung in die Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG ein Widerspruch zugeordnet werden kann, setzt zunächst einen Verfügungsanspruch voraus. Dabei handelt es sich in Anlehnung an § 894 BGB um einen Berichtigungsanspruch gegen einen zu Unrecht Eingetragenen. Anspruchsinhaber ist derjenige, der anstelle des Eingetragenen wahrer Berechtigter wäre (vgl. Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München, 2020, Rdnr. 63 zu § 935 ZPO).
Ein solcher Berichtigungsanspruch gegen die Beklagte steht dem Kläger zu, da er immer noch (Mit) Gesellschafter der P. R. GmbH und somit wahrer Berechtigter ist. Denn zwar ist der GAV entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unwirksam und liegen die nach § 6 der Satzung der P. R. GmbH erforderlichen Zustimmungen aller Gesellschafter zur Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 an die Beklagte dem Grunde nach vor, die von P. R. als Betreuer des Klägers für diesen abgegebene Zustimmungserklärung ist jedoch nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB unwirksam.
a. Die Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 durch den Kläger an die Beklagte ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht nach §§ 1795 Abs. 1, 1908 i Abs. 1 BGB unwirksam. Bei der Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile handelt es sich nicht um ein Rechtsgeschäft zwischen dem Kläger einerseits und dem Ehegatten, dem Lebenspartner oder einem Verwandten in gerader Linie des Betreuers andererseits, da die Beklagte mit P. R. nicht in gerader Linie verwandt, sondern dessen Schwiegertochter ist und damit kein Fall vorliegt, der vom Wortlaut des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfasst würde.
Rechtsfehlerhaft nimmt das Landgericht insoweit an, dass § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB im streitgegenständlichen Fall auf die Beklagte als mit dem Betreuer verschwägerte Person iSd. § 1590 BGB entsprechend anwendbar sei. Denn eine über den Wortlaut der Norm hinausgehende erweiternde Auslegung auf andere Personen als Verwandte in gerader Linie iSd. § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB ist nach der insoweit einhelligen Rechtsprechung nicht zulässig. Sollte bei einem Rechtsgeschäft des insoweit vom Betreuer vertretenen Betroffenen mit einer mit dem Betreuer verschwägerten Person ein erheblicher Interessenkonflikt bestehen, so ist nach § 1796 BGB vorzugehen, was im streitgegenständlichen Fall allerdings nicht geschehen ist (für Verwandte des Betreuers in der Seitenlinie iSd. § 1589 Abs. 1 S. 2 BGB vgl. BayObLG, Beschluss vom 01.10.1997 – 3Z BR 352/97, Rdnr. 13, für Verschwägerte iSd. § 1590 BGB OLG Hamm, FamRZ 1965, 86, aus dem Schrifttum hierzu Götz in Palandt, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 4 zu § 1795 BGB, Schulte-Bunert in Erman, BGB, 16. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 4 zu § 1795 BGB, Veit in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Rdnr. 57 zu § 1795 BGB).
Selbst wenn man mit den vom Landgericht in Bezug genommenen Literaturmeinungen (Sonnenfeld in beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2021, Rdnrn 33 ff. zu § 1795 BGB und Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, München 2020, Rdnr. 17 zu § 1795 BGB) unter bestimmten Umständen eine erweiterte Anwendung des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB annehmen sollte, so wären die dafür nach diesen Meinungen zusätzlich zu erfüllenden Voraussetzungen im streitgegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben. Denn eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird von diesen Literaturstimmen nur bei Strohmanngeschäften angenommen, also in Fällen, in denen die verschwägerte Person Strohmann einer in gerader Linie mit dem Betreuer verwandten Person ist und deshalb ein Umgehungsgeschäft vorliegt (vgl. Sonnenfeld, aaO, Rdnr. 39 zu § 1795 BGB und Spickhoff, aaO). Dies bedeutet, dass die Beklagte als Ehefrau des M. R., des Sohns des Betreuers, Strohfrau ihres Ehemannes hätte sein müssen. Dies hat die Klägerseite jedoch schon gar nicht behauptet und erst recht nicht glaubhaft gemacht (vgl. insoweit den Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.05.2021, S. 4 – 6, Bl.78 – 80 d.A.).
b. P. R. bedurfte zum Abschluss des GAV für den Kläger auch gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB nicht der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Denn die Beteiligung des Klägers an der P. R. GmbH betrug nur 50% und überstieg damit nicht den von der Rechtsprechung für eine Genehmigungspflicht aufgestellten Grenzwert (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2003 – X ZR 199/99, Rdnr. 29). Im Übrigen betreibt die P. R. GmbH selbst auch kein Erwerbsgeschäft. Sie ist nämlich lediglich geschäftsführende Komplementärin der P. R. GmbH & Co. G. KG sowie der R. B.- und I. GmbH & Co G. KG und hält an diesen beiden Gesellschaften selbst keine Anteile.
c. Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es auch dem Grunde nach nicht an dem nach § 6 Abs. 1 S. 1 der Satzung der P. R. GmbH erforderlichen einstimmigen Zustimmungsbeschluss aller Gesellschafter zur Abtretung der Geschäftsanteile durch den Kläger an die Beklagte. Denn sowohl der Kläger, dieser vertreten durch P. R. als sein einzelvertretungsberechtigter Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, als auch M. R. haben ausweislich § 3 Nr. 2 GAV der Abtretung der Geschäftsanteil Nrn 3 und 4 an die Beklagte zugestimmt.
aa. Zwar gilt gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies war bei Abschluss des GAV am 17.01.2020 (neben M. und P. R.) E. R., da zu diesem Zeitpunkt die Gesellschafterliste laut Anl. AS 12 in das Handelsregister aufgenommen war, in der der Kläger nicht als Gesellschafter genannt war. Die geänderte Gesellschafterliste vom 15.01.2020 laut Anl. AS 13, die anstelle von E. (und P.) R. nunmehr den Kläger als Gesellschafter auswies, wurde dagegen erst am 20.01.2020 und damit nach Abschluss des GAV am 17.01.2020 in das Handelsregister aufgenommen.
bb. Aufgrund der Regelung in § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG, die insoweit eine Ausnahme zum Grundsatz des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG konstituiert, war jedoch dennoch nicht mehr die Zustimmung der E. R. als Veräußerin zur Abtretung erforderlich, sondern genügte die Zustimmung des Klägers als Erwerber. Denn die geänderte, nunmehr nicht mehr E. R., sondern den Kläger als Gesellschafter der P. R. GmbH bezeichnende Gesellschafterliste vom 15.01.2020 laut Anl. AS 13 wurde bereits am 20.01.2020, d.h. nur drei Tage nach Abgabe der Zustimmungserklärung und damit unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung iSd. § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG in das Handelsregister aufgenommen. Da der Kläger bei Abschluss des GAV aufgrund der Geschäftsanteilsabtretung vom 05.12.2008 und nach Erfüllung aller insoweit im Schenkungsvertrag vom 05.12.2008 laut Anl. AS 8 stipulierten Bedingungen, insbesondere der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Schenkungsvertrages laut Anl. AS 10, materiell-rechtlich bereits Gesellschafter der P. R. GmbH war, führte die Aufnahme der Gesellschafterliste vom 15.01.2020 laut Anl. AS 13 dazu, dass die zunächst schwebend unwirksame Zustimmung des Klägers rückwirkend wirksam wurde.
Die gegen eine Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG im streitgegenständlichen Fall vorgetragenen Einwände der Klägerseite greifen nicht durch.
(1) Die unstreitige Tatsache, dass zwischen dem Eintritt der letzten Bedingung für die Schenkung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 durch E. und P. R. an den Kläger im Juni 2009 (vormundschaftsgerichtliche Genehmigung) und der Einreichung bzw. Aufnahme der den Kläger ausweisenden Gesellschafterliste vom 15.01.2020 mehr als ein Jahrzehnt liegt, schließt eine Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG im streitgegenständlichen Fall nicht aus. Die Regelung fordert nach ihrem Wortlaut nämlich nur einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der von einem Erwerber vorgenommenen Rechtshandlung einerseits und der Aufnahme der ihn als neuen Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste in das Handelsregister andererseits, der im streitgegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – besteht. Von einem gleichzeitig erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang auch zwischen dem materiell-rechtlichen Erwerb der Gesellschafterstellung einerseits und der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister ist dagegen in § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG keine Rede. Ein Grund, den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG über seinen Wortlaut hinaus auf Fälle zu beschränken, in denen der materiell-rechtliche Erwerb der Gesellschaftsanteile kurz vor der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister erfolgte, ist nicht ersichtlich. Denn dies würde zu einer Benachteiligung des Erwerbers führen, dem dadurch die in § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG einem Erwerber grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, – wenn auch zunächst nur schwebend unwirksame – Rechtshandlungen bereits vor Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister vorzunehmen, genommen würde, ohne dass er mangels eigener Einreichungszuständigkeit Einfluss auf den Zeitpunkt der Einreichung derjenigen aktualisierten Gesellschafterliste gehabt hätte, die ihn als Gesellschafter ausweist.
(2) § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG ist entgegen der Ansicht des Klägervertreters auch nicht deshalb unanwendbar, weil die Rechtshandlung gar nicht das Gesellschaftsverhältnis und dessen Fortsetzung, sondern die Zustimmung zu seinem sofortigen Ausscheiden aus der Gesellschaft betroffen hätte (Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.03.2020, S. 12 letzter Absatz). Auf die Zielrichtung der Rechtshandlung iSd. § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG kommt es nämlich nicht an. Dem Wortlaut ist keine derartige Einschränkung zu entnehmen. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1954 (Urteil vom 01.12.1954 – II ZR 285/53) stützt seine Behauptung nicht. Die hier einschlägige Norm des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG wurde erst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2026) geschaffen, sodass sich die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1954, die zu einer völlig anderen Rechtslage erging, schon deshalb nicht darauf beziehen kann. Die des Weiteren vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 15.12.2011 – 3 W 144/11) erging zwar zu § 16 GmbHG in der aktuellen Fassung, betraf jedoch keinen Fall des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG.
(3) Warum sich die am GAV Beteiligten nicht auf § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG berufen können sollen, weil sie von der aufschiebenden Bedingung in der Schenkungsurkunde vom 05.12.2008 wussten, erschließt sich dem Senat nicht. Entscheidend ist im Hinblick auf § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG nur, dass der Erwerber zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung iSd. § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG materiell-rechtlich bereits Gesellschafter war. Diese Voraussetzung ist – wie oben dargelegt – in der Person des Klägers jedoch erfüllt.
(4) Schließlich kann die Gesellschafterliste vom 15.01.2020 auch dann die in § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG vorgesehene Wirkung entfalten, wenn sie nicht vom Notar, sondern – wie ausweislich § 1 Nr. 3 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 GAV und zwischen den Parteien auch unstreitig hier – vom Geschäftsführer der Gesellschaft zum Handelsregister eingereicht wurde. Zwar ist der Erwerb der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 durch den Kläger aufgrund des Schenkungsvertrags vom 05.12.2008 laut Anl. AS 7 erfolgt und hat daran der den Schenkungsvertrag beurkundende Notar Dr. S. mitgewirkt, wobei die Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 an den Kläger allerdings unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung des Schenkungsvertrages durch das Vormundschaftsgericht stand, mit der der Notar grundsätzlich nichts zu tun hatte. Dies führt im streitgegenständlichen Fall jedoch nicht dazu, dass seine Mitwirkung iSd. § 40 Abs. 2 GmbHG bereits mit der Einreichung der Gesellschafterliste laut Anl. AS 12 beendet gewesen wäre, mit der die Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 1 und 2 an M. R. nachvollzogen wurde. Denn laut Abschnitt V Nr. 4 des Schenkungsvertrages vom 05.12.2008 wurde der beurkundende Notar mit dem Entwurf und der Einreichung einer aktualisierten Liste beauftragt. Diese Beauftragung bezog sich nicht nur auf die notwendig werdende Aktualisierung der Gesellschafterliste nach der unmittelbar wirksam werdenden Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 1 und 2 an M. R., sondern genauso auf die Aktualisierung der Gesellschafterliste nach wirksam gewordener Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 an den Kläger. Denn Abschnitt V Nr. 4 des Schenkungsvertrages lässt sich eine Beschränkung der Beauftragung des Notars auf die Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste hinsichtlich der Geschäftsanteile Nrn 1 und 2 nicht entnehmen. Für eine derartige Beschränkung ist auch kein Grund ersichtlich. Aufgrund dieser Beauftragung, die die Überwachung des Bedingungseintritts notwendigerweise umfasst, wäre der Notar daher nach § 40 Abs. 2 GmbHG verpflichtet gewesen, nach Erfüllung der im Schenkungsvertrag stipulierten aufschiebenden Bedingungen für die Anteilsabtretung durch E. und P. R. an den Kläger im Jahr 2009 eine dementsprechend geänderte, nunmehr den Kläger anstelle von E. R. als (Mit) Gesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Diese ausdrückliche Beauftragung des Notars mit der Aktualisierung der Gesellschafterliste in Abschnitt V Nr. 4 des Schenkungsvertrages vom 05.12.2008 unterscheidet den streitgegenständlichen Fall auch vom Sachverhalt, der dem Beschluss des OLG Brandenburg vom 12.02.2013 – 7 W 72/12 zugrunde lag, wo ausdrücklich eine gesonderte Beauftragung des Notars verneint wurde (OLG Brandenburg, aaO, Rdnr. 11; auch in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/6140, S. 44 rechte Spalte, die eine Pflicht des Notars zur Überwachung des Eintritts einer, allerdings nicht aufschiebenden, sondern auflösenden, Bedingung verneint, wird offensichtlich nicht von einer Beauftragung des Notars ausgegangen).
Nach der Rechtsprechung des BGH folgt aus dieser vom Notar eingegangenen Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste aus § 40 Abs. 2 GmbHG jedoch nicht, dass damit eine Berechtigung des Geschäftsführers zur Listeneinreichung ausgeschlossen wäre. Vielmehr kann in den Fällen einer Listeneinreichungsverpflichtung des Notars auch eine insoweitige Berechtigung des Geschäftsführers bestehen (BGH, Beschluss vom 17.12.2013 – II ZB 6/13, Rdnr. 12). Der BGH hat deshalb auch entschieden, dass der Geschäftsführer zur Korrektur einer unrichtigen, vom Notar nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG eingereichten Gesellschafterliste befugt ist (BGH, Urteil vom 17.12.2013 – II ZR 21/12, Rdnr. 33 – 36). Zwar war im streitgegenständlichen Fall die vom Notar in Vollzug seiner Urkunde vom 05.12.2008 eingereichte Gesellschafterliste (UrNr. …93/2008) laut Anl. AS 12, die P., E. und M. R., nicht aber den Kläger als Gesellschafter auswies, zum Einreichungszeitpunkt unstreitig richtig, da seinerzeit die vereinbarte aufschiebende Bedingung hinsichtlich der Geschäftsanteilsabtretung an den Kläger noch nicht erfüllt waren, jedoch wurde die vom Notar eingereichte Gesellschafterliste laut Anl. AS 12 mit Bedingungseintritt im Juni 2009 unrichtig, da zu diesem Zeitpunkt der Kläger materiell-rechtlich Gesellschafter wurde und zugleich E. R. ihre Gesellschafterstellung materiell-rechtlich verlor. Dieser Unterschied führt jedoch nicht dazu, dass der Geschäftsführer der P. R. GmbH nicht berechtigt gewesen wäre, die aktualisierte Gesellschafterliste vom 15.01.2020 laut Anl. AS 13 zum Handelsregister einzureichen. Denn – wie bereits in der Gesetzbegründung zum MoMiG ausdrücklich ausgeführt (BT-Drs. 1676140, S. 44 rechte Spalte) – bleibt „(d) ie Verpflichtung der Geschäftsführer zur nachfolgenden Kontrolle und zur Korrektur einer aus anderen Gründen unrichtigen (vom Notar eingereichten) Liste (…) unberührt“. Ein solcher Fall einer nachträglichen Listenkorrektur liegt streitgegenständlich vor.
Dem steht auch nicht die Entscheidung des OLG Rostock vom 25.01.2017 – 1 W 55/16 entgegen, da in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall der Notar gar keine Gesellschafterliste eingereicht hatte, sondern nur als Bote des Geschäftsführers der Gesellschaft auftrat und damit nicht – wie streitgegenständlich – ein nach der Rechtsprechung des BGH zulässiger Listenkorrekturfall vorlag (OLG Rostock, aaO, Rdnrn 27 ff.).
Die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste vom 15.01.2020 laut Anl. AS 13 nicht durch den Notar, sondern durch den Geschäftsführer der Gesellschaft ist daher unschädlich und hindert die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG nicht (vgl. auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 10. Auflage, München 2021, Rdnr. 13 aE zu § 16 GmbHG, Heidinger in Münchener Kommentar GmbHG, 4. Auflage, München 2022, Rdnr. 75 zu § 16 GmbHG, aA Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage, München 2021, Rdnr. 38a zu § 16 GmbHG für den Fall des – hier allerdings hinsichtlich der Abtretung vom 05.12.2008 nicht vorliegenden – Streits der Gesellschafter über die einzureichende Liste).
cc. Auch unabhängig von der von den Parteien ventilierten Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG auf die vom Kläger erklärte Zustimmung zur Abtretung der Geschäftsanteile Nrn 3 und 4 an die Beklagte und selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgehen sollte, dass E. (und folglich auch P.) R. am 17.01.2020 noch Gesellschafter der P. R. GmbH gewesen sein sollten – hätten dennoch alle Gesellschafter die nach § 6 der Satzung der P. R. GmbH erforderliche Zustimmung zu der im GAV erfolgten Abtretung erklärt. Denn in Abschnitt V Nr. 1 des Schenkungsvertrages vom 05.12.2008 laut Anl. AS 7 „erteilt(e) der Veräußerer dem Erwerber bereits heute (d.h. am 05.12.2008) bis zu diesem Zeitpunkt (gemeint bis zur Vorlage einer aktualisierten Gesellschafterliste beim Handelsregister) Vollmacht, befreit von § 181 BGB, für ihn in Gesellschafterversammlungen abzustimmen“. „Veräußerer“ im Sinne dieser Bestimmung des Schenkungsvertrages war – wie in Abschnitt II Nr. 2 des Schenkungsvertrages definiert – neben P. R. E. R., „Erwerber“ der Kläger. Mit der Bevollmächtigung in Abschnitt V Nr. 1 des Schenkungsvertrages sollte der Kläger allein aufgrund des vollendeten Erwerbs der materiell-rechtlichen Gesellschafterstellung und unabhängig von einer noch nicht erfolgten Aufnahme einer aktualisierten Gesellschafterliste zum Handelsregister bereits alle Gesellschafterrechte ausüben können. Von dieser Ermächtigung hat er – insoweit vertreten durch seinen alleinvertretungsberechtigten Betreuer P. R. – am 17.01.2020 Gebrauch gemacht und der Abtretung seiner eigenen Geschäftsanteile an die Beklagte zugestimmt. E. R. hätte damit – insoweit vertreten durch den Kläger – auch unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Klägers zur Nichtanwendbarkeit des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG der Abtretung zugestimmt. Gleiches gilt dementsprechend für die Zustimmung des P. R., der nach Meinung des Klägers genau wie E. R. ja noch Gesellschafter der P. R. GmbHG gewesen sein soll.
Nach alledem liegt ein grundsätzlich einstimmiger Zustimmungsbeschluss aller Gesellschafter iSd. § 6 der Satzung der P. R. GmbH vor.
d. Eine Geschäftsunfähigkeit des P. R. zum Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung am 17.01.2020, die zu einer Unwirksamkeit der Zustimmung führen würde, hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Laut dem psychiatrischen Befund vom 15.01.2020 (Anl. AS 28) bestand aufgrund kognitiver Defizite im Kurzzeitgedächtnis nur der Verdacht auf zumindest ein leichtes kognitives Defizit (ICD 10 F 06.7) und wirkten die Kritik- und Urteilsfähigkeit des P. R. beeinträchtigt. Gleichzeitig hielt die untersuchende Psychiaterin jedoch ausdrücklich fest, dass die Kritik- und Urteilsfähigkeit nicht vollständig aufgehoben sei. Dies reicht für die Glaubhaftmachung einer Geschäftsunfähigkeit des P. R. nicht aus. Zum einen handelt es sich nur um eine Verdachtsdiagnose, zum anderen würde ein leichtes kognitives Defizit per se auch noch keine Geschäftsunfähigkeit begründen. Im Übrigen spricht gegen eine Geschäftsunfähigkeit auch, dass sich der Notar, der den GAV vom 17.01.2020 laut Anl. AS 15 beurkundete, anlässlich der Übergabe des Testaments des P. R. an ihn am selben Tag und unmittelbar vor der Beurkundung des GAV aufgrund einer von ihm geführten Besprechung und Befragung von der seiner Meinung nach vollen Geschäfts- und Testierfähigkeit des P. R. überzeugte (vgl. den diesbezüglichen Vermerk des Notars Dr. G. in URNr. … 86/2020 laut Anl. AG 4).
e. Die Zustimmungserklärung des Klägers, die für ihn durch seinen Betreuer P. R. abgegeben wurde, ist jedoch nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.
§ 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB gilt zwar grundsätzlich für jedes Rechtsgeschäft, bei der Mitwirkung an der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen ist jedoch zu differenzieren. Handelt es sich bei den Beschlüssen um Maßnahmen der Geschäftsführung, findet die Norm wegen fehlenden Interessenkonflikts im Grundsatz keine Anwendung. Anders verhält es sich dagegen bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrages (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.1975 – II ZB 6/74, Rdnrn 9 ff., OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.03.2019 – 12 W 9/19, Rdnr. 4 jeweils zur Beschlussfassung bei einer KG, Sonnenfeld in BeckOGK BGB, Stand 01.11.2021,Rdnr. 27 zu § 1795, Spickhoff in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, München 2020, Rdnr. 8 zu § 1795 BGB, Schulte-Bunert in Erman, BGB, 16. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 6 zu § 1795 BGB, Veit in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Rdnr. 28 zu § 1795 BGB). Da das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft infolge der Abtretung seiner Geschäftsanteile an die Beklagte eine Vertragsänderung des Gesellschaftervertrags darstellt, handelt es sich bei der Zustimmung zur Abtretung um ein Rechtsgeschäft iSd. § 1795 BGB.
Insoweit kann auch dahinstehen, wer zum Zeitpunkt der Fassung des Zustimmungsbeschlusses vom 17.01.2020 Gesellschafter der P. R. GmbH war: E., P. und M. R. oder der Kläger und M. R. Auf Grund der Gesellschafterstellung des M. R. in beiden Konstellationen ist der Tatbestand des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB in jedem Fall erfüllt. In ersterem Fall wäre darüber hinaus auch § 1795 Abs. 2 BGB gegeben.
Liegen – wie hier – die Voraussetzungen des § 1795 BGB vor, so führt dies grundsätzlich nur zur schwebenden Unwirksamkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts, hier also des Zustimmungsbeschlusses vom 17.01.2020, bis zur Genehmigung durch einen zu bestellenden Ergänzungsbetreuer. Ein solcher wurde unstreitig nicht bestellt, sodass eine Genehmigung entsprechend § 177 BGB nicht erfolgt ist. Da im streitgegenständlichen Fall jedoch neben E. R. Frau I. D. einzelvertretungsberechtigte Betreuerin des Klägers ist und letztere durch die für den Kläger Klageerhebung im Hauptsacheverfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Zustimmung für den Kläger nicht erteilt werden soll, ist für eine Genehmigung der von P. R. abgegebenen grundsätzlich schwebend unwirksamen Zustimmungserklärung kein Raum.
Nach alledem ist der Zustimmungsbeschluss vom 17.01.2020 endgültig unwirksam und die Beklagte nicht Gesellschafterin der P. R. GmbH geworden, sodass die Gesellschafterliste vom 21.01.2020 laut Anl. AG 1 unrichtig ist und ihr deshalb gemäß § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG auf Antrag des Klägers ein Widerspruch zuzuordnen war. Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG entgegen.
2. Die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes hinsichtlich der Aufnahme eines Widerspruchs in das Handelsregister waren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erforderlich. Dass die Rechtsgefährdung nach § 16 Abs. 3 Satz 5 GmbHG nicht glaubhaft gemacht werden muss, bringt einen anspruchstypischen Gefährdungsgrund zum Ausdruck. Zwar entbindet die Vermutung das Gericht nicht davon, das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zu prüfen. Der Verfügungskläger muss dazu jedoch erst etwas vortragen, wenn die Dringlichkeitsvermutung widerlegt ist oder dies schon nach seinem Vortrag naheliegt. Die Gefährdungsvermutung ist aber nicht schon dann widerlegt, wenn die Drei-Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist und nicht demnächst abzulaufen droht (KG, Beschluss vom 01.04.2010 – 2 W 36/10, Rdnrn 42 ff. und Urteil vom 10.12.2015 – 23 U 99/15, Rdnr. 32, vgl. auch Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München, 2020, Rdnr. 64 zu § 935 ZPO). Der Senat folgt insoweit nicht der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 19.08.2014 – 12 W 1568/14).
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hinsichtlich der beantragten Widerspruchsaufnahme kein Fall der Selbstwiderlegung infolge zu langen Zuwartens des Klägers mit der Beantragung der einstweiligen Verfügung vor. Denn der Kläger durfte nach Kenntniserlangung noch im Januar 2020 von der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste vom 21.01.2020 in das Handelsregister (vgl. insoweit das Schreiben des Klägervertreters vom 30.01.2020 laut AS 24 an den beurkundenden Notar Dr. G.) vor der Antragstellung bei Gericht am 06.03.2020 erst noch zur Sachverhaltsaufklärung beim Notar die relevanten Urkunden anfordern und von diesem eine Stellungnahme erholen (insbesondere zum Eintritt der in der Urkunde vom 05.12.2008 enthaltenen Abtretungsbedingung). Die Stellungnahme des Notars Dr. G. vom 04.02.2020 nebst der Urkundenabschrift laut Anl. AS 25 ging am 06.02.2020 beim Klägervertreter ein, sodass durch Stellung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 06.03.2020 eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit nicht erfolgt ist (vgl. zur Selbstwiderlegung bei Widerspruchseintragungen im Übrigen Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München, 2020, Rdnr. 64 zu § 935 ZPO, der erst nach Ablauf mehrerer Monate von einer Selbstwiderlegung ausgeht).
3. Hinsichtlich des Ziffers 1 des Tenors der einstweiligen Verfügung vom 09.03.2020 ist die Vollziehungsfrist nach §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO eingehalten. Denn nachdem dem Klägervertreter die einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 am selben Tag zugestellt wurde, lief die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO am 09.04.2020 24:00 Uhr ab. Ausweislich AS 21 ist der Antrag des Klägers auf Aufnahme des Widerspruchs in das Handelsregister am 09.04.2020 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO beim Registergericht eingegangen. Da auf Registereintragungen, die durch einstweilige Verfügungen ermöglicht werden, nach § 936 ZPO die Regelung des § 932 Abs. 3 ZPO anwendbar ist (vgl. Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München 2020, Rdnr. 16 zu § 936 ZPO, Kemper in Saenger, Zivilprozessordnung, 9. Auflage, München 2021, Rdnr. 13 aE zu § 936 ZPO), gilt bereits der Antrag auf Aufnahme des Widerspruchs als Vollziehung der einstweiligen Verfügung und kommt es auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Widerspruchs in das Handelsregister nicht an.
Nach alledem blieb die Berufung der Beklagten bezüglich Ziffer 1 des Tenors der einstweiligen Verfügung vom 09.03.2020 ohne Erfolg.
II.
1. Die einstweilige Verfügung war in Ziffer 2 des Tenors dagegen allein deshalb aufzuheben, weil insoweit die Vollziehungsfrist gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten ist. Zwar erfolgte die Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 09.03.2020 an die Beklagte im Parteibetrieb bereits am 11.03.2020 und damit ohne weiteres innerhalb eines Monats nach Zustellung der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht an die Klägerin (09.03.2020). Jedoch enthält die einstweilige Verfügung in Ziffer 2 eine Unterlassungsanordnung, da der Beklagten darin untersagt wird, ihre Gesellschafterrechte auszuüben, sodass ein Vollziehungsbeginn iSd. § 929 Abs. 2 ZPO auch voraussetzt, dass der Beklagten eine Ordnungsmittelandrohung iSd. § 890 Abs. 2 ZPO zugestellt wurde, wobei die Ordnungsmittelandrohung entweder in der einstweiligen Verfügung selbst oder in einem gesonderten Beschluss enthalten sein kann (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 18 zu § 929 ZPO, Huber in Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage, München 2021, Rdnr. 5 zu § 936 ZPO). Im streitgegenständlichen Fall ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, da die einstweilige Verfügung keine Ordnungsmittelandrohung enthält und es unstreitig auch keinen gesonderten Androhungsbeschluss gibt.
2. Daran ändert auch der Vortrag des Klägers nichts, dass sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht auf die unterblieben Vollziehung berufen könne, weil der Kläger nur deshalb von der Erwirkung einer Ordnungsmittelandrohung abgesehen habe, da M. R. nach Erlass der einstweiligen Verfügung namens und im Auftrag der Beklagten mehrfach bestätigt habe, dass sich die Beklagte an die Vorgaben in der einstweiligen Verfügung halten werde und deshalb deren Vollzug nicht erforderlich sei, so (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.12.2020, S. 6 und 7, Bl. 58 und 59 d.A.). Solche – von der Beklagten ausdrücklich bestrittenen Äußerungen (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 20.05.2021, S. 8 erster und zweiter Absatz, Bl. 89 d.A.) – hat der Kläger nämlich schon nicht glaubhaft gemacht. Aus den von der Klägerseite zur Glaubhaftmachung vorgelegten Emails des Ehemanns der Beklagten vom 06. und 28.04.2020 laut Anl. AS 22 und 23 lassen sich derartige Äußerungen nämlich nicht entnehmen. Dort wird lediglich ausgeführt, dass die Beklagte nicht die Absicht habe, „ihre Anteile an irgendjemanden weiterzuveräußern“. Damit wird jedoch nicht geäußert, dass die Beklagte ihre Gesellschafterrechte bis auf weiteres nicht mehr ausüben wolle. Darüber hinaus sollen nach dem Vortrag des Klägers die behaupteten Äußerungen vom Ehemannn der Beklagten stammen, sodass diese nicht ohne weiteres der Beklagten zugerechnet werden können. Warum eine solche – von der Beklagten in Abrede gestellte (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 20.05.2021, S. 8 dritter Absatz, Bl. 89 d.A.) – Zurechnung erfolgen sollte, hat der Kläger noch nicht einmal dargelegt.
3. Die Aufhebung der Unterlassungsverfügung laut Ziffer 2 des Tenors der einstweiligen Verfügung scheitert auch nicht daran, dass der gegen die einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 erhobene Widerspruch vom 19.10.2020 verwirkt wäre. Zwar ist eine Verwirkung des Widerspruchs iSd. § 924 ZPO grundsätzlich möglich, wegen des Bezugs zum rechtlichen Gehör jedoch nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Im streitgegenständlichen Fall sind jedoch weder das Zeit- noch das Umstandsmoment erfüllt. Seit Einleitung des Hauptsacheverfahrens Ende August 2020 musste der Kläger ohnehin mit einem Widerspruch rechnen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 10 zu § 924 ZPO). Die bis dahin seit Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Beklagte am 11.03.2020 verstrichenen rund sechs Monate reichten für die Annahme des erforderlichen sehr langen Zeitraumes für eine Verwirkung jedenfalls nicht aus. Im Übrigen fehlt es auch um Umstandsmoment. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf ein Ausbleiben eines Widerspruchs der Beklagten begründet worden sein soll.
C.
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 92 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


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