IT- und Medienrecht

AGB, Vertragsschluss, Widerspruchsrecht, Streitwert, Inhaltskontrolle, Wirksamkeit, Sicherheitsleistung, Beendigung, Klage, Unwirksamkeit, Kostenentscheidung, Vertrag, Nebenforderung, Transparenzgebot, Kosten des Rechtsstreits

Aktenzeichen  53 O 4061/19

Datum:
16.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46157
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.400,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann keinen Zahlungsanspruch aus dem vom Beklagten geschlossenen Vertrag herleiten.
II. Der im Jahr 2018 umfirmierten Klägerin (Anlage K8) steht gegen den Beklagten aus dem Nutzungsvertrag kein Anspruch auf Zahlung zu. Das zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Juli 2013 geschlossene Vertragsverhältnis endete mit Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit am 31.12.2015.
III. Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin hat sich das Vertragsverhältnis nicht nach § 8 Satz 7 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen verlängert, da diese Vertragsverlängerungsklausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB als überraschende Bestimmung i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB einzustufen ist und als solche nicht Vertragsbestandteil werden konnte.
I) Die Allgemeinen Nutzungsbedingungen wurden unstreitig als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin bei Vertragsschluss in die Nutzungsvereinbarung miteinbezogen, § 305 BGB.
II) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. § 305c Abs. 1 beruht nach Basedow (MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, BGB § 305c Rn. 1) „auf der Überlegung, dass der Kunde die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB, die ihm gemäß § 305 Abs. 2 verschafft werden muss, oft nicht ausnutzt oder nicht ausnutzen kann, sei es, weil er das Klauselwerk als ganzes ungelesen akzeptiert, sei es auch, weil er es zwar liest, aber nicht über die Rechts- und Geschäftskunde verfügt, derer er bedarf, um zu erkennen, wie „überraschend“ sich eine Klausel in bestimmten Fallkonstellationen auswirken kann. § 305c Abs. 1 zielt daher auf Vertrauensschutz ab: Der Kunde soll in jedem Falle, er mag die AGB gelesen haben oder nicht, darauf vertrauen dürfen, dass sich die einzelnen Regelungen im Großen und Ganzen im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages erwartet werden kann“.
III) Auch wenn bei Dauerschuldverhältnissen Verlängerungsklauseln alles andere als ungewöhnlich sind, kann hierbei der Überraschungseffekt aufgrund der konkreten Umstände des Vertragsabschlusses und der äußeren Gestaltung des Formulars eintreten (Müller/Schmitt: Verlängerungsklauseln in der AGB-Kontrolle, NJW 2017, 1991, beck-online).
IV) Nach den auf Seite 2 des Nutzungsvertrages drucktechnisch klar und eindeutig erkennbaren Angaben fiel das Ende der Nutzungszeit auf den 31.12.2015. Dies war zumindest für einen Kunden von durchschnittlicher Geschäftserfahrung aus dem äußeren Erscheinungsbild des verwendeten Vertragsformulars so ersichtlich. Nach dem Inhalt der streitigen Verlängerungsklausel in § 8 Satz 7 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen verlängerte sich indessen der Nutzungsvertrag jeweils um ein Jahr mit den jeweils gültigen Bedingungen des Nutzungsrechts für ein Jahr.
Diese vertragliche Regelung widerspricht nach Auffassung des Einzelrichters dem Transparenzgebot. Der Beklagte musste bei der auf Seite 2 des Nutzungsvertrages eindeutig festgelegten Nutzungsdauer nicht davon ausgehen, dass sich über die allgemein einbezogenen Nutzungsbedingungen eine entgegengesetzte Regelung ergibt. Es wäre vielmehr für die Klägerin ein Leichtes gewesen, im unmittelbaren Anschluss an die vereinbarte Nutzungszeit den Kunden auf eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses nach den rückseitigen Nutzungsbedingungen durch einen ausdrücklichen Zusatz in selber Schriftgröße hinzuweisen. Auf diese drucktechnische Gestaltung war in Ansehung des übrigen Schriftbildes des Vertrages und der Nutzungsbedingungen offenbar bewusst verzichtet worden. Der Beklagte muss sich daher die Regelung des § 8 Satz 7, die noch dazu im Abschnitt „Beendigung des Nutzungsvertrages“ am Ende des Fließtextes optisch völlig unauffällig und daher für einen durchschnittlichen Kunden leicht übersehbar formuliert worden war, nicht entgegenhalten lassen. Er konnte darauf vertrauen, dass sich die einzelnen Regelungen in den Nutzungsbedingungen im Rahmen dessen halten, was auf Seite 2 des Nutzungsvertrages grundlegend, so auch zur Nutzungsdauer, vereinbart worden war.
V) Eine etwaige Unterzeichnung des Vertrages durch den Beklagten, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch angegeben hatte, keine Erinnerung mehr an das Vertragswerk und dessen Unterzeichnung zu haben, ändert daran nichts. Zwar war auf Seite 2 des Vertragsformulars die Bestätigung durch den Antragsteller enthalten, wonach der Inhalt und die Bedingungen des Antrages sowie für den Fall der Annahme dieses Antrages die rückseitigen Nutzungsbedingungen einzuhalten und beachtet werden sollte. Eine solche pauschale Bestätigung seitens eines Vertragspartners kann selbstredend nicht dazu führen, die im Streit stehende Verlängerungsklausel als Individualabrede i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB zu qualifizieren.
VI) Vor dem Hintergrund eines Verstoßes gegen § 305c BGB kann die Frage offen bleiben, ob die Wirksamkeit von § 8 Satz 7 der Nutzungsbedingungen an der Inhaltskontrolle, mithin der Zahlungsanspruch der Klägerin auch an §§ 307 Abs. 1 S. 1, 306 Abs. 2 gescheitert wäre. Zwar lässt die darin gewählte Formulierung nur den Schluss zu, dass die Klägerin als Verwenderin mit dieser Widerspruchslösung versucht, durch einseitige Vertragsgestaltung eigene Interessen an einer Loslösung vom Vertrag auf Kosten ihres Vertragspartners durchzusetzen, ohne von vornherein dessen Interessen an Planungssicherheit und Vertragskomfort hinreichend zu berücksichtigen. Jedenfalls wäre aber die Konsequenz einer Unwirksamkeit dieser Klausel nach § 307 BGB nicht etwa ein Widerspruchsrecht zu Gunsten des Beklagten oder eine komplette Unwirksamkeit von § 8 Satz 7, sondern nach hiesiger Einschätzung – aufgrund der Teilbarkeit der Klausel – vielmehr eine nicht per se verbotene Reduktion auf § 8 Satz 7 Satz 1 Halbsatz 1.
I. Die Nebenforderung teilt das rechtliche Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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