IT- und Medienrecht

Anforderungen an die ortsübliche Bekanntmachung von umweltbezogenen Informationen im Bebauungsplanverfahren

Aktenzeichen  15 N 19.27

Datum:
17.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15923
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 3 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Eine Auslegungsbekanntmachung wird den Anforderungen an die ortsübliche Bekanntmachung nicht gerecht, wenn sie lediglich Schreiben einzelner behördlicher Stellen nennt, ohne jedoch diese behördlichen Schreiben bzw. Stellungnahmen inhaltlich näher – zumindest schlagwortartig – zu charakterisieren und in der Bekanntmachung unklar bleibt, welche Umweltthemen während des vorangegangenen Planaufstellungsverfahrens überhaupt angesprochen worden sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der am 18. Dezember 2018 bekannt gemachte Bebauungsplan “I.-Mitte“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt, weil er geltend macht, in seinem Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) dadurch verletzt zu sein, dass den Belangen seines landwirtschaftlichen Betriebs und dem in diesem Zusammenhang befürchteten Immissionskonflikt mit der aufgrund des Bebauungsplans an den Betrieb heranrückenden Wohnbebauung im Rahmen der planerischen Abwägung nicht hinreichend Rechnung getragen worden ist (vgl. zur Antragsbefugnis bereits Beschluss des Senats vom 4.5.2018 im Verfahren 15 NE 18.382). Auch im Übrigen bestehen hinsichtlich der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags keine Bedenken.
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der streitgegenständliche Bebauungsplan ist wegen einer beachtlichen Verletzung des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB im Bebauungsplanverfahren (bei der ortsüblichen Bekanntmachung der Antragsgegnerin über die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans) insgesamt unwirksam.
a) Die Antragsgegnerin hat in ihrer ortsüblichen Bekanntmachung vom 1. Oktober 2018 über die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans (§ 3 Abs. 2 BauGB) ausgeführt, dass der „Entwurf mit Erläuterungsbericht mit Begründung, der Umweltbericht mit Behandlung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und das Immissionsschutztechnische Gutachten … und die umweltbezogenen Informationen (z.B. Schreiben v. Landratsamt NEW Wasserrecht v. 28.08.2018, zwei Schreiben Umweltschutz v. 31.08.2018, Naturschutz v. 05.09.2018, Wasserwirtschaftsamt Weiden v. 22.08.2018, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Bereich Landwirtschaft – v. 07.09.2018) und die Anregungen der Bürger…“ öffentlich ausliegen. Mit der genannten Auflistung einzelner behördlicher Schreiben ist die Antragsgegnerin den gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht gerecht geworden.
aa) § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB schreibt vor, dass die ortsübliche Bekanntmachung (u.a.) Angaben dazu enthalten muss, „welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind“. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu bereits entschieden, dass es nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers „nicht mit einer bloßen namentlichen Auflistung der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen getan ist“, sondern „eine Unterweisung über die Inhalte der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen erwartet wird“ (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3/12 – BVerwGE 147, 206 ff = juris Rn. 16).
Die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB bezweckt eine „Anstoßwirkung“. Sie soll interessierte Bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Die Anstoßwirkung, die der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Bekanntmachung der „Arten verfügbarer Umweltinformationen“ beimisst, geht – wie das Bundesverwaltungsgericht ausführlich begründet hat – noch darüber hinaus. Sie bezweckt durch einen verbesserten Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren, die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen zu verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beizutragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden zu ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen. Zielsetzung ist somit, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.7.2013 a.a.O. Rn. 19 f.). Der veröffentlichte Bekanntmachungstext muss vor dem Hintergrund dieser speziellen Zielsetzung seiner Anstoßfunktion gerecht werden. Es ist deshalb unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Nur auf dieser Grundlage kann die informierte Öffentlichkeit entscheiden, ob die Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will. Die Gemeinden sind somit verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Dies gilt im Übrigen auch für solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, welche die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.7.2013 a.a.O. Leitsatz und Rn. 23).
bb) Diesen Anforderungen wird die Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin nicht gerecht. Sie nennt lediglich Schreiben einzelner behördlicher Stellen, ohne jedoch diese behördlichen Schreiben bzw. Stellungnahmen inhaltlich näher – zumindest schlagwortartig – zu charakterisieren. Es bleibt in der Bekanntmachung unklar, welche Umweltthemen während des vorangegangenen Planaufstellungsverfahrens überhaupt angesprochen worden sind. Die Bekanntmachung der Antragsgegnerin kann deshalb ihrer gesetzlich gewollten Anstoßfunktion, darüber Auskunft zu geben, „welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind“, nicht genügen.
b) Der nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 BauGB beachtliche Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB führt insgesamt zur Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.
aa) Der Verstoß ist nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Buchst. b BauGB unbeachtlich, weil nicht nur „einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben“. Die Bekanntmachung hat die notwendige Angabe, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, vielmehr gänzlich vermissen lassen und ihre gesetzlich gebotene Anstoßfunktion damit vollständig verfehlt.
bb) Der Verstoß ist auch nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden, weil der Antragsteller diesen innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des streitgegenständlichen Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht hat.
c) Auf die Frage, ob der Bebauungsplan auch noch aus weiteren vom Antragsteller genannten Gründen unwirksam ist, ob insbesondere – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde – die Antragsgegnerin die betrieblichen Belange des Antragstellers und den etwaigen zu befürchtenden Nachbarschaftskonflikt mit der heranrückenden Wohnbebauung im Rahmen ihrer planerischen Abwägung hinreichend berücksichtigt hat und ob die Antragsgegnerin über den als öffentlichen Feld- und Waldweg gewidmeten Flurbereinigungsweg (mit der ehemaligen FlNr. 475) einseitig verfügen kann, kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht mehr an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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