IT- und Medienrecht

Anhörungsrüge: Gehörsverletzung wegen einer unzureichenden Interessenabwägung bei Annahme eines Rechtsmissbrauchs in einem Verfahren auf Gewinnabschöpfung nach Wettbewerbsverstoß

Aktenzeichen  I ZR 26/17

Datum:
29.11.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:291118BIZR26.17.0
Normen:
§ 242 BGB
Art 103 Abs 1 GG
§ 10 UWG
§ 321a ZPO
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 13. September 2018, Az: I ZR 26/17, Urteilvorgehend OLG Düsseldorf, 7. Februar 2017, Az: I-20 U 139/15, Urteilvorgehend LG Düsseldorf, 11. November 2015, Az: 12 O 5/15, Teilurteil

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 13. September 2018 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe

1
I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör ist durch das Senatsurteil vom 13. September 2018 nicht verletzt.
2
1. Der Kläger rügt, der Senat habe seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zur erforderlichen umfassenden Interessenabwägung sowie zur subjektiven Komponente als Voraussetzungen für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB nicht erwogen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die umfassende Interessenabwägung sei für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB von zentraler Bedeutung. Dabei sei die subjektive Vorstellung des Klägers und insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund der Zustimmung des Bundesamts für Justiz davon ausgegangen sei, die Einschaltung des Prozessfinanzierers sei rechtlich unbedenklich.
3
2. Die Gehörsrüge des Klägers ist unbegründet.
4
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen. Die Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt deshalb erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Die Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG beschränkt sich dabei nicht darauf, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern, sondern verbürgt den Verfahrensbeteiligten auch das Recht, sich zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 f. [juris Rn. 14] mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14).
5
b) Der Senat hat sich mit den vom Kläger als übergangen gerügten Rechtsansichten befasst, ist ihnen aber nicht gefolgt. Einer ausdrücklichen Erwähnung in den Entscheidungsgründen bedurfte es nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht.
6
aa) Der Senat hat angenommen, die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage resultiere bereits daraus, dass die Einschaltung eines Prozessfinanzierers, dem eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt werde, dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 10 UWG widerspreche (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 26/17, GRUR 2018, 1166 Rn. 41 = WRP 2018, 1452 – Prozessfinanzierer). Nach der Begründung des Gesetzgebers solle § 10 Abs. 1 UWG der Gefahr vorbeugen, dass der Anspruch aus dem sachfremden Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht werde. Diesem Ziel widerspreche es, wenn die Führung von Gewinnabschöpfungsprozessen von der Entscheidung eines Prozessfinanzierers abhängig gemacht werde, dem für den Erfolgsfall eine Beteiligung am abgeschöpften Gewinn zugesagt werde (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 42 – Prozessfinanzierer). Das Bundesamt für Justiz verlasse dadurch, dass es die geforderte Zusage der Beteiligung am abgeschöpften Gewinn erteile, die neutrale Rolle einer Zahlstelle und entscheide ebenfalls faktisch mit darüber, welche Gewinnabschöpfungsprozesse geführt werden. Es möge zutreffen, dass mit der gewerblichen Prozessfinanzierung der Zweck verfolgt werde, der Regelung über die Gewinnabschöpfung in § 10 UWG im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher zum Erfolg zu verhelfen. Das könne aber nicht in der geschehenen Weise erfolgen. Dass die klagebefugten Verbände im Obsiegensfall den Gewinn an den Bundeshaushalt abzuführen hätten und im Unterliegensfall die Kosten des Rechtsstreits tragen müssten und daher – wie bereits vom Bundesrat vorhergesagt (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 35) – kein besonderes Interesse an einer Rechtsverfolgung hätten, beruhe auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Diese dürfe nicht dadurch umgangen werden, dass Dritte eingeschaltet würden, die von der Klagemöglichkeit wirtschaftlich zu profitieren suchten (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 43 – Prozessfinanzierer).
7
bb) Nach Auffassung des Senats folgt der Rechtsmissbrauch mithin bereits aus dem Umstand, dass die Einschaltung des Prozessfinanzierers dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 10 UWG widersprach und der Anspruch damit aus dem nach der Gesetzesbegründung als sachfremd anzusehenden Motiv des Prozessfinanzierers geltend gemacht wurde, Einnahmen aus dem abgeschöpften Gewinn zu erzielen (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 41 f. – Prozessfinanzierer). Auf die Zustimmung des Bundesamts für Justiz kann sich der Kläger dabei schon deshalb nicht berufen, weil dieses damit die ihm durch § 10 Abs. 4 UWG allein zugewiesene neutrale Rolle als Zahlstelle verlassen hat (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 43 – Prozessfinanzierer). Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt vorzusehen und damit keinen Anreiz für die klagebefugten Verbände zu schaffen, Gewinnabschöpfungsklagen zu erheben, darf nicht durch die Einschaltung eines Prozessfinanzierers umgangen werden, dem eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 42 f. – Prozessfinanzierer). Nach alledem hat die erforderliche Interessenabwägung bereits im Gesetzgebungsverfahren stattgefunden (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 25 und 43); einer darüber hinausgehenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung subjektiver Komponenten bedurfte es nicht.
8
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.
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Schmaltz     
      


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