IT- und Medienrecht

Anspruch auf Umweltinformationen zum Dienstwagen des Bayerischen Ministerpräsidenten (CO2-Ausstoß)

Aktenzeichen  M 9 K 16.1966

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZUR – 2017, 440
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayUIG BayUIG Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 3

 

Leitsatz

1 Den Anspruch auf Herausgabe von Umweltinformationen kann jede natürliche, aber auch jede juristische Person des Privatrechts geltend machen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die CO₂-Emissionen eines Pkw sind Umweltinformationen. Entscheidend und ausreichend ist insoweit lediglich, dass jegliche Emissionen von Kohlendioxyd potenziell Einfluss auf den Zustand der Atmosphäre haben (Anschluss an VG Düsseldorf BeckRS 2009, 39552). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Anders als sonst umfasst die öffentliche Sicherheit als Ablehnungsgrund im Sinne des Art. 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 3 BayUIG nicht den Schutz der gesamten Rechtsordnung, vielmehr verlangt das Unionsrecht eine schwere tatsächliche Gefährdung von Grundinteressen der Gesellschaft. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4 Es ist Sache der auskunftspflichtigen Stelle, vorzutragen und zu belegen, dass die Bekanntgabe der Information nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hat. Dazu genügt es regelmäßig nicht, dass sie sich ausschließlich auf das Ergebnis der Stellungnahmen von Sicherheitsbehörden bezieht, ohne eine eigene Entscheidung zu treffen und zu begründen. Auch wenn den Sicherheitsbehörden eine entsprechende Einschätzungskompetenz zuzubilligen ist, muss die Einschätzung nachvollziehbar sein und darf sich nicht auf Standardaussagen beschränken. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den CO₂ – Emissionswert (in g/km kombinierter Wert) des emissionsträchtigsten regelmäßig genutzten Dienstwagens des Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, der sich in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 unter Nr.
V. 7 befindet.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist klagebefugt, ohne ein besonderes rechtliches Interesse darlegen zu müssen, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG). Dass der Kläger ein nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannter Verband ist, ist für die Klage nicht relevant, denn den Anspruch auf Herausgabe von Umweltinformationen kann jede natürliche, aber auch juristische Person des Privatrechts geltend machen (vgl. Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, 81. EL 2016, UIG, § 3 Rn. 5 für das gleichlautende Bundesgesetz). Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben. Unabhängig von der statthaften Klageart für das Auskunftsverlangen läuft jedenfalls deswegen keine Klagefrist, weil der Beklagte in seiner letzten ablehnenden Antwort (E-Mail vom 14.3.2016) auf den klägerischen Antrag die Vorgaben gemäß Art. 6 Abs. 4 BayUIG missachtet hat. Schließlich schadet es auch nicht, dass der Kläger im Verfahren zu erkennen gegeben hat, dass es ihm eigentlich genügen würde, die Auskunft zu bekommen, welchen CO₂-Emissionswert ein dem Dienstwagen des Ministerpräsidenten entsprechendes Serienmodell, d.h. ohne Beeinflussung durch entsprechende Sicherheitsausstattung, hat. Denn durch die Weigerung des Beklagten (vgl. das Sitzungsprotokoll), diese Information mitzuteilen, ist der Kläger für seinen Auskunftsanspruch darauf angewiesen, dasjenige einzuklagen, was ihm der Beklagte vorenthält. Dabei ist entsprechend der Erklärung der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zu Grunde zu legen, dass in der Zulassungsbescheinigung des Dienstwagens der CO₂-Wert für die Sonderanfertigung, nicht für das Serienmodell steht. Unabhängig davon haben die Beklagtenvertreter sogar erklärt, auch gegen die Mitteilung des CO₂-Wertes für das Serienmodell bestünden Sicherheitsbedenken.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Herausgabe der geltend gemachten Informationen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG.
Die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch sind gegeben. Ein Ablehnungsgrund, auf den sich der Beklagte berufen kann, liegt nicht vor.
Der Kläger hat einen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG. Nach dieser Vorschrift hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationshaltige Stelle im Sinn des Art. 2 Abs. 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.
Der Beklagte bzw. seine Behörden sind informationspflichtige Stellen i.S. von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BayUIG i.V.m. Art. 1 BayVwVfG. Die CO₂-Emissionen eines Pkw sind Umweltinformationen. Das ergibt sich ausdrücklich aus der Regelung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 BayUIG, wonach u.a. Emissionen, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinn der Nr. 1 (hier Luft und Atmosphäre) auswirken oder wahrscheinlich auswirken, Umweltinformationen darstellen. Das ist bei den Emissionen eines genutzten Fahrzeuges unzweifelhaft der Fall, auch wenn diese aufgrund ihres Umfanges im Einzelfall nicht dazu führen, dass sich der betroffene Umweltbestandteil (Luft und Atmosphäre) in seinem Gesamtzustand messbar verändert. Entscheidend und ausreichend ist insoweit lediglich, dass jegliche Emissionen von Kohlendioxyd potenziell Einfluss auf den Zustand der Atmosphäre haben (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 9.10.2009 – 26 K 5707/08 – juris Rn. 17). Die angegangene Stelle im Verwaltungsaufbau des Beklagten verfügt auch über die beantragte Information. Bei der Bayerischen Staatskanzlei ist die nachgefragte Information vorhanden. Deren Vertreter haben erklärt, dass in der beim Beklagten vorhandenen Zulassungsbescheinigung Teil 1 für den Dienstwagen der CO₂-Wert der Ausführung des Wagens mit Sonderschutzausrüstung eingetragen ist.
Ein Ablehnungsgrund liegt nicht vor. In Betracht kommt, zwischen den Beteiligten unstreitig, nur die Regelung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 3 BayUIG. Danach ist der Antrag abzulehnen, soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hätte, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Dabei ergibt sich aus dem Gesetz eine Prüfung in zwei Schritten. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Bekanntgeben der Information nachteilige Auswirkungen hat. Nur, wenn das bejaht wird, ist in einem zweiten Schritt eine Abwägung vorzunehmen, ob das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gleichwohl die nachteiligen Auswirkungen überwiegt.
Ob bei einer entsprechenden Abwägung im Falle des hier relevanten Zugangs zu Umweltinformationen über Emissionen die gesetzliche Privilegierung derselben in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayUIG und Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayUIG die Abwägung in irgendeiner Weise beeinflusst, kann offenbleiben. Denn hier fehlt es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung, dass das Bekanntgeben des CO₂-Emissionswertes des Dienstwagens nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hat, so dass die zweite Stufe, die Abwägung, gar nicht erreicht wird.
Anders als sonst umfasst die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 3 BayUIG nicht den Schutz der gesamten Rechtsordnung, vielmehr verlangt das Unionsrecht eine schwere tatsächliche Gefährdung von Grundinteressen der Gesellschaft (Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, 81. EL 2016, UIG, § 8 Rn. 16 m.w.N.). Die Sicherheit des Bayerischen Ministerpräsidenten ist zweifelsohne vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit in diesem Sinne erfasst. Es ist jedoch weder vom Beklagten belegt noch sonst ersichtlich, wie durch die Bekanntgabe des CO₂-Emissionswerts des oder der am meisten genutzten Dienstwagen diese Sicherheit beeinträchtigt wird.
Rechtlich ist es Sache des Beklagten, vorzutragen und zu belegen, dass die Bekanntgabe der Information nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit hat. Das folgt aus der gesetzlichen Regelung im BayUIG, die ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen anspruchsbegründenden Voraussetzungen und Ausschlussgründen aufstellt. Es folgt außerdem noch aus dem Umstand, dass in erster Linie der Beklagte in der Lage ist, die nachteiligen Auswirkungen darzulegen, da nur er die Informationen kennt, aus deren Bekanntgabe eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit folgen soll. Der Beklagte muss die kausale Wirkungsweise zwischen der nachgefragten Information und deren Eignung, die öffentliche Sicherheit zu beeinträchtigen, plausibel und nachvollziehbar machen. In diesem Zusammenhang kann sich der Beklagte auch nicht auf die behauptete Geheimhaltungsbedürftigkeit der beantragten Information zurückziehen, da sonst die Verweigerung des Auskunftsanspruchs aus diesem Grund praktisch der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre. Vielmehr ist der Beklagte gehalten, soweit wie es ohne Preisgabe der Information möglich ist, zu plausibilisieren, warum die Information nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit haben soll. Dazu genügt es regelmäßig nicht, dass er sich ausschließlich auf das Ergebnis der Stellungnahmen seiner Sicherheitsbehörden bezieht, ohne eine eigene Entscheidung zu treffen und zu begründen. Auch wenn den Sicherheitsbehörden eine entsprechende Einschätzungskompetenz zuzubilligen ist, muss die Einschätzung nachvollziehbar sein und darf sich nicht auf Standardaussagen beschränken.
Diesen Maßgaben ist hier nicht genügt. Die beiden in der vom Beklagten vorgelegten Behördenakte enthaltenen Stellungnahmen (E-Mail des Bayerischen Innenministeriums Sachgebiet Polizei-Einsatz vom 10.3.2016, Bl. 10 der Akten sowie die Stellungnahme des Inspekteurs der Bayerischen Polizei mit weitergeleiteter E-Mail vom 6.4.2016, Bl. 14 der Akten) begründen inhaltlich keine überzeugenden Sicherheitsbedenken für den Fall der Preisgabe des CO₂-Emissionswerts des Dienstwagens.
Die E-Mail des Sachgebiets Polizei-Einsatz vom 10. März 2016, wonach „aus einsatztaktischen Gründen keine Details über Einsatz- und Führungsmittel (der Polizei) herausgegeben [werden], da dies Rückschlüsse auf Art und Umfang taktischer Maßnahmen der Polizei zulassen würde“, ist, wie der Kläger zu Recht rügt, nichtssagend. Eine Aussage zu der hier interessierenden Wechselwirkung der Preisgabe des CO₂-Emissionswerts mit einer Gefährdung des Bayerischen Ministerpräsidenten enthält diese Stellungnahme nicht.
Auch die Stellungnahme des Inspekteurs der Bayerischen Polizei mit E-Mail vom 6. April 2016 trägt inhaltlich nicht dazu bei, zu belegen, worin genau die Beeinträchtigung der Sicherheit liegen soll, die durch die Bekanntgabe des CO₂-Emissionswerts des Dienstwagens entstünde. Zwar trifft es zu, dass ein Emissionswert dazu beitragen kann, einen Rückschluss auf den allgemeinen Fahrzeugtyp zuzulassen. Dieser ist aber ohnehin nicht verborgen, sondern kann von jedermann, der den Dienstwagen sieht, identifiziert werden. Warum die konkrete Ausstattungsvariante, außer vielleicht der Umstand, dass das Fahrzeug gepanzert ist bzw. ein sog. sondergeschütztes Fahrzeug verwendet wird, aus dem CO₂-Emissionswert hervorgehen soll, ist nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt hinsichtlich des „einsatztaktischen Fahrverhaltens“. Es ist nicht im Ansatz nachvollziehbar, wie hierzu etwas aus der Bekanntgabe des CO₂-Emissionswertes gefolgert werden kann, mit Ausnahme des Umstands, dass ein sondergeschütztes Fahrzeug naturgemäß deutlich schwerer als ein entsprechendes Serienfahrzeug ist.
Unabhängig von den Stellungnahmen ist nicht ersichtlich, warum die Bekanntgabe des CO₂-Emissionswerts aus der Zulassungsbescheinigung die Sicherheit des Bayerischen Ministerpräsidenten gefährden soll. Die einzige sicherheitsrelevante Information, die tatsächlich nachvollziehbar aus einem bestimmten CO₂-Emissionswert hervorgeht, ist der Umstand, ob möglicherweise eine Panzerung des Dienstwagens zu vermuten ist bzw. ein Fahrzeug mit einer sog. Sonderschutzklasse gefahren wird. Weitere, andere oder detailliertere Informationen als diese kann die Bekanntgabe des CO₂-Emissionswerts auch nicht liefern. So ist der Schluss von einem CO₂-Emissionswert auf eine bestimmte Motorleistung schon wegen der Messmethodik des CO₂-Emissionswerts nicht möglich, ebenso wenig kann außer dem Umstand, dass irgendeine Panzerung vorliegt, auf deren genaue Art geschlossen werden noch auf andere sicherheitsrelevante Sonderausstattungen oder gar das taktische Fahrverhalten des Fahrers des Dienstwagens.
Wiederum unabhängig davon erschließt sich auch nicht, warum selbst die Angabe des CO₂-Wertes für ein Serienmodell dieses Typs ohne etwaige Sonderausstattung auf Sicherheitsbedenken des Beklagten stößt. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde dazu nicht plausibel vorgetragen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es für den eingeklagten Anspruch nicht relevant ist, dass der Bayerische Ministerpräsident genauso gefährdet ist wie die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident oder einige Bundesminister bzw. warum der Kläger bei diesen nicht nachfrägt, bei jenem dagegen schon. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Kläger ausdrücklich und mehrmals bestätigt hat, dass im Falle einer Panzerung des Dienstwagens nur der CO₂-Wert ohne Panzerung veröffentlicht wird (vgl. die Klageschriftsätze, aber auch z.B. Bl. 11 der vorgelegten Behördenakten).
Nach alledem ist der Klage stattzugeben. Der Informationszugang ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayUIG durch Auskunftserteilung zu erfüllen, da dies vom Kläger beantragt wurde und eine angemessene Art, die Information auf andere Weise zugänglich zu machen, nicht besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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