IT- und Medienrecht

Anspruch einer Gemeinde auf Ersatz der Bestattungskosten

Aktenzeichen  M 12 K 16.26

Datum:
11.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 57, § 74, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 222
BGB BGB § 187 Abs. 1, Abs. 2, § 193, § 421
BestG Art. 14, Art. 15
BestV § 1 Abs. 1 S. 2, § 15 S. 1, § 19 Abs. 1
SGB XII SGB XII § 74
AGBGB Art. 71

 

Leitsatz

1 Haften mehrere Angehörige gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten, kann sich die Gemeinde an denjenigen Bestattungspflichtigen halten, der die Gewähr bietet, die Summe begleichen zu können.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit Art. 14 Abs. 2 S. 2 BestG die Entscheidung in das Ermessen der Behörde stellt („kann“), handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Verwaltungsstreitsache konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sowohl der Klägerbevollmächtigte (Schreiben vom …07.2016) als auch die Beklagte (Schreiben vom 14.7.2016) darauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, insbesondere wahrt die am 4. Januar 2016 erhobene Klage die Klagefrist des § 74 VwGO. Der Bescheid vom 19. November 2015 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 3. Dezember 2015 zugestellt (Bl. 75 BA). Die Klagefrist begann am 4. Dezember 2015 zu laufen (§ 57 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, den 4. Januar 2016 (§ 57 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 2 BGB, § 193 BGB).
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Bestattungsverordnung (BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend gewesen sind.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Die Bestattung des Verstorbenen musste von der Beklagten von Amts wegen durchgeführt werden, da die Beklagte mit zumutbarem Aufwand die Anschriften der bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen innerhalb der Bestattungsfrist des § 19 Abs. 1 BestV nicht ermitteln konnte; die Kinder haben von sich aus auch keinen Bestattungsauftrag erteilt. Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG waren nicht erfolgversprechend, nachdem die Anschriften der Kinder des Verstorbenen nicht bekannt waren und erst im Februar 2014 der Beklagten bekannt geworden sind.
Als Tochter des Verstorbenen gehört die Klägerin zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. § 15, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b) BestV bestattungspflichtig sind.
Da die Klägerin und ihr Bruder für den Betrag gesamtschuldnerisch haften, kann sich die Beklagte auch an denjenigen Bestattungspflichtigen halten, der die Gewähr bietet, die Summe begleichen zu können. Gleichrangig Pflichtige sind Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Die Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern die Beklagte heranzieht, fällt in ihren Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Schuldnerauswahl der Beklagten vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG die Entscheidung in das Ermessen der Behörde stellt („kann“), handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Dies folgt aus der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG, wonach es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern entspricht, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Einer Darlegung der Ermessenserwägungen bedarf es hier nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – juris Rn. 6). Solche außergewöhnlichen Umstände liegen hier nicht vor.
Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH Baden- Württemberg, U.v. 25.9.2001 – 1 S 974/01 – juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 – juris). Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten.
Die Einlassung des Prozessbevollmächtigten, die Beklagte mache auch „fremde“ Kosten für die Beerdigung des Verstorbenen geltend, ist unzutreffend. Die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Kostenrechnung vom 30. März 2012 beinhaltet nur Positionen, die die Beklagte als Trägerin der Aufgabe „Bestattung“ im eigenen Wirkungskreis (Art. 83 BV, Art. 57 GO) für die von dem beauftragten Bestattungsunternehmen (Städtische Bestattung) für diesen Zweck erbrachte Leistung verlangen kann. Dass daneben auch die Gemeinde … für von ihr (ebenfalls im eigenen Wirkungskreis) erbrachte Leistungen für die Bestattung des Verstorbenen einen Kostenbescheid erließ, ist folgerichtig und entbindet die Klägerin nicht davon, die im Wege der Ersatzvornahme angefallenen Bestattungskosten der Beklagten zu bezahlen. Dass bei Fällen wie dem vorliegenden – wenn Wohn- und Sterbeort auseinanderfallen – eine zweimalige Organisationsgebühr in Höhe von 95 € anfällt, liegt in der Natur der Sache, da mit dem Sterbefall beide Gemeinden jeweils in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich befasst sind und die anfallenden Arbeiten auf ihrem Zuständigkeitsgebiet in Auftrag geben müssen. Die Höhe der Organisationsgebühr ist mit 95 € für die Organisation der Bestattung angemessen und entspricht der von der Beklagten üblicherweise erhobenen Gebühr (vgl.www.städtische-bestattung-münchen.de/index_kosten.html).
Die weitere Einlassung des Prozessbevollmächtigten, die geltend gemachten Kosten für die Ausstattung des Sarges und Kleidung des Verstorbenen sei unangemessen, ist nicht nachvollziehbar. Es handelt sich durchweg um notwendige Kosten, die auch gemäß § 74 SGB XII erstattungsfähig wären.
Die für Leistungen des beauftragten Bestatters (städtische Bestattung) in Rechnung gestellten Kosten (vgl. Rechnung vom 30. März 2012) für Sarg, Sargausstattung und Kleidung etc. entsprechen einer Bestattung in sehr schlichter Ausführung, wie sie auf der Homepage der Städtischen Bestattung veröffentlicht sind (www.städtische-bestattung-münchen.de/index_kosten.html). Es handelt sich hierbei ohne Zweifel um notwendige Kosten der Bestattung i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG. Dies gilt auch für die Kosten des Transports vom Sterbeort zum Krematorium München in Höhe von 198 €. Auch diese Kosten sind Kosten für der Bestattung notwendig vorausgehende Verrichtungen und zählen damit zu den notwendigen Kosten, die von den Bestattungspflichtigen zu tragen sind.
Der Anspruch der Beklagten ist auch nicht gemäß Art. 71 Abs. 1 AGBGB erloschen. Danach erlöschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche einer bayerischen Gemeinde, soweit nichts anderes bestimmt ist, in drei Jahren, Art. 71 Abs. 1 Nr. 1 AGBGB. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, nicht jedoch vor Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Demnach hat die dreijährige Erlöschensfrist vorliegend mit dem Schluss des Jahres 2012 begonnen. Durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. November 2015, der dem Kläger am 3. Dezember 2015 zugestellt wurde, wurde das Erlöschen des Anspruchs zum Ende des Jahres 2015 gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz gehemmt.
Der Anspruch der Beklagten ist entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung sowie das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG v. 16.4.2002 Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 164). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat den Anspruch ca. 1 ½ Jahre nach Kenntnis der Anschriften der bestattungspflichtigen Kinder mit Bescheid geltend gemacht. Zuvor hat sie die Klägerin und ihren Bruder angeschrieben und sie gebeten, die Kosten zu bezahlen. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die die Geltendmachung der Bestattungskosten als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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