IT- und Medienrecht

Antrag der Vollstreckungsgläubigerin auf Androhung eines Ordnungsgeldes

Aktenzeichen  B 5 V 17.17

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149793
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
ZPO § 890 Abs. 2
VwGO § 172

 

Leitsatz

1 Für die Androhung eines Ordnungsgeldes gegenüber einem Träger hoheitlicher Gewalt fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis, weil dieser sich wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz und wegen Art. 19 Abs. 4 GG über eine gerichtliche Entscheidung nicht hinwegsetzen darf und nicht hinwegsetzen wird. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 890 Abs. 2 ZPO ist in Bezug auf die Durchsetzung einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO nicht anwendbar. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Vollstreckungsgläubigerin begehrt die Androhung von Ordnungsgeld gegenüber der Antragsgegnerin und Vollstreckungsschuldnerin.
1. Auf Antrag der Antragstellerin verpflichtete das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth die Antragsgegnerin mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. Dezember 2016 im Wege der einstweiligen Anordnung, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einer noch zu erhebenden Hauptsacheklage in der auf ihrer Homepage abrufbaren Pressemitteilung vom 7. November 2016 mit der Überschrift „Demokratische Grundordnung wird angegriffen“ die Worte „und sogar zu kriminellen Handlungen aufzurufen“ zu löschen; im Übrigen lehnte es den Antrag ab (Az. B 5 E 16.832). Am 28. Dezember 2016 beantragte die Antragstellerin gem. § 172 VwGO die Androhung eines Zwangsgeldes „für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Verbot“. Nach Hinweis der Antragsgegnerin, dass sie der Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung sofort und vollumfänglich nachgekommen sei (Schreiben vom 29.12.2016), nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück; das Gericht stellte nachfolgend das Verfahren ein (Beschluss vom 29.12.2016, Az. B 5 V 16.928).
2. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 9. Januar 2017, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, beantragte die Antragstellerin in Bezug auf die einstweilige Anordnung vom 20. Dezember 2016, die Androhung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Verbot.
Zur Begründung wird vorgetragen, es sei zur Vermeidung der negativen Konsequenz des § 929 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlich, dass die Antragstellerin die einstweilige Anordnung vollziehe. Hierfür reiche im Verwaltungsverfahren die bloße Zustellung von Amts wegen nicht aus; es bedürfe zusätzlich einer Androhung eines Ordnungsmittels gem. § 929 Abs. 2 ZPO. Das Vorliegen einer Zuwiderhandlung sei nicht erforderlich.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes zurückzuweisen.
Zur Begründung wird vorgetragen, der Antrag beziehe sich auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden (§ 890 ZPO). Der Beschluss vom 20. Dezember 2016 verlange dagegen ein Tun, nämlich die Löschung bestimmter Worte in einer Pressemitteilung. Eine Androhung und Vollstreckung nach § 890 ZPO sei daher nicht möglich. Zudem sei ausschließlich die VwGO anwendbar; der durch § 172 VwGO gewährte Schutz reiche aus. Ein weitergehendes Rechtsschutzbedürfnis bestehe nicht. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2017 ließ die Antragstellerin vortragen, der Tenor des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 enthalte unabhängig von seinem konkreten Wortlaut ein Unterlassungsgebot, zumindest aber ein damit vergleichbares Gebot. Würde man etwas anderes annehmen, so hätte die Antragsgegnerin der Anordnung auch dann genügt, wenn sie die Passage einmal gelöscht und anschließend den ursprünglichen Wortlaut wieder ergänzt hätte. Hierdurch wären der Sinn und Zweck der Anordnung konterkariert. Daher sei in der Anordnung der Löschung auch das Gebot des Gelöschthaltens enthalten, sodass hinsichtlich der konkreten Pressemitteilung auf der Webseite ein Unterlassungsanspruch bestehe und tituliert sei. Jedenfalls seien aufgrund der inhaltlichen Nähe die für Unterlassungsansprüche geltenden Regeln anwendbar. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin habe das Gericht eine Wiederholungsgefahr bejaht. Diese bestehe nach wie vor, wie sich aus der zwischen den Parteien geführten außergerichtlichen Korrespondenz vom 13. Januar 2017 und 18. Januar 2017 hervorgehe. Die Antragstellerin habe die Antragsgegnerin um eine Klarstellung gebeten, ob die Löschung allein vor dem Hintergrund des gerichtlichen Verbots erfolgt sei oder ob unabhängig von einem solchen Verbot nicht mit einer Wiederholung gerechnet werden müsse. Die Antragsgegnerin habe in ihrem Schreiben deutlich gemacht, dass die Löschung allein vor dem Hintergrund der gerichtlichen Anordnung erfolgt sei. Somit sei in dem Moment, in dem die gerichtliche Anordnung wegfalle oder diese nicht mehr vollstreckt werden könne (§ 929 Abs. 2 ZPO), mit der Wiederholung zu rechnen.
Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 trugen die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vor, dass sich die Antragsgegnerin an die Verpflichtung in Nr. 1 des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 selbstverständlich halten werde.
3. Ergänzend wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist unzulässig (dazu unten Buchst. a) und hat auch in der Sache keinen Erfolg (dazu unten Buchst. b).
a) Der Antrag der Vollstreckungsgläubigerin auf Androhung eines Ordnungsgeldes ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.
Es ist zwar nach allgemeiner Ansicht für die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich, dass bereits eine Zuwiderhandlung bzw. ein besonderes, über das allgemeine, d.h. bei jeder Rechtsverfolgung geforderte Rechtsschutzinteresse hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis vorliegt (vgl. nur Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, § 890 Rn. 19; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 890 Rn. 11).
Vorliegend fehlt es aber bereits an dem Vorliegen eines allgemeinen Rechtsbedürfnisses der Vollstreckungsgläubigerin, weil erwartet werden kann, dass sich die Antragsgegnerin als an Gesetz und Recht gebundene Trägerin hoheitlicher Gewalt nicht über die gerichtliche Entscheidung hinwegsetzen wird. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin und Vollstreckungsschuldnerin sowohl gegenüber der Antragstellerin (Schreiben vom 18.1.2017) aus auch gegenüber dem Gericht (Schriftsatz vom 6.2.2017) ausdrücklich erklärt hat, sich „selbstverständlich“ an die Verpflichtung in Nr. 1 des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 halten zu wollen, ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und Vollstreckungsschuldnerin von Verfassungs wegen nach Art. 19 Abs. 4 GG gehindert ist, sich über die einstweilige Anordnung hinwegzusetzen (vgl. BayVGH B.v. 5.8.2014 – 3 CE 14.771 – juris Rn. 50; so wohl auch Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 VwGO Rn. 171a).
b) Darüber hinaus hat der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Gemäß § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 1 und 2 ZPO ist ein Schuldner, wenn er der Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen, wegen jeder Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen, wobei dieser Verurteilung eine entsprechende Androhung vorauszugehen hat.
aa) Zur Überzeugung des Gerichts scheitert die von der Antragstellerin begehrte Androhung eines Ordnungsgeldes bereits an dem Umstand, dass die Regelung des § 890 Abs. 2 ZPO in Bezug auf die Durchsetzung einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO nicht anwendbar ist. Die Kammer teilt insoweit die in der Literatur vertretene und überzeugend begründete Auffassung, dass Sinn und Zweck der in der Verwaltungsgerichtsordnung enthaltenen Vollstreckungsregelungen für ein umfassendes Verständnis des § 172 VwGO bezüglich der Durchsetzung einer einstweiligen Anordnung sprechen. Demnach wollte der Gesetzgeber mit der vorgenannten Regelung alle Fälle der Erzwingung hoheitlicher Amtshandlungen außerhalb der Geldvollstreckung erfassen. Nach dieser überzeugenden Auffassung bedarf es mithin gegenüber der an Gesetz und Recht gebundenen Verwaltungsbehörde in aller Regel nicht der „scharfen ZPO-Vollstreckung“ (so: Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 172 Rn. 16/18; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 VwGO Rn. 171a; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 167 Rn. 10).
bb) Selbst dann, wenn man hier zur Anwendbarkeit der § 890 ZPO käme, führte das nicht dazu, dass gegenüber der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld anzudrohen wäre, weil die Voraussetzungen dieser Regelung vorliegend nicht erfüllt sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Vollstreckung – auch im Verwaltungsprozessrecht – grundsätzlich nach dem Inhalt des zu vollstreckenden Titels richtet. Somit ist zur Abgrenzung der einzelnen in § 887, § 888 und § 890 ZPO geregelten Fallgruppen auf den Kern der nach dem Vollstreckungstitel geschuldeten Leistung des Schuldners abzustellen (BayVGH B.v. 30.3.2006 – 15 C 05.2757 – juris Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 887 ZPO Rn. 2). Demnach ist nur dann, wenn der Titel auf ein Unterlassen beschränkt ist, auch der in der Aufrechterhaltung des Zustands liegende Verstoß gegen den Titel nach § 890 ZPO zu vollstrecken; ist dagegen dem Schuldner ausdrücklich aufgegeben, den Zustand zu beseitigen, kommt insoweit nur die Handlungsvollstreckung nach §§ 887 f. ZPO in Frage. Voraussetzung für die Anwendung des § 890 ZPO ist mithin, dass der zu vollstreckende Anspruch auf Unterlassung einer Handlung gerichtet ist oder dazu verpflichtet, die Vornahme einer Handlung zu dulden (vgl.: Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 890 Rn. 2; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 890 Rn. 2).
Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber gerade nicht vor. Denn das Gericht hat die Antragsgegnerin in dem Beschluss vom 20. Dezember 2016 ausdrücklich nur zu Löschung der dort näher bezeichneten Worte und damit zur Vornahme einer Handlung verpflichtet (Nr. 1 Satz 1 des Beschlusstenors); im übrigen hat es den Antrag abgelehnt (Nr. 1 Satz 2 des Beschlusstenors). Von der Ablehnung umfasst ist, wie sich aus den Gründen des Beschlusses zweifelsfrei ergibt, das von der Antragsgegnerin in der Antragsschrift vom 23. November 2016 geltend gemachte Unterlassungsbegehren (vgl. S. 8 f., 11. f. des Beschlusses vom 20.12.2016). Insoweit scheidet eine Anwendung des § 890 ZPO bereits tatbestandlich aus.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen. Das Kostenverzeichnis zum GKG (KV-GKG) trifft in Nummer 5301 nur eine Regelung für die Zwangsvollstreckung nach § 169, § 170 und § 172 VwGO. Einschlägig ist daher die allgemeine Regelung in Nummer 2111 KV-GKG, die für Verfahren über Anträge nach § 890 ZPO eine Festgebühr von 20 Euro vorsieht (wie im Übrigen auch die Regelung in Nummer 5301 KV-GKG).


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