IT- und Medienrecht

Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, die aufgrund eines Anerkenntnisses erging und nicht im Parteibetrieb zugestellt wurde

Aktenzeichen  1 HK O 1118/17

Datum:
27.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40447
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 927, § 929 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die vom OLG nach einem Anerkenntnis der Verfügungsbeklagten erlassene einstweilige Verfügung ist nicht wegen Versäumung der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben, wenn sie nur von Amts wegen und nicht im Parteibetrieb zugestellt wurde. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Kenntlichmachung des Vollziehungswillens durch Handlungen, die Vollziehungsdruck erzeugen, bedarf es nach Ansicht der Kammer nicht im Falle der einstweiligen Verfügung in Urteilsform, die auf einem Anerkenntnis des Schuldners beruht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Gläubiger kann davon ausgehen, dass der anerkennende Schuldner die Unterlassung freiwillig erfüllt.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag der Antragsgegner vom 15.12.2017 auf Aufhebung der mit Anerkenntnisurteil vom OLG München am 9.11.2017 erlassenen einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen, einschließlich der Kosten des angerufenen, sachlich unzuständigen OLG München.
3. Das Urteil ist für die Antragstellerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens wird auf 33.333,33 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag ist nach § 927 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
I.
1. Der Aufhebungsantrag ist zulässig.
Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO fehlt, wenn weitere Auswirkungen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht mehr drohen (Zöller ZPO 32. Aufl. 2018 § 927 Rn. 3). Das ist hier nicht der Fall, weil die Antragstellerin nicht auf ihre Rechte aus dem Anerkenntnisurteil verzichtet hat, auch nicht aus den Rechten aus der dortigen Kostenentscheidung. Zudem verfolgen die Antragsgegner mit dem Aufhebungsantrag u.a. auch die Änderung der Kostenentscheidung aus dem Anerkenntnisurteil.
Unerheblich sind die Einwendungen der Antragstellerin, dass die Antragsgegner an ihr Anerkenntnis gebunden seien und das Anerkenntnisurteil nicht angefochten werden könne. Es geht hier allein darum, ob die einstweilige Verfügung des OLG München aufzuheben ist, weil sie nicht im Parteibetrieb gem. § 929 Abs. 2 ZPO zugestellt und vollzogen wurde. Es kommt daher hier im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung auch nicht darauf an, dass sich die Antragsgegner widersprüchlich verhalten und sich zu dem Anerkenntnis in Widerspruch setzen.
2. Gem. §§ 936, 927 Abs. 1 ZPO kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände beantragt werden.
Veränderte Umstände liegen auch vor, wenn die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO abgelaufen ist, ohne dass Vollziehung erfolgt ist (Zöller wie oben § 927 Rn. 6).
Die Frist wahrende Vollziehung der einstweiligen Verfügung muss im Regelfall durch Zustellung im Parteibetrieb erfolgen. Ausnahmsweise kann auch lediglich die amtswegige Zustellung einer Leistungsverfügung mit Strafandrohung nach § 890 Abs. ZPO ausreichen, wenn nach den Umständen an der Ernstlichkeit des Anliegens des Antragstellers kein Zweifel besteht und eine zusätzliche Parteizustellung auf eine bloße Förmlichkeit hinausliefe (Zöller wie oben § 929 Rn. 12).
Die herrschende Meinung (so beispielhaft OLG Oldenburg Beschluss vom 14.9.2010, 1 W 40/10, zitiert nach iuris, Rn. 11) befasst sich – soweit ersichtlich – mit streitigen Urteilen. Das Gericht ist hier der Überzeugung, dass eine einstweilige Verfügung aufgrund eines Anerkenntnisses einer anderen Beurteilung unterliegt.
Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO soll sicherstellen, dass der Verfügungsgrund im Zeitpunkt der Vollziehung noch fortwirkt und dient damit dem Schuldnerschutz. Für solche Schuldner, die vom Erlass der einstweiligen Verfügung Kenntnis haben, bewirkt die Vollziehungsfrist, dass diese Schuldner nicht über längere Zeit im ungewissen gehalten werden, ob sie aus dem Titel noch in Anspruch genommen werden. Zur Äußerung des Vollziehungswillens reicht nach herrschender Meinung aus, wenn der einstweilige Verfügungstitel auch im Urteilsverfahren im Parteibetrieb zugestellt wird oder andere Handlungen, die einen vergleichbaren Vollstreckungsdruck erzeugen (OLG Köln GRUR-RR 2018, 268/270) wie Zustellung eines Ordnungsmittelantrags, eine vom Schuldner vereitelte und deshalb unwirksame Vollziehungsmaßnahme.
Die Kenntlichmachung des Vollziehungswillens durch Handlungen, die Vollziehungsdruck erzeugen, bedarf es nach Ansicht der Kammer nicht im Falle der einstweiligen Verfügung in Urteilsform, die auf einem Anerkenntnis des Schuldners beruht. Hier hat sich der Schuldner freiwillig der zu unterlassenden Handlung unterworfen. Der Gläubiger kann davon ausgehen, dass der anerkennende Schuldner die Unterlassung freiwillig erfüllt. Es bedarf weder aus der Sicht des Gläubigers noch des anerkennenden Schuldners der Bestätigung des Vollziehungswillens noch des Aufbaus von Vollstreckungsdruck. Im Falle des Anerkenntnisses stellt die Zustellung des Urteils im Verfahren der Parteizustellung tatsächlich eine bloße, nutzlose Förmlichkeit dar.
Insofern überzeugen die Kammer auch nicht die Ausführungen des LG Stuttgart Urteil vom 21.2.2014, Az. 11 O 28/13, zitiert nach iuris Rn 36 und 38 nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass es bei einem Schuldner, der sich freiwillig unterwirft, und einer Gläubigerin, die einstweilige Verfügung im Berufungsverfahren erkämpft, noch ein „irgendwie geartetes Signal des Gläubigers erforderlich“ sein soll, das seinen Vollziehungswillen zweifelsfrei dokumentiert. Auch wenn dem Anerkenntnis keine materiell-rechtliche Erklärungswirkung zukommt (Zöller wie oben Vorbemerkungen zu §§ 306, 307, Rn. 3), sind die Antragsgegner jedenfalls im Verfügungsverfahren einschließlich deren Vollstreckung an das Anerkenntnis gebunden (Zöller wie oben § 307, Rn. 4).
Es stellt daher eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich die Antragsgegner hier auf eine fehlende Vollziehung des Anerkenntnisurteils in der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO berufen.
II.
1. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
Die Antragstellerin kann ihre Kosten vollstrecken. Diese werden 1.500,00 € (§ 708 Nr. 11 ZPO) übersteigen.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt hier dem Hauptsachewert von 33.333,33 €, da es nicht nur um den formalen Bestand des Anerkenntnisurteils geht (Zöller wie oben § 3 Rn. 16, Stichwort: Einstweilige Verfügung; OLG Frankfurt Beschluss vom 28.1.2014, Az. 6 W 106/13, zitiert nach iuris). Vorliegend stand nicht fest, dass die Antragstellerin den Verfügungsantrag im Rahmen einer Hauptsacheklage nicht weiter verfolgen wollte, sondern den Antrag mangels fortbestehendem Rechtsschutzinteresses für erledigt hielt (hierzu KG Berlin Beschluss vom 21.9.2001, Az. 5 W 40/01, zitiert nach iuris Rn. 2). Vielmehr hat hier die Antragstellerin die Unterlassungsanträge Ziffer 1 a und 1 b im Hauptsacheverfahren 1 HK O 517/18 weiterverfolgt.
Verkündet am 27.07.2018


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