IT- und Medienrecht

Ausgleichsanspruch des Online-Zahlungsdienstleisters bei Zahlung an Anbieter von verbotenen Glücksspielen

Aktenzeichen  174 O 13809/19

Datum:
4.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42943
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 670, § 675c Abs. 1
GlüStV § 4 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Ein Online-Zahlungsdienstleister, der Geld im Auftrag seines Kunden an einen Anbieter von in Deutschland verbotenen Glücksspielen weiterleitet, handelt nicht rechtswidrig im Sinne von § 134 BGB, so dass das durch die Zahlung entstandene Negativsaldo des Kunden von diesem auszugleichen ist. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.755,09 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.06.2017 sowie weitere 484,50 € nebst Zinsen aus 10,00 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2018 sowie aus 474,50 € seit dem 12.08.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Durch die erfolgte Verweisung entstandenen Kosten hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 4.755,09 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und bis auf Teile der Nebenforderungen auch begründet.
Das Amtsgericht München ist örtlich gem. §§ 12, 13 ZPO, sachlich gemäß §§ 23, 71 GVG zuständig.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 4.755,09 € gem. §§ 675 c Abs. 1, 670 BGB. Die Klägerin hat die vom Beklagten autorisierten Zahlungsanweisungen ordnungsgemäß ausgeführt. Die Höhe der einzelnen Aufladungen sowie der erfolgten Stornierungen durch den Beklagten einschließlich des ausgewiesenen Negativsaldos in Höhe von 4.755,09 € am 20.06.2017 ist unstreitig.
Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe die Transaktionen durchgeführt, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass sie für in Deutschland nicht erlaubtes Glücksspiel verwendet wurden, wurde von der Klägerin bestritten. Ein Beweisangebot des beweisbelasteten Beklagten ist nicht erfolgt.
Selbst wenn man von einer Kenntnis der Klägerin ausginge, bliebe der Anspruch der Klägerin bestehen. § 134 BGB steht dem nicht entgegen, weil die Verbotsnorm allenfalls im Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Glücksspielveranstalter gilt und sich nicht auf den zwischen diesen beiden Parteien geschlossenen Vertrag bezieht. Der zwischen den Parteien geschlossene Kreditvertrag ist hingegen nicht gem. § 134 BGB nichtig, da dieser als solcher gegen kein gesetzliches Verbot verstößt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten wirkt die Klägerin durch die vom Beklagten autorisierte Zahlung an Glücksspielveranstalter auch nicht nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV am unerlaubten Glücksspiel mit. Zwar verbietet diese Vorschrift auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubten Glücksspiel. Allerdings dient sie im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht dazu, Dritte als verantwortlichen Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden, in Anspruch zu nehmen. Hierfür bestehen auch nach dem Vortrag des Beklagten keine Anhaltspunkte.
Auch bestand seitens der Klägerin gegenüber dem Beklagten keine Prüfungs- oder Warnpflicht, um ihm möglicherweise vor illegalen Zahlungsvorgängen zu schützen oder hiervon abzuhalten. Die Klägerin war vertraglich dazu verpflichtet, die ausgefüllten Konten nach Anweisung des Beklagten weiterzuleiten. Eine Prüfung, ob dem Vertragsunternehmen eine wirksame Forderung gegen den Karteninhaber zusteht, ist grundsätzlich nicht erforderlich (OLG München vom 06.02.2019, Az. 19 U 793/18).
Die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen gründet auf §§ 286, 288 BGB. Der Beklagte befand sich spätestens seit dem 21.06.2017, einen Tag nach der letzten stornierten Überweisung am 20.06.2017 in Verzug. Der Beklagte war gem. Ziff. 10 der klägerischen AGB verpflichtet, kein Negativsaldo entstehen zu lassen bzw. diesen unverzüglich auszugleichen.
Weiter hat der Beklagte der Klägerin 10,00 € Rückbuchungsgebühr gem. Ziff. 10.1 AGB zu erstatten. Diese sind ebenfalls ab dem 20.07.2017 zu verzinsen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zudem einen Anspruch auf Zahlung von Inkassokosten in Höhe von 474,50 €, §§ 286, 288 BGB. Der Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassobüros in Verzug. Es ist nach höchst richterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass entstandene Inkassokosten als Verzugsschaden erstattungsfähig sind. Dabei sind solche Kosten zu erstatten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist insofern die Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person, wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, sondern die voraussichtliche weitere Entwicklung abzuschätzen ist. Danach darf der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassounternehmens nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sein. Dies war vorliegend nicht der Fall. Da die geltend gemachten Inkassokosten nicht höher ausfallen als die Kosten, die bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden wären, sind diese erstattungsfähig. Der Zinsanspruch dieser Forderung beruht auf §§ 268, 288 BGB.
Die weiter geltend gemachten zusätzlich angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind vom Beklagten hingegen nicht zu erstatten. Nachdem das beauftragte Inkassounternehmen erfolglos agiert hatte, war eine zusätzliche Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei mit einer außergerichtlichen Beitreibung der Forderung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gläubigers nicht erforderlich. Die Klage war insofern abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 711 ZPO.


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