Aktenzeichen M 9 K 18.2459
§ 12 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1, Satz 2, Satz 4 ZeS
Leitsatz
1. Die Erledigung auf andere Weise ist deswegen, weil die anderen Erledigungstatbestände in Art. 43 Abs. 2 VwVfG an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand anknüpfen, restriktiv anzuwenden und nur in Ausnahmefällen anzunehmen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2012, 53675). (Rn. 20). Eine anerkannte Fallgruppe ist die Zweckerreichung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein zweckentfremdungsrechtlicher Auskunftsbescheid, der einen Zeitraum von einem Jahr rückgerechnet ab Bescheiddatum betrifft, entspricht nicht Art. 3 Abs. 1 S. 1 BayZwEWG, weil die Auskunftspflicht sich auf das Kalenderjahr bezieht und die zweckentfremdungsfreien acht Wochen dabei keine Berücksichtigung finden. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 16. April 2018 wird insoweit aufgehoben, als unter Nr. 1 vierter Spiegelstrich dieses Bescheids folgende Auskunftserteilung verfügt wird: „die Zeiträume, in der die Räumlichkeiten (Unterkunft) bis zu einem Jahr rückwirkend gebucht waren“.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin ¾, die Beklagte ¼.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist nur teilweise zulässig, nämlich nur in Bezug auf die Anfechtung von Nr. 1 Spiegelstrich vier des Bescheids vom 16. April 2018, in Bezug auf die Anfechtung der übrigen streitgegenständlichen Regelungen (Nr. 1 Spiegelstriche eins bis drei) ist die Klage dagegen unzulässig. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet, der Bescheid ist insofern (Nr. 1 Spiegelstrich vier) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
Die Anfechtung der Regelungen unter Nr. 1 Spiegelstriche eins bis drei des Bescheids ist unzulässig (geworden), da insofern Erledigung eingetreten ist. Die gewählte Anfechtungsklage ist jedoch nur richtige und damit statthafte Klageart gegen einen noch nicht erledigten Verwaltungsakt.
Die genannten drei Verfahrensgegenstände haben sich im Sinne von Art. 43 Abs. 2 Var. 5 BayVwVfG (Erledigung auf andere Weise) erledigt. Die Erledigung auf andere Weise wird nach der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung deswegen, weil die anderen Erledigungstatbestände in Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand anknüpfen, restriktiv angewendet und nur in Ausnahmefällen angenommen (BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris). Eine anerkannte Fallgruppe ist jedoch die Erledigung wegen Zweckerreichung, wenn der Regelungszweck deswegen vollständig entfällt bzw., genauer gesagt, erfüllt wird (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 43 VwVfG Rn. 217 m.w.N.). Das ist hier in Bezug auf die ersten drei Spiegelstriche von Nr. 1 der Bescheidsverfügungen der Fall. Durch die wenn auch unabsichtliche Preisgabe der Namen der Verfügungsberechtigten für die inserierte Wohnung sind der Beklagten unmittelbar die unter Nr. 1 Spiegelstrich eins abgefragten Namen bekannt geworden, insoweit ist der Regelungszweck erfüllt. Aber auch die Regelungszwecke von Nr. 1 Spiegelstriche zwei und drei sind dadurch erfüllt. Denn die Beklagte ist, wie sie auch selbst bestätigt hat (Schriftsatz vom 6.12.2018), dadurch auch auf die von Nr. 1 Spiegelstrich zwei und drei abgefragten Informationen gekommen (vgl. hierzu den Schriftsatz vom 11.10.2018 im Antragsverfahren Az. M 9 S 18.3098: Ermittelt werden konnten neben den persönlichen Daten der beiden Nutzer / Inserenten auch die Anschriften von insgesamt zwei von den beiden Nutzern angebotenen Objekte und die Information, dass nur eine der beiden Wohnungen Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts ist). Lediglich Nr. 1 Spiegelstrich vier hat sich nicht erledigt, da die damit abgefragten Daten der bekannt gewordenen Information weder unmittelbar noch mittelbar entnommen werden können.
Die Frage allein, ob das Auskunftsverlagen auch bezogen auf die von Nr. 1 Spiegelstriche eins bis drei abgefragten Informationen rechtmäßig gewesen ist, führt nicht dazu, dass eine Erledigung ausscheidet. Dafür ist nicht die Anfechtungsklage, sondern die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß bzw. hier analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die richtige Klageart. Eine Umstellung der Klageanträge wurde von den Bevollmächtigten der Klägerin jedoch nicht vorgenommen, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein ausreichendes besonderes Feststellungsinteresse vorliegt.
2. In Bezug auf die Anfechtung der Regelung unter Nr. 1 Spiegelstrich vier, d.h. soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet. Diese Verfügung ist rechtswidrig, weil sie von der zu Grunde liegenden Rechtsgrundlage nicht gedeckt ist und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die angegriffene Formulierung im hier streitgegenständlichen Bescheid vom 16.4.2018, Nr. 1 Spiegelstrich vier, nämlich die Abfrage der Zeiträume, in denen die Räumlichkeiten (Unterkunft) bis zu einem Jahr rückwirkend gebucht waren, ist mit der Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch nicht vereinbar.
Die gegenständliche Auskunftsanordnung stützt sich auf Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 und Satz 5 ZwEWG n.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1, Satz 2, Satz 4 ZeS n.F.
Hierzu wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil im Parallelverfahren Az. M 9 K 18.4553, dort insbesondere Seite 16 (= VG München, U.v. 12.12.2018 – M 9 K 18.4553 – juris Rn. 33), Bezug genommen. Diesem Verfahren lag ein Bescheid der Beklagten zu Grunde, in dem die Beklagte einen allgemeinen Auskunftsanspruch („Erteilen Sie uns […] schriftlich Auskunft hinsichtlich aller Inserate, die man mit den Suchoptionen „Unterkünfte in München“ und „Gesamte Unterkunft“ auf Ihrem Internetportal www.a… .de findet und die tatsächlich mehr als acht Wochen pro Kalenderjahr gebucht wurden“, außerdem die Eingrenzung bezogen auf die abgefragten Daten u.a. unter Nr. 1.3:„Die Zeiträume, in der [sic!] die Unterkunft gebucht war (vom 1. Januar 2017 an bis zum Datum dieses Bescheides)“) verfügt hatte.
Anders als dort ist hier weder eine Beschränkung auf die Buchungen über acht Wochen noch eine Anknüpfung an das Kalenderjahr verfügt; vielmehr enthält der hier streitgegenständliche Bescheid als zeitliche Grenze „bis zu einem Jahr rückwirkend“. Eine ausdrückliche Festlegung, ab wann der Zeitraum beginnen soll, fehlt zwar. Das kann der Regelung aber noch im Wege der Auslegung entnommen werden, nämlich ab dem Bescheidsdatum.
Ob das Fehlen der Begrenzung der Mitteilungspflicht auf Buchungen, die länger als acht Wochen dauern, für sich genommen schon schädlich ist, kann offen bleiben. Zwar spricht insofern grundsätzlich nichts dagegen, dass der Auskunftspflichtige nur quasi die Rohdaten mitteilt und die Prüfung bezogen auf den Zeitraum der Beklagten überlassen bleibt.
Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidungserheblich an. Denn bereits wegen der fehlenden Bezugnahme der Auskunftspflicht auf das Kalenderjahr bzw. die fehlende In-Bezug-Setzung von zweckentfremdungsfreiem Acht-Wochen-Zeitraum und Kalenderjahr entspricht die streitgegenständliche Auskunftspflicht nicht mehr der zu Grunde liegenden Rechtsgrundlage, den aktuell gültigen Regelungen Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 und Satz 5 ZwEWG n.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2, Satz 4 ZeS n.F.
Grund hierfür ist, dass einerseits die zweckentfremdungsfreien acht Wochen pro Kalenderjahr erstmals in den aktuell geltenden zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften geregelt sind (Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS; die vorherigen Fassungen, Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG a.F., § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS a.F. bestimmten noch „nicht nur vorübergehend“, aber ohne Anbindung an das Kalenderjahr). Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 und Satz 5 ZwEWG n.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2, Satz 4 ZeS n.F. können die hier streitgegenständliche Verfügung wegen ihres jeweiligen Inkrafttretens (ZwEWG: 29. Juni 2017, ZeS: 11. Dezember 2017) nicht stützen. Art. 4 Satz 1 ZwEWG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 ZeS a.F. sahen nämlich andererseits noch keine Auskunftsverpflichtung von Vermittlern bzw. Diensteanbietern vor. Das schadet auch grundsätzlich nicht, da ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG, damit nicht verbunden ist, da die zweckentfremdungsrechtlich zulässige Höchstvermietungsdauer – acht Wochen – auf das Kalenderjahr abstellt; Rechtsänderungen im Laufe des Kalenderjahres, auf deren Basis im Einzelfall Verfügungen ergehen, stellen damit von vorn herein keinen Eingriff in abgeschlossene Sachverhalte dar. Die entsprechende Verfügung des Auskunftsanspruchs im Parallelfall des allgemeinen Auskunftsanspruchs im Verfahren Az. M 9 K 18.4553 ist daher auch nicht zu beanstanden, da dort (siehe oben) die Verfügung des Auskunftsanspruchs begrenzt ist auf Buchungen von mehr als acht Wochen pro Kalenderjahr. Das ist jedoch bei der hier streitgegenständlichen Verfügung nicht der Fall. Vielmehr kommt man beim hier streitgegenständlichen Bescheid bezogen auf Nr. 1 Spiegelstrich vier – ein Jahr zurückgerechnet vom Bescheidsdatum, also auf den 16. April 2017 – auf einen Zeitraum, der gar keine bzw. keine ganzen Kalenderjahre betrifft, und somit zu einem abgefragten Zeitraum, der mit den erst seit 29. Juni 2017 (ZwEWG) bzw. 11. Dezember 2017 (ZeS) geltenden Rechtsgrundlagen für den Auskunftsanspruch nicht in Einklang steht und neu an bereits abgeschlossene Sachverhalte anknüpfen würde. Das wirkt sich wiederum wegen des abgefragten Inhalts nur bei der Verfügung unter Nr. 1 Spiegelstrich vier aus, bei den übrigen Verfügungen unter der Nr. 1 dagegen nicht, unabhängig davon, dass insofern ohnehin wegen der Unzulässigkeit keine Begründetheitsprüfung stattfindet.
Nach alledem ist die Regelung unter Nr. 1 Spiegelstrich vier des Bescheids aufzuheben, im Übrigen die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.