IT- und Medienrecht

Beitreibung eines fällig gestellten Zwangsgeldes trotz inzwischen erfolgter Umsetzung einer Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  AN 9 K 19.01532

Datum:
10.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 37 Abs. 4 S. 1, 2, Art. 22

 

Leitsatz

1. Während die Einstellung der Vollstreckung allgemein und umfassend in Art. 22 VwZVG geregelt ist, behandelt Art. 37 Abs. 4 VwZVG einen Unterfall der Einstellung der Vollstreckung, über die die Vollstreckungsbehörde entscheidet (Anschluss an VG München BeckRS 2015, 117800). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Grundsatz, dass die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachgekommen ist, erfährt für Duldungs- und Unterlassungspflichten in Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG eine Einschränkung.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob der Pflichtige zwischenzeitlich seiner Verpflichtung aus dem Ausgangsbescheid unter dem Druck der Vollstreckung der fällig gestellten Zwangsgelder nachgekommen ist, ist für die Frage, ob die Beitreibung der verwirkten Zwangsgelder einzustellen ist, unmaßgeblich (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 42385). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dadurch, dass eine Nutzungsuntersagung als grundsätzliche Unterlassungspflicht eine Pflicht zum aktiven Handeln mit umfasst, wird der Grundcharakter der Anordnung als Unterlassungspflicht nicht infrage gestellt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Aufgrund des beiderseitigen Verzichts der Beteiligten – der Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2019 sowie der Beklagten am 11. September 2019 – konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die von der Klägerin angeregte Verbindung des vorliegenden Verfahrens (§ 93 Satz 1 VwGO) mit dem Verfahren AN 9 K 18.0807 ist nicht erforderlich, da es sich vorliegend um zwei getrennt zu betrachtende Klagegegenstände handelt und der Klägerin durch die nicht gemeinsame Entscheidung der beiden Verfahren kein Nachteil entsteht.
1. Die Klage ist zulässig.
Der mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 konkretisierte Antrag der Klägerin ist nach §§ 86, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, gemäß Art. 37 Abs. 4 VwZVG die Zwangsvollstreckung des bereits fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 EUR einzustellen. Die in der mit dem Antrag verbundene „Bedingung“ ist als eine zulässige innerprozessuale Bedingung auszulegen und eingetreten, da mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2019 die Klage gegen die Fälligkeitsmitteilung abgewiesen wurde (AN 9 K 18.00807). Ein darüber hinaus gestellter Antrag auf Feststellung, dass die rechtlichen Voraussetzungen der Betreibung des Zwangsgeldes nicht gegeben sind, ist demgegenüber unzulässig, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
2. Die Klage ist nicht begründet, § 113 Abs. 5 VwGO.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Art. 37 Abs. 4 VwZVG. Die Beklagte hat das Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR mit Zwangsgeldfestsetzung vom 16. April 2018 zu Recht fällig gestellt. Die Zuwiderhandlung gegen die Nutzungsuntersagungsanordnung ergibt sich in eindeutiger Weise aus den Feststellungen der Beklagten im Rahmen der durchgeführten Ortsbesichtigungen und der hierbei angefertigten Lichtbilder. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach in den Verfahren AN 9 K 17.02189, AN 9 K 18.00895 sowie AN 9 K 18.00807 verwiesen.
Verwaltungsakte bayerischer Behörden, mit denen die Vornahme einer Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, können nach den Vorschriften der Art. 29 ff. VwZVG mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Eines der in Betracht kommenden Zwangsmittel ist das Zwangsgeld (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG). Wird die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt, kann die Vollstreckungsbehörde (vgl. 30 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) den Pflichtigen durch Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten (Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Das Zwangsgeld wird nach den Vorschriften der Art. 23 ff. VwZVG beigetrieben, wobei die Androhung des Zwangsgeldes gemäß Art. 36 VwZVG ein Leistungsbescheid im Sinn des Art. 23 Abs. 1 VwZVG ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 1, 2 VwZVG). Wird die Pflicht, zu deren Erfüllung durch das Zwangsgeld angehalten werden soll, nicht innerhalb der bei der Androhung gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzten Frist erfüllt, so wird die Zwangsgeldforderung im Sinn des Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG fällig. Das Zwangsmittel kann dann von der Vollstreckungsbehörde, auch wiederholt, angewendet werden (Art. 37 Abs. 1 Satz 1, 2 VwZVG). Die Anwendung ist einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Ein angedrohtes Zwangsgeld ist jedoch grundsätzlich weiter beizutreiben, wenn einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht werden sollte (Art. Artikel 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG). Während die Einstellung der Vollstreckung allgemein und umfassend in Art. 22 VwZVG geregelt ist, behandelt Art. 37 Abs. 4 VwZVG einen Unterfall der Einstellung der Vollstreckung, über die die Vollstreckungsbehörde entscheidet (VG München, B.v. 6.7.2015 – M 17 E 15.817 – juris).
Das Bayerische Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz unterscheidet zwischen Handlungssowie Duldungs- und Unterlassungspflichten, die Gegenstand einer Vollstreckung sein können (vgl. Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Es gilt der Grundsatz, dass die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Dieser in Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG aufgestellte Grundsatz erfährt in Satz 2 eine Einschränkung. Danach kann ein angedrohtes Zwangsgeld trotz Erfüllung der Verpflichtung, die erzwungen werden soll, dann weiter beigetrieben werden, wenn es sich bei der Verpflichtung um eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht handelt. Ob der Pflichtige zwischenzeitlich seiner Verpflichtung aus dem Ausgangsbescheid unter dem Druck der Vollstreckung der fällig gestellten Zwangsgelder nachgekommen ist, ist für die Frage, ob die Beitreibung der verwirkten Zwangsgelder einzustellen ist, unmaßgeblich (BayVGH, B.v. 21.01.2015 – 1C 14.2460 – juris Rn. 4; VG München, B.v. 6. 7. 2015 – M 17 E 15.817 – juris).
2.1. Die Klägerin kann keinen Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG herleiten.
Bei der gegenüber der Klägerin in dem Bescheid vom 12. Oktober 2017 angeordneten Untersagung, das streitgegenständliche Anwesen …in … für die gewerbliche Nutzung eines Wettbüros zu nutzen, handelt es sich um eine Unterlassungspflicht im Sinne des Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG. Der Pflichtige hat es „im Wortsinne“ zu unterlassen, die Räumlichkeiten des Anwesens als Vergnügungsstätte in Gestalt eines Wettbetriebs zu nutzen.
Dadurch, dass die Nutzungsuntersagung als grundsätzliche Unterlassungspflicht eine Pflicht zum aktiven Handeln, wie zum Beispiel Entfernen der Monitore und Wettterminals, mit umfasst, wird der Grundcharakter der Anordnung als Unterlassungspflicht nicht infrage gestellt. So beinhalten Untersagungen – wie zum Beispiel baurechtliche Nutzungsuntersagung oder Gewerbeuntersagungen – bei bestehenden Zuwiderhandlungen wie im vorliegenden Fall ein aktives Handlungselement des Pflichtigen, Maßnahmen zu ergreifen, die bisherige rechtswidrige Nutzung einzustellen (VG München, B.v. 6.7.2015 – M 17 E 15.817 – juris). Der Schwerpunkt der angeordneten Verfügung verlagert sich jedoch nicht in ein Handeln, vielmehr ist bei der Anwendung der vollstreckungsrechtlichen Regelungen auf den Schwerpunkt der Anordnung im Bereich des Unterlassens abzustellen (VG Koblenz, U.v. 29.7.2014 – 4 K 251/14 – juris Rn. 31). Andernfalls würde die Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG bei bestehender Zuwiderhandlung gegen Unterlassungspflichten leer laufen, da in dieser Konstellation denknotwendig ein aktives Handlungselement, nämlich die Einstellung der Zuwiderhandlung, zur Erfüllung der Unterlassungspflicht notwendig ist.
Das vornehmliche Regelungsziel der Beklagten liegt darin, dass die Klägerin die Nutzung der Räumlichkeiten im Anwesen … in … als Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros/einer Wettannahmestelle unterlässt, da eine erforderliche Baugenehmigung für die aufgenommene Nutzungsänderung nicht vorliegt.
2.2. Ein Anspruch der Klägerin auf Einstellung der Zwangsvollstreckung kann auch nicht auf Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG gestützt werden.
Danach kann die Vollstreckungsbehörde von der Beitreibung absehen, wenn weitere Zuwiderhandlungen nicht mehr zu befürchten sind und diese eine besondere Härte darstellen würde.
Es sind keine Umstände dafür ersichtlich noch wurden solche vorgetragen, dass die Beitreibung der Zwangsgelder für die Klägerin eine besondere Härte darstellen würde. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist ebenfalls für das Gericht weder ersichtlich noch wurden hierzu seitens der Klägerin konkrete Umstände vorgetragen.
Nicht durchgreifen kann die Klägerin mit ihrem pauschalen Vortrag dahingehend, dass auf den angefertigten Fotografien des Wettbetriebes keine Kunden sichtbar seien und der Wettbetrieb nach Abzug der Miet- und Personalkosten keinerlei Umsätze erzielt habe, da die Klägerin keinerlei nähere Angaben – wie zum Beispiel durch Vorlage von Bilanzen des Wettbetriebes – dargelegt hat, die eine besondere Härte darstellen könnten. Damit scheidet erst recht eine Ermessensreduzierung der Klägerin auf Null im Hinblick auf ein Absehen von der Beitreibung des fällig gestellten Zwangsgeldes aus.
Die Klägerin hatte zudem mit der Fristsetzung der Beklagten von einem Monat ab Zustellung des Bescheides vom 12. Oktober 2017 ausreichend Zeit, die Nutzung des Wettbetriebes einzustellen und die hierzu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen.
Auch der von der Klägerin vorgebrachte Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung unter Nennung diverser gerichtlicher Verfahren führt zu keinem anderen Ergebnis, da in diesen Klageverfahren eine sog. Härtefallentscheidung nach Art. 37 VwZVG gerade nicht Gegenstand der Verfahren war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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