IT- und Medienrecht

Berichterstattung, Verletzung, Wiederholungsgefahr, Medien, Verfahren, Anlage, Herausgabe, Schiedsspruch, Klage, Ausnahme, Erbfall, Auseinandersetzung, Zeitpunkt, Namensliste, Bundesrepublik Deutschland, Beweis des ersten Anscheins

Aktenzeichen  9 O 18229/19

Datum:
23.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57762
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
zu berichten und/oder berichten zu lassen,
„Die Schwierigkeiten fingen allerdings nach dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 1977 an – mit einem Testament, das eindeutiger nicht sein konnte: … vermachte seine Anteile am Familienbesitz nur zwei Personen – seiner zweiten … und seiner …. Auch die Aufteilung zwischen beiden war klar festgelegt. Drei Viertel gingen an die Tochter, der Rest an die Ehefrau.“;
wie geschehen im …left … S. 38 ff. und in dem Online-Angebot … vom 08.10.2016 jeweils unter der Überschrift „Richtig in die Haare bekommen“.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 EUR, hinsichtlich Ziffer 2 in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage erweist sich als zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Klägerin durch die Veröffentlichung der Äußerungen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
1. Im vorliegenden Fall betrifft die beanstandete Berichterstattung die Privatsphäre der Klägerin.
Erbquoten eines Testamentes oder eines Erbvertrages wie demjenigen vom 15.03.1976 sind innere Familienangelegenheiten, die üblicherweise nicht in die Öffentlichkeit getragen werden und die somit der Privatsphäre zuzuordnen sind.
Für die von der Beklagtenseite vertretene Auffassung, es sei nur die Sozialsphäre betroffen, streitet auch nicht das Urteil des Landgerichts München I, Urteil vom 06.04.2011, 9 O 3039/11, juris. Das Urteil hatte die Veröffentlichung einer Namensliste der reichsten Deutschen zum Gegenstand. Dabei handelte es sich um ein Vermögen, das der dortige Kläger mit unternehmerischer Tätigkeit, mithin durch nach außen gerichtetes Tätigwerden erlangte (LG München I, a.a.O., Rn. 48). Das Landgericht München I konnte damit zu Recht die dortige Eingriffsqualität als im Randbereich zur Sozialsphäre liegend verorten. Ganz anders jedoch stellt sich die Eingriffsqualität dann dar, wenn nicht nur dargestellt wird, dass Firmenvermögen durch Erbfolge, sondern auch mit welcher genauen Erbquote gemeinsam mit welchem Miterben auf die Klägerin übergeht. Der Auffassung der Beklagtenseite kann daher nicht nähergetreten werden.
2. Der vorliegende Eingriff stellt sich in Abwägung des für die Klägerin streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der einen Seite und des zugunsten der Beklagtenseite wirkenden Rechts der Pressefreiheit auch als rechtswidrig dar.
a) Der Beklagtenseite ist zwar zunächst darin Recht zu geben, dass bei einer laufenden Erbauseinandersetzung betreffend eines der größten Familienvermögen der Bundesrepublik Deutschland ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht, wer mit welcher Quote Rechtsnachfolger des Erblassers geworden ist. Insoweit bestünde ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auch dann, wenn, wie hier, die Erbin bereits seit 1994/95 – mit einer Ausnahme – die Öffentlichkeit meidet und nicht aktiv mit der Presse kommuniziert.
b) Die Erbauseinandersetzung hat jedoch zur Überzeugung der Kammer spätestens im Jahr 2011 ein Ende gefunden.
Der Erbfall trat bereits im Jahr 1977 ein. Die Klägerin setzte sich mit der Miterbin in engem zeitlichen Zusammenhang, im Jahr 1978, auseinander dergestalt, dass sie Firmenanteile von Frau … gegen Zahlung von 28 Millionen DM erwarb.
Aus dem Urteil des Staates Freiburg, Anlage K2 und K2a (Übersetzung), dort unter Buchstaben Q und R, ergibt sich, dass im Jahr 2006 zugunsten der Klägerin ein klageabweisendes Urteil erging und ein in der Folgezeit angestrengtes Schiedsverfahren in Zürich im Jahr 2011 im Vergleichswege beendet wurde. In dem Urteil heißt es unter lit. R, dass am 10.03.2011 … dem Schiedsgericht mitgeteilt hatte, dass sie ihren Antrag wegen einer Vereinbarung zwischen ihr und der Klägerin über eine Ausgleichszahlung zurückziehe und das Schiedsgericht mit Entscheidung vom 22.03.2011 das Verfahren im Rechtsstreit zu den Akten gelegt hatte. Hieraus lässt sich schlussfolgem, dass es zwischen der Klägerin und … zu einer wie auch immer gearteten Einigung in der Auseinandersetzung gekommen war.
Aus dem weiteren Klägervortrag und insbesondere aus den vorgelegten Anlagen K2 und K2a (Übersetzung) ergibt sich weiter, dass eine von Frau B. angestrengte Klage mit Entscheidung des Staates Freiburg/Schweiz vom 17.07.2019 wegen vorrangiger Zuständigkeit des Schiedsgerichtes in … als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dabei ergibt sich aus der ausführlichen rechtlichen Bewertung des Gerichtes, dass die Vorgänge im September 1978 und der dem Gericht zur Entscheidung gestellte Sachverhalt, „die aktuelle Situation“ (Nr. 6 des Urteils), „eng miteinander verbunden“ sind und somit von der Schiedsvereinbarung umfasst sind.
Wenn aber ein Schiedsverfahren im Jahr 2011 vergleichsweise beendet wurde und die im Jahr 2019 wieder angestrengte Auseinandersetzung nach den für die Kammer überzeugenden Ausführungen des Gerichtes des Staates Freiburg/Schweiz genau dieser Schiedsvereinbarung unterliegt, ist im Lichte der Tatsache, dass es im Jahr 2011 zu einer vergleichsweisen Beendigung gekommen ist, prima facie davon auszugehen, dass es sich um eine Vollbeendigung der Erbauseinandersetzung handelt, da eine vergleichsweise Beendigung eine typische Sachverhaltskonstellation ist, die zu einer Befriedung der Verhältnisse führt.
Dieser Beweis des ersten Anscheins wird auch nicht durch den Vortrag der Beklagten erschüttert.
Bislang hat … ohne Erfolg versucht, die Erbauseinandersetzung fortzuführen. Die bereits genannte Klage (Anlage K2) wurde wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dabei wurde die Unzulässigkeit der Klage nicht nur wegen fehlender örtlicher, sondern auch wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung aus dem Jahr 1976 (vgl. Tatbestand des Urteils, Buchstabe D) erkannt. Es wäre demzufolge Sache der Beklagtenseite gewesen, substantiiert vorzutragen, warum diese Einigung keine abschließende Regelung der Erbauseinandersetzung darstellte. Die Beklagtenseite trägt jedoch nicht substantiiert dazu vor, welchen Erfolg eine erneute Anrufung des Schiedsgerichts durch Frau … haben könnte. Wie bereits ausgeführt, kann nicht angenommen werden, dass das Schiedsgericht die Klage als zulässig behandeln wird.
c) Zur Überzeugung der Kammer steht daher nur fest, dass nach einer Verfahrensbeendigung vor dem Schiedsgericht im Jahr 2011 Frau … unzulässigerweise versucht hatte, die Erbauseinandersetzung weiter zu betreiben. Unzulässige Anträge stellen doch nur eine einseitige formale Fortführung einer Auseinandersetzung dar. Im Lichte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbietet sich jedoch eine solche formale Betrachtungsweise. Es ist auf den materiellen Gehalt der Auseinandersetzung abzustellen. Nur die zulässige Fortführung einer Erbauseinandersetzung hätte ein berechtigtes Informationsinteresse der Bevölkerung und damit ein Interesse der Beklagtenseite an einer Berichterstattung, auch in der beanstandeten Form, führen können.
II.
Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 709 ZPO.


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