IT- und Medienrecht

Berufung, Beschwerde, Betreuung, Rechtsbeschwerde, Anspruch, Erstattung, Herausgabe, Notfrist, Zahlung, Zustellung, Klage, Berufungsverfahren, Schenkung, Einwilligungsvorbehalt, ungerechtfertigter Bereicherung, nicht ausreichend, eingelegte Beschwerde

Aktenzeichen  14 U 453/19

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52936
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

13 O 708/15 2019-02-12 LGAMBERG LG Amberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 12.02.2019, Az. 13 O 708/15, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 36.881,36 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1), seiner Tochter, die Erstattung von an diese überwiesenen Pensionsbezügen.
Der Kläger hatte im Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 30.04.2014 eine Haftstrafe zu verbüßen. Unmittelbar im Anschluss an seine Verhaftung am 01.02.2012 wurde sein Girokonto aufgelöst, so dass ihn die für ihn zuständige Bezügestelle mit dem als Anlage K1a vorgelegten Schreiben vom 08.03.2012 bat, eine beigefügte Erklärung zum Zahlungsverkehr ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden.
Aufgrund eines Besuchs der Beklagten zu 2), seiner Ehefrau, übermittelte die Beklagte zu 1) dem Kläger mit dem als Anlage K 1 vorgelegten Schreiben vom 21.09.2012 ihre Bankverbindung.
In der Folgezeit überwies die für den Kläger zuständige Bezügestelle insgesamt 36.881,36 € auf das Konto der Beklagten zu 1).
Der Kläger hat behauptet, dass er der Beklagten zu 1) den Auftrag erteilt habe, die überwiesenen Pensionsbezüge während seiner Inhaftierung zu verwahren und daran anschließend auszuzahlen. Einziger Hintergrund für die Überweisung auf das Konto der Beklagten zu 1), zu der das Verhältnis seit Jahren unstreitig zerrüttet ist, sei gewesen, dass er auf diese Weise die Bezahlung eines beabsichtigten Wiederaufnahmeverfahrens habe sicherstellen wollen.
Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, dass sie die überwiesenen Gelder einerseits auftragsgemäß auf das klägerische Anwesen, z.B. zum Kauf von Heizöl, und andererseits auf die Pferde des Klägers, z.B. für Futter und später für deren Unterstellung in einer Pferdepension, verwendet habe. Den Rest der Gelder habe sie für sich verwendet, weil der Kläger der Beklagten zu 2) gegenüber geäußert habe, dass sie, die Beklagte zu 1), diesen „vertun“ könne.
Mit Beschluss vom 10.08.2015 hat das Landgericht Amberg den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurückgewiesen und ausgeführt, dass als Hintergrund für eine Überweisung der Pensionsbezüge auf das Konto der Beklagten zu 1) nur eine Schenkung in Betracht komme. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht Nürnberg diesen Beschluss am 02.10.2015 aufgehoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 02.10.2015 (Bl. 21 ff. PKH-Heft Kläger) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 02.11.2016 (Bl. 390 ff. d. A.) hat der Kläger die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) von den überwiesenen Pensionsbezügen 18.000 € zur Tilgung eines Kfz-Darlehens verwendet habe.
Im Übrigen wird wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Amberg vom 12.02.2019 Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das Landgericht Amberg die Beklagte zu 1) zur Zahlung in Höhe von 36.881,36 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Herausgabe der begehrten Summe aus ungerechtfertigter Bereicherung habe; eine Schenkung durch den Kläger sei durch die Beklagte zu 1) nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen worden. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) bestehe nicht.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20.03.2019, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.04.2019, eingegangen am Folgetag, begründet.
Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus meint der Kläger, dass die Berufung verfristet sei. Dies ergebe sich aus dem das angegriffene Urteil betreffenden Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) mit einem auf „19. FEB. 2019“ lautenden Eingangsstempel.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
das Urteil des Landgerichts Amberg vom 12.02.2019 – 13 O 708/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die dort gewechselten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten verwiesen.
Der Kläger steht aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Schwandorf vom 12.02.2019, Az. 408 XVII 22/18, unter Betreuung, wobei insbesondere für Willenserklärungen ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, die den Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten“ betreffen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des Landgerichts Amberg vom 02.05.2019, Az. 31 T 196/19, ebenso zurückgewiesen wie seine gegen die Beschwerdeentscheidung erhobene Rechtsbeschwerde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.08.2019, Az. XII ZB 314/19. Auf Bl. 1066 ff. d. A. wird verwiesen.
Mit Verfügung vom 02.03.2020 hat der Senat unter Bezugnahme auf einen Beschluss vom selben Tag darauf hingewiesen, dass der Kläger prozessunfähig und seine Klage unzulässig ist (Bl. 1081 – 1084 d. A.). Auf diesen Hinweis hat der Betreuer des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2020 dessen bisherige Prozessführung genehmigt und den klägerischen Prozessbevollmächtigten mit deren Fortsetzung beauftragt. Dieser hat erklärt, dass er nunmehr den Kläger, gesetzlich vertreten durch dessen Betreuer, vertrete (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 28.07.2020, Bl. 1524 d. A.).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der im Berufungsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2), der Zeugin . Auf den Beweisbeschluss vom 29.09.2020 und auf die Sitzungsniederschrift vom 27.10.2020 wird Bezug genommen (Bl. 1749/1750 u. Bl. 1774 ff. d. A.).
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Erstattung der überwiesenen Pensionsbezüge.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Nach § 517 ZPO beträgt die Berufungsfrist einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Vorliegend wurde das angegriffene Endurteil des Landgerichts Amberg dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ausweislich des Empfangsbekenntnisses (zu Bl. 509 d.A.) am 20.02.2019 zugestellt.
Zwar ist der Gegenbeweis, dass die dortigen Angaben unrichtig sind, unter strengen Anforderungen zulässig (BVerfG, NJW 2001, 1563 (1564); BGH, FamRZ 1995, 799). Er setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können (BGH, NJW 2012, 2117). Der Gegenbeweis ist nicht schon geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH, NJW-RR 2018, 1400; NJW 1996, 2514).
Der Gegenbeweis ist hier aber nicht geführt. Denn die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft kann nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Willensäußerung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1), das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (BGH, NJW 1989, 1154, m.w.N.). Dies ist durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 20.02.2019 geschehen. Im Übrigen entspricht es anwaltlicher Wirklichkeit, dass Schriftstücke beispielsweise aufgrund terminlicher Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten erst einen Tag nach Zugang in der Anwaltskanzlei von diesem tatsächlich zur Kenntnis genommen werden.
2. Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Erstattung der überwiesenen Pensionsbezüge, weder aus § 812 Abs. 1 BGB noch aus sonst einem Rechtsgrund.
Der Beklagten zu 1) ist nämlich in der Berufungsinstanz der Beweis gelungen, dass ihr der Kläger die überwiesenen Pensionszahlungen schenkweise überlassen hat, soweit sie diese nicht auftragsgemäß verwendet hat.
a. Eine Schenkung ist gemäß § 516 Abs. 1 BGB eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.
Dies ist hier der Fall. Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung durch den Senat bekundet, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger auf dessen Bitte und auf ihr Betreiben hin ihre Kontoverbindung in die Haft hinein mitgeteilt habe. Bei einem ihrer Besuche in der Haft habe der Kläger aufgezählt, was von den Pensionsbezügen zu begleichen sei. Was mit dem Rest geschehen solle, sei ihm gleich, sie könnten es „vertun“. Ihrer Tochter habe sie zunächst nicht erzählt, dass sie das Geld „vertun“ könnten, dies sei erst später geschehen.
Die Zeugin ist zur Überzeugung des Senats glaubwürdig. Sie wirkte bei ihren Angaben bedacht und räumte aufgrund des Zeitablaufs verständliche Unsicherheiten unumwunden ein. Auch sagte sie trotz offenbarer Verwerfungen unter den Eheleuten ohne erkennbaren Belastungseifer aus. Dabei ist dem Senat bei seiner Würdigung durchaus bewusst, dass die Zeugin eher dem Lager der Beklagten zu 1), der gemeinsamen Tochter, zuzurechnen ist und ein maßgebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte, wirft ihr der Kläger doch auch die pflichtwidrige Verwendung der überwiesenen Gelder vor. Gleichwohl reichen diese Umstände nicht aus, um an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln.
Die Angaben der Zeugin sind zur Überzeugung des Senats auch glaubhaft. Sie sind widerspruchsfrei und decken sich mit den Angaben der Beklagten zu 1), ohne abgesprochen zu wirken. Sie enthalten auch Angaben, derer es nicht bedurft hätte, um der Beklagten zu 1) zu einem erfolgreichen Beweis zu verhelfen. So gab die Zeugin beispielsweise an, dass sie ihrer Tochter erst einige Zeit später davon erzählt habe, dass der Kläger gesagt habe, dass sie das restliche Geld „vertun“ könnten. Ein bloßer Auftrag zur Verwahrung der Versorgungsbezüge ohne Gegenleistung bei derart zerrütteten Familienverhältnissen wie bei den Parteien entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Vielmehr spricht die von der Beklagten zu 1) erwähnte, an die Zeugin gerichtete Kurzmitteilung mit dem Wort „Hilfe“ dafür, dass der Kläger angesichts der aus seiner Sicht unerwarteten Inhaftierung auf Beistand aus dem Familienverbund hoffte, diesen entgegennahm und sich dafür – möglicherweise auch als Geste der Aussöhnung – erkenntlich zeigen wollte.
Dem Beschluss des Senats vom 02.10.2015 im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren lag ein sehr frühes Stadium des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens zugrunde. Er kann daher am Ende der zweiten Instanz des Hauptsacheverfahrens nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mehr maßgebliche Grundlage der Beurteilung sein.
b. Die Beklagte zu 1) hat die teils schenkweise Überlassung der überwiesenen Pensionsbezüge auch angenommen, ohne dass es hierzu einer Erklärung gegenüber dem Kläger bedurfte (§ 151 BGB). Der anfängliche Formmangel wurde durch die Überweisung der Versorgungsbezüge geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB).
c. Soweit der Kläger der Beklagten zu 1) die überwiesenen Pensionsbezüge nicht schenkweise überlassen hat, hat die Beklagte zu 1) diese auftragsgemäß verwendet.
Die glaubwürdige Zeugin legte zur Überzeugung des Senats weiter glaubhaft dar, dass Teile der Versorgungsbezüge nach Weisung des Klägers für diverse Dinge ausgegeben worden seien. So seien Gelder für die Versorgung der Pferde aufgewendet worden, auch sei Heizöl für das Anwesen des Klägers gekauft worden. Letzteres sei auf Verlangen des Lieferanten bar gezahlt worden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben