IT- und Medienrecht

Berufung, Kaufvertrag, Anfechtung, Arglist, Sachmangel, PKW, Klage, Beweisaufnahme, Zurechnung, Nutzung, Jahresfrist, Zeitpunkt, Klageschrift, Protokoll, Zug um Zug, Zulassung der Revision, juristische Personen

Aktenzeichen  24 U 404/20

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47474
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 1993/18 2019-12-12 Urt LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 12.12.2019, Az. 22 O 1993/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist ebenso wie das in Nr. 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund des Kaufs eines von der Beklagten zu 2) hergestellten Pkw Audi A6 Avant 2.0 TDI, den der Kläger ausweislich der nicht angegriffenen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils am 03.05.2013 von der Beklagten zu 1) bei einem Kilometerstand von 25.500 zu einem Kaufpreis von 36.000,00 € erworben hat. In dieses Auto ist ein von der V. AG hergestellter Motor der Baureihe „EA 189“ eingebaut, so dass es vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffen ist.
Durch das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.12.2019 zugestellte Endurteil vom 12.12.2019 (Bl. 209/216 d. A.) hat das Landgericht Memmingen die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.
Mit seiner am 20.01.2020 eingegangenen und nach gewährter Fristverlängerung bis zum 18.03.2020 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren vollumfänglich weiter. Hinsichtlich seines Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2020 (Bl. 239/246 d. A.) und vom 25.03.2021 (Bl. 247/256 d. A.) sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 26.03.2021 (Bl. 257/259 d. A.) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragte der Kläger zuletzt:
1. Unter Abänderung des am 12.12.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen Az.: 22 O 1993/18 wird die Beklagte zu 1 verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des PKWs Audi A6 2,0 TDI, Fahrgestellnummer …79 einen Betrag von 36.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 4.5.2013 abzüglich einer von der Beklagten zu 1 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Pkw zu zahlen.
2. Hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen wird: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des Audi A 6 2,0 TDI, Fahrgestellnummer …79 einen Betrag von 36.000,00 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Pkw in der Berechnung Bruttokaufpreis mal Anzahl gefahrener Kilometer geteilt durch zu erwartende Gesamtlaufleistung von 300.000 km, zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragten jeweils
die Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten zu 1) und 2) in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2020 (Bl. 249/268 d. A.; Beklagte zu 1)) bzw. vom 27.04.2020 (Bl. 269/318 d. A.) und vom 09.12.2020 (Bl. 322/370 d. A.) sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 26.03.2021 (Bl. 257/259 d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 26.03.2021 ohne Beweisaufnahme mündlich verhandelt. Diesbezüglich wird ebenfalls auf das Protokoll der Berufungsverhandlung (Bl. 257/259 d. A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist mit Blick auf die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage unbegründet.
1. Allerdings hält der Senat die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage jedenfalls mit Blick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung (Seite 2 zu Nr. 2, Bl. 240 d. A.) nicht mangels hinreichender Bestimmtheit für unzulässig.
2. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist jedoch unbegründet.
a) Die vom Kläger in der Klageschriftsatz vom 30.12.2018 erklärte Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB greift nicht durch.
aa) Es ist nach dem Klagevortrag schon nicht ersichtlich, dass die Anfechtungserklärung innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erfolgt wäre. Der Kläger hat zwar in der Klageschrift vom 30.12.2018 (Seite 3) ohne jede Substantiierung behauptet, Anfechtung und Rücktritt vom Kaufvertrag seien bereits erklärt worden und würden lediglich vorsorglich wiederholt. Eine vor Klageeinreichung erfolgte Anfechtungserklärung wurde von der Beklagten zu 1) jedoch bestritten (Seite 27 der Klageerwiderung, Bl. 106 d. A.), ohne dass der Kläger seine Behauptung einer früheren Anfechtungserklärung in seiner Replik auch nur wiederaufgegriffen, geschweige denn ‒ insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der angeblichen früheren Erklärung ‒ präzisiert hätte. Spätestens mit dem Aufspielen des Softwareupdates am 07.07.2016 war dem Kläger bekannt, dass das streitgegenständliche Auto vom „Dieselskandal“ betroffen war, so dass die erst am 30.12.2018 erfolgte Anfechtungserklärung die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB nicht wahrte.
bb) Unabhängig davon fehlte es auch an einem Anfechtungsgrund.
(1) Das am 07.07.2016 ‒ und damit nach Abschluss des Kaufvertrags ‒ aufgespielte Softwareupdate kann von vornherein kein Anknüpfungspunkt für eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung sein, da ‒ wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat ‒ eine Täuschung nicht für eine Willenserklärung kausal sein kann, die bereits vor der Täuschung abgegeben wurde.
(2) Aber auch die von Anfang an in dem streitgegenständlichen Auto vorhandene Prüfstandserkennungssoftware bietet mangels Arglist der Beklagten zu 1) keinen Grund für eine Anfechtung des Kaufvertrags gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
(a) Eine diesbezügliche Arglist der Beklagten zu 1) hat der Kläger nicht einmal behauptet, sondern lediglich ausgeführt, die Beklagte zu 2) sei „im übrigen nicht Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB“ (Seite 12 der Klageschrift).
(b) Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) (Seiten 29 ff., Bl. 108 ff. d. A.) verwiesen.
(c) Eine Zurechnung etwaigen bei der Beklagten zu 2) vorhandenen (arglistigen) Wissens gemäß § 166 Abs. 1 BGB scheidet aus. Die für juristische Personen entwickelten Grundsätze führen hier nicht zu einer Wissenszurechnung; diese Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zu juristischen Personen. Letztere müssen sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organe weiter zurechnen lassen, selbst wenn das „wissende“ Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt bzw. nichts davon gewusst hat (BGH vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94 – juris Rn. 15 m. w. N.). Die Herstellerin des Fahrzeugs, die Beklagte zu 2), und die Beklagte zu 1) stehen sich jedoch als juristisch selbständige Personen gegenüber. Die Beklagte zu 1) ist auch nicht als Handelsvertreterin der Beklagten zu 2) anzusehen (vgl. OLG Brandenburg vom 31.01.2017 – 2 U 39/16 – BeckRS 2016 126343 Rn. 14).
(d) Auch kann eine Wissenszurechnung nicht über eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB begründet werden. Die Beklagte zu 1) hat den Kaufvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen. Sie hatte keine „vertreterähnliche“ Position und war auch nicht „Verhandlungsbevollmächtigte“ der Beklagten zu 2); eine Situation, die mit einer Stellvertretung vergleichbar wäre, lag nicht vor. Der Kläger nimmt hier die gutgläubige Beklagte zu 1) in Anspruch. Eine Eigenhaftung des gutgläubigen Vertreters sieht § 166 Abs. 2 BGB aber gerade nicht vor (vgl. OLG Hamm vom 18.05.2017 – 2 U 39/17 – juris Rn. 6).
(e) Der Vorlieferant des Verkäufers ist auch nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer im Sinne des § 278 Satz 1 BGB; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seinen Kunden verkauft hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BGH vom 02. 04. 2014 – VIII ZR 46/13 – juris Rn. 31 m. w. N.). Dementsprechend muss sich auch im Rahmen des § 123 BGB ein Automobilvertragshändler nicht das Wissen des Herstellers zurechnen lassen (OLG Hamm vom 01.04.2020 – 30 U 33/19 – BeckRS 2020, 11615 Rn. 47-52, OLG München vom 03.07.2019 – 3 U 4029/18 – juris Rn. 37).
b) Auch der in der Klageschrift (Seite 3) hilfsweise erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag war nicht wirksam, so dass der Kauf nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis (§ 346 Abs. 1 BGB) umgewandelt wurde.
aa) Auf die von Anfang an vorhandene Prüfstandserkennungssoftware konnte der Rücktritt wegen Verjährung nicht wirksam gestützt werden. Mangels eigener oder der Beklagten zu 1) zuzurechnender Arglist (s. oben zu Buchst. a) gilt für Gewährleistungsansprüche nicht gemäß § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB die regelmäßige Verjährung, sondern gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB die zweijährige Verjährungsfrist ab Ablieferung der Sache. Nachdem der streitgegenständliche PKW ausweislich der nicht angegriffenen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand am 26.05.2013 (tatsächlich wohl am 26.05.2015; vgl. Anlage K 1) übergeben wurde, sind Gewährleistungsansprüche mit Ablauf des 26.05.2015 (bei Abstellen auf eine Übergabe am 26.05.2015 mit Ablauf des 26.05.2017) verjährt. Dem am 30.12.2018 hilfsweise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag steht daher die (erhobene, vgl. Seite 3 der Klageerwiderung der Beklagten zu 1), Bl. 82 d. A.) Einrede der Verjährung entgegen.
bb) Soweit der Kläger geltend macht, durch das Aufspielen des Softwareupdates am 07.07.2016 sei ein „neues Schadensereignis“ (Seite 6 der Replik, Bl. 150 d. A.) gesetzt worden, kann auch dies der Rücktrittserklärung nicht zum Erfolg verhelfen.
(1) Ein neuer, gegebenenfalls zum Rücktritt berechtigender Sachmangel kann in dem Softwareupdate von vornherein nicht gesehen werden, da die Sachmängelgewährleistung nur im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorhandene Mängel betrifft (§ 434 Abs. 1 Satz 1, § 446 Satz 1 BGB), das Softwareupdate aber erst nach Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgespielt wurde.
(2) Auch die klägerische Argumentation, das Aufspielen des Softwareupdates sei im Rahmen der Nachbesserung (wegen der von Anfang an vorhandenen Prüfstandserkennungssoftware) erfolgt, so dass bezüglich dieser die Gewährleistungsfrist neu zu laufen begonnen habe (vgl. Seite 7 der Replik, Bl. 151 d. A.), greift nicht durch. Wie das Landgericht ‒ von der Berufung nicht angegriffen ‒ ausführte, spielte die Beklagte zu 1) das Softwareupdate nicht in Erfüllung einer eigenen Pflicht auf, sondern handelte insoweit im Auftrag der Beklagten zu 2) (Seite 7 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 215 d. A.). Im Aufspielen des Softwareupdates kann daher kein Anerkenntnis der Beklagten zu 1) im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gesehen werden.
(3) Selbst wenn man, anders als der Senat, mit dem Kläger annehmen wollte, die gewährleistungsrechtliche Verjährungsfrist habe mit dem Aufspielen des Softwareupdates am 07.07.2016 erneut zu laufen begonnen, ergäbe sich nichts anderes. Dann wäre Verjährung mit Ablauf des 06.06.2018 eingetreten, zu welchem Zeitpunkt weder die vorliegende Klage erhoben noch ein anderer Hemmungstatbestand verwirklicht worden wäre.
c) Da die Beklagte zu 1) das Softwareupdate nicht in Erfüllung einer kaufvertraglichen Pflicht, sondern im Auftrag der Beklagten zu 2) aufspielte, kann diese Handlung auch nicht Anknüpfungspunkt für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) aus § 280 Abs. 1 BGB sein.
III.
Die Berufung ist auch mit Blick auf die Abweisung der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten zu 2) im Sinne des § 826 BGB nicht dargetan.
1. Insoweit ist zunächst zu sehen, dass der im streitgegenständlichen Auto verbaute Motor mit der Prüfstandserkennungssoftware nicht von der Beklagten zu 2), sondern von der V. AG, der Muttergesellschaft der Beklagten zu 2), entwickelt worden ist. Allerdings kommt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) auch dann in Betracht, wenn die für die Beklagte zu 2) handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten zu 2) hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (vgl. BGH vom 08.03.2021 ‒ VI ZR 505/19 ‒ juris Rn. 21). Allerdings setzt diese Verantwortlichkeit voraus, dass sich ein entsprechendes Verhalten von Personen, für deren Verhalten die Beklagte zu 2) entsprechend § 31 BGB einzustehen hat, feststellen lässt; nicht möglich ist es hingegen, die Haftung der Beklagten zu 2) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB mittels einer Zurechnung des Wissens von verfassungsmäßigen Vertretern der V. AG entsprechend § 166 BGB zu begründen (BGH, a. a. O., juris Rn. 23).
2. Hieran gemessen, ist der erstinstanzliche Vortrag des Klägers zum vorsätzlich sittenwidrigen Handeln einer der Beklagten zu 2) gemäß § 31 BGB zuzurechnenden natürlichen Person offensichtlich unzureichend. Der Umstand, dass gegen einzelne gegenwärtige oder frühere Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 2) strafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen, beweist nicht, dass genau diese tatsächlich rechtzeitig Kenntnis von der Verwendung der Prüfstandserkennungssoftware gehabt hätten. Dies könnte allenfalls das Ergebnis eines rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens sein. Soweit der Kläger in einem am Vorabend der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz zum Beweis dafür, „dass der Vorstand in diesem konkreten Fall, wie aus der Anklageschrift gegen Herrn W. u.a. seitens der StA Braunschweig und gegen Herrn S. u.a. seitens der StA München II hervorgeht, bereits zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin [!] von dem Abgasskandal gewußt haben“, die „Beiziehung der entsprechenen Anklageschriften“ beantragt (Seite 5 des Schriftsatzes vom 30.10.2019, Bl. 202 d. A.), ist dies ersichtlich ungenügend. Es ist nicht Sache des Gerichts, sich aus den „entsprechenden Anklageschriften“ das Passende herauszusuchen; vielmehr wäre es am Kläger gewesen, Einsicht in die Strafverfahrensakten zu nehmen, um aus diesen konkrete Passagen zu zitieren. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren (Schriftsätze vom 18.03.2020, Bl. 239/246 d. A., und vom 25.03.2021, Bl. 247/256 d. A.) weitere Ausführungen zur ‒ bestrittenen ‒ Kenntnis von der Beklagten zu 2) über § 31 BGB zuzurechenden Personen macht, ist dieser Vortrag neu, ohne dass einer der in § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO normierten Zulassungsgründe vorläge.
3. Der Kläger kann auch aus den Ausführungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19 ‒ juris Rn. 36 ff.) zum Bestehen einer sekundären Darlegungslast der dort verklagten V. AG nichts herleiten. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung (juris Rn. 39) ausgeführt, für eine Kenntnis des V.-Vorstands von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung spreche
„nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung […] um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA189 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten“.
Aufgrund dieser Erwägungen ist es kaum vorstellbar, dass die auch im streitgegenständlichen Auto vorhandene Prüfstandserkennungssoftware von der V. AG entwickelt wurde, ohne dass (irgend-)eine dieser gemäß § 31 BGB zuzurechnende Person dies wusste und billigte. Das bedeutet jedoch nicht, dass notwendigerweise gerade eine bei der V. AG in verantwortlicher Position tätige Person, die auch der Beklagten zu 2) als Tochtergesellschaft der V. AG zuzurechnen ist, diese Kenntnis hatte. Unstreitig hat nämlich die Beklagte zu 2) den verbauten Motor nicht entwickelt, sondern von der Muttergesellschaft V. AG bezogen.
Im Übrigen wäre die Beklagte zu 2) einer etwa ihr obliegenden sekundären Darlegungslast mit dem Schriftsatz vom 09.12.2020 (Bl. 322/370 d. A.), auf den der Kläger in seinem Schriftsatz vom 25.03.2021 (Bl. 247/256 d. A.) nicht eingeht, nachgekommen.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Ein Grund für die Zulassung der Revision (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) lag nicht vor.
Verkündet am 22.04.2021


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