IT- und Medienrecht

Berufung, Werbung, Revision, Vertragsschluss, Veranstaltung, Zulassung, Verletzung, Dienstleistungen, Benachteiligungsverbot, Zugang, Auslegung, Alter, Anspruch, Herkunft, Zulassung der Revision, nicht ausreichend, Hinweis des Gerichts

Aktenzeichen  13 S 17353/18

Datum:
31.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52135
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

122 C 5020/18 2018-10-10 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 10.10.2018, Az. 122 C 5020/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen Benachteiligung nach dem AGG. Der Kläger, 44 Jahre alt, und zwei seiner Freunde im Alter von 36 und 46 Jahren wollten am 26.08.2017 das von der Beklagten veranstaltete Event … auf der … in … besuchen. Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Open-Air-Veranstaltung mit einer maximalen Zulassungszahl von 1.500 Personen, bei der über 30 Discjockeys – … – in mehreren Räumlichkeiten elektronische Tanzmusik von 14 Uhr bis 5 Uhr morgens spielten, zu der getanzt werden sollte. Bis 20:00 Uhr war der Eintritt zur Veranstaltung kostenlos. Ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket für die Veranstaltung konnte erst erworben werden, nachdem die Einlasskontrolle passiert war. Dem Kläger und seinen Begleitern wurde der Einlass verwehrt.
Mit Schreiben vom 28.08.2017 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm eine Entschädigung in Höhe von EUR 1.000,00 bis zum 12.09.2017 zu zahlen (Anlage A 1), was die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2017 (Anlage A 2) verweigerte. Der Geschäftsführer der Beklagten führte in seinem Schreiben u.a. aus: Er erinnere sich an den Vorfall, da er selbst an der Türe gestanden habe. Generell hätten sie wie immer im Vorfeld eine sehr große Aufmerksamkeit in den Onlinemedien erzielt. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass aufgrund der beschränkten Kapazität auf der … nicht alle Gäste unterbekommen würden. Die Arbeitsanweisung des Türpersonals sei also gewesen, nicht passendes Gästepotential auszusortieren. Da er die Gruppe als „nicht passend“ eingestuft habe, habe die Türe hier den Zutritt verweigert. Grundsätzlich würden sie den Vorfall bedauern, …, Gäste eines älteren Semesters und gerade auch in Gruppen würden sehr wahrscheinlich auch in Zukunft abgewiesen werden. In der Regel sei ihre Zielgruppe zwischen 18 und 28 Jahren. Ein generelles Zutrittsverbot ab 35 Jahren hätten sie allerdings nicht verhängt. Er sei selber 39 Jahre alt und etliche Freunde von ihm seien selbst anwesend gewesen. Da der wirtschaftliche Erfolg einer homogenen in sich feiernden Gruppe nicht negativ beeinflusst werden sollte, hätten sie ganz bewusst die Anweisung gegeben, offensichtlich zu altes Publikum, das nicht zur Zielgruppe passe, abzuweisen.
2. Der Kläger macht einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters nach § 19 Abs. 1 AGG geltend.
Der Kläger behauptet, ihm sei der Einlass wegen seines Alters verwehrt worden.
Der Kläger ist der Ansicht, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen das AGG, weshalb er Anspruch auf eine Entschädigung habe. Hierbei seien general- und spezialpräventive Aspekte zu berücksichtigen. Der Kläger habe die Abweisung als besonders kränkend empfunden. Da die Beklagte an ihrer Einlasspolitik festhalten wolle und in … ein generelles Problem der Diskriminierung beim Einlass von Partyveranstaltungen bestehe, müsse die Entschädigung entsprechend hoch sein und dürfe nicht unter EUR 1.000,00 betragen.
Darüber hinaus begehrt der Kläger Ersatz der für das Schlichtungsverfahren verauslagten Kosten in Höhe von 142,80 € (Anlagen A 3 und A 4).
3. In 1. Instanz wurden folgende Anträge gestellt:
Der Kläger beantragte die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger EUR 1.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.09.2017 zu zahlen, sowie weitere EUR 142,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
4. Die Beklagte bestreitet den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach.
Die Beklagte behauptet, die Veranstaltung sei für eine bestimmte Zielgruppe – Partygänger zwischen 18 und 28 Jahren – konzipiert worden. Der Kläger sei nicht wegen seines Alters abgewiesen worden. Der Kläger sei vielmehr als „nicht passend“ eingestuft worden, was unbestritten am „alten“ Aussehen des Klägers gelegen haben mag. Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 AGG nicht gegeben sei. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus: Die Veranstaltung habe sich an junge … Partygänger gerichtet, die auf einer Veranstaltung Newcomer am Mischpult und aktuelle Münchner Resident-DJs hören konnten. Dementsprechend sei die Vorgabe an den Einlass ausgearbeitet gewesen, dass die Zielgruppe zwischen 18 und 28 Jahren sei. Dies sei nicht die einzige Vorgabe gewesen, sondern auch die allgemeine Kleidung, die optisch der Veranstaltung angemessen habe sein müssen (zum Beispiel kein Fußball-Trikot), oder auch dass die Gäste nicht bereits alkoholisiert oder anderweitig berauscht zur Veranstaltung kommen. Alle diese Vorgaben hätten zum einen der Sicherheit der Veranstaltung gedient, zum anderen hätte dadurch gewährleistet werden sollen, dass eine homogene Gruppe zusammen feiern könne. Nur eine begrenzte Anzahl von Gästen (ca. 1500) hätte Zugang zu der Veranstaltung erhalten können. Schon aus diesem Grund habe eine Auswahl beim Einlass getroffen werden müssen und diese sollte sich nach der entsprechenden Zielgruppe richten. Auch für die auftretenden Künstler sei die Zielgruppe – Partygänger zwischen 18 und 28 Jahren – maßgebend gewesen. Dieses Publikum sollte von ihnen angesprochen werden. Da die Veranstaltung den ganzen Tag laufe und insgesamt nur ca. 1.500 Leute die Veranstaltung gleichzeitig besuchen könnten, müsse von Anfang an selektiert werden, damit die Veranstaltung nicht zu früh überfüllt sei.
Der 44 Jahre alte Kläger habe nicht zur Zielgruppe gehört. Beim Einlass werde allerdings nicht nach dem Alter gefragt, sondern ausschließlich nach dem optischen Eindruck entschieden. Dass der Kläger abgewiesen worden sei, mag unbestritten an dem „alten“ Aussehen des Klägers gelegen haben. Eine Entscheidung über den Einlass erfolge nach dem äußeren Eindruck der Gäste, die Gäste würden nicht nach ihrem Alter gefragt. Um eine homogene Gruppe zu erhalten, würden die Gäste nach einer bestimmten Zielgruppe ausgesucht. Diese solle vom Aussehen her passend gekleidet, vom Alter optisch in die Zielgruppe passen und auch nicht alkoholisiert oder anderweitig berauscht sein. Der Kläger und seine Freunde hätten optisch nicht in diese Zielgruppe gepasst, was auch an dem optischen Alter des Klägers und seiner Freunde gelegen haben mag.
In der Schlichtung habe die Beklagte versucht, dem Kläger ihre Sichtweise zu erläutern und ihm auch angeboten, ihm und seinen Bekannten kostenlos zur nächsten Veranstaltung, in dessen Zielgruppe er auch hineinfalle, Zugang zu gewähren.
Dies sei vom Kläger abgelehnt worden. Auch das Angebot der Beklagten zur Beendigung des Rechtsstreits durch Zahlung eines Betrages als Spende an eine gemeinnützige Veranstaltung sei vom Kläger abgelehnt worden. Er beharre wie auch in der vorliegenden Klage ersichtlich, auf eine immaterielle Entschädigung für sich selbst. Dies mag daran liegen, dass er bereits in der Presse als „AGG Hopper“ bekannt sei und scheinbar im AGG eine gute Verdienstmöglichkeit sehe.
Der Kläger sei nicht wegen seines Alters diskriminiert worden, sondern weil er als nicht „passend“ eingestuft worden sei. Der Kläger habe außerhalb einer homogenen Gruppe gestanden, die seitens des Veranstalters vorgegeben worden sei. Hierfür habe es eine sachliche Rechtfertigung gegeben, da zum einen die homogene Gruppe für die entsprechende Stimmung auf der Veranstaltung maßgeblich sei und zum anderen auch zwangsläufig aufgrund der begrenzten Einlassmöglichkeiten Beschränkungen vorgenommen werden müssten.
5. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht wurde der Kläger zur Sache angehört. Der Beklagtenvertreter machte ergänzende Ausführungen zur Zielgruppe und zur Einlasskontrolle (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2018, Bl. 26/29).
In der mündlichen Verhandlung wurde dem Kläger ein Hinweis erteilt – der Kläger habe weiter darzulegen, inwiefern es sich um eine Veranstaltung handelte, bei der typischerweise ohne Ansehen der Person Eintritt gewährt werde – und hierauf eine Schriftsatzfrist bis zum 13.06.2018 gewährt und für den 20.06.2018 Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt (Protokoll, Bl. 26/29).
6. Mit Schriftsatz vom 11.06.2018 beantragte der Kläger eine Verlängerung der Schriftsatzfrist … um 3 Wochen wegen derzeitiger Arbeitsüberlastung (Bl. 30/31).
Mit Beschluss vom 12.06.2018 wurde der Antrag auf Verlängerung abgelehnt (Bl. 32/34).
7. Mit Schriftsatz vom 11.07.2018 (Bl. 64/70), eingegangen bei Gericht am 12.07.2018, nahm der Kläger u.a. zum Hinweis des Gerichts Stellung und trug im Wesentlichen Folgendes vor:
Es habe sich nicht um eine Privatparty gehandelt. Jeder Mensch habe eine Eintrittskarte kaufen und grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, die Veranstaltung zu besuchen. Ob „Konzert“ oder „Diskoveranstaltung“ sei rechtlich unerheblich, da für beide Veranstaltungen uneingeschränkt der volle Diskriminierungsschutz gelte. Jedenfalls habe eine „Konzertveranstaltung“ vorgelegen (wird näher ausgeführt unter Bezugnahme auf die Anlagen A 1 bis A 4). Schon aus der eigenen Bewerbung der Beklagten für diese Veranstaltung gehe hervor, dass es sich um ein Konzert gehandelt habe, in jedem Fall um eine Veranstaltung, bei der typischerweise Einlass ohne die Ansehung der Person gewährt werde. Die Aussage der Beklagten, dass die Veranstaltung für die Altersgruppe 18-27 konzipiert sei, könne nicht zutreffend sein. Es seien nämlich bei einer Drogenrazzia 22 Personen im Alter von 18-39 verhaftet worden (Anlagen A 5 und A 6).
8. Das Amtsgericht hat die Klage durch Endurteil vom 10.10.2018 abgewiesen (Blatt 94/98 der Akte). Zur Begründung stellte das Amtsgericht im Wesentlichen auf Folgendes ab:
Es sei fraglich, ob überhaupt eine Diskriminierung wegen des Alters erfolgt sei, da die Abweisung des Klägers zunächst nicht aufgrund des tatsächlichen Alters des Klägers erfolgte, sondern aufgrund seines ersten optischen Erscheinens. Die Beklagte habe insoweit eingeräumt, dass eine Abweisung erfolgt sei, da der Kläger optisch nicht in die junge Zielgruppe gepasst habe, auch wegen seines älteren Aussehens.
Dies könne dahinstehen, da ein Entschädigungsanspruch aus anderen Gründen nicht bestehe. Der Kläger habe trotz Hinweises des Gerichts nicht ausreichend vorgetragen, dass es sich bei der Veranstaltung um ein Massengeschäft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG gehandelt habe.
Die Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 11.07.2018 seien gemäß § 296 a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Der Schriftsatz sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Ablauf der nachgelassenen Schriftsatzfrist eingegangen. Eine Verlängerung der Schriftsatzfrist nach § 224 Abs. 2 ZPO – vom Kläger beantragt – sei nicht veranlasst gewesen.
Darauf komme es im Ergebnis nicht an, da auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 11.07.2018 ein Entschädigungsanspruch nicht bestehe. Aufgrund der Darlegungen könne nicht von einem Massengeschäft ausgegangen werden.
Ein Massengeschäft liege nur dann vor, wenn es ohne Ansehen der Person geschlossen werde. Soweit Schuldverhältnisse auf der individuellen Auswahl des Vertragspartners beruhen, stünden sie der Öffentlichkeit nicht „ohne Ansehen der Person“ zur Verfügung. Nur wenn es bei einem Schuldverhältnis auf Merkmale des Vertragspartners typischerweise und vernünftigerweise nicht ankomme, sondern der Anbieter dieses im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person abschließen würde, sei das Geschäft „ohne Ansehen der Person“ im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 geschlossen.
Wann dies typischerweise der Fall sei, bestimme sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise. Abzustellen sei also nicht auf den einzelnen Anbieter, sondern auf die Verkehrssitte. Folglich komme es nicht darauf an, wie die Beklagte das Event deklariert habe, sondern ob es nach der Verkehrssitte bei Vertragsabschluss auf Merkmale des Vertragspartners ankomme.
Nach den Darlegungen des Klägers und den unbestrittenen Darlegungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung habe es sich bei dem Event Isarrauschen um eine Veranstaltung gehandelt, bei der nach der Verkehrssitte typischerweise mit Ansehen der Person Einlass gewährt werde. Nach den Darlegungen der Parteien gehe das Gericht davon aus, dass es sich bei dem Event … um eine Veranstaltung gehandelt habe, bei der junge … Elektronik-DJ auflegten, wobei es sich teilweise um ein Open Air gehandelt habe. Die Kapazität auf der … sei auch 1.500 Gäste beschränkt gewesen. Der Anlass sei durch Türsteher geregelt gewesen. Der Eintritt am Nachmittag sei gratis, später sei am Einlass ein Eintritt zu zahlen gewesen. Nach diesen Darlegungen gehe das Gericht davon aus, dass es sich bei der Veranstaltung um eine Art Discoveranstaltung gehandelt habe, bei der nach der Verkehrssitte Einlass nur nach Ansehen der Person durch die Türsteher gewährt werde. Eine Unterscheidung beim Einlass nach dem optischen Alter sei bei solchen Veranstaltungen nicht nur typisch, sondern halte auch einer vernünftigen Betrachtungsweise stand (wird näher ausgeführt).
9. Gegen das Urteil legte der Kläger mit bei Gericht am 08.12.2018 eingegangenen Schriftsatz vom 08.12.2018 (Blatt 101/102) Berufung ein.
Mit bei Gericht am 19.02.2018 eingegangenem Schriftsatz vom 19.02.2019 (Blatt 106/115) wurde die Berufung begründet.
10. Anträge 2. Instanz:
Der Kläger verfolgt seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter.
Der Kläger beantragt zudem die Zulassung der Revision.
Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.
11. Der Kläger macht mit der Berufung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des materiellen Rechts geltend.
Das Amtsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast (§ 22 AGG) verkannt (wird näher ausgeführt).
Das Gericht hätte dem Fristverlängerungsantrag stattgeben und den Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2018 bei der Entscheidung berücksichtigen müssen: Es hätte den Sachvortrag berücksichtigen müssen, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um eine Privatparty gehandelt, sondern grundsätzlich um eine Veranstaltung, bei der sich jeder ein Ticket hätte kaufen können und diese Veranstaltung besuchen können. Es hätte berücksichtigen müssen, dass die Beklagte selbst die Veranstaltung als „konzertmäßig“ beschrieben habe. Es hätte berücksichtigen müssen, dass die Beklagte ihre Veranstaltung gegenüber dem Finanzamt als „Konzert“ deklariert habe. Es hätte ferner das Beweisangebot in der Gestalt des Zeugen … berücksichtigen müssen, der bestätigt hätte, dass sich der Charakter der Veranstaltung als „Konzert“ schon aus dem Empfängerhorizont ergebe. Ferner hätte der als Anlage vorgelegte Internetausdruck … berücksichtigt werden müssen, aus dem sich die Selbstbeschreibung der Beklagten als „Gratis Open Air“ ergeben habe. Ferner hätte die dargelegte Anzahl von 30 DJs Berücksichtigung finden müssen. Ferner hätte aus dem Internetausdruck … berücksichtigt werden müssen, dass dort vom „lineup“ der Konzertkünstler die Rede sei. Ferner hätte Berücksichtigung finden müssen, dass bereits im Vorjahr bei der Veranstaltung … 22 Personen im Alter von 18 bis 39 bei einer Drogenrazzia verhaftet worden und daher die Einlassung der Beklagten nicht zutreffend sein könne, dass das Konzert für die Altersklasse 18 bis 27 ausgerichtet gewesen sei.
Hätte das Erstgericht diesen Sachvortrag berücksichtigt, dann wäre es selbst bei der von ihm abwegigen Rechtsauffassung, dass das Altersdiskriminierungsverbot nicht für Diskoveranstaltungen gelte, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Veranstaltung … eine Konzertveranstaltung gewesen und daher selbst nach der Rechtsauffassung der Erstgerichts ein „Massengeschäft“ gewesen sei, für das das Altersdiskriminierungsverbot gelte.
Es könnte dahinstehen ob die Veranstaltung als „Konzert“ oder als „Diskoveranstaltung“ zu qualifizieren wäre. In jedem Fall handele es sich um ein „Massengeschäft“, das typischerweise ohne Ansehen der Personen geschlossen werde. Die Veranstaltung sei öffentlich gewesen, öffentlich beworben worden und grundsätzlich jeder Person offen gestanden (wird näher ausgeführt).
12. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei der von ihr veranstalteten Veranstaltung nicht um ein Massengeschäft im Sinne des AGG gehandelt habe: Es sei unbestritten, dass es sich bei der Veranstaltung um eine Open Air Veranstaltung mit einer maximalen Zulassungszahl von 1.500 Gästen gehandelt habe, bei der viele unterschiedliche DJs aufgelegt hätten und es Eingangskontrollen durch Türsteher gegeben habe. Die Beklagte habe substantiiert vorgetragen, an welche Zielgruppe sich die Veranstaltung gerichtet und aus welchen Erwägungen Personen der Einlass gewährt oder verwehrt worden sei.
Die Beklagte bestreitet, dass sich jeder ein Ticket habe kaufen können und die Veranstaltung habe besuchen können. Tatsächlich habe es bei der Veranstaltung keinen Vorverkauf gegeben. Die Veranstaltung sei vielmehr am Nachmittag kostenlos gewesen. Erst ab 20:00 Uhr sei ein Eintritt verlangt worden. Vor der Eintrittskasse sei allerdings durch den Türsteher selektiert worden. Somit sei genau das Gegenteil der Fall, dass nämlich von vornherein offensichtlich gewesen sei, dass nicht jeder ein Ticket erwerben und Zugang zu der Veranstaltung erhalten könnte. Dies impliziere die Vergleichbarkeit mit einer Diskothek, bei der ebenfalls der Türsteher im Rahmen der Einlasskontrolle über den Zugang entscheide. Es werde nicht nach dem tatsächlichen Alter ausgewählt oder gefragt, sondern nach der Optik. Auch der Kläger hätte bei einem jugendlichen Aussehen und Kleidung Zugang zu der Veranstaltung erhalten. Der Beklagten bzw. dem Türsteher sei das tatsächliche Alter des Klägers nicht bekannt, jedoch nach seinem Aussehen nicht zielgruppenkonform.
Der Kläger verkenne offensichtlich, dass nur aufgrund der Tatsache der öffentlichen Bewerbung die Veranstaltung nicht jeder Person offen stehe. Jeder private Veranstalter habe das Recht, ein Veranstaltungskonzept auf eine bestimmte Zielgruppe abzustellen und dementsprechend auch nur dieser Zielgruppe Zugang zu gewähren. Die Grenze gebiete das AGG. Das AGG statuiere, dass keine Diskriminierung ohne sachlichen Grund erfolgen dürfe. Vorliegend habe die Beklagte aufgrund der begrenzten Zulassungszahl und der konkreten Zielgruppe eine sachliche Rechtfertigung für eine konkrete Auswahl ihrer Besucher. Diese seien auch nicht an einem konkreten Alter der Einzelnen, sondern an optischen Gesichtspunkten festgehalten. Dies sei nicht ungewöhnlich, da in einer Nobeldisko auf optische Gesichtspunkte wie der Kleidung als Auswahlkriterium zurückgegriffen werde und bei Ü16-Veranstaltungen auf das Alter der Gäste. Bei Ü16-Veranstaltungen ist die Zielgruppe 16 bis ca. 22 Jahre alte Gäste, bei einer Ü30-Party sollten Gäste das 30. Lebensjahr vollendet haben. Eine solche sachliche Differenzierung bei einer Veranstaltung Ist in keinster Weise diskriminierend, sondern verkehrstypisch und in der allgemeinen Wahrnehmung anerkannt.
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass ein Verstoß gegen das Gehörsrecht nicht vorliegt (wird näher ausgeführt).
13. Die Kammer hat in der Sitzung vom 11.02.2020 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Veranstaltung sei für die Altersgruppe der 18 bis 28 Jährigen konzipiert gewesen, durch Vernehmung des Zeugen …. Zudem hat die Kammer den Geschäftsführer der Beklagten, … zur Sache angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.
14. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 16.05.2018 (Bl. 26/29) sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 02.07.2019 (Blatt 137/138) und 11.02.2020 (Bl. 163/167) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Die Klageabweisung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Dem Kläger steht wegen des streitgegenständlichen Vorfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 AGG, ein Anspruch auf Entschädigung zu. Denn der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes, geregelt in § 19 AGG, ist nicht eröffnet. Bei der streitgegenständlichen Veranstaltung handelt es sich nicht um ein Massengeschäft oder ein dem gleichgestelltes Rechtsgeschäft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1, 1. und 2. Alternative AGG, weshalb eine Benachteiligungskontrolle nicht stattfindet. Im Einzelnen:
1. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des AGG ist, dass einer der in § 2 AGG geregelten Fallgruppen gegeben ist. Im vorliegenden Fall ist die Fallgruppe des § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG erfüllt, die den Hauptanwendungsfall des zivilrechtlichen Benachteiligungsschutzes darstellt. § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG erfasst den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum.
Die Veranstaltung – eine von der Beklagten angebotene Dienstleistung – wurde von der Beklagten unstreitig öffentlich beworben. Dass die von der Beklagten gesteuerte Werbung auf einen bestimmen Personenkreis beschränkt war (siehe unten), steht dem nicht entgegen. Es kommt nicht darauf an, wie groß die angesprochene Öffentlichkeit ist oder ob sich die öffentliche Werbung an alle richtet, sondern nur darauf, dass die Werbung über die Privatsphäre des Anbietenden hinaus gelangt (vgl. MüKo BGB/Thüsing, 8. Auflage, AGG § 2, Rn. 28). Das war hier der Fall. Die Beklagte warb für ihre Veranstaltung auf der bei Facebook betriebenen Fanpage und den dort registrierten Nutzern, die ein bestimmtes Alter angegeben hatten (siehe unten).
Der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsschutzes ist jedoch enger als der durch § 2 AGG eröffnete Anwendungsbereich. Abzugrenzen ist die sozial verwerfliche Diskriminierung von der durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckten erlaubten Differenzierung. § 19 Abs. 1 AGG beschränkt das Verbot, aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse zu benachteiligen, aus diesem Grund auf Massengeschäfte bzw. diesen gleichgestellte Rechtsgeschäfte (§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 1. und 2. Alternative AGG) und – hier nicht einschlägig – private Versicherungsverträge (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG).
Hinsichtlich der Merkmale Rasse und ethnische Herkunft erstreckt das Gesetz den Benachteiligungsschutz erweiternd auf sonstige Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5-8 AGG (§ 19 Abs. 2 AGG). Eine Benachteiligung wegen Rasse oder ethnischer Herkunft wird vorliegend nicht behauptet.
Ein Massengeschäft liegt nach der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative AGG bei einem Schuldverhältnis vor, das typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt.
Dem Massengeschäft gleichgestellt sind Schuldverhältnisse nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alternative AGG, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen.
Die Alternativen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterscheiden sich dadurch, dass es sich bei der 1. Alternative um Geschäfte handeln muss, bei denen es typischerweise nicht auf das Ansehen der Person ankommt, also um Geschäfte, die der Verkehrssitte nach mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person im Rahmen der Kapazitäten des Anbieters abgeschlossen werden. Nach der Verkehrssitte ist dahingehend zu verstehen, dass es nicht auf die Sichtweise des Anbieters (auch nicht auf die Sichtweise des Empfängers) ankommt, weil die Geltung des Diskriminierungsverbotes sonst einseitig dispositiv wäre, was dem Zweck des Benachteiligungsschutzes sowie § 21 Abs. 4 AGG, der das Benachteiligungsverbot für einseitig zwingend erklärt, widersprechen würde. Klassische Anwendungsfälle der 1. Alternative sind Einzelhandel, Personennahverkehr, Bahn- und Flugverkehr, Freizeiteinrichtungen (Kino, Schwimmbäder). Nach der Verkehrssitte verweist als Maßstab auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten, die soziale Wirklichkeit, über die gegebenenfalls Beweis zu erheben ist. Durch die 2. Alternative werden Geschäfte dem Diskriminierungsverbot unterstellt, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat, also um Geschäfte, bei denen es dem Anbieter einer Leistung nach der Art des Schuldverhältnisses nicht auf die persönliche Auswahl seines Vertragspartners ankommt, die Person des Vertragspartners aber auch nicht unbedeutend ist. Auch bei dieser Alternative kommt es nicht auf die Sichtweise des konkreten Anbieters ankommt, sondern auf eine allgemeine, typisierende Betrachtungsweise, weil nur dann gewährleistet ist, dass der Zweck des Benachteiligungsschutzes erreicht werden kann (vgl. MüKo BGB/Thüsing, 8. Auflage, AGG § 19, Rn. 18, 37 BeckOK BGB/Wendtland AGG § 19, Rn. 4, 5).
Ein Massengeschäft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative AGG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 25.04.2019, I ZR 272/15) ein Schuldverhältnis nach der Gesetzesbegründung dann, wenn hierbei die in § 1 AGG genannten Merkmale typischerweise keine Rolle spielen (…). Die Regelung ist mit Blick auf den Schutzzweck des Gesetzes dahin zu verstehen, dass ein Schuldverhältnis ohne Ansehen der Person begründet wird, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist (…). Massengeschäfte im Sinne dieser Definition sind insbesondere Verträge im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und über standardisierte Dienstleistungen etwa des Einzelhandels, der Gastronomie oder des Transportgewerbes (…). Ein Ansehen der Person liegt hingegen vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach einer Würdigung des Vertragspartners trifft (…). Enthält die Prüfung des Vertragsschlusses ein stark individualisiertes, personales Element, verzichtet das Gesetz im Rahmen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zugunsten der persönlichen Willensbildung des Anbieters auf eine Benachteiligungskontrolle.
Ein gleichgestelltes Schuldverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alternative AGG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 25.04.2019, I ZR 272/15) dann vor, wenn es sich um Schuldverhältnisse handelt, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Diese Vorschrift findet auf solche Verträge Anwendung, die zwar keine Massengeschäfte im Sinne der Vorschrift sind, weil das Ansehen der Person bei ihnen eine Rolle spielt, dies aber – gegenüber bedeutsameren anderen Faktoren – nur in einem geringen Umfang (…).
2. Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme und unter Zugrundelegung des gesamten Inhalts der Verhandlung (§ 286 ZPO) davon überzeugt, dass die streitgegenständliche Veranstaltung – nach der Entscheidung der Geschäftsführer der Beklagten – nicht für ein allgemeines Publikum bestimmt war. Die Veranstaltung sollte vielmehr nur für Personen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren zugänglich sein, die darüber hinaus in einer bestimmten Art und Weise („Partygänger“) gekleidet waren. Hinsichtlich des Alters einer Person sollte es auf den optischen Eindruck ankommen.
Dass die Veranstaltung nicht für ein allgemeines Publikum bestimmt war, haben sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als auch der Zeuge E., der für die Umsetzung der Werbemaßnahmen bei facebook zuständig war, bestätigt. Beide gaben übereinstimmend an, dass die Veranstaltung für eine bestimmte, altersmäßig definierte Zielgruppe bestimmt war. Die Angaben differierten geringfügig dahingehend, ob es sich um die Altersgruppe der 18 bis 28 Jährigen oder die der 18 bis 25 bzw. 26 Jährigen handelte. Beide gaben auch übereinstimmend an, dass die von der Beklagten gezielt gesteuerte – und bezahlte – Werbung auf diese Altersgruppe beschränkt war.
Zweifel an den Angaben des Geschäftsführers und des Zeugen waren nicht veranlasst. Die geringfügige Abweichung hinsichtlich der Altersgrenze hat die Kammer als Ungenauigkeit bzw. Erinnerungsfehler gewertet. Ein Anlass, die Angaben insgesamt in Zweifel zu ziehen, ergab sich für die Kammer daraus nicht. Dafür, dass sich die Beklagte entschieden hatte, die Veranstaltung auf die Zielgruppe der 18 bis 28 Jährigen „Partygänger“ auszurichten und nicht jedermann Zutritt zu gewähren, sprach schon der Umstand, dass sich die Beklagte bereits in ihrem vorprozessualem Schreiben vom 04.09.2017 (Anlage A 2) dazu ganz offen bekannt hat. Die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 04.09.2017 entsprechen dem, was Geschäftsführer und Zeuge angegeben haben.
Die Angaben des Geschäftsführers enthielten keinen neuen Sachvortrag, weshalb eine Zurückweisung als verspätet, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 03.03.2020 (Bl. 168 ff.) beantragt, nicht veranlasst war.
Der vom Kläger wiederholt angesprochene Umstand, dass sich auch ältere Personen auf der im März 2017 durchgeführten Veranstaltung befunden haben, die wegen Drogenbesitzes festgenommen wurden, spricht nicht gegen die Behauptung der Beklagten. Zum einen ist völlig ungeklärt, wie diese Personen Zutritt zu der Veranstaltung bekommen haben. Zum anderen hat die Beklagte auch eingeräumt, dass bei der Einlasskontrolle für das Alter der optische Eindruck maßgeblich gewesen sei, was zwangsläufig Abweichungen zum tatsächlichen Alter zur Folge haben wird. Zum anderen hat die Beklagte weiter eingeräumt, dass die Einlasskontrolle nicht strikt nach der Vorgabe ausgeübt wurde. So schreibt der Geschäftsführer der Beklagte im Schreiben vom 04.09.2017 (Anlage A 2), dass ein generelles Zutrittsverbot ab 35 Jahren nicht verhängt worden sei; er sei selber 39 Jahre alt und etliche seiner Freunde seien auch anwesend gewesen. Diese Ausführungen können nach Auffassung der Kammer nur dahingehend verstanden werden, dass sich die Beklagte beim Einlass vorbehalten hat, Ausnahmen nach eigenem Ermessen zuzulassen. Dies ist sicher problematisch – da dadurch einer „gewissen Willkür“ Tür und Tor geöffnet wird-, dies rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Beklagte in Wahrheit kein Veranstaltungskonzept – Zielgruppe der 18 bis 28 Jährigen „Partygänger“ – gehabt habe.
3. Die Entscheidung der Beklagten als Veranstalterin für den von ihr näher definierten Teilnehmerkreis ist maßgeblich.
3.1. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn es sich bei der streitgegenständlichen Veranstaltung um eine solche handeln würde, bei der es typischerweise, d.h. nach der Verkehrssitte, oder nach der Art des Schuldverhältnisses, d.h. bei Zugrundelegung einer allgemeinen, typisierenden Sichtweise, bei der Auswahl des Vertragspartners auf persönliche Merkmale des Vertragspartners nicht oder nur nachrangig ankommen würde.
3.2. Davon ist vorliegend nicht auszugehen. Eine Beweisaufnahme war nicht veranlasst. Der Kläger hat keinen ausreichenden Sachvortrag zur Ausfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative AGG gehalten hat.
Wegen der Anforderungen hinsichtlich des Sachvortrags zum Bestehen einer Verkehrssitte („typischerweise“) wird exemplarisch auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 30.03.1990, V ZR 113/89, Bezug genommen: Davon zu unterscheiden ist aber die Feststellung des zur Auslegung wesentlichen Tatsachenstoffs (….), wozu auch die Frage gehört, ob eine Verkehrssitte besteht oder nicht (…). Nach richtiger Auffassung des BerGer. genügt hier für eine schlüssige Darlegung nicht die schlichte, unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung, es bestehe „eine allgemeine Übung dahin, daß Flächen, für die ein Rübenlieferungsrecht besteht, nur mit diesen verkauft werden und verkauft werden können“ und daß „derjenige, der das Lieferrecht nicht mitveräußern will, dies ausdrücklich erklären muß“. Der Vortrag des Kl. geht schon zu Unrecht davon aus, daß ein Lieferungsrecht für eine bestimmte Fläche besteht. Wie noch auszuführen ist (vgl. unten 2 und 4), sind die Rübenlieferungsrechte nicht flächen-, sondern allenfalls betriebsbezogen. Das BerGer. verlangt mit Recht einen konkreten Tatsachenvortrag dafür, wie sich bei der Natur der in Rede stehenden Lieferrechte eine Verkehrssitte des Inhalts gebildet haben soll, daß Kaufverträge über landwirtschaftliche Nutzflächen Lieferrechte für Zuckerrüben miterfassen, auch wenn dies im Vertrag nicht gesondert gesagt ist. Sie müßte bei den beteiligten Verkehrskreisen Zustimmung gefunden und während eines längeren Zeitraums bestanden haben (…).
Ausgehend hiervon genügt das Vorbringen des Klägers den Anforderungen an das Bestehen einer der Einlasspraxis der Beklagten widersprechenden Verkehrssitte für Veranstaltungen der verfahrensgegenständlichen Art und Größe nicht; dies gilt auch unter Berücksichtigung der Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 11.07.2018, der auf den entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2018 erging, und den Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren.
3.3. Die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG („nach Art des Schuldverhältnisses“) liegen nicht vor. Dies gilt unter Berücksichtigung des gesamten klägerischen Vortrags in erster und zweiter Instanz, ausdrücklich einschließlich der Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 11.07.2018.
Bei Zugrundelegung einer, die Art der Veranstaltung bewertenden, typisierenden Betrachtungsweise ist nicht davon auszugehen, dass persönlichen Merkmalen der Teilnehmer nur nachrangige Bedeutung zukommen würde. Die Entscheidung der Beklagten, die Veranstaltung nur einem „jungen Publikum“ anzubieten, ist vom Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckt. Es handelt sich nicht um eine Veranstaltung, die in einer Einrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge (z.B. städtisches Theater oder Konzertsaal, kommunales Kulturzentrum u.ä.) stattfinden sollte. Auch ein Vorverkauf fand nicht statt. Gerade in dem Bereich von Musik- und Tanzveranstaltungen ist es so, dass sich – je nach Art der dargebotenen Musik – ein bestimmtes, nach Alter und Aufmachung homogenes Publikum einfindet, das unter sich bleiben will. Eine Gruppe von „Punks“ wird in einer Veranstaltung für Volksmusikfreunde als störend empfunden werden. Ebenso wie eine Gruppe von Fußballfans in entsprechender Aufmachung bei einem klassischen Konzert. Alter und Aufmachung (insbesondere Kleidung) der Veranstaltungsteilnehmer sind gerade bei Musik- und Tanzveranstaltungen ein für den Erfolg der Veranstaltung maßgebliches Kriterium. Die Beklagte ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Einem solchen Veranstalter, der ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko bei solchen Veranstaltungen zu tragen hat, muss ein weiter Beurteilungsspielraum zugestanden werden, auf welche Weise er den Erfolg der Veranstaltung sicherstellen will. Dass eine solche Veranstaltung – wie der vorliegende Fall zeigt – auch für Menschen, die nicht zur Zielgruppe gehören – interessant sein kann und es keinesfalls als gesichert geltend kann, dass die Anwesenheit anderer, nicht zur Zielgruppe gehörender Personen, den Veranstaltungszweck gefährdet, ist angesichts des wirtschaftlichen Risikos des Veranstalters nicht relevant. Entscheidet sich der Veranstalter – wie hier – dafür, den Zutritt zur Veranstaltung auf eine bestimmte Zielgruppe zu beschränken – in der Annahme, dass die Veranstaltung sonst für die eigentliche Zielgruppe uninteressant wird – ist dies nachvollziehbar und hinzunehmen. Dies gilt jedenfalls für Veranstaltungen, die sich in der Größenordnung des vorliegenden Falles bewegen (Kapazität: 1500 Teilnehmer). Bei deutlich größeren Veranstaltungen (z.B. Konzerte in Fußballstadien oder große Musikfestivals mit zig-tausenden von Besuchern) wird dies anders zu beurteilen sein.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des AGG aufzustellen. Es handelt sich bei dem vorliegenden Fall um einen verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalt, für den richtungweisende Orientierungshilfe fehlt. Abgesehen von der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.04.2019 (I ZR 272/15) gibt es hierzu keine einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.12.2011 (Az. 10 U 106/11) betrifft eine andere Fallgestaltung. Im dort entschiedenen Fall ging es um den Zutritt zu einer Diskothek, die – nach der Entscheidung des Betreibers – grundsätzlich jedem Interessenten offen stehen sollte. Das ist im hier entschiedenen Fall anders.


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