IT- und Medienrecht

Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Gerichtsvollzieher, Hinterlegung, Vorabentscheidung, Zwangsvollstreckung, Erinnerung, Widerspruch, Verwaltungsverfahren, Vollstreckung, Zwangsvollstreckungsverfahren, Anscheinsbeweis, Wiederaufgreifen, Aussetzung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens, Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  AN 6 K 19.01893

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2262
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 BvR 168/20 2020-02-10 BVERFG BVerfG Karlsruhe

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Gericht konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da mit der Ladung darauf hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der Einzelrichter sieht sich nicht durch den neuerlichen Befangenheitsantrag des Klägers vom 10. Februar 2020 (eingegangen bei Gericht am 11.2.2020) gegen den Berichterstatter und durch den Aussetzungsantrag gehindert über die Klage vom 29. September 2019 zu entscheiden. Die vom Kläger im Schreiben vom 10. Februar 2020 vorgetragenen Gründe sind unter keinen denkbaren Gesichtspunkten geeignet eine Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters zu begründen. Weder hat der Einzelrichter in den vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt noch kann alleine die Abweisung früherer Klagen oder die Ablehnung früherer Eilanträge durch die Kammer, in der der Einzelrichter mitgewirkt hat, oder durch den Einzelrichter als Berichterstatter selbst, ohne Bezugnahme auf die Begründung dieser Entscheidungen, die Besorgnis der Befangenheit begründen. Damit wird der gesetzeswidrige, das Instrument der Richterablehnung missbrauchende, Einsatz dieses Rechts erkennbar. Der Antrag erweist sich daher als offensichtlich rechtsmissbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ist daher unbeachtlich (BVerwG vom 14.11.2012 -2 KSt 1/11, U.v. 5.12.1975 – BVerwG 6 C 129.74 – BVerwGE 50, 36 ff., B.v. 24. Januar 1973 – BVerwG 3 CB 123.71).
Mit Schreiben des Gerichts vom 12. Februar 2020 wurde der Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass der erneute unzulässige Befangenheitsantrag unberücksichtigt bleiben wird. Der Kläger wurde ordnungsgemäß und rechtzeitig zur mündlichen Verhandlung geladen, er hatte hier Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht.
Der Klageantrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und Aufhebung der Festsetzungsbescheide bleibt ohne Erfolg.
Die Klage ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Bescheide bereits unzulässig, soweit der Kläger keinen Widerspruch gegen die Bescheide (vom 2.3.2015, 1.4.2015, 2.7.2015, 2.10.2015 und 1.12.2015) erhoben hat oder gegen den Festsetzungsbescheid vom 3. Mai 209 den Widerspruch vom 15. Oktober 2019 erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist des § 70 VwGO erhoben hat. Insoweit stellt sich die Klage wegen Versäumnis der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO als unzulässig dar. Die Festsetzungsbescheide sind insoweit bestandskräftig geworden. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich.
Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind nicht ersichtlich, insbesondere kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe die Bescheide nicht erhalten.
Der Beklagte kann sich entgegen der Auffassung des Klägers auf eine erfolgte hinreichende Bekanntgabe der Feststellungsbescheide an ihn mit dem dritten Tag nach der – in der History dokumentierten – Aufgabe zur Post (vgl. Art. 17 Abs. 2 VwZVG) berufen.
Der Beklagte kommt seiner insoweit bestehenden Beweispflicht zwar nicht schon mit der allgemeinen Berufung auf die Zulässigkeit einer (kostensparenden) formlosen Übermittlung von Rundfunkgebührenbescheiden nach. Die Behörde kann aber ihrer Beweispflicht im Streitfall auch nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger das Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. etwa BayVGH, B.v. 6.7.2007 – 7 CE 07.1151 – juris Rn. 8 m.w.N.; bestätigt durch BayVGH, B.v. 11.5.2011 – 7 C 11.232 – juris Rn. 2). Zutreffend macht der Beklagte dem Kläger gegenüber geltend, dass nach dem vorgelegten Auszug aus der History-Aufstellung zu dem entsprechenden, elektronisch geführten Beitragskonto unter anderem sieben Beitragsfestsetzungsbescheide nachweislich an die zutreffende Adresse versandt worden sind, ohne dass auch nur einer der Briefe als unzustellbar zurückgekommen wäre. Schon angesichts der Vielzahl der Schreiben erscheint es völlig lebensfremd, dass sämtliche Sendungen des Bayerischen Rundfunks bzw. des für ihn tätigen ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten. Solche für einen Zugang sprechende Tatsachen sind hier ersichtlich gegeben.
Der Kläger bestreitet den Erhalt jeglicher Schreiben bezüglich seiner ab dem 1. Januar 2013 bestehenden Rundfunkbeitragspflicht zur Beitragsnummer …, also hier für einen Zeitraum von über vier Jahren (März 2015 bis Mai 2019). Der Kläger konnte keine, einem Anscheinsbeweis entgegenstehenden, Umstände aufzeigen. Vielmehr hat er gegen Bescheide vom 1. August 2017, 18. Mai 2017 und 25. Mai 2017 sowie gegen den Bescheid vom 3. Mai 2019 – hier allerdings verspätet – Rechtsbehelfe erhoben, die Bescheide also entgegen seiner Behauptung im Schreiben vom 29. September 2019 („Es sind keine zugestellt worden“) erhalten.
Soweit im Falle des Bescheides vom 1. August 2017 wegen fristgerechten Widerspruchs keine Bestandskraft eingetreten ist, ist die Klage als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist zweifellos auch im maßgeblichen Zeitpunkt vom Dezember 2015 bis Februar 2016 Inhaber der Wohnung in der … gewesen, hat auch in diesem Zeitraum nicht die Voraussetzungen einer Rundfunkbeitragsbefreiung wegen eines besonderen Härtefalls (er wird nicht in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt, dies wurde rechtskräftig festgestellt im Verfahren AN 6 K 17.01041) erfüllt und er hat auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer Rundfunkbeitragsbefreiung (§ 4 RBStV) nicht nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Entscheidung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat der Kläger daher eine Vollstreckung von öffentlichen Abgaben wie dem Rundfunkbeitrag selbst dann hinzunehmen, wenn der Verfahrensausgang im Widerspruchsverfahren bzw. Klageverfahren als offen zu beurteilen wäre. Die in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gesetzlich generell bestimmte sofortige Vollziehbarkeit würde ihren Zweck nämlich nicht erreichen, wenn die aufschiebende Wirkung schon bei offenem Verfahrensausgang angeordnet werden müsste. Nach der gesetzlichen Wertung soll nämlich das Vollziehungsrisiko bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten beim Bürger und nicht bei der Verwaltung liegen. Einem Abgabenschuldner ist es bei offenem Verfahrensausgang regelmäßig zuzumuten, die Abgabe zunächst zu begleichen und sein Begehren im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen, falls in seinem Fall nicht ausnahmsweise eine besondere Härte – für deren Vorliegen hier indes nichts spricht – gegeben ist (vgl. dazu den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 4.2.2015 – 2 S 2436/14 -).
Zudem liegt im vorliegenden Fall ein offener Verfahrensausgang keinesfalls vor. Die angegriffenen Festsetzungsbescheide sind ohne Zweifel rechtmäßig und waren auch vollstreckbar.
Demgegenüber hat der Kläger im Verfahren Tatbestände, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens trotz Bestandskraft rechtfertigen können nicht vorgetragen und solche sind auch nicht ersichtlich.
Weder hat sich die den Festsetzungsbescheiden zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich geändert, noch liegen Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO vor und es wurden auch keine neuen Beweismittel vorgelegt, die eine den Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Die mit der Vollstreckung beanspruchten Rundfunkbeiträge wurden vom Kläger zudem auch zwischenzeitlich nicht bezahlt (Art. 22 Nr. 3 BayVwZVG).
Wie schon im Beschluss vom 8. Januar 2020 ausführlich dargestellt wurde, sind die der Vollstreckung zu Grunde liegenden Festsetzungsbescheide entweder bestandskräftig geworden oder dürfen vom Beklagten gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO trotz Widerspruch oder Klage vollstreckt werden. Die aufschiebende Wirkung wurde insoweit nicht angeordnet. Die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen in Höhe von monatlich 17,50 EUR stellt auch keine unbillige, besondere Härte dar. Dass der Kläger die Aufforderung des Beklagten, Rundfunkbeiträge zu zahlen, über einen längeren Zeitraum missachtet hat, und deshalb ein größerer Betrag aufgelaufen ist, führt rechtlich nicht dazu, dass nach einer gewissen Zeit ein „Vollstreckungshindernis“ entsteht. Nach der gesetzlichen Wertung soll nämlich das Vollziehungsrisiko bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten beim Bürger und nicht bei der Verwaltung liegen. Einem Abgabenschuldner ist es bei offenem Verfahrensausgang regelmäßig zuzumuten, die Abgabe zunächst zu begleichen und sein Begehren im Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen, falls in seinem Fall nicht ausnahmsweise eine besondere Härte – für deren Vorliegen hier indes nichts spricht – gegeben ist (vgl. dazu den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 4.2.2015 – 2 S 2436/14).
Soweit sich der Kläger nunmehr auch darauf beruft, er könne sich den Rundfunkbeitrag nicht leisten, ist er auf einen Befreiungsantrag aus wirtschaftlichen Gründen nach § 4 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) zu verweisen. Bisher wurden die Voraussetzungen des § 4 RBStV nicht nachgewiesen. Ein besonderer Härtefall wegen eines Verstoßes gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit liegt nicht vor (Urteil des VG Ansbach vom 28.2.2018; Beschluss des BayVGH vom 24.9.2019).
Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass die Rundfunkbeitragsbescheide nicht an formellen Fehlern leiden, die etwa sogar zu ihrer Nichtigkeit führen. Die Bescheide sind nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte als die den jeweiligen Bescheid erlassende Stelle ohne weiteres erkennbar. Die Erledigung von Verwaltungsaufgaben des Beklagten durch den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (Beitragsservice) ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 10 Abs. 7 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) i.V.m. § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung. Die Bescheide leiden auch nicht deshalb an einem Mangel, weil sie nicht unterschrieben sind. Zwar bestimmt Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, dass das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für die Anstalt des öffentlichen Rechts „Bayerischer Rundfunk“ gilt, trotzdem finden aber die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts auch auf die Tätigkeit des Beklagten Anwendung. Die Festsetzungsbescheide enthalten gem. Art. 37 Abs. 5 BayVwVfG analog zulässigerweise den Hinweis, dass sie maschinell erstellt worden sind und deshalb keine Unterschrift tragen. In Anbetracht der Tatsache, dass es gerade in Massenverfahren wie demjenigen der Rundfunkbeiträge ohne enormen Verwaltungsaufwand kaum noch möglich wäre, jeden einzelnen Bescheid unterschreiben zu lassen, gebietet es der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung, die bestehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Verwaltungsaufwand und die Kosten möglichst gering zu halten (VG München vom 20.10.2016 – M 26 S 16.4279).
Der Beklagte war gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) auch berechtigt, Säumniszuschläge festzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV ist die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, die Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Nach § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung wird ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,- EUR fällig und zusammen mit dem Beitragsbescheid festgesetzt, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Der Kläger hat vorliegend die nach § 7 Abs. 3 RBStV fälligen Rundfunkbeiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht entrichtet.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht, da die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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