IT- und Medienrecht

Bescheid, Fahrzeug, Sittenwidrigkeit, Rechtsanwaltskosten, Kenntnis, Feststellung, Schaden, Leistung, Zeitpunkt, sittenwidrig, Klage, Festsetzung, Anspruch, Bewertung, arglistiges Verschweigen, nicht ausreichend

Aktenzeichen  24 O 327/20

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24341
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Dem Kläger stellen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
Auch wenn man aufgrund der Feststellungen des KBA eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegend grundsätzlich bejahen kann, scheitert ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 826 BGB in jedem Fall an fehlendem Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen einer Haftung. Etwaige vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) sind bereits verjährt.
I.
Der Kläger konnte ein sittenwidriges Verhalten der Beklagte zu 1) nicht ausreichend darlegen. Demnach besteht bereits aus diesem Grund der Anspruch gemäß § 826 BGB nicht. Weitere Anspruchsgrundlagen gegen die Beklagte zu 1) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten zu 1) erworben.
1. Sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter gemäß umfassender Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. statt aller BGH, NJW 2019, 2164 [2165] oder NJW 2017, 250 [252]). Bei der Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, um die Bewertung des Verhaltens als verwerflich zu rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, NJW 2017, 250 [252]); insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, NJW 2019, 2164 [2165] m.w.N.).
2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Motor nicht selbst entwickelt, sondern lediglich … zugekauft hat. Dass Mitarbeiter der Beklagten zu 1) – im Zeitpunkt des Inverkehrsbringens des Fahrzeugs im Jahr 2015 – Kenntnis von im Motor verbauten (unzulässigen) Abschalteinrichtungen hatten, ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht hinreichend konkret. Der Kläger behauptet letztlich pauschal, die Beklagten hätten von den Vorgängen „klipp und klar“ Bescheid gewusst. Es sei anzunehmen, dass eine rege Zusammenarbeit und ein reger Informationsaustausch stattgefunden hätten. Was der Kläger konkret mit diesem Vortrag meint, erläutert er nicht. Im Übrigen wäre selbst bei ausreichendem Vortrag des Klägers diesbezüglich davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) einer etwaigen sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen wäre. Denn sie hat substantiierten Vortrag zu den Umständen der durch die … vermittelten Kenntniserlangung von Auffälligkeiten respektive der Unzulässigkeit der Motorsteuerung geleistet. Es wäre vor diesem Hintergrund, eine sekundäre Darlegungslast unterstellt, erneut Sache des Klägers, sich mit diesen Ausführungen dezidiert zu befassen und darzulegen, dass und wodurch welche für die Beklagte handelnde Person schon früher Kenntnis hatte, woran es aber – abgesehen von Behauptungen „ins Blaue hinein“ – fehlt (vgl. hierzu auch OLG Bamberg, Urt. V. 17.12.2020 – 1 U 8/20 – BeckRS 2020, 39666). Für ein allenfalls fahrlässiges Verhalten spricht auch der gegen die Beklagte ergangene Bußgeldbescheid vom 07.05.2019 der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Danach wird zwar der Beklagten eine Mitverantwortung für den Einbau der mangelhaften, von der … entwickelten und hergestellten Motoren zugewiesen. Es wird dabei aber lediglich die fahrlässige Verletzung von Aufsichtspflichten in einer Abteilung des Entwicklungsbereichs der Beklagten festgestellt und kein vorsätzliches Handeln (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.).
3. Zu einem anderen Ergebnis gelangt das Gericht auch dann nicht, wenn man auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Abgasskandals und hierbei insbesondere die Zeit vor Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs abstellt. Die Beklagte zu 1) hat im Rahmen der Klageerwiderung nachvollziehbar dargelegt, dass bis in den Juni 2017 entsprechend von der … gegenüber der Beklagten zu 1) versichert worden sei, dass der Porsche Cayenne Diesel V 6 EU 6 frei von unzulässigen Abschalteinrichtungen sei. Zudem legte die Beklagte zu 1) dar, inwiefern sie diese Aussagen durch interne Sachverhaltsermittlungen überprüfen ließ. Im Übrigen würde ein (unterstellt) ungenügendes bzw. unsorgfältiges Ermitteln nicht zu einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte zu 1) führen (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 28.10.2020 – 8 U 273/19 – BeckRS 2020, 32269). Letztlich ist der Kläger auch hier dem substantiierten Vorbringen der Beklagten zu 1) nicht ausreichend entgegengetreten. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf den Umstand, dass das KBA eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der Beklagten sowie hinsichtlich eines möglicherweise sittenwidrigen Verhaltens stellt er pauschale Behauptungen auf, ohne diese in irgendeiner Weise zu konkretisieren.
4. Soweit der Kläger auf einen (möglichen) regen Informationsaustausch und eine enge Abstimmung Bezug nimmt, ist auch das Oberlandesgericht Bamberg der Auffassung, dass Arbeitsteilung nicht den üblichen Abläufen in Konzernen widerspricht, sondern sie ist gerade essentieller Teil der Zusammenarbeit (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 28.10.2020 – 8 U 273/19 – BeckRS 2020, 32269). Demnach ist ein hinreichender klägerischer Vortrag auch nicht darin zu sehen, dass man bei realistischer Betrachtungsweise von einer intensiven Zusammenarbeit ausgehen müsse.
Die vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlungen zitierten Urteile des OLG München betreffen – anders als die hier zitierten Urteile des OLG Bamberg – nicht das Verhältnis zwischen der hiesigen Beklagten zu 1) und der … und haben zudem andere Motoren zum Gegenstand. Sie sind daher nicht übertragbar.
II.
Etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus Gewährleistungsrecht sind zumindest verjährt.
1. Die vorliegenden Mängelansprüche verjähren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Jahren nach Ablieferung der Sache. Die Ablieferung der Sache war vorliegend bereits am 13.06.2017, Klageerhebung erst am 30.04.2020. Demnach ist Verjährung bereits eingetreten.
2. § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB greift vorliegend nicht, der Kläger hat ein arglistiges Verschweigen eines Mangels nicht hinreichend konkret vorgetragen. Zunächst wird auf die obigen Verfügungen Bezug genommen. Wenn schon der Beklagten zu 1) grundsätzlich nicht vorgeworfen werden kann, von etwaigen Abschalteinrichtungen keine Kenntnis gehabt zu haben, gilt dies erst Recht für die Beklagte zu 2) als Autohaus. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich auch nicht hinreichend, inwiefern die Beklagte zu 2) im Zeitpunkt des Kaufvertrages am 13.06.2017 entsprechende Kenntnis gehabt haben muss. Der Kläger behauptet pauschal, auch die Beklagte zu 2) habe Bescheid gewusst. Aus seinem Vortrag im Rahmen der Klageschrift ergibt sich allerdings, dass die entsprechende Veröffentlichung durch das KBA erst am … erfolgt ist (vgl. S. 5 der Klageschrift, Anlage K 3). Inwiefern die Beklagte zu 2) spätestens nach Bekanntwerden des Abgasskandals um die … gewusst haben muss, dass auch der streitgegenständliche Porsche über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge (s. 6 der Klageschrift), erschließt sich dem Gericht nicht. Weitere Vortrag diesbezüglich ist nicht erfolgt. Im Schriftsatz vom 03.02.2021 trägt der Kläger erneut pauschal vor, er gehe davon aus, dass die Beklagte zu 2) bei Übergabe des Fahrzeugs Bescheid gewusst habe. Woran er dies fest macht oder woraus sich diese Annahme ergeben soll, legt der Kläger nicht dar.
III.
Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus § 826 BGB ist nicht ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
IV.
Mangels Anspruch in der Hauptsache kann der Kläger auch nicht die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
B.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.
C.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 63 Abs. 2, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.


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