IT- und Medienrecht

Beschränkung der Benutzungspflicht einer öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung – landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb

Aktenzeichen  B 4 K 15.251

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149118
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AVBWasserV § 3, § 35
BayGO Art. 24
WAS § 7
GO Art. 24

 

Leitsatz

1. Ein aus Gründen der Volksgesundheit für den Trinkwasserbedarf nach Landesrecht gerechtfertigter Benutzungszwang kann nur dann ganz oder teilweise auf den Brauchwasserbereich erstreckt werden, wenn entweder für eine solche Erstreckung ebenfalls Gründe der Volksgesundheit sprechen oder wenn die Trinkwasserversorgung selbst hiervon abhängt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 1 WAS soll das Allgemeininteresse an einer möglichst kostengünstigen, zu weitgehend gleichen Bedingungen erfolgenden und im Sinne der Volksgesundheit sicheren Wasserversorgung mit den Individualinteressen der einzelnen Verbraucher an einer Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse zum Ausgleich gebracht werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus § 7 Abs. 1 S. 1 WAS ergibt sich bei Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch auf entsprechende Teilbefreiung und nicht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 01.04.2015 verpflichtet, den Wasserbezug des Klägers aus der öffentlichen Wasserversorgung auf den Wasserbezug für das Wohnhaus und die Reinigung der Melkanlage zu beschränken.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2015 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil er rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der Kläger hat Anspruch auf Beschränkung der Pflicht zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung in dem von ihm beantragten Umfang. Deshalb war gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Verpflichtung der Beklagten wie in Ziffer 1 des Tenors auszusprechen.
Grundlage für das Beschränkungsbegehren des Klägers ist § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS der Beklagten vom 08.12.2011. Nach dieser Norm wird die Benutzungspflicht auf Antrag auf einen bestimmten Verbrauchszweck oder Teilbedarf beschränkt, soweit das für die öffentliche Wasserversorgung wirtschaftlich zumutbar ist und andere Rechtsvorschriften oder Gründe der Volksgesundheit nicht entgegenstehen. Mit dieser Regelung hat der Satzungsgeber den nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO angeordneten, prinzipiell umfassenden Benutzungszwang an die bundesrechtliche Vorgabe des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 35 Abs. 1 AVBWasserV (VO über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser v. 20.6.1980, BGBl I S. 750, ber. S. 1067) angepasst. Nach § 35 Abs. 1 AVBWasserV sind Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten. Nach der damit entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 3 Abs. 1 AVBWasserV hat das Versorgungsunternehmen dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Soweit Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO die Gemeinden ermächtigt, aus Gründen der Volksgesundheit einen Anschluss- und Benutzungszwang vorzuschreiben, darf § 3 Abs. 1 AVBWasserV nicht in einer Weise angewandt werden, dass der Benutzungszwang praktisch leerlaufen würde. Es kommt daher maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an, inwieweit eine Beschränkung eine ernstliche Gefährdung der Volksgesundheit zur Folge hätte (BVerwG, B. v. 24.01.1986 – 7 CB 51/85, juris Rn. 3). Demgemäß kann ein aus Gründen der Volksgesundheit für den Trinkwasserbedarf nach Landesrecht gerechtfertigter Benutzungszwang auf den Brauchwasserbereich ganz oder teilweise nur dann erstreckt werden, wenn entweder für eine solche Erstreckung ebenfalls Gründe der Volksgesundheit sprechen oder wenn die Trinkwasserversorgung selbst hiervon abhängt – sei es, weil erst auf diese Weise die erforderlichen Durchsatzmengen gewonnen werden können, sei es, weil eine nur das Trinkwasser betreffende Versorgung den Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren verlässt, weil sie die finanziellen Kapazitäten des Versorgungsträgers überfordert oder zu erträglichen Preisen nicht möglich ist (BVerwG, U. v. 11.04.1986 – 7 C 50/83, juris Rn. 11).
Mit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS soll das Allgemeininteresse an einer möglichst kostengünstigen, zu weitgehend gleichen Bedingungen erfolgenden und im Sinne der Volksgesundheit sicheren Wasserversorgung mit den Individualinteressen der einzelnen Verbraucher an einer Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse zum Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG, B.v. 02.11.1981 – 2 BvR 671/81 – NVwZ 1982, 306/308; BVerwG, U.v. 11.04.1986 – 7 C 50.83 – NVwZ 1986, 754/755). Da die von der Satzung ermöglichte Beschränkung des Benutzungszwangs eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt, mit der im Einzelfall auftretende Härten abgemildert werden können, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS für die einzelnen Antragsteller bei Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch auf entsprechende Teilbefreiung und nicht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BayVGH, U.v. 26.04.2007 – 4 BV 05.1037 – DÖV 2007, 935). Maßgebend für die Prüfung dieses Anspruchs sind, da es um eine Beschränkung des Benutzungszwangs für die Zukunft geht, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Gerichtsverfahren (BayVGH, U.v. 03.04.2014 – 4 B 13.2455, juris Rn. 20).
Der Kläger erstrebt mit seinem Antrag eine Beschränkung des Benutzungszwangs auf einen „bestimmten Verwendungszweck oder Teilbedarf“ im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS, nämlich wie in der mündlichen Verhandlung beantragt, hinsichtlich des (Trink) Wasserbezugs für das Wohnhaus und die Reinigung der Melkanlage. Diesen Wasserbedarf in der Größenordnung von ca. 500 m³ will er weiter aus der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung beziehen. Dagegen soll der (Brauch) Wasserbedarf für das Tränken der Tiere, das Reinigen der Ställe und der Maschinen sowie für den Pflanzenschutz (ca. 4.000 m³) aus einer noch zu errichtenden eigenen Wasserversorgungseinrichtung bezogen werden.
Der Beklagte räumt ein, dass wirtschaftliche Gründe dem Beschränkungsbegehren nicht entgegenstehen, da sich eine um 4.000 m³ reduzierte Verbrauchsmenge angesichts der Größe des Verbandsgebiets auf die von den Verbrauchern zu entrichtende Wassergebühr nicht merklich auswirken würde. Er macht ausschließlich Gründe der Volksgesundheit für die „Inselversorgungslage …“ geltend, weil sich bei einer jährlichen Wasserabgabemenge von ca. 11.500 m³ (Durchschnitt aus den Jahren 2012 bis 2016) und einer Reduzierung um 4.000 m³ eine erhöhte Verkeimungsgefahr ergebe.
Aus den vorgelegten Gutachten des Dipl. Ing. (FH) … vom 06.08.2014 und 19.10.2016 geht hervor, dass die Wasserversorgung der ca. 190 Einwohner von … über zwei oberflächennahe Quellen erfolgt. Das Wasser wird nach einer Filterung in einer UV-Desinfektionsanlage behandelt und in einem Hochbehälter von 2 x 50 m³ Nutzinhalt gespeichert. Der durchschnittliche tägliche Wasserverbrauch des Ortsteils beträgt bei unbeschränkter Benutzungspflicht des Klägers 31,5 m³/Tag, bei eingeschränkter Benutzungspflicht 20,5 m³/Tag. Unter Berücksichtigung eines Rohrnetzinhalts von 16,65 m³ wird die nötige Mindestfließgeschwindigkeit im Rohrnetz und damit einhergehend der empfohlene tägliche Austausch des Rohrnetzinhalts sowohl mit als auch ohne die vom Kläger beantragte Beschränkung des Wasserbezugs eingehalten (Rohrnetzaustausch 1,2 x bzw. 1,9 x täglich). Problematisch ist die zu niedrige Austauschrate im Hochbehälter, die bei voller Abnahmepflicht des Klägers bereits bei 3,17 Tagen liegt und sich bei beschränkter Abnahmepflicht auf 4,88 Tage erhöht, was vom Gutachter als kritisch beurteilt wird. Denkbar wäre nach seiner Einschätzung bei sich verschlechternder Wasserqualität, das Speichervolumen zu verringern, um höhere Durchlaufquoten zu erzielen. Dies würde aber zu Lasten des Feuerlöschschutzes gehen.
Allein die schon trotz voller Wasserabnahme des Klägers 3-fach überschrittene Verweildauer des Wassers in dem für den örtlichen Trinkwasserbedarf zu groß dimensionierten Hochbehälter zeigt, dass die Wasserversorgungsanlage … einer Sanierung bzw. Neukonzipierung bedürfte, wenn der Beklagte seiner Verpflichtung, einwandfreies Trinkwasser zu liefern, nachkommen will. Dies gilt unabhängig vom Beschränkungsantrag des Klägers. Es trifft zwar zu, dass sich die ohnehin prekäre Lage durch einen Wegfall von ca. 35% der Gesamtabnahmemenge die Verweildauer im Hochbehälter um etwa 2 Tage erhöht – somit auch das Verkeimungsrisiko. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass sich nur durch die Investition des Klägers in einen Milchviehstall mit einer um ca. 2.500 m³ höheren Abnahmemenge die Verweildauer im Hochbehälter auf drei Tage verringert hat. Auf der Basis seiner früheren Abnahmemenge von ca. 2.300 m³ (Durchschnitt aus 2010/11) betrug die Verweildauer fast 4 Tage.
Durch die Versagung des Beschränkungsantrags wird die wirtschaftliche Last für den Fortbestand einer sanierungsträchtigen Kleinstwasserversorgungseinrichtung dem Kläger aufgebürdet. Dies entspricht nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Mittlerweile hat der Zweckverband dem Problem des keimanfälligen Wassers aus den oberflächennahen Quellen, dem Erfordernis der Sanierung von Quellhaus und Quellfassung sowie eines Neubaus des aus den 50er Jahren stammenden Hochbehälters von sich aus – ohne das Ergebnis dieses Rechtsstreits abzuwarten – Rechnung getragen, indem er Anfang Dezember 2016 beschlossen hat, eine fünf Kilometer lange Ringleitung von … über … nach … zu bauen, so dass … an die Wasserversorgung der … angeschlossen werden kann (Bericht im … vom … Dezember 2016). Derartige Pläne soll es schon seit 1992 gegeben haben; sie sollen vom Ingenieurbüro 2006 erneut empfohlen worden sein.
Mit dieser Entscheidung sind nun die Weichen gestellt, dass in Zukunft eine unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit sichere Trinkwasserversorgung gewährleistet ist, ohne dass es aufwändiger Sanierungsmaßnahmen an der ohnehin anfälligen und auf Dauer kaum zu erhaltenden „Insellösung“ mehr bedarf. Unter diesen Umständen kann dem Kläger umso weniger entgegengehalten werden, dass die beantragte Beschränkung der Benutzungspflicht aus Gründen der Volksgesundheit versagt werden muss.
Dem Klagebegehren war daher statt zu geben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.


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